Wenn ich in meiner Eigenschaft als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) im Gespräch mit Banken und Familienunternehmern bin, dann bleibt es inhaltlich nicht immer ausschließlich beim eigentlichen Gesprächsanlass – oft kommen weiterführende Gedanken auf. So, wie in einem CheckUp-Gespräch, das ich neulich mit einem Familienunternehmer geführt habe. Es ging dabei um die Unternehmensnachfolge, und im Rahmen dessen führte uns die Besprechung auch zu einem weiteren Thema. Denn nicht nur die Nachfolge musste geplant werden, auch bei der Weiterbildung der Mitarbeiter gab es Diskussionsbedarf.
Den Wert der Weiterbildung erkennen
Wir saßen beisammen und spielten in einer Art Rollenspiel die möglichen Optionen für die Unternehmensnachfolge durch – ich übernahm den Part des potenziellen Nachfolgers. Konkret ging es dem Unternehmer darum herauszufinden, ob die Nachfolge oder ein möglicher Verkauf noch 3 bis 5 Jahre Zeit hätten. Dazu gingen wir die verschiedensten Optionen durch – von Management-Buy-out (MBO) und Management-Buy-in (MBI) bis zum Verkauf.
Da die Übernahme der Belegschaft durch den Käufer ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist, kamen wir auch auf die Qualität der Mitarbeiter zu sprechen. Und in diesem Zusammenhang machte ich eine Entdeckung: Bei insgesamt 300 Mitarbeitern standen in der Bilanz des Unternehmers gerade mal 3.000 Euro bei den Gewinn- und Verlustposten für Fort- und Weiterbildungen. Das schien mir dramatisch wenig zu sein für ein Unternehmen dieser Größe, also fragte ich nach, wie es dazu kam.
Warum man als Unternehmer ungern Weiterbildungen finanziert
Vom Unternehmer kam dann auch eine klare Antwort: Warum solle er denn die Mitarbeiter auf Weiterbildungen oder Messen schicken? Dabei käme doch eh nichts Nachhaltiges heraus. Und wenn sie effektiv weitergebildet würden, dann könnten sie doch auch einfach von der Konkurrenz akquiriert werden. „Jetzt stellen Sie sich vor, Herr Wiebusch: Man investiert in die Leute und dann gehen Sie einfach!“, erklärte er mir. Doch ich kannte das Argument bereits und gab zu bedenken: „Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie investieren nicht in die Leute … und sie bleiben!“
Ich nahm hierzu auch die Rolle eines potenziellen Unternehmens-Käufers ein, um zu verdeutlichen, dass in der aktuellen Struktur und bei den aktuellen Mitarbeitern der Wert des Unternehmens zu sehr vom Unternehmer selbst abhing. Und wenn man diesen dann „herauskauft“, verliert das Unternehmen „The Brain“ – die Innovationskraft und das Wissen. Dies führt dazu, dass man als Käufer zwar ein aktuell gutes Unternehmen kauft, aber letztendlich auf Dauer verliert.
Ich gab ihm das Beispiel einer Firma, mit der ich zu tun hatte, die 4 Jahre in Folge aus Kostengründen keine Azubis übernommen hatte (obwohl sie in der glücklichen Lage war, überhaupt welche zu bekommen!) – und jetzt das große Problem hatte, dass im Betrieb plötzlich der dringend benötigte Nachwuchs ausblieb. Das hat dem Unternehmer wirklich zu denken gegeben. Wir einigten uns darauf, gemeinsam ein Fortbildungskonzept auszuarbeiten, das eine effiziente Weiterbildung der Belegschaft garantierte, aber gleichzeitig auf die berechtigten Kritikpunkte des Unternehmers einging:
- Fortbildung nur für die Mitarbeiter, die wirklich wollen (auch wenn es nur wenige wären)
- Klare Ziele fürs Training mit den Mitarbeitern definieren
- Präsentation der Fortbildungsergebnisse gegenüber den Führungskräften
- Einholen von Führungskräfte-Feedback und Überwachung durch die Personalabteilung
- Bei Vertriebsseminaren und Tagungen Vor-Ort-Unterstützung durch Führungskräfte
- Bei Messen: Planung, welche Stände besucht werden, Messebericht und regelmäßige Diskussionen untereinander
Wichtig war dem Unternehmer auch, nicht die gesamte Weiterbildung mit kostspieligen Seminaren zu organisieren. Er legte auch weiterhin Wert darauf, dass seine Mitarbeiter sich eigenständig in wichtige Themen einlesen sollten, wie ich sie beispielsweise in meinem einmal wöchentlich erscheinenden Versteher-Magazin für Finanzdienstleister darlege. Und erst, wenn es darum ging, den Mitarbeitern die konkrete und hoch individualisierte Umsetzung des jeweiligen Themas näher zu bringen, sollten gezielt Seminare, Workshops und Vorträge eingeplant werden.
Mit diesen einfachen Regeln gab es nun eine klare Marschroute für die Weiterbildungen im Unternehmen. In über 2.500 Realfallcoachings bei Finanzdienstleistern habe ich immer wieder festgestellt, dass eine solche Ausarbeitung bei Familienunternehmen meist dringend nötig ist, da hier oft optimierungsbedürftige Zustände herrschen, wenn es um die Fort- und Weiterbildung geht. Entweder wird praktisch kein Geld dafür eingeplant oder das Budget versickert im Nichts, weil die Weiterbildungsmaßnahmen nicht strukturiert geplant werden.
Fort- und Weiterbildung als wichtiges Thema für Finanzberater
Mein Geheimtipp für Finanzdienstleister, die sich bei Familienunternehmern als kompetente Sparringspartner mit einem Auge für Details etablieren wollen, lautet also: Schauen Sie auch mal auf das Fortbildungsbudget Ihrer Kunden. Kennen Sie die Zahlen, können Sie diese bei der Beratung ansprechen und eigene Ideen zur Optimierung anbieten. Und zugleich eröffnet ein Blick auf das Budget auch Einblicke in die Psychologie des Unternehmers: Denkt er vorausplanend? Wägt er Kosten-Nutzen-Fragen ab oder tut er die Weiterbildung nur als „unnützen Kostenpunkt“ ab?
Und wenn Sie im Bereich Unternehmenstransaktionen (M&A) tätig sind, empfehle ich schon frühzeitig den Blick auf diese GuV-Position. So erkennt man sehr schnell, wie es für den eigenen Mandanten ausgehen wird, wenn man nach erfolgter Transaktion ins Tagesgeschäft einsteigt. Denn oft stellt man dann fest, dass die übernommenen Mitarbeiter verunsichert und mitunter hilflos sind, wenn es um eigenständige Ideenentwicklung geht – ohne dass diese eine wirkliche Schuld trifft. Denn weder wurde von ihnen verlangt noch wurden sie dabei unterstützt, eigenständige Lösungsentwicklungskompetenzen aufzubauen.
Ihnen als Berater gibt dieser Blickwinkel zusätzliche Gelegenheit, vor dem Kunden mit Fachwissen und eigenen Ideen zu brillieren – und Ihnen als Vorgesetzte und Institutsvorstände gibt er die nötige Reflexionsfläche, um sich selbst einmal zu fragen: Tun wir eigentlich genug zur Fort- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter? Und schauen wir nach erfolgten Maßnahmen genau hin, ob die Inhalte nachhaltig und erfolgreich umgesetzt werden?
Kontakt
Dirk Wiebusch
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