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Am 9. April 2025 setzte US-Präsident Donald Trump mit einem einzigen Tweet eine Ketten­re­aktion an den Weltbörsen in Gang: „THIS IS A GREAT TIME TO BUY“. Nur wenige Stunden danach pausierte er die zuvor angekün­digten US-Zölle gegen die Weltge­mein­schaft. Innerhalb von Minuten explo­dierte die Volati­lität, Index­werte sprangen, Derivate wurden gehebelt und Algorithmen stießen Handels­wellen an. Entwick­lungen, die früher Tage dauerten, geschehen heute in Sekunden. Was einst Funda­men­tal­daten waren, sind heute syste­mische Reflexe. Was bedeutet das für Anleger wie Ihre Unternehmerkunden?

Der neue Alltag an den Börsen

Früher waren Indizes ein Querschnitt der Wirtschaft. Heute sind sie oft Hochkon­zen­trate weniger Megakonzerne:

  • Apple ist 12,6 % des NASDAQ 100. 
  • SAP ist allein 15 % des DAX
  • Microsoft ist 6 % des preis­ge­wich­teten Dow Jones. 

Diese Titel haben einen drama­ti­schen Einfluss auf den gesamten Index: Schwä­chelt Apple um ‑5 %, dann verliert der NASDAQ 100 ganze 105 Punkte (bei 16.724 Punkten) – selbst wenn die anderen 99 Aktien stabil bleiben. Das macht den Handel mit Indizes heute zum Handel mit Konzentrationsrisiken.

Gleich­zeitig sehen wir, dass ETFs derartige Bewegungen noch beschleu­nigen können. Kein Wunder, denn sie folgen blind ihrer jewei­ligen Index­struktur. Fällt also zum Beispiel Apple um ‑5 %, dann müssen die ETFs ihre Apple-Aktien verkaufen. Und das verstärkt die Abwärts­be­wegung noch weiter. Auch der Tech-Abverkauf der letzten Tage wurde primär durch diese ETF-Dynamik katalysiert.

Für Ihre Unter­neh­mer­kunden ergeben sich daraus klare Konse­quenzen, an denen Sie bei der Beratung ansetzen können:

  • Überprüfen Sie Kunden­port­folios auf Konzentrationen. 
  • Empfehlen Sie Liqui­di­täts­puffer für den Ernstfall. 
  • Kalku­lieren und struk­tu­rieren Sie Vermö­gens­werte wohlüberlegt in die Kapital­märkte ein (Unter­nehmen, Immobilien, Wertpa­piere, Sachwerte wie Kunst, Gold …)
  • Empfehlen Sie strate­gische Reser­ve­po­si­tionen, um antizy­kli­sches Handeln bei Markt­schocks zu ermöglichen. 

Mein Tipp: Wenn ein Tweet einen Index bewegt, kann ein Unter­nehmen oder Vermögen binnen Minuten in Schieflage geraten. Wer Familien­unternehmer beraten will, muss nicht nur Bilanzen verstehen, sondern auch die neue System­physik der Märkte.

Der Sekun­den­markt – wie Algorithmen und KI die Börse treiben

Als Donald Trump am 9. April seinen Tweet absetzte, reagierte der NASDAQ 100 beinahe zeitgleich: In weniger als 30 Sekunden waren die Kurse von Apple und Co. sprunghaft wieder gestiegen. Die Algorithmen hatten reagiert, noch bevor irgendein Mensch verstand, was los war.

Algorithmen kontrol­lieren heute über 80 % des US-Aktien­handels. Newsfeeds werden per Natural Language Processing (NLP) automa­tisch ausge­wertet, High-Frequency-Trader analy­sieren Headlines und Order­bücher in Mikro­se­kunden, und Sentiment-Engines berechnen die Markt­stimmung in Echtzeit. Mensch­liche Trader können lediglich noch die Wechsel­wir­kungen beobachten:

  • Algorithmen reagieren auf Tweets mit dem Kauf von Tech-Werten. 
  • Das löst Momentum-Signale aus. 
  • Options­mo­delle müssen nun gehedgt werden.
  • Gamma-Hedging erzwingt zusätz­liche Aktienkäufe. 
  • ETFs bilden die Markt­be­wegung nach. 

An der Börse reagieren heute Algorithmen auf Algorithmen. Diese Spirale erzeugt „Markt­wellen“, durch die selbst Bewegungen von mehreren Prozent­punkten pro Tag längst keine Ausnahme mehr sind. Sie sind System­logik in einem System, in dem mensch­liche Markt­teil­nehmer oft nur noch auf Algorithmen reagieren und Milli­ar­den­ver­luste durch Daten­ver­zer­rungen oder Fake News erzeugt werden können. Der Preis der Geschwin­digkeit ist Volati­lität ohne ein Fundament.

Für Ihre Unter­neh­mer­kunden ist Reakti­onszeit heute ein Risiko­faktor. Konzen­trieren Sie sich bei der Beratung also auf Strategien, die dieses Risiko verringern:

  • Definieren Sie vorab Strategien und Reaktionsszenarien. 
  • Binden Sie Portfolios nicht zu stark an algorith­misch dominierte Titel oder Indizes. 
  • Verstehen Sie das Liqui­di­täts­ma­nagement strate­gisch – wer reagieren will, braucht Handlungsspielraum. 
  • Verzahnen Sie Vermö­gens­struktur und Unter­neh­mens­stra­tegie stärker (z.B. Trans­ak­tionen, Betei­li­gungs­ver­käufe, Nachfolgelösungen) 

Mein Tipp: In einer Welt, in der Maschinen mit Maschinen handeln, braucht es Berater, die für Menschen denken.

Der ETF als Trend­ver­stärker: passives Kapital – aktive Wirkung

Exchange Traded Funds (ETFs) und Index­fonds galten lange als günstig, trans­parent und stabil. Doch in einem Markt, der zunehmend durch Konzen­tration, Algorithmen und Korre­lation geprägt ist, werden ETFs zu Multi­pli­ka­toren syste­mi­scher Bewegungen.

ETFs bilden ihren Index vollau­to­ma­tisch nach. Sinkt Apple um ‑5 %, werden Apple-Aktien verkauft – ob die Anleger das nun wollen oder nicht. So werden ETFs, die einst als passives „Abbild des Marktes“ gedacht waren, zum aktiven Beweger des Markts. Jeder Kursverlust beschleunigt die Verkäufe und jeder Kursgewinn die Zukäufe. Es entsteht ein sich selbst verstär­kender Kreislauf. Als Donald Trump am 3. April 2025 seine Zölle ankün­digte, wurde der Rückgang bei Tech-Werten nicht durch aktive Fonds, sondern durch ETF-Ströme, Options­si­cherung und Algorithmus-Trading ausgelöst – genau wie der Rebound nach dem 9. April.

Für Sie als Finanz­be­rater von Unter­neh­mer­kunden bedeutet das:

  • Nutzen Sie ETFs nicht als Ersatz für eine Strategie – sie sind ein Werkzeug mit Nebenwirkungen. 
  • Prüfen Sie die Index-Zusam­men­setzung und Konzen­tra­ti­ons­dy­namik bei größeren Vermögen.
  • Schaffen Sie aktive Entschei­dungs­räume im Risiko­ma­nagement, auch in scheinbar passiven Mandaten. 
  • Nutzen Sie Strategien wie Barbell-Ansätze, um struk­tu­relle Volati­lität abzufedern. 

Mein Tipp: Wer blind passiv bleibt, läuft in dynamische Risiken. Wer bewusst struk­tu­riert, bleibt handlungsfähig.

Derivate verviel­fachen die Marktbewegung

Während der Finanz­krise 2008 waren Derivate eines der großen Schreck­ge­spenster. Heute sind sie dank Smart­phone-Apps und Online-Brokern längst Alltag – nicht nur für insti­tu­tio­nelle Inves­toren, Market Maker und Emittenten, sondern auch für Privat­an­leger. Doch das bedeutet auch, dass Derivate heute nicht mehr der Absicherung dienen – wozu sie vor Hunderten Jahren (!) eigentlich erfunden wurden und seit 1848 (Chicago Board of Trade, CBOT) offiziell erstmals öffentlich gehandelt wurden. Eine neue Markt­physik hat sich herausgebildet:

  • Ein starker Kursrückgang bringt Optionen „ins Geld“. 
  • Market Maker müssen hedgen – z.B. durch Aktienver- und ‑zukäufe. 
  • Das löst weitere Bewegungen aus – Knock-outs, Margin Calls, automa­tische Rückkäufe etc. 
  • Die Volati­lität steigt.

So haben wir es auch im April 2025 erlebt: Die Options­po­si­tionen auf Tech-Werte gerieten unter Druck, die Volati­litäts-Indizes sprangen an und ETF-Repli­ka­toren sowie Derivate-Strategien trieben die Kurse zusätzlich – am 3. April nach unten und am 9. April nach oben. Derivate beschleu­nigen heute Markt­be­we­gungen und verviel­fachen Volumina.

Als Finanz­dienst­leister sollten Sie erkennen, dass Derivate nicht mehr zur Absicherung funktio­nieren, sondern Teil des Problems sein können.

  • Steuern und begleiten Sie Derivate bewusst. 
  • Merken Sie sich: In Volumina im 7- bis 9‑stelligen Bereich wirken schon kleine Deriva­te­po­si­tionen überpro­por­tional positiv oder negativ. 
  • Ihre Beratung sollte dem Unter­neh­mer­kunden aufzeigen, wie von Derivaten ausge­hende syste­mische Hebel­ef­fekte wirken – auch wenn er selbst keine Derivate handelt. 
  • Setzen Sie immer Strategien zur Volati­li­täts­steuerung und Stress­si­mu­lation ein. 

Mein Tipp: Der Hebel ist kein Werkzeug, er ist ein Prinzip – und wer es nicht versteht, wird von ihm bewegt.

Wenn Short Selling Märkte sprengt

Leerver­käufe haben sich in ein hochex­plo­sives Markt­in­strument verwandelt, das massive Markt­be­we­gungen in beide Richtungen auslösen kann. Denn auch das Short Selling ist heute dank spezi­eller Broker und Apps jedem Privat­an­leger möglich.

Das Ergebnis haben wir Anfang April gesehen: Nach der Zoll-Ankün­digung positio­nierten sich die Markt­teil­nehmer short auf Tech-Werte, chine­sische Exporte etc. Als Donald Trump die Zölle dann zunächst pausierte, gerieten diese Short-Positionen unter Druck, da die Long-Algorithmen begannen, sich wieder mit Aktien einzu­decken. Zusammen mit den ETFs, die diese Bewegung blind nachbil­deten, erzeugte das einen klassi­schen Short Squeeze. Und all das war nur getrieben durch Angst und Automatismen.

Als Finanz­dienst­leister sollten Sie also entspre­chende Short-Positionen im Portfolio Ihrer Kunden genau im Auge behalten:

  • Analy­sieren und besprechen Sie Short-Positionen im Portfolio – und Short-Positionen in deren Umfeld. 
  • Seien Sie vorbe­reitet: Eine scheinbar ruhige Markt­phase kann durch plötz­liche Short-Deckungen binnen Minuten kippen. 
  • Legen Sie Strategien zur Markt­ein­tritts- und ‑ausstiegs­logik an, auch bei passiven Mandanten. 
  • Halten Sie in Stress­phasen Liqui­dität verfügbar, um handlungs­fähig zu bleiben. 

Mein Tipp: Wer auf fallende Kurse setzt, muss auf steigende Märkte vorbe­reitet sein – sonst wird die Absicherung zur Gefahr.

Staats­an­leihen und der US-Dollar – kein sicherer Hafen

Norma­ler­weise führen politische Spannungen zur Flucht in US-Anleihen und den Dollar. Was wir Anfang April 2025 beobachten konnten, war darum in dieser Form beispiellos: Inves­toren verließen Aktien, stießen aber gleich­zeitig US-Anleihen und den Dollar ab. Statt­dessen parkten sie ihr Kapital in Fremd­wäh­rungen und Rohstoffen.

Nicht einmal die Finanz­krise 2008 konnte den Status des Dollar als Weltre­ser­ve­währung angreifen – doch der 3. April 2025 zeigte, wie groß die Verun­si­cherung mittler­weile ist. Die US-Wirtschaft war nicht mehr der sichere Hafen, in den man sich zurückzog. Für viele Inves­toren stellte es sich als Glücksfall heraus, dass sie ihr Geld aus Aktien in Cash umparkten. Denn das ermög­lichte sofortige Neu-Inves­ti­tionen, als sich das Sentiment am 9. April wieder drehte.

Wohin also mit dem Geld Ihrer Unter­neh­mer­kunden? Folgen Sie bei der Beratung folgenden Tipps:

  • Denken Sie Diver­si­fi­kation auch auf Währungs- und Staats­an­lei­hen­ebene neu. 
  • Halten Sie am Aufbau von strate­gi­schen Liqui­di­täts­re­serven außerhalb des Dollar fest. 
  • Erkennen Sie, dass Anleihen nur im Kontext von Vertrauen, Politik und Inflation stabil sind. 
  • Nutzen Sie eine solide Cash-Strategie sowohl defensiv als auch offensiv (Zukäufe, Umstruk­tu­rie­rungen etc.) 

Mein Tipp: Wenn selbst der Anlei­he­markt kippt, ist Liqui­dität nicht mehr Komfort – sie ist strate­gische Positionierung.

Wenn die Infra­struktur an ihre Grenzen stößt

Die Börse hat längst Einfluss auf reelle Infra­struk­turen. Was bedeutet es da, wenn an einem einzigen Tag die Börsen weltweit so in Aufruhr geraten wie im April 2025? Jürgen Wannhoff, Vizeprä­sident des Sparkas­sen­ver­bands Westfalen-Lippe, hat neulich in einem Social-Media-Post am 12. April eindrucks­volle Zahlen der Deutschen Wertpa­pier­Service Bank (DWPBank) vom 9. April genannt:

  • 694.904 Trans­ak­tionen gesamt (normal: 200.000) 
  • 730 Trans­ak­tionen pro Sekunde (normal: 200) 
  • 1,02 Millionen Käufe/Verkäufe (normal: 0,4 Millionen) 
  • 15.790 API-Anfragen pro Minute (normal etwa die Hälfte) 

Wohlge­merkt: nur in Deutschland und nur ein Anbieter. Was da wohl weltweit los war?

Die Märkte sind nicht nur ökono­misch komplex, sondern auch digital vernetzt und infra­struk­turell verwundbar. Sie können an ihre Belas­tungs­grenzen stoßen, wenn mehrere Faktoren zusam­men­treffen (z.B. politische Trigger, algorith­mische Reaktion, ETF-Dynamik).

Diesmal haben die Systeme gehalten. Aber was wäre, wenn mehrere große Player gleich­zeitig betroffen wären? Was, wenn die Systeme zeitgleich unter einem Cyber­an­griff ächzen? Derartige Risiken sollten Sie auch in Ihre Beratung mit einfließen lassen:

  • Betrachten Sie die techno­lo­gische Infra­struktur als Teil des Risikoprofils. 
  • Verstehen Sie Execution Risk als opera­tives Thema. 
  • Sehen Sie Strategien zur Markt­zu­gangs­si­cherung, Liqui­di­täts­planung und Techno­lo­gie­auswahl als Teil der profes­sio­nellen Vermögensarchitektur. 

Mein Tipp: Wer nur über Kurse spricht, aber nicht über Systeme, berät unvollständig.

Die Märkte ändern sich – passen Sie Ihre Beratung an

Spätestens seit April 2025 sehen wir deutlich, wie stark sich die Märkte gewandelt haben. Sie sind schneller, vernetzter und refle­xiver geworden – und damit auch volatiler. Selbst Konstrukte wie ETFs, die einst als Absicherung gedacht waren, wirken heute eher als Verstärker der Markt­be­wegung, nach oben wie auch nach unten.

Ihre Unter­neh­mer­kunden brauchen in diesem Markt­umfeld eine umfas­sende Beratung von jemandem, der die Zusam­men­hänge wirklich versteht. Und der ihnen hilft, ihre Portfolios auf den neuen Status quo anzupassen. Denn Unter­nehmer haben andere Kernkom­pe­tenzen: Türen, Fenster, Garagentore, Gastro, Maschinen etc. Und auch wenn (z.B. aufgrund interner Bestim­mungen) viele der genannten Themen für 99 % von Ihnen als Finanz­be­rater in Ihrem Tages­ge­schäft wohl kaum zum Zuge kommen, beein­flussen sie doch die finan­zielle Lage Ihrer wichtigen Unter­neh­mer­kunden. Denn die hier genannten Effekte betreffen jeden, der in irgend­einer Form mit der Börse verknüpft ist – direkt oder indirekt.

Gehen Sie in der Beratung weg von der reinen Reaktion, und bringen Sie Struktur in die Anlage­stra­tegien. Setzen Sie auf Klarheit statt Geschwin­digkeit und Liqui­dität statt Kontrolle – denn echte Kontrolle ist auf den momentan so volatilen Weltmärkten ohnehin eine Illusion. Denken Sie in Systemen und nicht nur in Produkten, um Ihren Unter­neh­mer­kunden eine tiefge­hende und ganzheit­liche Beratung bieten zu können. Nur so positio­nieren Sie sich auf den riskanten Finanz­märkten erfolg­reich als unver­zicht­barer Sparringspartner.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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