In der aktuellen Marktlage stelle ich immer wieder fest, dass Finanz­dienst­leister sich bei der Suche nach Erträgen vor allem auf schnelle Geschäfte konzen­trieren. Insbe­sondere in den Bereichen Zahlungs­verkehr Inland / Ausland, betrieb­liche Alters­vor­sorge, Versi­che­rungs­wesen / Sachkom­posit, Private Banking und Vermö­gens­ma­nagement scheinen schnelle Erträge nur darauf zu warten, abgeschlossen zu werden. Doch gerade weil sie so leicht zu pflücken sind, stürzen sich alle darauf und es ist kaum noch etwas verfügbar. Finanz­in­stitute sollten sich daher nicht ausschließlich auf tief hängende Früchte verlassen. Denn wie bei jedem Baum braucht es nur etwas mehr Zeit und Aufwand, um die besonders saftigen Früchte weiter oben zu pflücken, an die sich andere Institute nicht herantrauen.

Warum schnelle Erträge nicht das alleinige Ziel sein dürfen

Es ist natürlich völlig legitim, über tief hängende Früchte zu disku­tieren und im Bestand zu prüfen, ob aus den Kunden wirklich jedes poten­zielle Geschäft heraus­geholt worden ist – vor allem dann, wenn der Kunde gleich­zeitig noch Geschäfts­kon­takte mit anderen Insti­tuten unterhält. Warum sollte man die tief hängenden Früchte also nicht pflücken, wenn sie sich doch anbieten?

Die scheinbar paradoxe Antwort: Gerade weil sie so leicht zu pflücken sind, darf man sich nicht auf sie verlassen. Unter dem aktuellen Wettbe­werbs­druck kann davon ausge­gangen werden, dass die meisten schnellen Erträge bereits von Konkur­renten erhascht worden sind. Kommt der Kunde nicht von sich aus auf das eigene Institut zu, sind die vermeintlich leicht zu ergat­ternden Früchte wahrscheinlich längst von der Konkurrenz abgeerntet worden. In vielen Fällen werden Unter­nehmer regel­mäßig von den unter­schied­lichsten Insti­tuten bezüglich dieser schnellen Geschäfte angesprochen – oft sogar mehrmals.

Wer sich dennoch auf dieses heiß umkämpfte Gebiet wagen möchte, sollte bedenken, dass er sich einem großen Konkur­renz­druck preisgibt. Zusätzlich bedeuten gewisse Themen auch für den Unter­nehmer einen internen Mehraufwand – sie sind für ihn mögli­cher­weise nicht so einfach zu lösen, wie es aus Sicht des Instituts auf den ersten Blick erscheint. Um den Ertrag dennoch zu gewinnen, sollte man als Berater das Geschäfts­modell, die Wertschöp­fungs­kette und die internen Prozesse des Unter­nehmens gut kennen und wissen, wie man mit dem Unter­nehmer kommu­ni­zieren kann – so wie es der Zahlungs­ver­kehr­spe­zialist umgesetzt hat, den ich vor Kurzem im Rahmen eines Kunden­ge­sprächs kennen­ge­lernt habe.

So erreichen Sie die hoch hängenden Früchte

An die saftigsten Früchte trauen sich nicht viele Institute heran, da es mehr Aufwand und Zeit erfordert, diese Geschäfte zum Abschluss zu bringen. Ironi­scher­weise bedeutet dies, dass bei den langfristig geplanten Geschäften weniger Konkur­renz­druck herrscht. Hier bieten sich also auch mehr Chancen, sich effektiv und nachhaltig zu positionieren.

Um die hoch hängenden Früchte zu erreichen, sind Hartnä­ckigkeit, Fokus und Kraft gefordert – all diese Fähig­keiten lassen sich trainieren, wie ich es bereits seit vielen Jahren erfolg­reich mit Finanz­dienst­leistern in meinen Realfall­coa­chings und Seminaren tue. Ein beson­derer Schwer­punkt liegt für mich dabei auf dem Etablieren einer gewissen Resilienz in den Finanz­be­ratern – also der mentalen Fähigkeit, selbst bei Rückschlägen am Ball zu bleiben und psycho­lo­gi­schem Druck standzuhalten.

Damit meine ich vor allem die Fähigkeit, mit einem Beloh­nungs­auf­schub zurecht­zu­kommen. Denn in dieser Hinsicht ähneln Finanz­dienst­leister den Testper­sonen aus dem berühmten Marsh­mallow-Test: Wer sich dem Druck ergibt und sich die mögliche Belohnung so schnell wie möglich aneignet, muss dadurch auf größere Beloh­nungen in der Zukunft verzichten. Die Psycho­logie ist sich heute sicher, dass die Fähigkeit, dem Drang nach sofor­tiger Belohnung stand­zu­halten, bereits bei Kindern ein Anzeichen für Erfolg im späteren Leben ist. Und dasselbe gilt im Finanz­be­reich: Wer beispiels­weise für ein spontanes Gespräch beim Kunden Zeit und Aufwand inves­tiert, ohne sich davon eine sofortige Belohnung zu erhoffen, hat langfristig bessere Karten, an die größeren Erträge zu gelangen.

Berater sollten sich in Geduld üben – und von ihren Vorständen die entspre­chende Geduld zugestanden bekommen: Insbe­sondere bei Kunden, die man bereits 10 bis 15 Jahre im Kredit­be­reich betreut, erwartet man vielleicht, dass selbst die hoch hängenden Früchte aus anderen Bereichen schnell gepflückt werden können. Doch dabei vergisst man: Unter­nehmer betrachten jedes Thema für sich – die Zeit des Beloh­nungs­auf­schubs beginnt also bei jedem neuen Thema mit dem ersten Kunden­ge­spräch. Langjährige Geschäfts­be­zie­hungen bedeuten also nicht zwangs­läufig einen kürzeren Belohnungsaufschub.

Handfeste Tipps für greifbare Ergebnisse

Neben der Fähigkeit zum Beloh­nungs­auf­schub profi­tieren Finanz­dienst­leister auf der Suche nach den saftigen, hoch hängenden Früchten noch von zahlreichen anderen Fähig­keiten, die ich zum Teil bereits in anderen Artikeln näher dargelegt habe:

  • Agieren statt reagieren – Bieten Sie ihren Kunden das Geschäft an und bleiben Sie trotz zunächst ausblei­bender Belohnung am Ball.
  • Führen Sie eine saubere Wieder­vor­la­ge­mappe und gehen Sie ihr mit höflicher Hartnä­ckigkeit nach.
  • Beachten Sie gleich­zeitig, dass sich Unter­nehmen die Häufigkeit des Kontakts nicht vom Finanz­dienst­leister vorschreiben lassen möchten – hier ist Finger­spit­zen­gefühl gefragt.
  • Bereiten Sie sich auf Kunden­ge­spräche vor und machen Sie sich mit den Beson­der­heiten von Unter­neh­mer­kunden vertraut. Zur Vorbe­reitung können Sie sich an den Punkten aus meinem Artikel „Familien­unternehmer ticken anders“ orientieren.

Der wichtigste Tipp: Trainieren Sie die Heran­ge­hens­weise, das nachhaltige Positio­nieren sowie das sichere Verfolgen und schließlich Ernten der hoch hängenden Früchte. Das hat sich auch einer meiner Seminar­teil­nehmer zu Herzen genommen, der durch Training, Hartnä­ckigkeit und Geduld einen beein­dru­ckenden Erfolg bei seinem Kunden landen konnte:

3 Millionen Euro Depot­vo­lumen, 40 Tausend Euro Ertrag und das Ganze innerhalb von 6 Monaten akqui­riert: Bei Unter­nehmern braucht es zwar mehr Termine als bei Privat­kunden, doch der Aufwand lohnt sich! Das präzise Trainieren der entschei­denden Faktoren im Umgang mit Unter­nehmern und eine gute Portion Ausdauer haben es uns ermög­licht, auf den Kunden und seine Rahmen­be­din­gungen indivi­duell einzu­gehen und unsere Produkte effektiv zu platzieren.“

– Private-Banking-Berater für Unternehmer­familien, tätig in einer Sparkasse*

* Anmerkung der Redaktion: Aus Gründen des Daten­schutzes und der Privat­sphäre behandeln wir Namen und genaue Bezeich­nungen an dieser Stelle anonym. Wenn Sie mehr über diesen Fall erfahren möchten, kontak­tieren Sie uns bitte. Wir stellen gerne den Kontakt mit dem Berater und Institut direkt her.

Derartig positive Ergeb­nisse sind nicht etwa Glücks­treffer, sondern sie lassen sich mit der richtigen Heran­ge­hens­weise, psycho­lo­gi­scher Resilienz und Hartnä­ckigkeit syste­ma­tisch erreichen. Diese Fähig­keiten lassen sich wiederum durch gezieltes Training erwerben und verfeinern. Ein exempla­ri­scher Ablauf einer solchen Schulung könnte in etwa so ablaufen:

  1. Besuch der Seminare „Private Banking für Unternehmer­familien“ und / oder „Firmen­kun­den­banking für Familienunternehmen“
  2. Tandem-Workshop, um gemeinsame Spiel­regeln zu erarbeiten und ein gemein­sames Verständnis fürein­ander aufzubauen
  3. Realfall­coa­ching, um sich gezielt auf die Erfor­der­nisse der Kunden vorzubereiten
  4. Tandem-Gespräch beim Kunden unter den im Seminar geschaf­fenen Voraussetzungen

Das Beispiel zeigt: Gute Vorbe­reitung und psycho­lo­gische Resilienz insbe­sondere im Bezug auf Beloh­nungs­auf­schub zahlen sich nicht nur aus – diese Fähig­keiten sind auch erlern- und trainierbar. Wer als Finanz­dienst­leister nicht nur auf tief hängende Früchte angewiesen sein möchte, die eventuell schon längst von der Konkurrenz geerntet wurden, sollte deshalb seine Führungs­kräfte und Berater weitläufig schulen. So lassen sich auch auf dem von starkem Konkur­renz­druck geprägten Finanz­markt die wirklich saftigen Früchte dort finden, wo sich nicht jedes Institut hin traut. Denn für nachhal­tigen Erfolg gibt es keine Abkürzung.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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