Erfolg­reiche Finanz­be­rater wissen: Timing ist wichtig, wenn es um die wirklich guten Abschlüsse geht. Man will den Kunden ja nicht mit Infor­ma­tionen anfüttern, nur damit einem dann die Konkurrenz den eigent­lichen Auftrag wegschnappt. Gleich­zeitig möchte man auch nicht zu früh nachfragen, ob der Kunde denn überhaupt Interesse hat. Denn Familien­unternehmer sind ja bekanntlich schnell verärgert, wenn man zu forsch auf den Abschluss drängt – oder etwa doch nicht? Gerade neulich wurde mir bei einem Kunden­ge­spräch erneut demons­triert, dass diese vermeint­liche „alte Weisheit“ in vielen Fällen gar nicht zutrifft.

Ein Blick hinter die Kulissen – bei einer ganz anderen Branche

In meiner Position als Geschäfts­führer und Gründer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) hatte ich vor Kurzem die Gelegenheit, einen unserer Unter­neh­mer­kunden bei einem Gespräch mit einem Vertriebler aus einer ganz anderen Branche als der Finanzwelt zu erleben. Das klingt vielleicht zunächst, als hätte es wenig Relevanz für die Kommu­ni­kation zwischen Finanz­be­ratern und Unter­nehmern, doch der Schein trügt. Denn in allen Branchen gilt es für den Vertrieb, Unter­nehmer für ein Produkt zu begeistern, ob das nun ein Unter­neh­mens­kredit ist oder eine Maschine für die Ferti­gungs­anlage. Aus diesem Grund rate ich auch Finanz­be­ratern, immer mal wieder über den eigenen Tellerrand zu schauen, wie in anderen Branchen der Vertrieb funktio­niert. Ich persönlich bin jeden­falls immer begeistert, wenn ich, wie in diesem Fall, einfach mal beim Unter­nehmer mein Interesse bekunden kann und dann im Gespräch zuhören darf.

Die Ausgangslage für den Vertriebler war in diesem Fall sehr vorteilhaft: Er und der Unter­nehmer kannten sich schon, und auch das Produkt, das der Vertriebler an den Mann bringen wollte, war schon bekannt. Der eine oder andere Punkt musste aller­dings noch geklärt werden, da es sich um ein eher komplexes Produkt handelte. Das Gespräch fand also quasi mitten im Akqui­si­ti­ons­prozess statt und im weiteren Verlauf wurden die unter­schied­lichsten Dinge besprochen, ohne sich lange mit Grund­sätz­lichem aufzuhalten.

So weit, so normal. Doch dann fragte der Vertriebler mitten im Gespräch plötzlich sinngemäß: „Gut, sollen wir das dann machen?“ Da war ich etwas überrascht, denn ich hatte instinktiv das Gefühl: Das war jetzt aber früh! Ob er sich damit wohl einen Gefallen getan hat? Ich schaute zum Unter­nehmer, um seine Stimmung zu lesen. Doch er schmun­zelte nur und meinte: „Ja, ja, da kommen wir schon zusammen.“ Und danach unter­hielt man sich weiter über die Details, als sei nichts gewesen.

Einige Wochen später hatte ich schließlich noch ein Telefon­ge­spräch mit dem Unter­nehmer und entschloss mich spontan, nachzu­fragen, wie es denn nach dem Gespräch mit dem Vertriebler weiter­ge­gangen war. Der Unter­nehmer antwortete: „Ja, das haben wir gekauft und das Geschäft ist zustande gekommen.“ Daraufhin fragte ich gezielter nach: „Mensch, fanden Sie das nicht zu schnell und forsch, wie der Vertreter nach dem Abschluss gefragt hat?“ Da meinte der Unter­nehmer ganz ruhig: „Überhaupt nicht – wenn meine Vertriebler mal so zügig zum Punkt kämen, würden sie weniger Zeit verlieren mit poten­zi­ellen Kunden, die eigentlich gar nicht wirklich kaufen wollen!“

Wie man gezielt „zu früh“ nachhakt

In meiner Arbeit mit Finanz­dienst­leistern, Famili­en­un­ter­nehmern und Unternehmer­familien erlebe ich es immer wieder, dass Berater lange Vorarbeit leisten – und sich dann der Verkaufs­prozess sehr lange hinzieht und sie am Ende doch zu spät kommen. Das hängt meistens damit zusammen, dass sie während der Gespräche nicht richtig nachgehakt oder nicht konkret genug einen Abschluss ins Spiel gebracht haben. Auch sehe ich es immer wieder, dass Berater es verpassen, recht­zeitig eine klare Ja-oder-Nein-Frage bezüglich des Abschlusses zu stellen. Sie schieben das immer weiter auf, um den absolut perfekten Zeitpunkt abzuwarten (oder sie trauen sich nicht, weil sie befürchten, ihren Gegenüber zu verschrecken) – und am Ende blicken sie zurück auf eine Reihe guter Zeitpunkte, die sie alle verstreichen ließen, nur um jetzt mit leeren Händen dazustehen.

Mein Appell an Sie ist deshalb: Fragen Sie ruhig auch mal einen Unter­nehmer zu einem gefühlt zu frühen Zeitpunkt direkt nach dem Abschluss. Getreu dem Motto: „You can always take the steak out of the pan, but once it burns, it’s all over!“ Denn man kann durchaus manchmal nachschauen, ob das Fleisch schon durch ist, ohne es zu ruinieren. Aber wenn es zu lange in der Pfanne war, gibt es kein Zurück mehr.

Dabei brauchen Sie sich auch nicht zu sehr darum zu sorgen, ob der Unter­nehmer Ihre Frage vielleicht als zu forsch wahrnehmen wird. Ich kenne sehr erfolg­reiche Berater, bei denen es zum festen Vorgehen gehört, bei Unter­nehmern „zu früh“ nachzu­haken. Da sagt der Unter­nehmer beispiels­weise: „Rufen Sie in 6 Monaten noch mal an!“ Und wenn man doch schon nach 4 Monaten anruft, dann sagt der Unter­nehmer entweder „Es ist doch noch zu früh“ und man berück­sichtigt das in der Zukunft (hierbei ist dann wichtig, dass auch Ihre Kollegen erfahren, dass der Unter­nehmer strikt auf Einhaltung seiner Vorgaben besteht) – oder man hat sich wieder ins Gespräch gebracht und erhält vielleicht sogar wertvollen Input, was zu einem erfolg­reichen Abschluss jetzt noch fehlt. Verschrecken können Sie die meisten Unter­nehmer mit einer solchen Taktik gar nicht, solange Sie diese nur im Unter­neh­mer­kun­den­ge­schäft anwenden, nicht im Privat­kun­den­ge­schäft. Denn, unter uns: Wenn der Unter­nehmer Ihnen gegenüber gesagt hat, Sie sollten sich in 6 Monaten wieder melden, dann weiß er oft schon einen Monat später nicht mehr, welchen genauen Zeitraum er Ihnen genannt hat. Denn der Unter­nehmer hat fast jeden Tag mit Vertrieblern, Beratern und anderen Gesprächs­partnern zu tun. Wie soll er sich da exakt merken, welcher von ihnen bis wann das nächste Mal anrufen „darf“?

Klartext gibt den Ton an

Stellen Sie sich das Gespräch mit Ihren Kunden wie einen Besuch in der Disco vor: Nur die wenigsten sprechen dort eine fremde Person an, nur um Freunde zu finden. Und alle Betei­ligten wissen, worauf es hinaus­laufen soll, auch wenn pflicht­be­wusst vorher noch der „Balztanz“ bezie­hungs­weise die Akquise durch­ge­führt werden muss. Und wer dann fragt und ein Nein zu hören bekommt, der zieht meist auch noch die falschen Schlüsse: Er sieht das als Ablehnung, wenn das Nein doch in erster Linie Klarheit schafft: Hier besteht mit hoher Wahrschein­lichkeit kein Interesse, warum also weiter Zeit und Energie investieren?

Auch deshalb kann es sehr hilfreich sein, die Frage nach dem Abschluss auch mal gefühlt zu früh zu stellen. Denn wer dann Ja sagt oder sein Nein mit spezi­fi­schen Einwänden verknüpft, der hat wirklich Interesse, während ein klares Nein oder Ausreden und Vorwände letztlich klarstellen: Hier steht keine wirkliche Kaufab­sicht dahinter. Im besten Fall filtern Sie so sogar „Infor­ma­ti­ons­vampire“ aus, denen es letztlich nur darum geht, möglichst kosten­günstig an Ihre wertvollen Infor­ma­tionen zu gelangen.

Sie schützen sich mit einer „zu frühen“ Frage nach dem Abschluss also sogar davor, diesen Kunden hinter­her­zu­laufen, um am Ende doch mit leeren Händen dazustehen. Oder, um es mit dem Unter­nehmer zu sagen, der den Anstoß zu diesem Artikel gegeben hat: Sie verlieren weniger Zeit mit Kunden, die eigentlich gar nicht wirklich kaufen wollen – und kommen bei anderen sogar schneller zum ersehnten Abschluss.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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