Was für Banken, Volks­banken, Sparkassen und deren Firmen­kunden- sowie Private-Banking-Berater jetzt wichtig ist

In vielen Regionen Deutsch­lands scheint auf den ersten Blick alles beim Alten: Das vertraute Firmenlogo prangt am Hallentor und die bekannten Ansprech­partner sind erreichbar. Doch hinter dieser Fassade hat sich unbemerkt Entschei­dendes verändert. Denn immer häufiger verkaufen Inhaber­fa­milien ihre Unter­nehmen ohne öffent­liche Aufmerk­samkeit an inter­na­tionale Inves­toren, Private-Equity-Fonds oder verschach­telte Betei­li­gungs­ge­sell­schaften. Bei genauerem Hinsehen offenbart sich die Dynamik: Gut geführte Familien­unternehmen werden durch auslän­di­sches Kapital akqui­riert, häufig als Teil komplexer Betei­li­gungs­kon­strukte und strate­gi­scher „Buy-and-Build“-Pläne. 

Dieser Beitrag beleuchtet, was hinter diesem stillen Ausverkauf steckt, warum er gerade jetzt an Fahrt aufnimmt und was Entscheider in Banken, regio­nalen Netzwerken und den Familien­unternehmen selbst jetzt wissen müssen, um die Risiken zu verstehen und fundierte Entschei­dungen zu treffen.

Wachsende Heraus­for­de­rungen für Firmen­kun­den­be­rater regio­naler Finanzinstitute

Für Firmen­kun­den­be­rater in regio­nalen Finanz­in­sti­tuten ist diese Entwicklung teilweise schwer einzu­ordnen. Es fehlt oft eine Kombi­nation aus Erfahrung, Zeit oder Trans­parenz, um die komplexen Struk­turen hinter einer solchen Trans­aktion frühzeitig erkennen und bewerten zu können.

Genau hier liegt jedoch die Gefahr: Was kurzfristig wie ein guter Deal für alle Betei­ligten aussieht, kann sich langfristig als schlei­chender Substanz­verlust für die gesamte Region entpuppen. Die Folgen reichen vom Verlust von Arbeits­plätzen über den Abfluss von wertvollem Know-how bis hin zur schwin­denden wirtschaft­lichen Selbstbestimmung.

Die unsichtbare Dynamik – und warum sie jetzt an Fahrt gewinnt

Dieser „stille Ausverkauf“ ist kein zufäl­liges Phänomen, sondern das Resultat struk­tu­reller Entwick­lungen ökono­mi­scher, strate­gi­scher, kultu­reller und geopo­li­ti­scher Natur. So trifft beispiels­weise die zunehmend drängende Nachfol­ge­frage auf eine neue Generation von Käufern aus Nah- und Fernost sowie Nordamerika.

Folgende vier Haupt­ur­sachen lassen sich identifizieren:

  • Zahlreiche Unter­nehmer stehen vor dem Übergang in den Ruhestand, ohne familiäre Nachfolger zu haben. Angesichts steigender bürokra­ti­scher Belas­tungen und eines zuneh­menden Regulie­rungs­drucks erscheint der Verkauf des Unter­nehmens oft als einzig gangbarer Weg. 
  • Gleich­zeitig fehlt es aus Inves­to­ren­sicht an brauch­baren Zielun­ter­nehmen mit ausrei­chend Tragweite (Umsätze zwischen 500 Millionen und 2 Milli­arden Euro). Diese sind ohnehin rar, bereits veräußert oder stehen gar nicht zum Verkauf. Daher kumulieren Inves­toren zunehmend Firmen zu skalier­baren Einheiten, wodurch aus einer Vielzahl von Mittel­ständlern ein milli­ar­den­schwerer Verbund entstehen kann. Das „Buy-and-Build“-Modell avanciert zur dominie­renden Private-Equity-Strategie, oft geschickt getarnt hinter komplexen Zwischenholdings. 
  • Inter­na­tionale Inves­toren aus dem arabi­schen, asiati­schen und nordame­ri­ka­ni­schen Raum bringen beacht­liche struk­tu­relle Vorteile mit. Ergänzt wird dies durch steuerlich optimierte Unter­neh­mens­struk­turen und einen strate­gi­schen Zugang zu globalen Märkten.
  • Während diese globalen Akteure entschlossen und strate­gisch handeln, mangelt es in vielen Regionen an adäquaten Gegen­kräften, wie Co-Inves­to­ren­mo­dellen, Betei­li­gungs­platt­formen oder überhaupt erst effek­tiven Frühwarnsystemen. 

Die Konse­quenz: Wer nur auf Bilanzen schaut, erkennt den Verkaufs­druck oft erst, wenn der Notar­termin längst steht.

Die drei Phasen der Übernahme: zwischen Effizi­enz­stei­gerung und Identitätsverlust

Der Wandel vom Familien­unternehmen zur reinen Finanz-Ware vollzieht sich typischer­weise in drei Phasen: 

  • Erwerb: Nach außen bleibt vieles vertraut, während intern eine intensive Analyse von Prozessen, Personal und Verträgen einsetzt – i.d.R. gefolgt von sofor­tiger, mitunter ruppiger Anpassung. 
  • Optimierung: Weitere Unter­nehmen werden gezielt hinzu­ge­kauft sowie zentra­li­siert und die Führungs­ebenen gebündelt, ausge­tauscht oder freigesetzt. 
  • Exit: Weiter­verkauf bei angestrebter Zielgröße, oft zulasten von Unter­neh­mens­kultur und regio­naler Verankerung. 

Die Region wird in diesem Szenario häufig auf die Rolle eines bloßen Produk­ti­ons­stand­ortes reduziert, ohne eine eigene Stimme zugestanden zu bekommen. Sie ist der überge­ord­neten Finanz­struktur unterworfen.

Um die Konse­quenzen vollum­fänglich zu erkennen, muss der Blick aber noch weiter schweifen. Denn für Sie als Firmen­kun­den­be­rater hat das ebenfalls weitrei­chende Folgen. Lassen Sie uns also erneut einen Blick hinter die Fassade für Unter­nehmen, Regionen und Bankpartner wagen.

Der Wolf im Schafspelz: gute Deals und schwer­wie­gende Sekundäreffekte

Ein Eigen­tü­mer­wechsel bedeutet einen tiefgrei­fenden Wandlungs­prozess, der zunächst die organi­sa­tio­nalen Struk­turen und darauf­folgend die betrof­fenen Menschen erfasst. Formal mag der Unter­neh­mensname fortbe­stehen, doch Zentra­li­sierung hält Einzug in vielen Unternehmensbereichen:

  • Buchhaltung 
  • Perso­nal­ma­nagement 
  • IT 
  • Entschei­dungen in Konzernzentrale 
  • Einkauf inter­na­tional gebündelt 

Für viele regional verwur­zelte Mitar­beiter bedeutet dies eine Entwertung ihrer Rollen oder gar deren vollstän­digen Wegfall. Eine besonders prägnante Praxis ist das sogenannte „Expert-Cherry-Picking“: Spezia­listen werden mit Boni gehalten, während als „austauschbar“ einge­stufte Kräfte in Verwaltung, Assistenz oder Dispo­sition unter erheb­lichen Druck geraten. 

Letztlich ersetzen Automa­ti­sie­rungs­pro­zesse die Arbeits­kraft und Standar­di­sierung tritt an die Stelle indivi­du­eller Abläufe. Das Resultat ist oft eine Beleg­schaft ohne Bindung und ein Unter­nehmen, dem seine ursprüng­liche Identität abhan­den­ge­kommen ist.

Regionale Sekun­där­ef­fekte

Die Wertschöpfung verlagert sich: Gewinne, die früher in der Region verblieben, fließen nun ab. Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dungen werden primär nach Kriterien wie Kosten­ef­fi­zienz und steuer­licher Attrak­ti­vität getroffen, was zu einer Abwan­derung von Inves­ti­tionen führen und die regionale Substanz aushöhlen kann. Langjährige Bezie­hungen zu lokalen Dienst­leistern werden durch zentrale Einkaufs­ab­tei­lungen aufgelöst, Verträge neu verhandelt, Margen gedrückt oder Zulie­ferer gänzlich ersetzt. Ein ganzer Mittel­stand verliert seine Aufträge – still und ohne Schlagzeile. 

Hinzu kommen Brain-Drain und Entwur­zelung. Quali­fi­zierte Fachkräfte in Bereichen wie Controlling, IT oder Technik spüren die Verän­de­rungen unmit­telbar. Viele suchen sich neue Möglich­keiten, andere werden versetzt, wodurch wertvolles Know-how irrever­sibel verloren geht. Die daraus resul­tie­rende Verun­si­cherung kann zu einer Zurück­haltung bei Konsum­entschei­dungen und Inves­ti­tionen führen. Das regionale Konsum­klima (z.B. Restau­rant­be­suche gehen zurück) und der Immobi­li­en­markt können erstarren, die Region gerät ins Stocken, die Frustration steigt, Gestal­tungs­spiel­räume schwinden.

Zwischenruf: Die Politik als Sündenbock – oder bequemer Fluchtpunkt?

Die Schuld wird dann häufig in der Politik gesucht. Oft hört man Sätze wie: „Kein Wunder – bei der Bürokratie in Deutschland kann man ja gar nicht mehr Unter­nehmer sein!“ 

Die Wahrheit ist: Deutschland ist regula­to­risch überkomplex, steuerlich überfordert, digital unter­ent­wi­ckelt. Aber wenn es wirklich so schlimm wäre, warum kaufen dann inter­na­tionale Inves­toren genau hier? Häufig sind die zwar zweifellos vorhan­denen politi­schen Versäum­nisse eine willkommene Entschul­digung für strate­gische Trägheit und die reine Verwaltung des Geschäfts, statt es zu führen. Die Politik ist nicht der Grund. Sie ist der Hinter­grund. Wer Verant­wortung abgibt, verliert Gestaltungskraft.

Sparkassen, Genos­sen­schafts­banken und regionale Großban­ken­kon­takte werden ersetzt

Während ein Unter­neh­mens­verkauf kurzfristig Liqui­dität freisetzt und das Private Banking belebt, wird der langfristige Verlust an Kunden­be­ziehung, Relevanz und Einfluss übersehen.

Private-Equity-Gesell­schaften bringen ihre eigenen Finan­zie­rungs­partner mit sich. 

Kredit­linien werden umgeschuldet, bestehende Bankver­bin­dungen gekappt, und strate­gische Gespräche verlagern sich an inter­na­tionale Finanz­zentren wie London, Zürich oder Dubai. Was bleibt, ist eine leere Kundenakte und eine spürbare Lücke im regio­nalen Banking.

Der Verkaufs­erlös führt zwar auch zu Vermö­gens­be­we­gungen im Private Banking, doch wenn der Firmen­kun­den­be­rater den Private Banker noch nicht vorge­stellt hat, dann besteht dahin­gehend keine feste Bindung an die bisherige Firmen-Hausbank. Statt­dessen schaut der Unter­nehmer sich nach dem Deal ander­weitig um. Hier stehen diverse Anbieter bereit – von Family Offices bis zu NextGen-Beratern mit Digital­ver­sprechen. Wer nicht proaktiv agiert, riskiert, den Kunden und sein Kapital komplett zu verlieren, im schlimmsten Fall für immer. Denn sowohl für den Unter­nehmer als auch die Private-Banking-Einheit ist es ein sogenanntes „once in a lifetime“-Ereignis.

Warum die Entwick­lungen so lange unent­deckt oder unter­schätzt bleiben

Bankintern zeigen sich fehlende Routinen und blinde Flecken. In vielen Insti­tuten mangelt es an ausrei­chender Erfahrung in Bezug auf die Komple­xität solcher Trans­ak­tionen. Verschach­telte Käufer­struk­turen, verdeckte Kapital­an­fragen oder Rückzugs­ten­denzen bleiben oftmals unerkannt, bis der Deal schon kurz vor dem Abschluss steht. So werden oft entschei­dende Indika­toren übersehen: 

  • Know-how-Transfers Monate vor dem Deal 
  • intensive Reise­ak­ti­vi­täten der Geschäftsführung 
  • plötz­liche Strate­gie­wechsel oder syste­ma­tische M&A‑Aktivitäten im Hintergrund 

Die Betei­ligten können häufig auch gar nicht angemessen reagieren, da entschei­dende Faktoren bei den wichtigsten Akteuren fehlen:

  • Unter­nehmer: brillante Macher und Profis in ihrem Feld ohne ausrei­chend Verständnis für die verschach­telten Investorstrukturen 
  • Steuer­be­rater: loyal und vertraut mit dem internen Zahlenwerk, aber ohne Deal-Radar 
  • Bankbe­rater: vor Ort, aber außen vor, weil zu spät infor­miert und nur reaktiv tätig 

Das System sieht für Sie als Berater in den Vorgängen keine Rolle vor. Also muss diese proaktiv geschaffen werden.

Es bedarf daher mehr Kompetenz, mutiger Fragen und eines Blicks hinter die reine Bilanz. Notwendig ist ein Frühwarn­system innerhalb der Kunden­struktur, eine geschärfte Trans­ak­ti­ons­kom­petenz im Firmen- und Private Banking und vor allem ein tiefes Verständnis der Käufer­logik. Denn nur wer versteht, wer kauft und warum, kann im richtigen Moment die entschei­denden Fragen stellen.

Proaktiv handeln: Ihre Rolle als strate­gi­scher Partner im Wandel

Es geht bei dieser Betrachtung nicht darum, Schuldige zu benennen, sondern eine überge­ordnete Dynamik zu verstehen. Niemand trägt „Schuld“. Doch alle sind betroffen. Und wer nicht vorbe­reitet ist, wird zum Spielball einer Entwicklung, die längst im Gange ist. Der stille Ausverkauf ist kein jäher Tsunami, sondern eine schlei­chende Erosion mit nachhal­tiger Wirkung.

Drei zentrale Erkennt­nisse sollten die Handlungen aller Betei­ligten leiten: 

  • Wenn gerade gesunde und innovative Unter­nehmen veräußert werden, ist dies kein Zufall, sondern das Resultat eines strate­gi­schen „Cherry-Pickings“ durch Inves­toren mit klarem Plan. Zweitens, der Ausverkauf ist keine bloße Theorie – er ist gelebte Realität. 
  • Wer genau hinsieht, erkennt eine Zunahme an Firmen mit neuen Eigen­tümern, immer weniger lokale Entschei­dungs­träger und immer dieselben Inves­toren, die mit denselben Mustern agieren. 
  • Wer nicht handelt, wird zum Getriebenen. 

Empfeh­lungen für Berater, Banken und Entscheider

In dieser sich verän­dernden Landschaft ist eine Neude­fi­nition der Berater­rolle unumgänglich. Für Sie als Firmen­kun­den­be­rater bedeutet dies, sich vom reinen Finan­zierer zu einem strate­gisch agierenden Gesprächs­partner zu entwi­ckeln. Es ist unerlässlich, ein Radar für Frühin­di­ka­toren zu kulti­vieren und proaktiv Gespräche über Buy-and-Build-Modelle, Inves­to­ren­typen und Exit-Logiken zu führen, noch bevor ein poten­zi­eller Käufer in Erscheinung tritt.

Viele Unter­nehmer verfügen über niemanden, der diese kriti­schen Themen frühzeitig und objektiv anspricht. Bauen Sie Trans­ak­ti­ons­kom­petenz auf, auch wenn Sie nicht zum M&A‑Profi avancieren.

Für Sie als Private Banker eröffnet der Verkaufs­erlös die Chance, strate­gi­sches Vermögen zu gestalten. Begleiten Sie Familien nicht nur bei der reinen Geldanlage, sondern unter­stützen Sie sie beim umfas­senden Neuaufbau ihres gesamten Vermögenshaushalts.

Positio­nieren Sie sich nicht als bloßer Produkt­ver­mittler, sondern als Sparrings­partner auf Augenhöhe. Ergänzend dazu sind für Vorstände und Regio­nal­ent­scheider Maßnahmen wie die Entwicklung von Frühwarn­sys­temen für strate­gisch gefährdete Unter­nehmen sowie die Prüfung von Co Inves­ti­ti­ons­mo­dellen oder regio­nalen Betei­li­gungs­platt­formen von entschei­dender Bedeutung. Es gilt, das Trans­ak­ti­ons­wissen aktiv im Haus zu fördern.

Verant­wortung neu verstehen

Der stille Ausverkauf ist kein unauf­halt­sames Natur­gesetz, sondern vielmehr das Ergebnis unter­las­sener Kommu­ni­kation, mangelnder Trans­parenz und unzurei­chender Vorbe­reitung. Wenn wir unsere Unter­nehmen, Regionen und Vermö­gens­werte nachhaltig sichern möchten, müssen wir den Dialog früher und umfas­sender suchen.

Nicht lauter – aber tiefer.

Nicht schneller – aber mit mehr Weitblick.

Nicht defensiv – sondern mutig.

Und diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Unter­nehmer selbst, sondern in gleichem Maße für Sie als strate­gi­schen Partner. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, diesen Struk­tur­wandel aktiv mitzu­ge­stalten und die Weichen für eine resili­entere Zukunft zu stellen.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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