Auf der Suche nach zusätzlichen Margen im Geschäft mit Familienunternehmern und Unternehmerfamilien realisieren immer mehr Finanzberater: Das Firmenkundengeschäft ist nicht der einzige Bereich, in dem sich noch unerschlossene Erträge verstecken. Ein oft sogar noch größeres, ungenutztes Potenzial findet sich im Private Banking für Unternehmer(familien).
Deshalb versuchen zurzeit viele große und kleine Banken sowie freie Vermögensverwalter, entsprechende Sub-Marken zu etablieren, segmentrein abgetrennt vom restlichen Private-Banking-Bereich. Sie alle stellen früher oder später fest: Das Private Banking für Unternehmerfamilien unterliegt besonderen Regeln, die von Anfang an einzuplanen sind. In meiner Artikelserie „Private Banking für Unternehmerfamilien“ bringe ich Ihnen diese Regeln näher und stelle Ihnen darauf basierend praxiserprobte Herangehensweisen zur Etablierung entsprechender Abteilungen vor.
Von der Konzeption bis zur Realisierung
Die hier vorgestellten Ansätze sind universell einsetzbar, unabhängig von der Institutsgröße – von der Großbank über regionale Kleinbanken bis zum freien Vermögensverwalter. Selbstverständlich wird das bedeuten, dass das eine oder andere Institut aufgrund begrenzter Ressourcen nicht alle Ansätze wird umsetzen können – bei unserer gemeinsamen Betrachtung der Thematik geht es mir dementsprechend auch mehr darum, Denkansätze und Leitlinien anzubieten, die sich in meinen über 25 Jahren bei der Beratung von Familienunternehmern und Finanzdienstleistern als handfeste Praxiserfahrung herauskristallisiert haben. Zudem gibt es Tipps und Anregungen für bestehende Einheiten und Bereiche, wie diese optimiert oder an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden können.
Darüber hinaus sollten wir uns bewusst machen, wovon wir überhaupt sprechen, wenn wir von „Private Banking für Unternehmerfamilien“ sprechen: Das ist der Geschäftsbereich, in dem das gesamte private Vermögen eines Familienunternehmers und von dessen Familie außerhalb der Firmensphäre verwaltet wird. Dieser Bereich ist bei Instituten typischerweise auf zweiter Stufe einer Markenbildung angesiedelt – also eine Sub-Marke der Private-Banking-Abteilung, die wiederum eine Sub-Marke des Instituts ist.
Als Basis unserer Entwicklung eines vollumfänglichen Private-Banking-Bereichs für Unternehmerfamilien nehmen wir das sogenannte „Strategiehaus“ als Ausgangspunkt:
An dieser Struktur werden wir uns von oben nach unten und Schritt für Schritt entlangarbeiten – bis zur vollständigen Realisierung der PB-Submarke „Private Banking für Unternehmerfamilien“. Selbstverständlich werden wir dabei nicht auf jedes Detail und jede Sondersituation eingehen können, weshalb Sie das hier gelesene vor allem als exemplarischen Überblick sehen sollten, der je nach Situation des eigenen Instituts angepasst werden kann.
Der Dachfirst des Strategiehauses
Wir beginnen die Artikelserie heute mit einem Blick auf die übergeordneten Konzepte, welche die obere Hälfte des „Dachs“ unseres Strategiehauses bilden: die Vision und Mission, die dem Institutsbereich „Private Banking für Unternehmerfamilien“ zugrunde liegen sollten, sowie die strategischen Ziele, die sich direkt daraus herleiten. Diese Konzepte sind der Ausgangspunkt für die Entwicklung aller kommenden Aspekte der zu etablierenden Abteilung.
Wir arbeiten uns von oben nach unten durch das Strategiehaus-Modell durch. Das bedeutet, dass beispielsweise entsprechende IT-Operations erst noch geschaffen werden müssen, nachdem die Struktur schon steht. Wohlwissend, dass in vielen Instituten eine IT vorhanden ist und zum Beispiel bei Sparkassen und Volksbanken „aus einer Hand“ kommt, sodass Freiheiten und Flexibilität mitunter eingeschränkt sein können.
Mission und Vision
Die grundlegende Idee hinter jedem Unternehmen ist die Vision. Also der Kerngedanke, der allem Handeln der Firma zugrunde liegt. Dabei wird oftmals übersehen, dass ein solcher Grundgedanke nicht nur für das Unternehmen als Ganzes, sondern auch für jede Marke und Sub-Marke wichtig ist. Denn er zeigt den Kunden, was sie zu erwarten haben, und eröffnet den Mitarbeitern die Möglichkeit, sich mit der Philosophie und den Zielen der Marke zu identifizieren. Deshalb ist es auch keine gute Idee, das Private Banking für Unternehmerfamilien so anzugehen, wie ich es schon in vielen Instituten selbst erlebt habe: „Wir machen jetzt auch Private Banking für Unternehmerfamilien. Also einfach Private Banking mit neuem Briefkopf.“
Als erster Schritt auf dem Weg zum erfolgreichen Private Banking für Unternehmerfamilien, das wir ab jetzt als PB-UF bezeichnen, ist es also wichtig, die grundlegenden Ziele und Ideen des neuen Geschäftsfelds auszuformulieren. Diese Ziele müssen klar und eindeutig definiert werden, damit sich jeder Mitarbeiter zu jedem Zeitpunkt ein Bild davon machen kann, wo die Reise hingeht. Besonders wichtig ist dabei, den Mitarbeitern gegenüber hervorzuheben, dass man als Private Banker für Unternehmer Teil der regionalen Wirtschaftskraft ist – denn obwohl es um Privatvermögen geht, sind diese doch über die Unternehmerfamilie untrennbar mit dem Unternehmen verbunden.
Eine gute Vision für die Abteilung PB-UF ist immer glaubwürdig, realistisch sowie motivierend – und sie ist messbar, denn ohne Messung lässt sich nicht einschätzen, wie effektiv sie ist. Unter diesen Gesichtspunkten setzen sich die Verantwortlichen zusammen und erschaffen eine Vision, die Kunden und Mitarbeitern klar kommuniziert werden kann.
Wie in der Seefahrt gilt hier: Der effektivste Weg ist derjenige, für den die wenigsten Navigationspunkte angesteuert werden müssen. Mit anderen Worten: Statt zu versuchen, den Kunden und Mitarbeitern Dutzende Punkte im engmaschigen Gewebe der Markenvision näherzubringen, sollte man sich auf die wichtigsten, zentralen Punkte beschränken. So wird die Markenidentität klarer und lässt sich von den Mitarbeitern leichter verstehen und kommunizieren. Bei der Definition der für Ihre Marke zentralen Punkte können Sie sich an einigen Fragen entlanghangeln, deren Antworten die zentralen Werte Ihrer Marke offenbaren:
Wo wollen wir in drei bis fünf Jahren sein?
Eine Vision ohne klares Ziel ist nur ein lauwarmes „es wäre schön, wenn wir das machen könnten“. Und das ist weder messbar noch inspirierend. Also überlegen Sie sich, welche verbindlichen kurz- und langfristigen Ziele die Abteilung haben sollte. Möchten Sie zum Beispiel größter Anbieter nach Umsatz oder profitabelster Anbieter im Bereich des Private Banking für Unternehmerfamilien werden?
Hier kann es hilfreich sein, die eigene Position im Vergleich zu anderen Instituten zu betrachten und die Ziele entsprechend abzustecken. Konzentrieren Sie sich beim Vergleichen immer auf Wettbewerber aus derselben Region. Denn je nach Region können die Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich sein, was einen Vergleich über diese Grenzen hinweg wenig sinnvoll macht.
Was wäre uns auch in einer wirtschaftlichen Krisensituation immer wichtig?
Wenn das Budget nicht mehr locker sitzt, merkt man schnell, an welchen Aspekten des Private Banking man dennoch nicht sparen möchte. Überlegen Sie sich also, welche Teile Ihrer Marke für das PB-UF auf keinen Fall zur Debatte stehen werden, falls es zu drastischen Kürzungen kommen sollte.
Welche Werte würden wir auch in turbulenten Zeiten noch verfolgen?
Ähnlich wie bei Fragen nach der wirtschaftlichen Seite im Falle einer Krisensituation geht es bei dieser Frage darum, diejenigen Kernwerte der Marke zu definieren, die absolut unumstößlich sein sollten. Kommunizieren Sie Ihren Kunden beispielsweise, dass sie sich bei Ihnen immer auf persönliche Beratung und maßgeschneiderte finanzielle Lösungen verlassen können, dann sollten Sie sich überlegen, ob dieser Aspekt so wichtig ist, dass er unter keinen Umständen wegfallen kann – und damit haben Sie gleich einen Teil Ihrer Vision definiert.
Welche Best Practices würden wir auch dann verfolgen, wenn sie einen (scheinbaren) Nachteil im Wettbewerb bedeuten?
Viele Institute sehen bestimmte Aspekte ihrer Arbeit als wichtig an, obwohl sie sich (vermeintlich) einsparen ließen. Beispielsweise verordnen sich einige Institute bestimmte Mindest-Personalstärken, um übermäßigen Stress für jeden einzelnen Mitarbeiter zu vermeiden. Oder sie bieten bestimmte Dienstleistungen an, die eventuell kaum Ertrag bringen und vielleicht sogar mehr kosten als sie einbringen. Gibt es bei Ihnen derartige Best Practices, die sie nicht verwerfen möchten, dann könnten diese Teil Ihrer Vision sein.
Die Strategie
Haben Sie eine Vision definiert, folgt direkt die Erstellung einer Strategie für den neuen PB-Bereich. Strategische Ziele sind gewissermaßen eine Konkretisierung der Vision der Marke. Teil Ihrer Vision ist es, für jeden Unternehmer individualisierte Finanzlösungen anzubieten? Dann brauchen Sie eine Strategie, mit der Sie dieses Ziel erreichen können, ohne dadurch ins finanzielle Minus zu geraten. Beispielsweise müssen eventuell erst die passenden Strukturen und Abläufe etabliert werden, um für wirklich jeden Kunden eine individuelle Finanzlösung erstellen zu können.
Prüfen Sie also, welche strategischen Ziele sich direkt aus den einzelnen Punkten Ihrer Vision ergeben, und formulieren Sie diese klar und unkompliziert aus. Dazu reichen bereits einige präzise Schlagworte, beispielsweise:
- Erschaffen sowie internes wie externes Etablieren eines Bereichs zum Private Banking für Unternehmerfamilien
- Exzellenz und Premiumqualität in der täglichen Arbeit erzeugen
- Effektive Risikoerkennung und Nutzung sich dadurch bietender Chancen
- Wirtschaftlichkeit ohne Dumping-Margen
- Nachhaltige und kontinuierliche Verbesserung der Kundenqualität über Mitarbeiter, Produkte/Dienstleistungen, Prozesse und Führung
Beachten Sie beim Festlegen strategischer Ziele: Je höher Sie diese setzen, desto höher werden die Anforderungen an das eigene Institut und die Zielkunden – doch wer sich andererseits zu leicht zu erreichende Ziele setzt, der stagniert. Es gilt also: Die strategischen Ziele sollten sportlich, aber realistisch erreichbar sein. Denn wer nach den Sternen greifen möchte, muss zunächst auf dem Mond landen.
Die Grundstruktur steht
Die Entwicklung einer Vision bzw. Mission für Ihr Institut sowie der dazu passenden strategischen Ziele ist einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zum erfolgreichen Private Banking für Unternehmerfamilien. Denn wer an dieser Stelle schon weiß, was das Institut erreichen möchte, wie dieses Ziel erreicht werden soll und was ihm in diesem Prozess besonders wichtig ist – der kann später auf diesem Wissen aufbauen und es erfolgreich umsetzen.
Nehmen Sie sich deshalb zur Ausgestaltung von Vision, Mission und Strategie Zeit und diskutieren Sie das Thema vollständig durch. Alle anderen Schritte dieser Artikelserie bauen auf diesen drei Elementen auf, von der Markenbildung über die Leistungsversprechen bis hin zu Kundendefinition und Preis.
Welche Auswirkungen die Zielsetzung und Strategie genau haben kann, werden wir im nächsten Teil der Artikelserie sehen, wenn wir das „Dach“ des Strategiehauses fertigstellen. Dann werde ich beschreiben, welche Aspekte bei der Markenbildung und der Etablierung der damit zusammenhängenden Leistungsversprechen wichtig werden.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de