Wenn es um Optionen für die gewinn­brin­gende Anlage des Privat­ver­mögens geht, stellen viele Familien­unternehmer bewusst oder unter­be­wusst unvor­teil­hafte Vergleiche mit der Rendite des eigenen Unter­nehmens an. Um heraus­zu­finden, warum das so ist, weshalb es für die Portfo­lio­bildung des Unter­nehmers nicht hilfreich ist und wie man als Berater mit dieser spezi­ellen Eigenart der Unter­nehmer umgeht, haben wir heute Herrn Christian Kohlhaas (CK), Private Banking Berater und stell­ver­tre­tender Bereichs­leiter für die Sparkasse Westerwald-Sieg, und den Gründer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF), Dirk Wiebusch (DW), zum gemein­samen Gespräch unter Unter­nehmer-Verstehern eingeladen.

Über Herrn Christian Kohlhaas

Herr Kohlhaas ist als Private Banking Berater und stell­ver­tre­tender Bereichs­leiter für die Sparkasse Westerwald-Sieg tätig. Seine Kunden sind neben vermö­genden Privat­per­sonen überwiegend Unter­nehmer und deren Familien. Der Schwer­punkt seiner Tätigkeit sind die Beratung, Analyse und Betreuung zu den Themen Asset-Allokation, Nachfolge und Immobilien.

Christian Kohlhaas und Dirk Wiebusch im Gespräch

Versteher-Magazin: Guten Tag, meine Herren. Immer wieder berichten Berater jeglicher Couleur, dass es in Unter­neh­mer­ge­sprächen beim Thema „Rendite-Vergleich“ besonders emotional wird. Herr Kohlhaas, wie sind da Ihre persön­lichen Erfahrungen?

CK: Das erlebe ich ähnlich. Im Private Banking betreue ich seit mehreren Jahren Unter­nehmer und deren Familien. Wenn es um die Rendite eines Portfolios oder einzelnen Wertpa­pieres geht, vergleicht ein Unter­nehmer diese natürlich auch mit den Renditen seines Unter­nehmens und seiner Immobilien. Dieser Vergleich wird vom Unter­nehmer nicht offen thema­ti­siert, aber er läuft im Stillen immer ab. Da bin ich mir sehr sicher.

Versteher-Magazin: Herr Wiebusch, warum ist das so?

DW: Aus Sicht des Unter­nehmers ist das logisch. Wenn man bedenkt, dass die Firma für den Unter­nehmer den Lebens­mit­tel­punkt darstellt, weiß man, wie persönlich sie für ihn ist. Auch aufgrund der unzäh­ligen Stunden, die er in und an der Firma verbringt.

Versteher-Magazin: Und die Immobilien?

DW: Wie im Artikel „Betongold vs. Blattgold“ und in der kürzlich erschie­nenen Artikel­serie „Unter­nehmer und Immobilien“ (auch als kosten­loses eBook zum Download erhältlich) beschrieben, bilden Immobilien für den Unter­nehmer eine Art Ruhepol im Vermögen.

Versteher-Magazin: Herr Kohlhaas, erleben Sie das in Ihrer täglichen Praxis und im Umgang mit Top-Unter­nehmern auch so?

CK: Ja. Nach der Firma sind Immobilien im Unter­neh­mer­ver­mögen i.d.R. der mit Abstand größte Vermö­gensteil. Diese Konstel­lation entsteht bei vielen Top-Unter­nehmern über Jahre fast automa­tisch. Zunächst gründet bzw. übernimmt der Unter­nehmer die Firma. Und wenn er ausrei­chend Liqui­dität hat, entnimmt er diese Geldmittel aus der Firma und inves­tiert sie in Immobilien.

Mit der positiven Entwicklung der Firma nehmen über die Jahre auch die Möglich­keiten des privaten Vermö­gens­aufbaus zu. Da der Unter­nehmer aber immer weniger Zeit für Themen außerhalb der Firma und der Familie hat, sucht er nach Anlage­mög­lich­keiten, die bequem, wertstabil und zeitschonend sind. Da sind Immobilien aus seiner Sicht oft die logische Wahl.

Versteher-Magazin: Das heißt also, Herr Wiebusch, dass Unter­nehmer im Vermö­gens­aufbau eher bequem und zufalls­ge­trieben unterwegs sind?

DW: Zufalls­ge­trieben nicht wirklich. Wie Herr Kohlhaas richtig sagt, stehen einem Unter­nehmer während eines Kalen­der­jahres nur genauso viele Stunden zur Verfügung wie uns allen. Diese Zeit nutzt er mit hoher Priorität in der Firma. Dennoch denken sich Unter­nehmer sehr wohl etwas dabei, wenn sie in Immobilien inves­tieren. Sie tun es oft nur nicht ganz so syste­ma­tisch und strate­gisch, wie sie in der Firma vorgehen.

Versteher-Magazin: Aber ist es da für einen Unter­nehmer nicht sinnvoller, sich auf Profis zu verlassen?

DW: Ja, doch da wird es paradox. Während er in der Firma hoch quali­fi­zierte Vertraute um sich schart, vom kaufmän­ni­schen Leiter bis zum Produk­ti­ons­leiter, und damit extrem erfolg­reich ist, managt er im Privat­ver­mögen häufig kleinste Details selbst oder vernach­lässigt strate­gische Themen aus Zeitgründen.

CK: Diese Erfahrung mache ich in Gesprächen mit erfolg­reichen Unter­nehmern regel­mäßig. In der Firma sind Personal, Prozesse und Produkte ausge­zeichnet struk­tu­riert und organi­siert. Die Auslastung und der Erfolgs­beitrag jeder Maschine und Kosten­stelle sind bekannt, werden reportet und analy­siert. Das Privat­ver­mögen ist hingegen i.d.R. weniger optimal organisiert.

Der Hinter­grund hierfür ist meiner Einschätzung nach schlicht und einfach der bereits genannte Zeitmangel des Unter­nehmers und das Fehlen einer „rechten Hand“, analog dem Betriebs­leiter oder kaufmän­ni­schen Leiter in der Firma. In der Praxis übernimmt diese Funktion häufig der Steuer­be­rater – oder der kaufmän­nische Leiter macht das „mal eben mit“. Für ein optimales Ergebnis wäre die Vernetzung von Steuer­be­rater, Private Banking, Hausver­walter, Versi­che­rungs­makler usw. erfor­derlich. Aller­dings ist dies bei umfang­reichen und komplexen Vermögen sehr zeitauf­wendig und wird daher oft nur aufgaben- oder projekt­be­zogen umgesetzt.

Versteher-Magazin: Und das führt dazu, dass Unter­nehmer etwas vergleichen, was zunächst nicht so pauschal zu vergleichen ist?

DW: Ich denke, dass viele Leserinnen und Leser folgende Sätze so oder so ähnlich immer wieder hören:

  • Warum soll ich mich über externe Kapital­geber teuer finan­zieren, wenn ich eigene Mittel zur Verfügung habe? Würde ich die außerhalb des Unter­nehmens anlegen, bekäme ich doch weniger dafür, als ich selbst für die ‚Ersatz­mittel‘ für meine Firma zahlen müsste.“ 
  • Keine Geldanlage kann mit der Rendite mithalten, die zu erzielen ist, wenn ich mein Kapital im eigenen Unter­nehmen lasse.“ 
  • Immobilien rentieren sich immer, sind zudem zeitsparend und bequem zu handzuhaben.“ 

Versteher-Magazin: Herr Kohlhaas, was erwidern Sie dem Unter­nehmer, wenn er diese Argumente vorbringt?

CK: Dass dieser Vergleich aus mehreren Gründen nicht passend ist!

Versteher-Magazin: Wie das?

CK: Nun ja, wie schon erwähnt ist die Firma sein Lebenswerk und Lebens­mit­tel­punkt. Da kennt der Unter­nehmer sich exzellent aus. Da kann er jeden Handgriff selbst und kennt alles, was mit Prozessen zu tun hat. Und er kann super einschätzen, was zu tun ist, um erfolg­reich zu sein. Wie bereits gesagt ist er dort sehr trans­parent aufge­stellt und hat jede Infor­mation sofort zur Hand.

Versteher-Magazin: Und im Privatvermögen?

CK: Erstaun­li­cher­weise dort eben nicht. „Typische“ Unter­nehmer haben zwar in der Firma Trans­parenz, aber aktuelle Analysen pro Immobilie etc. liegen eher weniger vor. Die Infor­mation zur Rendite nach Kosten und Steuern der Immobilie in der „Muster­straße“ im Vorjahr ist einfach nicht ad hoc verfügbar. Bei einem Wertpa­pier­port­folio ist die Rendite im Prinzip jederzeit bekannt oder nur „einen Klick“ entfernt. Hier fehlt es bei den Immobilien häufig an Infor­ma­tionen zum Rendite-Risiko-Verhältnis oder es arbeiten mehrere Anlage­be­rater bzw. Vermö­gens­ver­walter „neben­ein­ander“, ohne dass Wirkung und Risiko für das Gesamt­ver­mögen und dessen Struktur berück­sichtigt werden.

Versteher-Magazin: Und wo ist es unfair im Vergleich?

DW: Ganz einfach: Im Unter­nehmen hat er Fremd­ka­pital, in den Immobilien auch – aber die Wertpa­piere sind zu 100 % Eigenkapital.

Versteher-Magazin: Das klingt einleuchtend, doch wie sollten Berater damit umgehen?

DW: Indem sie alle drei Vermö­gens­blöcke vergleichbar machen. Im Folgenden haben wir diese drei Blöcke mal mitein­ander verglichen. 

Sehr wichtig ist hierbei, dass alle Leserinnen und Leser berück­sich­tigen: Wir wissen, dass nur wenige Institute (noch) Lombard­kredite anbieten bzw. anbieten werden. Es geht ausschließlich darum, Trans­parenz in den Vermö­gens­werten zu schaffen, damit eine echte Vergleich­barkeit erzielt werden kann. Denn aktuell vergleichen Unter­nehmer nicht Äpfel mit Birnen, sondern Fleisch mit Tofu.

Zudem ist wichtig, dass man eine Grund­basis erstellt, mit der man die anderen Werte vergleicht:

  • Kommend von der Firma (Beispiel: 30 % Eigen­ka­pital, 70 % Fremd­ka­pital), werden die Werte bei den Immobilien und den Wertpa­pieren angepasst 
  • Kommend von den Immobilien (40 % Eigen­ka­pital, 60 % Fremd­ka­pital), werden die Werte der Firma und der Wertpa­piere angepasst 
  • Kommend von den Wertpa­pieren (100 % Eigen­ka­pital), werden die Werte der Firma und der Immobilien angepasst. 

Hier ein Beispiel, bei dem in der echten Firma 30 % Eigen­ka­pital und 70 % Fremd­ka­pital als Basis dienen. Die Werte bei den Immobilien sind ebenfalls echt, aber entspre­chend angepasst. Als Maßstab für Wertpa­piere haben wir den MDAX genommen. Grund für den MDAX ist, dass viele Familien­unternehmer sich mit den enthal­tenen Firmen besser identi­fi­zieren als z.B. mit den DAX-Unternehmen.

Versteher-Magazin: Das sieht ja alles logisch und schön aus. Doch wo sind da die Haken, Fallen und Hürden?

CKZunächst ist eine Fremd­ka­pi­tal­quote von 70%, wie im genannten Beispiel, bei Immobilien die Regel und bei Wertpa­pieren eher eine Seltenheit. Darauf kommen wir aber bestimmt noch zu sprechen. Weiterhin ist ein Rendite-Vergleich zwischen Unter­nehmen, Immobilien und Wertpa­pieren mit erheb­lichem Zeitaufwand für den Berater verbunden. Er benötigt z.B. Einblick in die Unter­neh­mens­zahlen und die Immobi­li­en­buch­haltung – sofern hierzu überhaupt fortlau­fende Daten zu jeder Einheit verfügbar sind. Manchmal werden verschiedene Objekte über ein Mietkonto bzw. bei verschie­denen Insti­tuten geführt. Einen Überblick zu gewinnen und sich richtig einzu­ar­beiten benötigt viel Zeit. Und selbst­ver­ständlich muss dieser Zeiteinsatz des Beraters im Nachgang auch in Form von Erträgen rentabel für sein Institut sein.

DW: Dann sind da ja noch weitere Diskus­si­ons­punkte, z.B. Wertstei­ge­rungen in der Firma und/oder bei den Immobilien. In unserem Beispiel hat die (echte, reale) Firma in 10 Jahren keinen Wertzu­wachs gehabt, da die Erträge recht stabil waren und die Firma in ihrem Markt zwar gut positio­niert ist – aber auch nicht so stark, dass jemand käme und einen deutlichen Aufpreis zahlen würde, nur um die Firma zu übernehmen. Dennoch ist zu beachten, dass der Punkt sicherlich sehr branchen­spe­zi­fisch zu betrachten ist. Aber im Grunde sollte eine Firma über 10 Jahre schon ihren Wert steigern. Sonst nimmt sie im Verhältnis zur Markt­ent­wicklung ja bereits an Wert ab. Getreu dem Motto: Wer auf der Stelle tritt, der steigt ab. Hier können für die Berech­nungen branchen­üb­liche Multi­pli­ka­toren hilfreich sein.

CK: Für Immobilien gibt es eine ähnliche Heraus­for­derung in der Bewertung. In der Praxis kann der Berater auf Markt­preis­schät­zungen, z.B. der hausei­genen Immobi­li­en­makler oder öffentlich zugäng­licher Immobi­li­en­sta­tis­tiken, ausweichen. Diese sind i.d.R. für eine Wert- und Rendi­te­an­alyse ausrei­chend und deutlich kosten­güns­tiger als ein Gutachten.

Versteher-Magazin: Welche Ungenau­ig­keiten gibt es noch?

DW: Kredit-Covenants geben ggf. Entnahmen vor. Reinves­ti­tionen bei Unter­nehmen (Stärkung des Eigen­ka­pitals) sind notwendig, um markt­fähig zu bleiben, und bei den Immobilien können Sanie­rungen, Moder­ni­sie­rungen etc. notwendig sein, die dann die Erträge zusätzlich schmälern.

CK: Und das Finanzamt wollen wir nicht vergessen, denn die Erträge müssen ja noch versteuert werden. Spannend ist auch der Aspekt, ob sich Immobilien bzw. ETF im Privat­ver­mögen oder im Betriebs­ver­mögen befinden: Im Privat­ver­mögen hat das Wertpapier mit der Abgel­tungs­steuer von 25% (+ Soli) einen deutlich günsti­geren Steuersatz als die zum (vermutlich) Spitzen­steu­ersatz zu versteu­ernden Mietein­künfte. Aber auch im Betriebs­ver­mögen können Wertpa­piere, insbe­sondere aktien­lastige Strategien, steuerlich vorteilhaft einge­setzt werden. Hinsichtlich der Zuflüsse der Erträge wäre noch zu berück­sich­tigen, dass die Mieterträge jährlich fließen und damit steuer­wirksam werden. Bei einem thesau­ri­e­renden ETF kommt es am Ende zu einer Steuer­be­lastung – über lange Zeiträume entstehen enorme Zinses­zins­ef­fekte. Beim MDAX-ETF müsste man sich diesbe­züglich auch die Thematik „Vorab­pau­schale“ im Detail ansehen, auch wenn diese aktuell auf Grund des negativen Basis­zinses nicht erhoben wird.

Versteher-Magazin: Nehmen wir an, der Unter­nehmer „beißt an“ und möchte auf Grundlage eines Rendite-Vergleichs in die Diskussion gehen. Worauf ist dann zu achten?

DW: Jetzt kommen wir unwei­gerlich zum Unter­neh­mer­typus. Viele Unter­nehmer möchten gern die Kontrolle behalten. Sie glauben, dass sie in der Firma alles im Griff haben. Gleiches gilt für die Immobilien. Daher wollen Unter­nehmer dann auch „den Markt“ im Griff haben. Da ihnen das aber nicht gelingt, zögern sie – obwohl viele Aktien­märkte langfristig betrachtet stetig steigen.

Versteher-Magazin: Aber warum scheuen Unter­nehmer dann so oft (noch) Inves­ti­tionen in Wertpapiere?

CK: Im Unter­neh­mer­ver­mögen werden Wertpa­piere häufig erst relevant, wenn die persön­liche Wohlfühl­quote bei Immobilien erreicht oder trotz inten­siver Suche kein neues Objekt zu einem angemes­senen Preis verfügbar ist. Vorher sind Wertpa­piere, bis auf ein Depot mit ausge­wählten Lieblings­aktien bzw. Themen-/Bran­chen­fonds, eine Ausnahme. Hinter­grund ist sicherlich der bereits mehrfach genannte enorme Zeiteinsatz in der Firma. Es fehlt häufig die Zeit, sich in das Thema Kapital­markt und Wertpa­piere einzu­ar­beiten und sich mit der persön­lichen Anlage­stra­tegie zu beschäf­tigen. Zusätzlich spielt auch der Gedanke an einen Ausgleich des mit der Firma einher­ge­henden unter­neh­me­ri­schen Risikos mit wertsta­bilen Assets im Privat­ver­mögen eine Rolle. Unter diesem Aspekt wirken kurzfristige Geschwin­digkeit und Volati­lität der Kapital­märkte teilweise abschreckend. 

Versteher-Magazin: Wie lässt sich das lösen?

DW: Durch rollie­rende Performance-Übersichten. 

Nehmen wir z.B. den MDAX. Anhand des Langzeit­charts sehen wir, dass zumindest dieser Index langfristig steigt:

Der Unter­nehmer soll sich nicht von Tages­nach­richten, sondern von langfris­tigen Trends leiten lassen. Er soll inves­tieren und nicht traden. Daher ist es wichtig, ihm zu zeigen, wie Entwick­lungen ohne tägliche Schwan­kungen aussehen können.

In der nachfol­genden Grafik kann man erkennen, wie seit dem ersten Januar 1988 im MDAX die 10-Jahres‑p.a.-Renditen waren. Hierzu haben wir auf Basis der Tages-Schluss­kurse alle möglichen 10-Jahres-Abschnitte berechnet. In der Grafik ist somit der erste 10-Jahres-Abschnitt 04.01.1988–30.12.1997 abgebildet. Insgesamt wurden über 6.100 Abschnitte berücksichtigt.

Das Gleiche haben wir mit 5‑Jahres-Abschnitten durch­ge­führt. Hier die Ergebnisse.

Natürlich ist klar, dass es zwischen 0,65 % p.a. und 18,72 % p.a. starke Unter­schiede gibt. Aber als Median 9,6 % p.a. anzusetzen, um die Firmen-Rendite und die Immobilien-Rendite mit der MDAX-Rendite zu vergleichen, wäre meiner Einschätzung nach legitim. Es geht auch nicht um wissen­schaft­liche Ausar­bei­tungen, sondern um pragma­tische, praxis­ori­en­tierte Gesprächs- und Vertriebs­an­sätze. Wohl wissend, dass in allen Berech­nungen immer gewisse Ungenau­ig­keiten und Annahmen stecken. 

Und natürlich ist mir bewusst, dass es zwischen den Kursrück­gängen und der Erholung mitunter Jahre dauern kann. Würde man den Langfrist­chart weiter trans­parent machen, müsste man die starken Rückgänge nach 3 weiteren Kriterien untersuchen:

  1. Grund für den Rückgang (z.B. 9/11)
  2. Rückgang in % (z.B. 10.09.2001 bis zum absoluten Tiefpunkt)
  3. Dauer in Börsen­tagen, bis Kurs vom 10.09.2001 wieder erreicht wurde

Alle diese Infor­ma­tionen müssen dann noch so darge­stellt werden, dass ein Unter­nehmer, der nur rudimentär mit Finanz­märkten und Börsen zu tun hat, dieses auch versteht. Denn es ist zu bedenken, er kennt sich in seinem Metier blendend aus, aber Börsen­in­ter­pre­ta­tionen sind nicht sein Tages­ge­schäft.  

Versteher-Magazin: Was passiert, wenn der Unter­nehmer diesem Vergleich zustimmt und sich im Ergebnis für ein fremd­fi­nan­ziertes Wertpa­pier­port­folio interessiert?

CK: Dann müssen in der Praxis mit dem Kunden und der Markt­folge die Rahmen­be­din­gungen für den Lombard­kredit abgestimmt werden. Und hier kommen wir zu dem Punkt, dass eine Fremd­fi­nan­zie­rungs­quote bei Wertpa­pieren von 70% eher schwierig umzusetzen sein wird. 

Versteher-Magazin: Das heißt, die Vergleiche sind nur theoretisch?

CK: Nein, überhaupt nicht. Es geht ja zunächst überhaupt nicht darum einen Lombard­kredit zu verkaufen, sondern aufzu­zeigen, dass sowohl Immobilie als auch Unter­nehmen in der Praxis häufig einen Leverage-Vorteil gegenüber dem Wertpa­pier­port­folio haben. Wenn man die Rendite der drei Assets objektiv vergleichen will, muss man sich die Arbeit machen und eine Vergleich­barkeit herstellen. 

Die Umsetzung des Beispiels mit einem MDAX-ETF könnte in der Praxis wie folgt aussehen: Beim Kauf von 100% MDAX-ETF schreibt die Markt­folge in vielen Kredit­in­sti­tuten einen max. Belei­hungswert von 60% vor. Aus 100% werden demnach 160% Kapital­einsatz. Fällt der MDAX-ETF um 10% müsste der Kunde aber zusätz­liche Sicher­heiten stellen oder die Risiko­po­sition durch einen Teilverkauf entspre­chend reduzieren. Mit 160% Kapital­einsatz, also dem voll ausge­las­teten Belei­hungswert, „fährt man also mit Vollgas in die Kurven“. Um den Margin-Call schon bei einer techni­schen Korrektur zu vermeiden, wird man daher eher zu einem 10–20% niedri­geren Belei­hungswert raten. Damit geht der Kapital­einsatz von 160% auf eher 140% zurück.

DW: Es sollen ja auch nicht das Unter­nehmen oder bisherige Immobi­li­en­in­ves­ti­tionen infrage gestellt werden – es geht um die Vergleich­barkeit. Es geht auch nicht darum, die aktuellen Immobilien komplett und sofort zu verkaufen, aber eine Einzel­be­trachtung kann sinnvoll sein, da zum Beispiel die Straße nicht mitkommt bei Strom und Internet … bei anderen Immobilien kann es dann sinnvoll sein, zu moder­ni­sieren, und bei anderen wiederum ist schon alles passend.

Am Ende ist es natürlich – wie immer – eine Glaubens­frage. Wenn der Unter­nehmer der Meinung ist, dass sein Immobi­li­en­port­folio nicht gefährdet ist, dann macht man nichts.

Versteher-Magazin: Wie sieht also Ihr persön­liches Fazit aus?

CK: Sich auf den Stuhl des Unter­nehmers zu setzen und die Dinge durch seine Brille zu betrachten, ist ein absolutes „Must-do“ für jeden, der mit Unter­nehmern eine ganzheit­liche Beratung mit Mehrwert umsetzen möchte. Daher ist es unerlässlich, sich mit der Firma des Unter­nehmers zu beschäf­tigen. Dabei haben Institute, die Firmen­kun­den­ge­schäft und Private Banking anbieten, einen Vorteil, weil die Infor­ma­tionen oftmals schon im Hause vorliegen. Werden dann auch noch Immobi­li­en­kredite zur Verfügung gestellt, kann sich jeder Berater in bereits bestehende Unter­lagen einar­beiten und sich hervor­ragend auf ein Unter­neh­mer­ge­spräch vorbe­reiten. Zusätzlich zu den internen Daten lohnt es sich immer, den Unter­nehmer offen und direkt zu fragen. Nach meiner Erfahrung sind Unter­nehmer dann auskunfts­bereit sind, wenn sie verstehen, warum sie die Infor­ma­tionen preis­geben sollen.

DW: Dem stimme ich sehr gern zu. Diese „Extrameile“ zu gehen, um die Vermö­gens­werte des Unter­nehmers vergleichbar zu machen, lohnt sich nahezu immer. Sie werden positiv überrascht sein, dass der Unter­nehmer einen solchen Vergleich sehr spannend findet. Denn: Er hat diese Trans­parenz ja in der Regel in seiner Firma. Ich möchte daher alle Leserinnen und Leser gern dazu ermutigen, diesen Vergleich mal auszuprobieren.

Versteher-Magazin: Meine Herren, vielen Dank für dieses Gespräch!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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