Die Lage auf den Finanzmärkten unserer Welt ist unübersichtlich: Zwischen sinkenden Margen und völlig homogen erscheinenden Produkten sitzen die Finanzdienstleister und müssen grundlegende Fragen klären: Wie viel Individualisierung und wie viel Standardisierung kann sich das Institut leisten? Wie wird mit der Digitalisierung umgegangen und wie viel Mensch zu Mensch kann in der durchtechnologisierten Finanzwelt überhaupt noch geboten werden? In dieser Gemengelage ringen die Institute heute mit oft schwer zu differenzierenden Markenauftritten um ihre Positionierung beim Kunden. Denn wer sich beim Branding nicht einige wichtige Grundsätze zu Herzen nimmt, schwächt schnell die eigene Marke und verfehlt auf dem stark umkämpften Finanzsektor seine Zielgruppen.
Jeder gegen jeden auf dem Finanzmarkt
Noch vor wenigen Jahren war die Situation übersichtlich: Jedes Institut hatte seine eigene Markenidentität und Zielgruppe. Sparkassen, Volksbanken, Großbanken, Privatbanken, Privatbankiers und freie Berater teilten sich in vertrauter Routine das Feld – die einen konzentrierten sich auf das Massengeschäft, die anderen bedienten Premium-Kunden.
Doch mit den immer stärker wegbrechenden Erträgen und kleineren Margen der letzten Jahre fühlten sich die Institute gezwungen, ihre Positionierung zu überdenken und neue Kundenschichten anzusprechen: Einstige Premium-Anbieter boten plötzlich Leistungen für den Massenmarkt an, während Institute, die sich vormals auf kleine und mittlere Mittelstandskunden konzentriert hatten, auf einmal Premium-Segmente erschlossen. Kurzum: Auf einmal fischten alle Mitbewerber in fremden Gewässern. Beigetragen haben zu dieser Entwicklung die großen Fusionen der letzten Zeit: Durch diese konnten viele frisch zusammengeschlossene Banken mit einem Mal ein höheres Kreditlimit anbieten als bislang. Damit stand es ihnen nun frei, ernsthafte Vorstöße ins Premium-Segment zu unternehmen.
Mit anderen Worten: Der einst übersichtlich strukturierte Finanzmarkt hat sich in den letzten Jahren stark vermischt. Damit ist die Finanzwelt den Weg gegangen, den wir beispielsweise in Medien und Politik ebenfalls beobachten können. Heute arbeiten selbst Fachzeitschriften und respektable journalistische Tageszeitungen verstärkt mit boulevardesker Sensationshascherei und Clickbait, um mit reißerischen – aber nicht immer inhaltlich korrekten – Headlines Leser anzulocken. Und im politischen Bereich rücken Parteien von links nach rechts und von rechts nach links und hinterlassen, die Extreme ausgenommen, eine große schwammige Mitte. Hier verschwimmen zusehends die Markenidentitäten.
Viele Köche verderben das Branding
Für den Kunden ist diese Verwischung der Markenidentitäten eher Fluch als Segen, da für ihn nicht mehr ersichtlich ist, welcher Marke er sich anvertrauen kann. Stellen wir uns die Situation wie in der Gastronomie vor. Dort können Lokale und Restaurants grob in 4 Stufen unterschieden werden:
- Massenküchen, Kantinen, Restaurantketten etc.
- Gutbürgerliche Gasthäuser
- Gehobene Restaurants
- Luxus-Restaurants
Instinktiv dürfte hier jeder wissen, was von den entsprechenden Gastronomien zu erwarten ist: Die Massenküche steht jedem offen und bietet eine eher überschaubar qualitative Kost zu kleinen Preisen, während das Luxus-Restaurant zu hohen Preisen Feinschmecker-Kost bietet – doch wer dem Dresscode nicht entspricht, muss womöglich draußen bleiben.
An diesem Beispiel erkennen wir: Die eindeutige Positionierung der eigenen Marke erlaubt es Kunden, fast schon instinktiv zu verstehen, was sie von einem Institut erwarten können und ob dieses zu den eigenen Ansprüchen passt.
Diese Gemengelage bietet auf dem Finanzsektor vor allem auch freien Anbietern eine einmalige Chance, sich punktgenau zu positionieren. Diese sind zwar oft kleiner als große Finanzinstitute und haben demnach geringere Kapazitäten, können diese vermeintliche Schwäche jedoch als Vorteil nutzen, da sie sich auf eine Zielgruppe konzentrieren können.
Doch gerade für größere Finanzinstitute ist es heutzutage wichtig, sich möglichst breit aufzustellen, um auf keine potenzielle Zielgruppe verzichten zu müssen. Auch hier lässt sich wieder ein Beispiel aus der Gastronomie entlehnen, denn viele Luxus-Restaurants bieten eigene Bereiche an, in denen eher bürgerliche oder gehobene Küche serviert wird. Das funktioniert besser als gedacht, denn diese Restaurants separieren die einzelnen Bereiche klar voneinander – so wird die eigene Marke nicht verwässert, sondern in mehrere Marken aufgespalten, die ihrerseits wieder präzise definiert sind.
Analog sollten Finanzinstitute bei der Erweiterung der Zielgruppe auf klar definierte und voneinander abgegrenzte Submarken setzen. Ein willkommener Nebeneffekt: Ein Gast, der im Luxus-Bereich mal eine Feier ausgetragen hat, nimmt vielleicht in Zukunft auch für das „normale Abendessen“ mit der Familie den eher auf eine bürgerliche Zielgruppe zugeschnittenen Teil des Restaurants in Anspruch. Und genauso erkennen auch Unternehmer bald, dass sie neben dem Premium-Angebot für die Firma auch von den weiteren Finanzdienstleistungen für ihr Privatvermögen profitieren können.
Das sollte bei der Bildung von Submarken beachtet werden
Ein paar Dutzend Submarken für jede Zielgruppe – und dann rollt der Rubel? Ganz so einfach geht es natürlich nicht. Institute, die ein größeres Kundenfeld erschließen möchten, beachten deshalb bei der Aufteilung in Submarken am besten einige wichtige Punkte:
- Alle Submarken sollten klar definiert und voneinander abgegrenzt sein.
- Zu viele Submarken können dazu führen, dass ein Bereich zugunsten eines anderen benachteiligt wird – das vergrault Zielgruppen.
- Von einer Premium-Marke nach unten zu skalieren, ist einfacher als umgekehrt. Das haben vor allem Lebensmitteldiscounter gemerkt, die trotz Vorstößen mit Premium-Angeboten noch als „Billiganbieter“ für die breite Masse angesehen werden.
- Als Premium-Marke, die Angebote für den Massenmarkt etablieren möchte, ist es wichtig, die Qualität des Premium-Angebots zu halten. Ansonsten leidet die Marke als Ganzes unter der Diskrepanz zwischen dem Label „Premium“ und der eigentlichen Produktqualität.
Institute sollten also die eigene Markenidentität genau betrachten und sich fragen: Wird meinen Kunden klar, welche Zielgruppe von welcher meiner Submarken angesprochen wird? Insbesondere Familienunternehmer, die oft nach Marken im bürgerlichen bis Luxusspektrum suchen, arbeiten ungern mit Marken, die den Massenmarkt bedienen. Gerade Top-Unternehmer legen Wert darauf, von Premium-Marken beraten zu werden – und erkennen diese aus eigener Erfahrung schnell. Denn in der Regel sind Unternehmer mit ihren eigenen Marken glasklar positioniert.
Als Finanzdienstleister lassen sich aus diesen Beobachtungen mehrere Anforderungen ableiten, die institutsintern geklärt werden, bevor zur Markenbildung der Submarken geschritten werden kann:
- Die Markenpositionierung bei Unternehmern generell
- Die spezifische Positionierung bei Familienunternehmen
- Die Positionierung bei Unternehmerfamilien
- Die Strategie zur Markenbildung für die Zielgruppen Familienunternehmen und Unternehmerfamilien als Einheit
- Bilden einer Unternehmens-/Abteilungskultur: „Für was stehen wir (ein)?“
Orientieren Sie sich bei der Entwicklung der Submarken an den 4 groben Markenidentitäten, die ich im Gastronomie-Beispiel erwähnt habe (Masse – bürgerlich – gehoben – Luxus) und bedenken Sie, dass Familienunternehmen sich meist im Bereich zwischen „bürgerlich“ und „Luxus“ bewegen. Sind Sie sich unsicher, in welchem Bereich sich einer Ihrer Kunden bewegt, reicht meist schon ein Blick auf dessen eigene Markenidentität.
Wichtig: Nicht nur positionieren, sondern auch liefern!
Wie oben bereits kurz erwähnt, ist es für Finanzinstitute unumgänglich, das Angebot auch auf die entsprechende Markenpositionierung auszulegen: Wer sich als Luxus- oder Premium-Marke präsentiert, aber keine entsprechenden Leistungen bietet, sorgt für einen schnellen Verfall der Markenidentität. Durch interne und externe Verbund- und Kooperationspartner ist es jedoch absolut möglich, Segmente über der eigenen Marke zu bedienen. Und auch kann man als regionales Institut oder Abteilung ein starkes eigenes Branding innerhalb der Segmente erreichen, trotz übergeordneter Markenstrategien. Doch in einer Zeit, in der die eigentlichen Finanzdienstleistungen immer stärker standardisiert werden, kann dies eine Herausforderung darstellen: Wie soll man Luxus oder Premium liefern, wenn die Finanzprodukte immer homogener werden?
Die Antwort: Dienstleistung, Service und Beratung um das Produkt herum sollten für Premium-Kunden klar erkennbar Premium-Qualität haben – egal ob am Telefon oder vor Ort. Den Instituten ist also angeraten, klare Service- und Beratungsstandards für alle Kundensegmente zu definieren, um für den Kunden ebenso klar erkennbare Unterschiede herauszuarbeiten. Diese werden dann von den Beratern an den Kunden gebracht. Denn sie sind die Markenbotschafter des Instituts, die sich für den Unternehmerkunden von Mensch zu Mensch begeistern und sich mit dem eigenen Institut identifizieren.
Effektives Branding bringt Ihr Institut auf den Marken-Thron
Eine effektive Markenbildung und ‑positionierung kann nur dann vonstattengehen, wenn zuvor einige wichtige strategische Stellschrauben korrekt eingestellt worden sind. Welche das sind, lässt sich am „Strategiehaus“ ablesen:
Für den Vorstand ist dabei unter anderem auch die Preisgestaltung zu bedenken, denn diese ergibt sich aus der Positionierung der Marke. Für die Berater wiederum stellt sich vor allem die Frage: Für welches Kundensegment will man eigentlich arbeiten und wo passt man am besten hin? Und Führungskräfte kommunizieren die Markenpositionierung nach außen auch an Nicht-Kunden. Denn viele Nachwuchstalente und potenzielle Mitarbeiter fühlen sich von starken Marken angezogen – ein großer Vorteil in Zeiten eines zunehmenden Fachkräftemangels.
Mit diesen Strategien im Hinterkopf lässt sich ein Finanzinstitut präzise für alle relevanten Zielgruppen positionieren. In den momentanen, undurchsichtigen Zeiten schafft man damit eine für Kunden seltene Klarheit und legt die Grundlage für nachhaltigen Erfolg in einem Marktfeld, in dem die Erträge schmaler geworden sind und jeder gegen jeden kämpft.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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