Kennen Sie auch dieses Gefühl, wenn man in den Nachrichten, im Radio oder auf den großen News-Webseiten Dinge liest, von denen man weiß, dass sie einfach nicht der Realität entsprechen? Ich meine damit kein vages Gefühl von „das kann doch nicht stimmen, oder?“. Ich meine: Wenn man die objektive Faktenlage kennt und in den Nachrichten hören muss, dass doch alles ganz anders sei. So ähnlich geht es mir aktuell, wenn von überall her die wirtschaft­liche Apoka­lypse prophezeit wird. Denn in den unzäh­ligen Gesprächen, die wir vom Institut Für Unternehmer­Familien (IFUF) in den letzten Wochen mit Famili­en­un­ter­nehmern der unter­schied­lichsten Branchen, Regionen und Unter­neh­mens­größen sowie mit Vorständen, Führungs­kräften und Mitar­beitern von Banken, Sparkassen, Volks­banken, Privat­banken und anderen Finanz­in­sti­tuten geführt haben, zeichnet sich bisweilen ein ganz anderes Bild ab.

Denk ich an Deutschland in der Nacht …

Wie immer, wenn ich in meinen Artikeln darauf hinweise, dass die aktuelle Situation bei Weitem nicht so schlecht ist, wie sie in der Öffent­lichkeit wahrge­nommen wird, muss ich zunächst klarstellen: Ja, es gehen aktuell Unter­nehmen pleite, darunter auch jahrzehn­tealte Platz­hirsche. Ja, die Mitar­beiter dieser Unter­nehmen verlieren ihre Jobs und wieder andere müssen in Kurzarbeit gehen. Das kann und möchte ich nicht klein­reden. Das ist schlimm und es müssen Wege gefunden werden, wie denje­nigen geholfen werden kann.

Doch der gesamt­wirt­schaft­liche Kollaps, den so mancher zurzeit herbei­redet, ist nicht einge­treten. Und das wird er auch nicht. Die deutsche Wirtschaft wird sich anpassen, neue Absatz­felder erschließen, neue Start-ups in die Lücken der alten Platz­hirsche setzen und auch den freige­setzten Mitar­beitern werden bald wieder gut bezahlte Jobs angeboten.

Öffent­liche Überreaktionen

Der wirtschaft­liche Abschwung, den wir erleben werden, ist weder für die deutsche Wirtschaft noch für die meisten Unter­nehmen oder sogar Einzel­per­sonen langfristig existenz­be­drohend. Er ist eine temporäre Einschränkung: Vielleicht nicht angenehm, aber definitiv nicht das Ende der Welt. Und wenn ich mir die öffent­lichen Reaktionen auf die aktuellen Gegeben­heiten so ansehe, dann stellt sich mir bei einigen Wortmel­dungen durchaus die Frage: Sehen wir hier eine ernst­hafte, aber uninfor­mierte Sorge – oder nicht vielmehr eine ungezü­gelte Panik, die letztlich aus einer Form von Wohlstands­ver­wahr­losung entspringt?

Dieser Begriff aus der Psycho­logie wurde seit den 90ern vor allem für Kinder und Jugend­liche verwendet, die aufgrund fehlender materi­eller Grenzen in der Erziehung psychische Probleme wie Depres­sionen oder aggres­sives Verhalten entwi­ckeln. Wenn ich mir jedoch so manchen Kommen­tator im Fernsehen, auf Social median Kanälen oder in den Print­medien anschaue, der das Ende der Welt prophezeit, dann wird mir klar, dass überemo­tionale Reaktionen auf ungewohnte materielle Einschrän­kungen offenbar keine Seltenheit sind. Es ist eben für Menschen eine größere psycho­lo­gische Belastung, einen Wohlstand, an den sie sich gewöhnt haben, genommen zu bekommen – anstatt ihn gar nicht erst zu besitzen.

Wo sind die positiven Stimmen?

Im Chor der Schwarz­maler gehen leider viele erfreu­liche Nachrichten und gemäßigte Meinungen komplett verloren. Wenn wir vom IFUF beispiels­weise mit Famili­en­un­ter­nehmern über ihre aktuelle Lage sprechen, dann merken wir schnell: Viele von ihnen haben die Situation gut bis sehr gut im Griff. Für sie sind die wirtschaft­lichen Auswir­kungen eine Heraus­for­derung, die – wenn auch mit viel Anstrengung – gebändigt werden kann.

Viele Familien­unternehmer haben schnell die ihnen gebotenen Mittel genutzt: Kurzarbeit, Leasing­ra­ten­stun­dungen, Kredit­ra­ten­aus­set­zungen und Mietstun­dungen (wobei hier ja, was gerade in Deutschland oft vorkommt, der Unter­nehmer an sich selbst vermietet und somit schnell und unbüro­kra­tisch entscheiden kann). Da es sich um keine funda­mentale Krise handelt, sind die gesunden und fähigen Geschäfts­mo­delle ja noch da – und die Käufer in der Regel auch. Und die tatsäch­lichen Aufträge und Käufe werden demnächst auch wieder kommen. Am Anfang vermutlich zögerlich, dann aber wieder auf gutem Niveau.

Denn vor einigen Monaten ging es der deutschen Wirtschaft noch blendend und der Abschwung wird uns dementspre­chend nicht vollkommen zu Boden werfen, sondern lediglich in eine Situation bringen, in der zwar nicht mehr alles blendend, aber zumindest noch ziemlich gut läuft (vor allem im Verhältnis zu anderen Ländern). Stellen Sie sich vor, Sie haben 100 Euro auf dem Konto und verlieren einen 5‑Euro-Schein in der Fußgän­gerzone. Natürlich ist das ärgerlich, aber objektiv gesehen vermutlich verkraftbar. Ähnlich geht es der deutschen Wirtschaft als Ganzes: Selbst wenn wir einen Wirtschafts­rückgang von satten 5 % haben, stehen wir am Ende doch immer noch wesentlich besser da als beispiels­weise 2009 und 2010, inmitten der großen Finanzkrise.

Was wir durch den Blick auf das Negative verpassen

Derzeit werfen wir den Blick viel zu schnell und viel zu starr auf dieje­nigen Unter­nehmen, die es tatsächlich erwischt hat. Fast täglich hört man davon, wie Vapiano, Lufthansa und Adidas leiden. Doch selbst Sylvester Stallone’s Rocky Balboa erkannte im hohen Alter noch:

Die Welt besteht nicht nur aus Sonnen­schein und Regen­bogen. Sie ist oft ein gemeiner und hässlicher Ort. Und es ist mir egal, wie stark du bist – sie wird dich in die Knie zwingen und dich zermalmen, wenn du es zulässt. Du und ich – und auch sonst keiner – kann so hart zuschlagen wie das Leben. Aber der Punkt ist nicht der, wie hart einer zuschlagen kann. Es zählt bloß, wie viele Schläge er einstecken kann und ob er trotzdem weiter­macht. Wie viel man einstecken kann und trotzdem weiter­macht … Nur so gewinnt man!“

Viele Familien­unternehmer haben diese Lektion besser verin­ner­licht als die breite Öffent­lichkeit. Denn dieje­nigen Unter­nehmen, die die letzten wacke­ligen Wochen gut überstanden haben, konnten sich in vielen Fällen durch Flexi­bi­lität und einen unbedingten Willen zum Weiter­machen mit kreativen Lösungen über Wasser halten:

  • Zwischen wegfal­lenden Liefer­ketten und Grenz­staus erlitt das Spedi­ti­ons­ge­werbe zunächst einen Schock. Doch viele konnten in den folgenden Wochen sehr effizient umdis­po­nieren: Sie nahmen inlän­dische Aufträge von Super­markt­ketten an, um das Geschäft – und ganz nebenbei die Lebens­mit­tel­ver­sorgung – aufrechtzuerhalten.
  • Handwerker mussten zunächst um ihre Aufträge bangen, da einige Kunden sie nur noch für absolut notwendige Arbeiten in die Wohnung lassen wollten. Doch gerade im Umfeld der Unter­nehmen werden jetzt Traum-Aufträge vergeben, da die Homeoffice-Zeit vermehrt zum Umbau oder zu Renovie­rungen der Gebäude genutzt wird.
  • Den Menschen wird auf einmal der Zustand ihrer Gärten bewusst. Schließlich verbringt man dort plötzlich einen Großteil seiner Freizeit und sehr wahrscheinlich auch den Sommer­urlaub. Ein Fest für Garten- und Landschafts­bauer, die nun im großen Stil Aufträge zur Verschö­nerung des heimi­schen Grüns bekommen.
  • Einige Produk­ti­ons­be­triebe mussten feststellen, dass der Absatz ihrer Produkte aufgrund geschlos­sener Läden und kunden­seitig verscho­bener Priori­täten einbrach. Spontan wurden ganze Arbeits­ab­läufe umstruk­tu­riert, um beispiels­weise Schutz- statt Sport­be­kleidung zu produ­zieren. Und im gastro­no­mi­schen Bereich halten sich viele durch ganz neue Liefer­ser­vices über Wasser, die von der Bevöl­kerung sehr gut angenommen werden.

Wer jetzt also allen Ernstes den Teufel an die Wand malt, der muss sich vielleicht einge­stehen, dass er mit der Zeit einfach zu gemütlich geworden ist. Denn Krisen gehörten immer schon zum Unter­neh­mertum dazu.

Und schauen Sie sich nur Ihr Kunden­port­folio an: Viele dieser Unter­nehmen haben nicht nur in kürzester Zeit alter­native Absatz­märkte gefunden, neue Produkte oder Services etabliert und digitale Homeoffice-Struk­turen aufgebaut – sie haben mittler­weile auch ein ganz neues Gespür für Risiko­prä­vention entwi­ckelt. Viele arbeiten nun aktiv an der eigenen Krisen­re­si­lienz für die Zukunft. Mit anderen Worten: Was uns nicht umbringt, macht uns nur noch krisensicherer.

Warum melden sich die Unter­nehmer nicht zu Wort?

Fragt man aktuell in Familien­unternehmen nach der Lage, dann hört man meist so etwas wie: „Ist gerade doof, aber es geht.“ Zur Einordnung: Viele dieser Unter­nehmer haben in der Finanz­krise vor zehn Jahren dasselbe gesagt – und es gibt sie heute noch. Und fragt man denselben Unter­nehmer am nächsten Tag nochmals, nachdem er am Vortrag einen neuen Auftrag erhalten hat, wird er sagen: „War doof, aber es geht wieder voran.“

Natürlich – gefragt danach, ob es eine Rezession geben wird, sind sich dieselben Unter­nehmer sicher: Ja, es wird sie geben. Was die Unter­nehmer jedoch meinen, ist: Es wird eine Rezession geben, aber diese wird nicht zwangs­läufig unüber­windbare Auswir­kungen auf die deutsche Wirtschaft haben. Doch sobald diese Meinungs­äu­ße­rungen in die Presse gelangen, haben sie meist alle Nuancen verloren. Denn die Massen­medien verkaufen nur Extreme: Export­welt­meister oder Staats­bankrott. Und die wenigsten Unter­nehmer machen sich die Mühe, die öffent­liche Meinung dann zu korri­gieren. Zu groß ist der öffent­liche Druck und wer sich jetzt öffentlich optimis­tisch zeigt oder einfach nur seine Strategie zur Krisen­be­wäl­tigung demons­triert, erlebt schnell Spott, Neid und Unglauben am eigenen Leib. „Dann lieber still­halten“, denken sie sich dann.

Machen Sie sich ein Bild der realen Zustände

Sie als Finanz­dienst­leister, ob Firmen­kun­den­be­rater, Private Banker, Versi­che­rungs­be­rater, Vermö­gens­ver­walter, Family Officer oder auch Markt­folge-Aktiv-Mitar­beiter, können also nur davon profi­tieren, mal die Medien beisei­te­zu­lassen, die öffent­liche Meinung zu ignorieren und sich einfach nur objektiv anzusehen, wie das eigene Unter­neh­mer­kun­den­port­folio denn aktuell aufge­stellt ist. Sie werden feststellen: Erstaunlich vielen Ihrer Unter­neh­mer­kunden geht es vergleichs­weise gut. Einige gehen sogar mit ganz neuen Konzepten voran und werden deshalb aus der Krise stärker heraus­kommen, als sie hinein­ge­gangen sind. Denn so, wie es in Boom-Zeiten Verlierer gibt, gibt es in Krisen auch echte Gewinner.

Nutzen Sie die kommenden Wochen, um Ihren Kunden zwei einfache Fragen zu stellen:

  1. Ist das die schlimmste Krise, die Ihr Unter­nehmen je durch­ge­macht hat?“
  2. Wie geht es voran und wo sehen Sie sich zukünftig?“

Ich verspreche Ihnen: Die aller­meisten Unter­nehmer werden Ihnen Geschichten aus der Anfangszeit des Unter­nehmens erzählen. Von Situa­tionen, in denen es aussah, als wäre alle Anstrengung umsonst gewesen. Und von den Momenten, in denen sie dann plötzlich jede noch so unüber­windbar erschei­nende Hürde hinter sich gelassen haben und richtig durch­starten konnten. Viele dieser Unter­nehmer werden diese Zeit sogar direkt mit der aktuellen Krise vergleichen. (Und wie sich ein Unter­neh­mer­leben von der Existenz­gründung bis zur Nachfolge abspielt, können Sie hier lesen.)

Machen Sie sich ruhig mal selbst Ihren Wert für die Familien­unternehmen bewusst. Denn auch das wird in der aktuellen Krisen­men­ta­lität häufig übersehen: Als Finanz­dienst­leister sind Sie für Unter­nehmer und sogar für die Wirtschaft als Ganzes von enormer Bedeutung.

Vor, während und nach der (drohenden) Rezession sind Sie ein wichtiger Bestandteil des Systems. Und nicht zuletzt ist es auch Ihnen zu verdanken, dass wir die aktuelle Krise gut meistern und nach der Krise wieder voll durch­starten können. Spätestens, wenn die Firmen ihre Fließ­bänder wieder anwerfen, werden auch Ihre Abschlüsse wieder­kommen – versprochen! Denn eines wird sich auch aktuell nicht verändern: Deutschland ist und bleibt ein Unternehmerland!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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