Wenn wir erst einmal in der Hightech-Zukunft der kommenden Jahre angekommen sind, dann werden die Mitarbeiter in den Banken, Sparkassen und Volksbanken des Landes auf 2021 zurückblicken wie die Menschen des Industriezeitalters auf das Mittelalter. So – aber vielleicht etwas weniger zugespitzt – klingt es manchmal, wenn man sich anschaut, wie die Arbeit von morgen in der Öffentlichkeit besprochen wird. Gerade mit Blick auf die Pandemie wird zum Beispiel prophezeit, die Zukunft kenne gar keine festen Arbeitsplätze mehr, da Homeoffice das neue Normal werden wird. Doch wer sich diese Gedanken von der Arbeitsrevolution der nächsten Jahre genauer ansieht, stellt schnell fest: Die tatsächliche Entwicklung ist deutlich differenzierter.
Wo wird sich die Arbeit tatsächlich verändern?
Wer mich kennt, weiß, dass ich als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) solche Themen nicht nur im Rahmen meiner Seminare, Workshops und Coachings mit Mitarbeitern von Finanzinstituten rege diskutiere – ich spreche auch regelmäßig direkt mit Familienunternehmern darüber. Und wenn ich mal die letzten 24 Monate an Gesprächen Revue passieren lasse, dann stelle ich schnell fest: Ja, auch die Unternehmer bewegt die große Frage nach der Arbeit der Zukunft. Wird sie gänzlich anders aussehen als heute? Wird einfach so weitergearbeitet wie bisher? Oder werden bestehende Arbeitsprozesse lediglich angepasst werden?
Wer sich die Frage danach stellt, wie sich die Arbeit der Zukunft ändern könnte, der stellt sich am besten zunächst die Frage: Welche Entwicklungen machen denn überhaupt eine Anpassung der Arbeitsweise notwendig? Denn historisch gesehen entspringen langfristige Änderungen in Arbeitsabläufen meistens der Tatsache, dass eine Anpassung notwendig wurde. Weitreichendes Homeoffice wurde auch erst dann eingeführt, als es notwendig wurde. Und die wenigsten Unternehmen planen, vollständiges Homeoffice auch nach der Pandemie als einzige Option beizubehalten.
Was jedoch eindeutig eine Anpassung zukünftiger Arbeitsabläufe erfordern wird, sind zwei Entwicklungen, mit denen wir bereits seit vielen Jahren zu tun haben: Digitalisierung und Standardisierung. Beide entspringen der Notwendigkeit, noch effizienter zu arbeiten, um im aktuell starken Konkurrenzkampf auf dem Markt bestehen zu können – das trifft insbesondere auf regionale Finanzinstitute wie die Sparkassen und Volksbanken zu. Und beide Entwicklungen haben ganz unterschiedliche Wirkungen auf unterschiedliche Teile der Belegschaft:
- Die technisch ohnehin affinen Mitarbeiter preschen vor und sind die ersten, die voll durchdigitalisiert im Homeoffice arbeiten.
- Wer eventuell weniger technologieaffin ist oder auch einfach den Sinn entsprechender Maßnahmen noch nicht nachvollziehen kann, der klammert sich an den bisherigen Status quo.
- Ein anderer Teil der Mitarbeiter steht den beiden Themen offen, aber gefühlsneutral gegenüber – wenn der Vorstand die Arbeit stärker digitalisieren und standardisieren möchte, dann macht man da halt mit.
- Wer entsprechend medial oder über den Freundeskreis vorgeprägt wurde, der steht dem Thema wiederum vielleicht verunsichert oder sogar ängstlich gegenüber – werde ich jetzt „wegrationalisiert“, wenn ich mich nicht sofort in die neuen Prozesse einarbeiten kann?
Standardisierung und Digitalisierung im Innen- und Außendienst
In den Finanzinstituten merkt man schnell, dass sich die Art und Weise, wie diese beiden Entwicklungen Einfluss auf die Arbeit von morgen ausüben werden, deutlich zwischen Innen- und Außendienst unterscheidet:
Wer aus der Innendienstsicht kommt, wird sich früher oder später eingestehen müssen, dass zu viel Digitalisierung und Standardisierung bei der Übersetzung in den Außendienst im Vertrieb dazu führen kann, dass die individuellen Hebel wegfallen. Familienunternehmerkunden sind jedoch von Natur aus komplex und lassen sich kaum in Standardlösungen zwängen. Wenn man sie nicht individuell beraten und mit Produkten versorgen kann, dann könnten sie sich vom Institut abwenden.
Aus der Sicht des Außendienstes stellt man wiederum fest, dass es grob zwei Gruppen von Kunden gibt: Die eine kann getrost mit Standard-Produkten versorgt werden (zum Beispiel ein großer Teil der Privatkunden), die andere benötigt eine individualisierte Betreuung (vor allem die Top-Unternehmer). Wendet man nun für die erste Kundenart standardisierte Lösungen an, erkennt man schnell, dass dadurch Arbeitsplätze verloren gehen könnten – im Innen- wie im Außendienst. Wenn nur die Hälfte der Kundschaft eine individuelle Beratung benötigt, braucht man dann als Institut überhaupt noch all die Berater und Assistenzen?
Eine gewisse Ablehnungshaltung ist nicht ungewöhnlich
In Anbetracht wegfallender Arbeitsplätze auf der einen Seite und der Gefahr wegfallender Hebel für komplexe Kunden auf der anderen ist es nicht verwunderlich, dass viele Mitarbeiter gegenüber der Standardisierung und Digitalisierung in den Banken, Sparkassen und Volksbanken wenig aufgeschlossen sind. Mir fällt im Gespräch mit Mitarbeitern immer wieder auf, dass viele von ihnen sich privat oder im Tagesgeschäft wenig mit IT und Digitalisierung beschäftigen – auch weil es oft nicht notwendig ist, um privat und beruflich „durchzukommen“. Werden sie dann mit den entsprechenden Begrifflichkeiten konfrontiert, kann dies zu einer Verunsicherung führen.
Arbeitet man sich dann nach und nach in das Thema ein und kommt stärker damit in Kontakt, merkt man als Mitarbeiter schnell, dass sich durch diese beiden Änderungen Arbeitsprozesse verändern könnten – oder schlimmstenfalls wegfallen, womit wiederum das Risiko des Arbeitsplatzverlustes verbunden ist. Die Chancen dieser Entwicklung sehen die meisten jedoch zunächst nicht.
Klar kommunizieren: Evolution statt Revolution!
Auf Ebene der Vorstände und Führungskräfte ist es deshalb ungemein wichtig, die bevorstehenden Änderungen der Arbeitsabläufe in der internen Kommunikation klarzustellen und den Mitarbeitern begreifbar zu machen, dass diese Entwicklung auch Chancen birgt.
Das mag zunächst selbsterklärend wirken, aber ich möchte Sie dazu anhalten: Schauen Sie sich doch mal an, wie die Arbeit der Zukunft zum Beispiel in den Medien kommuniziert wird. Da wird leider immer noch häufig der Eindruck erweckt, dass jeder, der sich nicht innerhalb kürzester Zeit anpasst, am Wegesrand zurückgelassen wird – nach dem Motto: „Bis Freitag musst du A machen, bis Montag B, und wenn du das bis Dienstag nicht verinnerlicht hast, dann bist du deinen Job los.“
Eine solche Kommunikationspolitik ist nicht nur ungeschickt, sondern auch faktisch falsch. Denn in der Realität werden sich die Arbeitsabläufe durch Digitalisierung und Standardisierung nicht auf einen Schlag ändern. Es wird eine Evolution stattfinden, keine Revolution. Unsere Wirtschaft ist ein Marathonlauf und kein Sprint – da hat man durchaus etwas Zeit, sich anzupassen. Und welches Institut wird schon erfahrene Mitarbeiter direkt freistellen, nur weil sie sich nicht von heute auf morgen an völlig neue Arbeitsabläufe gewöhnt haben?
Vorständen und Führungskräften rate ich dringend, diese Tatsachen klar zu kommunizieren. Denn es gilt nicht, der Belegschaft einfach neue Vorgaben zu machen und alle rauszuwerfen, die sich nicht sofort anpassen. Die Belegschaft muss abgeholt und von der neuen Arbeitsweise überzeugt, idealerweise sogar begeistert werden. Das ist aktuell die große Kunst. Allein meine Frage, die ich Vorständen und Top-Führungskräften immer wieder gern stelle: „Was ist denn in einem Finanzinstitut ‚digital‘?“, bringt mitunter ernüchternde Antworten hervor. Da wird mit den oben gezeigten Begrifflichkeiten um sich geworfen wie mit Karnevalbonbons. Frage ich tiefer nach, stelle ich fest, dass selbst hochrangige Entscheider oftmals nicht genau wissen, was damit gemeint ist. Und entsprechend sieht dann auch die so wichtige Kommunikation in Richtung Mitarbeiter aus.
Änderungen in der Arbeitsweise geschehen nicht von heute auf morgen
Viele Dinge, die wir heute als selbstverständlich erachten, sind nicht spontan über Nacht entstanden. Auch das iPhone von heute ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen technologischen Entwicklung und eine Kombination aus vielen bereits vorher dagewesenen Faktoren – wer diese Tatsache versteht, braucht keine Angst davor zu haben, wenn sich Digitalisierung und Standardisierung langsam stärker in die Arbeit der Finanzinstitute einmischen werden. Besser sogar: Wer sich darauf einlässt und weiß, dass er Zeit hat, um der Entwicklung zu folgen, der kann sogar ganz neue Chancen ergreifen. Die Älteren unter Ihnen aus Sparkassen werden sich noch an S‑KISS erinnern, oder? Heute gibt es halt OS-PLUS. Wer ehrlich mit sich ist, wird rückblickend feststellen, dass auch S‑KISS so einige Tücken hatte. Oder eine Frage an alle Kollegen aus dem Kreditbereich: War es wirklich besser, die Kreditverträge mit der Schreibmaschine zu schreiben? Wohlgemerkt und daran erinnert: Schreibfehler führten damals dazu, alles neu schreiben zu müssen, da auf dem Durchschlag (der Kundenausfertigung) weder Tipp-Ex noch überschriebene Wörter stehen durften.
Und so sehr sich die Arbeitsweise auch ändern wird, Handel und Finanzgeschäfte gab es schon im alten Rom – das Grundbedürfnis, das die Existenzgrundlage aller Banken, Sparkassen und Volksbanken darstellt, existiert bis heute und es wird auch in der prophezeiten Hightech-Zukunft noch bestehen. Und solange es Unternehmer gibt, wird es auch immer komplexe Anforderungen geben, die nur durch eine empathische und maßgeschneiderte Beratung von Mensch zu Mensch (MzM) bedient werden kann. Auch im Privatkundenmarkt wird es immer Kunden geben, die lieber mit einem Profi über ihre Finanzen sprechen, als in „Dr. Google“ zu suchen. Eben genauso, wie es halt Menschen gibt, die den Laminatboden selbst verlegen, und andere wiederum, die einen Handwerker beauftragen. Soweit also kein Grund zur Sorge um den Arbeitsplatz. Und wenn wir mal nur ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit schauen: Finanzinstitute hat es auch schon damals gegeben, doch damals gingen die Kunden noch persönlich zum Schalter, um sich die Kontoauszüge überreichen zu lassen. Das macht heute niemand mehr – und damit haben wir uns gut arrangieren können.
Die Arbeit der Zukunft braucht Sie immer noch!
Konkret glaube ich, dass die Arbeit der nahen Zukunft kein „entweder – oder“, sondern ein „und“ sein wird. Kein ausschließliches Homeoffice, sondern eine Kombination aus beidem. Keine reine Standardisierung, sondern Standardisierung bei Standard-Fällen und Individualisierung bei den Top-Unternehmerkunden und Top-Privatkunden. Die einzige wirkliche Herausforderung ist es, diese Tatsache nach außen und innen gleichermaßen verständlich zu kommunizieren, um Mitarbeiter sowie Kunden mit an Bord zu holen und nicht durch das Schreckgespenst „Digitalisierung“ zu verängstigen.
Wer für eine Evolution statt der gefürchteten Revolution offen ist, der wird auch in Zukunft keine Angst vor ihr haben müssen. Man passt sich an und arbeitet gemäß den neuen Prozessen – das haben wir Menschen schon immer so gemacht. Sie haben sich ja auch daran gewöhnt, dass Sie Ihr Handy nun über einen komplexeren, aber deutlich leistungsstärkeren und flexibler einsetzbaren Touchscreen bedienen, statt über die alte mechanische Tastatur. Ich kann Ihnen also letztlich nur den Rat geben: Gehen Sie ohne Angst auf die Veränderungen der Zukunft zu und seien Sie sich bewusst, dass Sie die Zeit haben werden, sich daran anzupassen. Ist Ihnen immer noch mulmig bei dem Gedanken, dann hilft es Ihnen vielleicht, sich in einer freien Minute mal dieses von der Guidecom AG organisierte Video-Interview anzuschauen (ab Minute 29:15 sprechen wir über die Arbeit der Zukunft) oder mein Interview dazu bei der Finanz Informatik der Sparkassen-Finanzgruppe. Und ich denke, dass es höchste Zeit für Sie ist, neben dem Schreckgespenst der Digitalisierung (und nach Zeiten des Social Distancing) auch mal direkt zu hören: Sie werden in der Lage sein, sich auf die Evolution der Arbeit in Finanzinstitute einzustellen!
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Dirk Wiebusch
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