Erinnern Sie sich noch daran, wie ich in den Corona-Jahren in einem Artikel hier im Versteher-Magazin den neu entdeckten Pragma­tismus in den Banken gelobt habe? Ich empfand das damals als sehr positiv, dass Dinge einfach mal wieder gemacht wurden, statt selbst dort noch auf die Regularien zu pochen, wo diese nicht rechtlich notwendig bezie­hungs­weise sicher­heits­tech­nisch sinnvoll waren. Doch ich habe damals schon vorher­gesagt, dass diese Entwicklung nur temporär sein würde. Und genau diese Situation haben wir heute.

Aktuell gibt es zum Beispiel in zahlreichen Regio­nal­in­sti­tuten Projekte zur Neuaus­richtung der Geschäfts­stel­len­struktur. Das heißt: Automa­ti­sierte Segmen­tierung, um schlum­mernde Poten­ziale aus den Geschäfts­stellen ins Private Banking zu überführen. In diesem Artikel möchte ich Ihnen einen praxis­er­probten Tipp an die Hand geben, wie Sie trotz oftmals techno­kra­ti­scher und stati­scher Vorgaben die Segmen­tierung als ein nützliches Werkzeug zur Erschließung neuer Erträge nutzen können.

Pauschale Segmen­tierung? Lieber mit Augenmaß!

Von meinen Artikeln, LinkedIn-Beiträgen und Podcasts her wissen Sie wahrscheinlich schon: Ich persönlich bin kein großer Freund von pauschaler Segmen­tierung. Das hat viele Gründe, doch sie alle basieren auf derselben Beobachtung: Pauschale (und eventuell automa­ti­sierte) Segmen­tie­rungen erzeugen oft eine Schein-Präzision, die deutlich weniger nützt als ein bisschen mensch­liches Hirnschmalz.

Ein Beispiel: Es gibt in vielen Filialen noch Geschäfts­stel­len­leiter, die besonders attraktive Kunden aus der Region persönlich betreuen. Das sind dann oft Kunden, die explizit keine weiteren Beratungs­leis­tungen wünschen oder benötigen. Was aber, wenn das Institut nun pauschale Kriterien aufstellt, nach denen zum Beispiel Kunden innerhalb eines gewissen Volumen-Rahmens automa­tisch ins Private Banking segmen­tiert werden? Dann sind diese wichtigen Kunden plötzlich (gegen ihren Willen) nur noch Teil der mitunter Hunderte Kunden, die vom Private-Banking-Berater betreut werden. Eine persön­liche Betreuung kann dann kaum noch statt­finden und das Ergebnis ist tenden­ziell eine eher schlechtere Kundenbeziehung.

Was ich immer wieder sehe, ist, dass aufgrund des techni­schen (Automa­ti­sierung, KI etc.) und regula­to­ri­schen Drucks (vor allem auch durch den Echtzeit-Zugriff auf Kunden durch die Aufsichts­be­hörden) eine gewisse Dring­lichkeit bei der Segmen­tierung entsteht. Darum wird die Segmen­tierung oft automa­ti­siert auf Basis eines starren Regel­werks durch­ge­führt. Und aus demselben Grund ist es dann hinterher oft nötig, die Kunden noch mal aufwendig „händisch“ nachzu­prüfen. Da finden sich dann zum Beispiel Kunden mit 600.000 Euro Volumen, die absolut nicht ins Private-Banking-Segment gehören – aber dort aufgrund starrer Vorgaben automa­tisch einsor­tiert wurden. Ich kenne Regio­nal­in­stitute, bei denen dieser Vorgang mal eben so über 3.000 (!) Kunden ins Private Banking spülte. 

Das ist auch aus Sicht der Kunden nicht schön: Sie erhalten bei ihrer Umseg­men­tierung eine unper­sön­liche Benach­rich­ti­gungs-E-Mail (was absolut GEGEN den Charakter des Private Banking steht), nur um dann gegebe­nen­falls Wochen oder Monate später (nach der händi­schen Nachprüfung) doch wieder ihrem angestammten Berater zugewiesen zu werden.

Nutzen Sie Dummy-Berater­nummern zur Steuerung der Umsegmentierung

Auch ich halte Daten­analyse, Kunden­iden­ti­fi­kation und struk­tu­rierte Segmen­tierung für wichtig. Gerade deshalb ist es nicht die Idee der Segmen­tierung, bei der ich Verbes­se­rungs­po­tenzial sehe, sondern lediglich die (automa­ti­sierte) Heran­ge­hens­weise daran. Darum habe ich einen pragma­ti­schen Tipp, wie Sie in Ihrem Institut die Segmen­tierung umsetzen und gleich­zeitig das Risiko minimieren können, Kunden ohne persön­liche Prüfung in Segmente einzu­fügen, in die sie gar nicht gehören – oder in denen sich ihre Poten­ziale eher schlechter identi­fi­zieren und nutzen lassen als in einem anderen Segment.

Ich empfehle: Führen Sie Dummy-Berater­nummern ein. Zum Beispiel die Nummer 99: Alle maschinell erkannten Poten­zi­al­kunden werden zunächst automa­tisch dieser Nummer zugewiesen, um von dort aus einem passenden Berater zugewiesen zu werden. Der kann den Kunden dann gezielt ansprechen – und führt das Gespräch wirklich zu einem Kontakt und Abschluss, bleibt der Kunde im Bestand. Falls nicht, wird er an eine zweite Dummy-Nummer weiter­ge­leitet. Diese steht dann für geprüfte, aber nicht als relevant einge­stufte Kunden.

Dieses Vorgehen hat gleich mehrere Vorteile:

  • Der technische Umschlüs­se­lungs­prozess ist erfüllt, ohne die Berater­ka­pa­zi­täten zu überlasten. 
  • Es entsteht kein Wildwuchs an unpas­senden Zuord­nungen im echten Private Banking. 
  • Die Poten­ziale können im Nachgang manuell überprüft werden. 

Die Umsetzung der Nachprüfung ist in der Praxis ebenfalls einfach: Sie lassen zunächst automa­ti­siert Kunden segmen­tieren und der Dummy-Nummer zuweisen. Danach überprüft jeder Berater im Haus zum Beispiel 5 Kunden pro Tag (abhängig von der aktuellen Auslastung). Das ergibt pro Stamm­be­rater 25 überprüfte Kunden in der Woche bezie­hungs­weise 100 im Monat oder 600 im Halbjahr. Setzen Sie 5 Berater in diesem Rhythmus an, dann sind wir schon bei 3.000 überprüften Kunden pro Halbjahr.

Alter­nativ können sich die Berater jeden Monat abwechseln, um sich gezielt um diese Arbeit zu kümmern. Wichtig ist lediglich, dass die Überleitung von Kunden mit hohem Potenzial dann wieder persönlich geschieht, durch den bishe­rigen Betreuer oder den Filial­leiter – denn das Mensch zu Mensch (MzM) bleibt weiterhin extrem wichtig für die Kundenbeziehung.

Segmen­tierung mit Dummy-Nummern – das Beste aus beiden Welten

Erfah­rungs­gemäß können Sie im Institut bis zu vier Dummy-Berater­nummern etablieren, ohne dabei den Überblick zu verlieren oder über technische und daten­schutz­recht­liche Hürden zu stolpern. 

  1. Dummy Überleitung Privatkunden
  2. Dummy bearbeitete Privat­kunden, ohne Bedarf/Potenzial
  3. Dummy Überleitung Unternehmer
  4. Dummy bearbeitete Unter­nehmer, ohne Bedarf/Potenzial

Diese Dummy-Nummern helfen, bei der Segmen­tierung Ihrer Kunden Probleme zu vermeiden, die durch ein allzu mecha­nis­ti­sches Vorgehen entstehen könnten. Zwar wenden gefühlt 8 von 10 Insti­tuten diese Methode noch nicht an, doch das hat erfah­rungs­gemäß oft eher mit einzelnen Beden­ken­trägern zu tun, die das automa­ti­sierte System nicht durch­ein­an­der­bringen möchten (was man mit dieser Methode eben nicht macht) und dafür oft vorge­schobene Gründe (Daten­schutz etc.) anbringen. Bei der überwie­genden Menge aller Führungs­kräfte und Mitar­beiter trifft das System jedoch zumindest nach meiner Erfahrung auf große Zustimmung.

Beachten Sie außerdem, dass die Prüfung der Kunden, denen eine Dummy-Nummer zugewiesen wurde, durch fachlich quali­fi­zierte Berater statt­finden muss – das ist keine Beschäf­ti­gungs­maß­nahme für Azubis oder Prakti­kanten! Generell sollte der Aufwand realis­tisch geplant und intern verteilt werden. Erstellen Sie zum Beispiel eine standar­di­sierte Check­liste mit 4 bis 5 Erst-Prüfkri­terien und führen Sie dann einen ersten Quick-Check pro Kunde durch – der braucht nicht länger als 10 Minuten zu sein, sodass Sie in nur einer Stunde schon 6 Kunden durch­ge­ar­beitet haben. Beachten Sie jedoch: Selbst wenn Sie den Quick-Check nur auf 5 Minuten ansetzen, benötigen Sie so schon bei 200 zu prüfenden Kunden über 16 Stunden – planen Sie den zeitlichen Aufwand im Team also im Vorfeld gut ein.

Haben Sie die zeitliche Planung aller­dings gut umgesetzt und die entspre­chenden Dummy-Nummern erzeugt, dann ist diese Methode eine technisch saubere Möglichkeit, die Vorteile automa­ti­sierter Segmen­tierung mit einer manuellen Prüfung durch quali­fi­ziertes Personal zu kombi­nieren. Das erlaubt Ihnen wieder eine gezielte und quali­tativ hochwertige Kunden­an­sprache. Und durch den größeren vertrieb­lichen Fokus können Sie deutlich effizi­enter das tun, wofür die Segmen­tierung eigentlich gedacht ist: schlum­mernde Poten­ziale eröffnen und für zusätz­liche Erträge nutzbar machen!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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