In den meisten Bundes­ländern sind die Sommer­ferien bereits einge­läutet oder stehen kurz bevor. Für viele bedeutet das: endlich Gelegenheit für eine Auszeit mit der Familie. Damit Ihnen die langen Abende aber nicht allzu langweilig werden, möchte ich mit Ihnen über die kommenden Wochen kurz Revue passieren lassen: Wie ist die aktuelle Situation in der Branche der Finanz­dienst­leister, woraus hat sich diese entwi­ckelt und wie wird die Zukunft aussehen?

Keine Sorge: Das hier ist keine wissen­schaft­liche Abhandlung, sondern Urlaubs­lektüre mit Mehrwert für Inter­es­sierte. Deshalb ist unser gemein­samer Blick in die Vergan­genheit auch absichtlich verein­facht darge­stellt: Wichtig ist lediglich, dass Sie einen Eindruck davon bekommen, wie wir am aktuellen Status quo angekommen sind und wie sich diese Entwicklung auch aus Sicht eines Unter­nehmers darstellt.

Vor 12 Jahren – Krisenstimmung

2007 – wer erinnert sich nicht? Facebook (damals noch vor allem unter Studenten beliebt) feierte gerade dreijäh­rigen Geburtstag und Apple begann den bis heute anhal­tenden Siegeszug des iPhones mit dem aller­ersten Modell. Doch es war auch der Zeitpunkt, als das inter­na­tionale Banken­system zu wanken begann.

Die Krise, die damals von den berüch­tigten „Subprime Mortgages“ in den USA angestoßen wurde, erreichte insbe­sondere regional aufge­stellte Insti­tuts­gruppen in Deutschland langsamer oder mit weniger Wucht: Diese Institute hatten die Krise kommen gesehen oder profi­tierten einfach davon, dass sich ihre Auswir­kungen nur langsam auf dem regio­nalen Markt bemerkbar machten. Die Noten­banken reagierten damals, indem sie den Markt mit Geld fluteten, um des Problems Herr zu werden. Dadurch verlor Bargeld jedoch immer weiter an Wert – die Anlagen­märkte wurden schwer in Mitlei­den­schaft gezogen.

Die Reaktion auf Bankenseite

Auch in Deutschland waren es die Treasury-Abtei­lungen der Banken, Sparkassen und Volks­banken, die als erste auf die Entwicklung reagierten: Der Treasurer ging also zu seinem Vorge­setzten und sagte: Wir haben Probleme mit ersten Wieder­an­lagen. Die Vorge­setzten beschlossen daraufhin, einer­seits laufende Kosten zu senken und anderer­seits kurzfristige Anlagen mit Flexi­bi­lität zu nutzen. Sie waren sich sicher: So könnte die Bank wieder problemlos mitspielen, sobald die Zinsen wieder steigen würden.

Viele Banken gingen damals fest davon aus, dass sich die Zinsen bald wieder erholen würden – doch diese blieben konstant niedrig. Die Depot-A-Manager erwirt­schaf­teten deshalb weniger Ertrag als bislang und es wurde beschlossen, den Negativ­effekt der gerin­geren Wieder­an­lagen auf andere Weise auszu­gleichen: Von nun an wurden massiv Kosten einge­spart. Insbe­sondere Sachkosten, aber auch Budgets für Marketing, Weiter­bil­dungen und ähnliche Ausgaben wurden stärker und stärker gekürzt – immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass der niedrige Zins nicht mehr viel länger anhalten würde.

Auch hier hat man sich vertan: Das Zinsniveau blieb nicht nur niedrig, es wurde durch weitere massive Zinssen­kungen der Noten­banken auf fast „0“ reduziert und auch die nächsten Wieder­an­lagen litten unter demselben Problem. Schließlich begriffen die ersten großen Banken: Es musste von einem Worst-Case-Szenario ausge­gangen werden. Die Vorstände senkten interne Kosten, wo sie nur konnten: Projekte wurden einge­froren, die Zusam­men­arbeit mit vielen externen Beratern beendet. Auch am Personal wurde gespart: Gab es Kündi­gungen oder gingen Mitar­beiter in Rente, wurden ihre Posten häufig gar nicht neu besetzt – die verblei­benden Kollegen mussten den gleich­blei­benden Arbeits­aufwand stemmen.

Der Worst Case vom Worst Case

Dieser extreme Sparkurs zeigte etwas Wirkung, doch diese war zu gering und kurzlebig. Und irgendwann waren alle schnellen, leicht umsetz­baren und kurzfris­tigen Sparop­tionen ausge­reizt. Die Vorstände versuchten nun, die Vertriebs­ma­schi­nerie zu verstärken. Dazu wurden Vertriebs­trai­nings anberaumt und die Mitar­beiter wurden dazu ermuntert, noch näher am Kunden zu arbeiten, um zusätz­liche Abschlüsse zu erzielen. Auch der Erfolg dieser Maßnahmen konnte nicht ewig währen.

Irgendwann stellten die Depot-A-Manager fest, dass bald alle Wieder­an­lagen wegbrechen würden – das wäre der Super-GAU gewesen. Die Gegen­maß­nahmen wurden daraufhin immer extremer: Wo immer Geld zu machen war, musste in die Bresche gesprungen werden, um Kunden zu reakti­vieren. Doch im Perso­nal­be­reich kamen jetzt bereits auf eine bisherige 10-Personen-Abteilung lediglich noch 6 Personen, die ihre Prozesse immer weiter optimieren mussten.

Umschwenken

Im Rahmen dieser Prozess­op­ti­mierung wurde festge­stellt: Weiteres Geschäft lässt sich in der aktuellen Situation nur noch im Firmen­kun­den­be­reich machen. „Cross-Selling“ war auf einmal das Zauberwort, der Verkauf weiterer Produkte und Dienst­leis­tungen an bestehende Kunden. Aus heutiger Sicht ist es mehr als ironisch, dass dabei in vielen Banken die Optionen des Private Bankings und Vermö­gens­ma­nage­ments kaum Beachtung gefunden haben.

Das Firmen­kun­den­ge­schäft in Deutschland war damals noch klar aufge­teilt, jede Bank kannte ihren Platz auf dem Markt. Bis der Vorstands­vor­sit­zende eines großen Instituts einen Plan schmiedete: Die Angebote seiner Firmen­kun­den­be­ratung sollten niedriger angesetzt werden, um damit in das System anderer Banken­gruppen einzu­dringen. So sollten Kunden abgeworben werden. In der Finanzwelt war das Vorgehen dieses Instituts durchaus umstritten: Zu Beginn dieses Markt­ein­tritts weigerten sich die in diesem Segment etablierten Institute bei diesen – den Kunden real vorlie­genden – Angeboten mitzu­gehen. Für viele Vorstände waren die Kondi­tionen einfach nicht zu akzep­tieren. Und so mussten viele Banken in dieser Zeit Kunden einfach gehen lassen, damit sie ihre Preise stabil halten konnten, während der „neue“ Markt­spieler Dumping­preise etablieren und sich diese auch leisten konnte.

Der Markt wird zum Käufermarkt

Für die Unter­nehmer war dies der Anbruch einer goldenen Zeit, denn bald mussten auch die anderen Institute dem neuen Preis­modell folgen – während die Zinsen auf sehr niedrigem Stand stehen blieben.

Für die Institute und deren Mitar­beiter waren dies jedoch keine erfreu­lichen Zeiten, denn die Margen wurden immer kleiner, was das niedrige Zinsniveau zu einem immer ernsteren Problem werden ließ. An den Perso­nal­kosten wurde während­dessen weiter einge­spart und gleich­zeitig der Vertriebs­druck erhöht. Und Abschlüsse konnten praktisch nur noch zu Niedrigst­preisen erzielt werden.

Keine Neuig­keiten auf der Private-Banking-Ebene

Im Private Banking für Unter­neh­mer­kunden mit seinen verein­zelten, dafür aber vermö­genden Kunden, änderte sich in diesem Zeitraum vergleichs­weise wenig. Die meisten Banken beschäf­tigten sich noch nicht gezielt mit diesem Insti­tuts­zweig. Doch einige Institute erkannten, dass das markt­weite Potenzial des schnellen Cross-Sellings aufgrund der plötz­lichen aggres­siven Vertriebs­me­thoden von allen Seiten immer weiter abnahm. Die Erkenntnis, dass das private Vermögen der Unter­nehmer bislang kaum ausrei­chend gemanagt wurde, ist gewis­ser­maßen die Geburts­stunde des profes­sio­nellen Private Bankings von heute.

Zum damaligen Zeitpunkt wurden Unter­nehmer meist noch von privaten Bankiers und freien Vermö­gens­be­ratern betreut. Banken, Sparkassen und Volks­banken bauten also in der Folgezeit verstärkt zusätz­liche Private-Banking-Kapazi­täten auf, um Erträge auch in diesem Bereich erwirt­schaften zu können. Eine Bank gründete sogar eine eigene Einheit zur ganzheit­lichen Beratung von Unter­nehmern – Firmen­kun­den­be­ratung und Private Banking in einem Geschäftsfeld, um besonders großvo­lumige Geschäfte abgreifen zu können. Es wundert kaum, dass durch diesen „Gold Rush“ erneut die Preise auf Dumping­niveau fielen und die Margen immer geringer ausfielen. Dieses Mal dann eben auch im Private Banking – einem Segment, in welchem bis dahin die Preise noch recht stabil waren.

Der Ist-Zustand

All dieser Konkur­renz­druck hat die aktuelle Finanzwelt funda­mental verändert. Und die Gesetz­gebung tat ihr Übriges. Risiken wurden neu bewertet und Produkte wurden, obwohl durch mehrere Finanz­in­stanzen geprüft und für rechtens befunden, rückwirkend verboten bzw. als steuer­schädlich eingestuft.

Dies alles hat dazu geführt, dass sich Finanz­pro­dukte und Dienst­leis­tungen heute weitest­gehend gleichen – zumindest aus Sicht der Unter­nehmer, die heute einen klassi­schen Käufer­markt sowie absolute Hoheit über Inves­ti­tionen genießen. Gleich­zeitig haben die meisten großen Institute, abgelenkt von der Krise, seit 2007 die Digita­li­sierung der Finanzwelt fast völlig verschlafen und müssen in diesem Bereich heute schnell nachbessern. Das kostet Geld, das aber aufgrund der sehr scharfen Regulie­rungs­richt­linien in das Eigen­ka­pital gelegt werden muss. Dies bedeutet einen riesigen Projekt­druck. Vor allem für kleinere Institute, bei denen in allen Projekten immer dieselben 5 bis 10 Personen invol­viert sind.

Neue Heraus­for­de­rungen

Die Verän­de­rungen auf dem Finanz­markt über die letzten 12 Jahre lassen sich mit einem brennenden Haus vergleichen, auf das zum Löschen immer mehr Wasser (Geld der Noten­banken) gesprüht wurde. Das Feuer wurde dadurch gebändigt, doch beim anschlie­ßenden Trocknen wurde nicht alle Feuch­tigkeit aus den Zwischen­wänden entfernt. Und heute wundern wir uns, warum die neuen Bewohner des Hauses so häufig krank werden – ohne zu ahnen, dass sich mittler­weile Schimmel kreuz und quer durch die Zwischen­wände zieht.

Und täglich zieht sich die Schlinge weiter zu. Unter anderem durch immer mehr neue gesetz­liche Regelungen, wie BASEL III, MiFID, WIKR und einige mehr. Dadurch müssen „schlechte“ Unter­nehmen aussor­tiert werden, um die Eigen­ka­pi­tal­richt­linien einzu­halten. Top-Unter­nehmer haben sich durch diese Situation jedoch noch besser aufstellen müssen – die Eigen­ka­pi­tal­quote der Firma musste gestärkt werden und der Cash-Flow wurde verbessert, wodurch sie plötzlich weniger Bankkredite benötigen.

Das heißt, die Regulie­rungs­be­hörden haben den Hebel zwar richtig angesetzt – Stärkung der Unter­nehmen – aber es kam, wie es kommen musste: Die Top-Unter­nehmen sind nun noch unabhän­giger von Banken und die „schlechten” Unter­nehmen haben es nicht geschafft. Und durch die verschärften Risiko­vergabe-Prozesse hat man sich als Bank von diesen Kunden getrennt, das Risiko zurück­ge­fahren oder neue von diesen „schlech­teren” Kunden gar nicht erst aufge­nommen. Das Kunden-Portfolio ist dadurch zwar deutlich quali­ta­tiver geworden, jedoch mit einem großen Problem: Man hat nun viele Kunden, die eigentlich keine Bank im klassi­schen Sinne mehr brauchen.

Gleich­zeitig besteht auf der privaten Seite kaum Inves­ti­ti­ons­in­teresse. Als einzige Ausnahme zählt hier das Immobi­li­en­ge­schäft, auf das immer mehr Banken dementspre­chend großen Wert legen. Das Risiko dieser Entwicklung, eines Tages durch ein wegfal­lendes Immobi­li­en­ge­schäft plötzlich „nackt in der Brandung zu stehen”, nimmt dadurch weiter zu.

Die Innen­sicht der Unternehmer

All diese Verän­de­rungen auf den natio­nalen und inter­na­tio­nalen Finanz­märkten haben natürlich auch die Unter­nehmer erkannt. Insbe­sondere kann man davon ausgehen, dass Familien­unternehmen und Unternehmer­familien die Entwicklung des Fokus von der Beratung über den Vertrieb bis hin zum Verkaufen genau beobachtet haben.

Die meisten Unter­nehmer empfinden diese Entwicklung auch nicht direkt als negativ – sie verkaufen selbst eigene Produkte und wissen, dass sich mit Beratung allein kaum ein Unter­nehmen langfristig über Wasser halten kann. Aller­dings stößt dieses Verständnis für die Situation der Banken an seine Grenzen, sobald der Verkaufs­druck als übertrieben empfunden wird. Deshalb ist es auch wenig hilfreich, bei Top-Unter­nehmern Zielmengen an quali­fi­zierten Gesprächen vorzu­geben. Das wird leicht als aufdringlich wahrge­nommen und der Unter­nehmer bekommt das Gefühl, Zeit zu vergeuden, die er in sein Kernge­schäft inves­tieren sollte.

Dementspre­chend sollte ein gutes Maß an Betreuung gefunden werden: weder zu häufige Gespräche (gerade bei langjäh­rigen Kunden mit mehreren Bankver­bin­dungen), noch zu selten.

Wo wir gerade stehen

Und so gelangen wir schließlich zum Status quo, in dem Unter­nehmer davon ausgehen können, dass sie durch das angesam­melte Eigen­ka­pital kaum Bankkredite benötigen werden – und falls der Fall doch einmal eintritt, können sie sich auf Dumping­preise freuen. Gleich­zeitig scheuen die Unter­nehmer Inves­ti­tionen außerhalb des Immobi­li­en­markts. Welche Impli­ka­tionen diese Situation auf das aktuelle Banken­ge­werbe sowie die Identität und Arbeits­weise der Institute hat, erfahren Sie im folgenden Artikel der Sommer­serie 2019.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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