Insbesondere im Zuge der aktuellen Weltlage lese ich immer wieder die (Auf)forderung an Banken, Sparkassen, Volksbanken und andere Finanzberater, ihre Geschäftsmodelle in Bezug auf die generelle Beratung und im Speziellen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien „neu zu erfinden“. Also von Grund auf zu ändern, welcher Nutzen oder Mehrwert den Kunden durch die Dienstleistungen der Bank versprochen wird, wie dieser geschaffen wird und wie er am Ende einen Gewinn für die Bank abwerfen soll. Doch ist ein derart drastischer Eingriff wirklich nötig? Ich glaube, dass hier einige Kommentatoren und Forderer viel zu weit über das Ziel hinausschießen. Denn die wirklichen Lösungen für schwächelnde Erträge sind schon längst da!
Wo müssen sich Banken tatsächlich verändern?
Schauen wir uns zunächst einmal als Beispiel das Geschäftsmodell eines ganz anderen Industriezweigs an. Einer Branche, die in den letzten Monaten aufgrund der aktuellen Situation ebenfalls ernsthaft darüber nachdenken musste, wie sie sich dem Zeitgeist anpassen kann: der Gastronomie. In Restaurants, Lokalen, Kantinen etc. hat sich in den vergangenen Monaten kaum etwas am grundlegenden Geschäftsmodell getan. Natürlich, die Speisekarten wurden angepasst, die Arbeitsabläufe wurden verändert und viele setzen statt auf die Vor-Ort-Bewirtung jetzt verstärkt auf das Ausliefern von Mahlzeiten sowie Bestellungen per Telefon oder Internet.
Doch wir sehen: Hier haben sich die Methodik und der Inhalt geändert, nicht jedoch das fundamentale Geschäftsmodell. Restaurants machen immer noch ihren Gewinn, indem sie professionell zubereitete Gerichte anbieten. Denn am Kundenwunsch, gutes Essen zu bekommen, ohne sich selbst um die Zubereitung kümmern zu müssen, hat sich nichts geändert.
Die Musik- und Transportbranche sind ein weiteres Beispiel dafür: Der Wunsch, Musik zu hören, und das Bedürfnis, von A nach B zu kommen, waren schon immer da. Lediglich die Methodik verändert sich und passt sich an neue Rahmenbedingungen und Innovationen an – von der Schallplatte über die Kassette und die CD bis hin zum Streamen. Von der Kutsche über Taxen bis hin zu Uber und Co.
Eine ähnliche Situation sehe ich zurzeit bei den Banken: Anpassungen bei Methodik und Inhalt werden notwendig, während das fundamentale Geschäftsmodell bestehen bleibt. Denn selbst umfassende Veränderungen wie die fortschreitende Digitalisierung und Standardisierung ändern nichts daran, was sich der Kunde eigentlich von seiner Bank wünscht.
Banking im Laufe der Zeit – was hat sich wirklich verändert?
Fragen wir uns doch einmal: Was benötigen Familienunternehmen und Unternehmerfamilien eigentlich von einer Bank? Schon Bill Gates stellte mal fest: „Banking is necessary; banks are not.“ Was ist es also, was der Kunde so dringend im Banking-Bereich benötigt? In Zeiten, in denen es von allen Seiten Schlagworte wie „Führung“, „Agilität“ und „digitale Lösungen“ hagelt, sollte man meinen, dass diese Themen für ihn zentral seien.
Doch hat beispielsweise die Einführung digitaler Arbeitsabläufe wirklich etwas Grundlegendes an den Wünschen der Kunden oder dem darauf basierenden Geschäftsmodell der Banken geändert? Oder ist es nicht vielmehr so, dass sich am grundsätzlichen Nutzenversprechen und am Ertragsmodell der Banken im Vergleich zu beispielsweise den frühen 2000ern und 90ern kaum etwas getan hat? Heute wie vor 30 Jahren sind die Grundlagen der Finanzberatung für Unternehmer vor allem die fünf folgenden Basisthemen:
- Geschäftsmodelle/Wertschöpfungsketten
- Unternehmerumfeld/-familie
- Unternehmertypologie
- Vermögen/Einkommen
- Nachfolge
Die Finanzberatung der Zukunft ist wie die Beratung der Vergangenheit. Früher hieß es: „Kenne deinen Kunden“, heute „Ganzheitliche Beratung“. Beides impliziert den wichtigen Aufruf: „Seien Sie nah am Kunden!“
Wir sehen also hier, genau wie bei unserem Restaurant-Beispiel: Der eigentliche Nutzen für den Kunden und die Art und Weise, wie Gewinn erwirtschaftet wird, ändern sich nicht, die Methoden jedoch schon:
- Kunden möchten wissen, wie es um ihren Kontostand bestellt ist. Früher gingen sie dazu an den Kontentrog, dann an den Kontoauszugsdrucker und heute nutzen sie Online-Apps.
- Kunden möchten mit ihren Beratern kommunizieren können. Früher ging das nur persönlich, postalisch oder telefonisch, dann kamen Fax, E‑Mail und nun sogar SMS und WhatsApp dazu.
- Kunden möchten mitgenommen werden auf eine emotionale, persönliche und individuelle Customer Journey (das hieß früher Kundenbetreuung oder Kundenakquisition, meint aber dasselbe). Das Medium dieser Reise (analog/digital) ist dabei zweitrangig und lediglich das Mittel zum Zweck.
- Kunden möchten professionell beraten werden, um ihren Ertrag zu maximieren oder/und ihre Risiken zu minimieren. Ob das nun grundsätzlich im Vier-Augen-Gespräch stattfindet oder auch mal per Telefon, E‑Mail oder Videoberatung, ändert nichts daran.
Überall hier bleibt der Wunsch des Kunden nach einem spezifischen Nutzen derselbe – egal, wo die Beratung stattfindet oder ob sie über das eine oder das andere Kommunikationsmittel stattfindet. Denn letztlich geht es Ihren Unternehmerkunden um ihre Lebenswerke, ihr Vermögen und das Umschiffen der Risiken für beides. Unternehmern geht es immer um Aufbau, Erhalt, Absicherung, Einschätzen, Beurteilen und Abwägen. Und im Prinzip hat das Bankgeschäft sich seit Anbeginn nicht wirklich verändert. Simpel ausgedrückt: Es gibt jemanden, der braucht mehr Geld, als er aktuell hat (Kredit), und es gibt jemanden, der derzeit mehr Geld hat, als er benötigt (Anlage). Diese Motivation und die daraus resultierenden Wünsche werden auch in Zukunft dieselben sein. Und ungeachtet der Änderungen von Dienstleistungen, Produkten, Arbeitsabläufen oder der Mittel und Wege der Beratung bedeutet das vor allem eines:
Der Unternehmer-Kunde braucht und will Sie als professionellen Ansprechpartner!
Die Rolle des Beraters wird sich nicht fundamental ändern
Zwei große Themenbereiche, in denen wir sehen können, dass sich die Abläufe und Methoden im Banking ändern, sind die Standardisierung und die Digitalisierung. Ein Überblick über das Konto, die Bestellung der Kreditkarte oder ein Kleinkredit – all das erledigen die meisten Kunden heute komfortabel und voll automatisiert online.
Doch beispielsweise die Finanzierung für eine Gewerbehalle (womöglich noch im Ausland angesiedelt) ist eben nichts, was sich vollautomatisch digital durchwinken lässt. Familienunternehmer möchten hier persönlich und professionell beraten werden. Sie möchten ein Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Bank, als Teil des eigenen subjektiven Wohlfühlfaktors in einer Finanzwelt mit immer gleich wirkenden Produkten und nahezu identischen Preisen. Und das können nur exzellente Berater liefern. Denken Sie nur an die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage: Möchten Sie die im Kreise Ihrer Liebsten verbringen, oder reicht Ihnen dazu auch eine Online-Konferenz? Nein, Sie möchten natürlich vorzugsweise von Mensch zu Mensch feiern, nicht von Facetime zu Facetime. Und genau so sieht es auch der Familienunternehmer, privat wie geschäftlich.
Familienunternehmer werden immer persönliche Dienstleister benötigen
Wie in allen Bereichen des Geschäftslebens sollten sich Finanzinstitute die Frage stellen: „Habe ich etwas, was meine Kunden brauchen oder wollen?“ Das könnten die unterschiedlichsten Dinge sein:
- Indispensables: Produkte, die vom Markt auf jeden Fall benötigt werden
- Postponables: Produkte, die benötigt werden, aber nicht sofort und dringend
- Nice-to-haves: Produkte oder Dienstleistungen, die nicht benötigt werden, die man jedoch zum Beispiel aus emotionalen Gründen gerne hat und nutzt
- Expendables: entbehrliche Dinge, die nicht benötigt werden und die man nicht haben möchte
All diese Produkte und Dienstleistungen wurden schon immer nachgefragt und dementsprechend gab es immer jemanden, der sie zur Verfügung gestellt hat. Das kennen wir doch alle aus dem Privatleben: Manche Menschen sind in der Lage, Handwerksarbeiten am eigenen Haus selbst durchzuführen, andere brauchen dafür einen Dienstleister. Und von diesem Dienstleister möchten sie sich auf jeden Fall gut und (gefühlt) individuell versorgt fühlen. Und natürlich lässt sich der Dienstleister seine Arbeit entlohnen.
Standardisierte digitale Angebote wie Handwerker24.de können sich auf diesem Gebiet aufgrund der fehlenden Individualität nur durch ihre extrem niedrigen Preise halten. Ein Handwerker wird sich gegen einen solchen Standardisierungs-Riesen nicht durch ein ebenfalls digitales Angebot behaupten können, denn die Kosten für sein Marketing werden durch die Decke gehen, während er gleichzeitig die Preise drücken muss, um konkurrenzfähig zu bleiben. Doch wie auch die Finanzinstitute kann der Handwerker immer noch darauf zählen, den Kunden geben zu können, was der digitale Standard nicht kann: Emotionalität und Individualität, für die man dann auch gerne etwas mehr zahlt.
Fallstricke in der Hoffnung auf KI-gestützte Systeme
Künstliche Intelligenz (KI) ist für manche Menschen mittlerweile zu einer regelrechten Erlösergestalt geworden: „Wenn KIs erst einmal ausgereift genug sind, können sie auch noch die letzten verbleibenden Aufgaben der Berater übernehmen“ heißt es dann. Dass das im Fall der Beratung von Mensch zu Mensch offensichtlich Unsinn ist, brauche ich an dieser Stelle nicht weiter auszuführen.
Doch auch in Bereichen, für die die KI theoretisch perfekt geeignet wäre, rate ich zu einer differenzierteren Betrachtungsweise. Grundsätzlich sind Maschinen und digitalisierte Methoden in der Lage, schneller und effizienter Standardabläufe umzusetzen. Und somit auch Kontobuchungen zu durchleuchten. Aber kann die künstliche Intelligenz bereits automatisch hoch personalisierte Angebote erstellen, wenn sie z.B. erkennt, dass ich eine Versicherung beim Wettbewerber „X“ habe? Und wenn ja, kennt sie denn die Klauseln für den Vertrag oder müssen diese erst von jemandem – einem Menschen – eingepflegt werden (oder zumindest einmalig vorkonfiguriert)? Mal ganz davon abgesehen, dass eine KI bei der Herleitung zur Vertragserstellung gar nicht berücksichtigen könnte, dass der Kunde beispielsweise gerade versucht, ein Haus zu planen, in dem er nur ein einziges Badezimmer vorgesehen hat – mit zwei pubertierenden Kindern in der Familie. Wer hier mitdenkt und gegebenenfalls eine proaktive Beratung gibt, zeigt: Wir kümmern uns!
Für solche Details haben nur Menschen Augen. Wer den Unternehmer von Mensch zu Mensch erreichen möchte, muss sich mit seinem Leben auseinandersetzen. Und das Leben eines Unternehmers (zum Download: E‑Book Unternehmerreise: Von der Existenzgründung bis zur Unternehmensnachfolge) ist so komplex und so stark mit Emotionen und unvorhergesehenen Ereignissen verwoben, dass eine Maschine es nie in Gänze erfassen können wird.
Es ändern sich nicht die Geschäftsmodelle, nur die Methoden
Wir sehen also: Die Wünsche der Kunden waren immer schon dieselben und sie werden es auch in Zukunft bleiben. Dementsprechend müssen sich auch die Geschäftsmodelle der Banken nicht ändern, auch wenn die Methoden mit der Zeit gehen: Selbstverständlich macht es Sinn, zu digitalisieren und zu standardisieren. Das wird in hoher Geschwindigkeit kommen. Und das ist auch so notwendig. Aber das wird weder die Wünsche der Kunden noch die Rolle der Berater bei der Erfüllung dieser Wünsche ändern.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, Ihnen zu versichern: Finanzinstitute werden gebraucht – und auch Sie werden als Berater oder Leiter noch gebraucht werden. Nehmen Sie sich also zu Weihnachten die Zeit, sich einfach mal zurückzulehnen und stolz auf die Arbeit zu sein, die Sie tagtäglich verrichten und dank der Ihre Unternehmerkunden sich im selben Moment ebenfalls zufrieden im Kreise ihrer Liebsten zurücklehnen können. Besonders die letzten 9 Monate haben gezeigt: Wenn Menschen und somit Geschäftspartner miteinander kommunizieren, sich abstimmen, aufeinander einlassen, sich vertrauen, Chancen nutzen und professionell arbeiten, kann und wird Großes entstehen. Genießen Sie jede Minute mit den Menschen, die unsere Welt von morgen und übermorgen maßgeblich beeinflussen. Denn Sie als Berater können ein Teil davon sein!
Ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch wünscht Ihnen Ihr Versteher-Coach Dirk Wiebusch.
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Dirk Wiebusch
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