Als Finanz­dienst­leister ist es manchmal unver­meidbar, dem Kunden unange­nehme Wahrheiten unter­breiten zu müssen. Wer fließend „Unter­neh­me­risch“ spricht, vermeidet dabei nicht nur negative Auswir­kungen auf das Kunden­ver­hältnis, sondern kann die Situation sogar als Chance nutzen.

Sprache und Gedan­kenwelt des Familienunternehmers

In praktisch jeder Geschäfts­be­ziehung zwischen Finanz­dienst­leister und Familien­unternehmer kommt man irgendwann in die Position, den Kunden mit heraus­for­dernden – und bisweilen sogar sehr unange­nehmen – Reali­täten konfron­tieren zu müssen. Darunter fallen beispielsweise:

  • Neue Gebüh­ren­mo­delle im Giro-Bereich
  • Verwah­rentgelt
  • Kredit­pro­vision

Hieraus entspinnen sich nicht selten Gespräche, vor denen es so manchem Finanz­dienst­leister graut, denn diese können schlimms­ten­falls die Beziehung zum Kunden langfristig negativ beeinflussen.

Meiner Erfahrung nach besteht dieses Risiko jedoch nur, weil Finanz­dienst­leister und Familien­unternehmer oft nicht aus derselben Richtung argumen­tieren und keine „gemeinsame Sprache“ verwenden. Denn Gespräche mit Unter­nehmern folgen ihren eigenen Regeln, und wer die beherrscht, dem stehen alle Türen offen.

In diesem Artikel erläutere ich, wie Sie die Sprache der Unter­nehmer sprechen und erfolg­reich die Regeln dieser Welt zu Ihren Gunsten einsetzen können. So können Sie vermeintlich heraus­for­dernde Gespräche sogar als Chance nutzen, Ihren Kunden noch fester an sich zu binden. Wie das geht, möchte ich an einem bekannten Beispiel aus dem Kredit­wesen zeigen: Dem Familien­unternehmer muss vermittelt werden, warum in Zukunft eine Kredit­pro­vision fällig wird.

Verstehen Sie Ihr Gegenüber

Um bereits vor dem Gespräch zu antizi­pieren, wie ein Familien­unternehmer auf die Einführung einer Kredit­pro­vision reagieren wird, können Sie für sich selbst einen mentalen „Blick hinter die Kulissen“ werfen. Versetzen Sie sich in die Situation des Unter­nehmers und stellen Sie sich einige wichtige Fragen:

  • Warum sollte ich als Unter­nehmer Geld allein für die Möglichkeit bezahlen, einen Kredit in Anspruch nehmen zu können?
  • Warum sollte ich jetzt plötzlich eine Kredit­pro­vision zahlen müssen, wenn ich das lange Jahre nicht musste?
  • Warum soll ich bei meiner Bank bleiben, wenn die Konkurrenz (noch) keine Kredit­pro­vision verlangt?

All diese Fragen zeigen bereits ein Kernproblem auf, was gerade altein­ge­sessene Unter­nehmer mit Kredit­pro­vi­sionen haben: Früher war die Möglichkeit, einen Kredit jederzeit sofort in Anspruch nehmen zu können, noch kostenfrei. Das erklärt auch, warum Jungun­ter­nehmer sich weniger gegen die Einführung einer Kredit­pro­vision sträuben werden. Sie kennen es gar nicht anders.

Jeder Unter­nehmer wird sich jedoch fragen, warum er Geld für einen Service bezahlen muss, den er womöglich gar nicht in Anspruch nehmen wird. Gleich­zeitig wird ihm bewusst sein, dass die Möglichkeit, jederzeit problemlos an einen Kredit zu kommen, für ihn wichtig ist.

Familien­unternehmer möchten nämlich das Gefühl haben, im Notfall – oder bei einer beson­deren Gelegenheit – jederzeit Mittel zur Verfügung zu haben, ohne um Erlaubnis fragen zu müssen. Das gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Unabhän­gigkeit. Und oft strei­chelt es auch das Ego, von einer Bank diesen Service zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Erfah­rungs­gemäß wird es außerdem schwerer, einen Kunden davon zu überzeugen, eine Kredit­pro­vision zu zahlen, je näher dieser am eigenen Vorstand ist. Und wenn andere Konkur­renz­in­stitute noch keine Kredit­pro­vision einge­führt haben, kann die falsche Heran­ge­hens­weise im Gespräch sogar dazu führen, dass sich der Kunde nach neuen Finanz­partnern umsieht.

So argumen­tieren Sie auf „Unter­neh­me­risch“

Argumen­tieren Sie gegenüber dem Kunden auf eine Art und Weise, die er als Unter­nehmer nachvoll­ziehen kann. Versetzen Sie sich in ihn hinein. Erfah­rungs­gemäß ist das am effek­tivsten über 3 Argumen­ta­ti­ons­ketten zu erreichen:

Geschäfts­modell und Wertschöp­fungs­kette ins Argument einfließen lassen

Familien­unternehmer denken in unter­neh­me­ri­schen Struk­turen – vor allem in ihren eigenen. Setzen Sie Ihr Anliegen in diese Gedan­ken­struk­turen ein, erleichtern Sie es dem Unter­nehmer, Ihre Sicht der Dinge nachzuvollziehen.

Dabei kann mit einem allge­meinen Beispiel angefangen werden: Ein Taxifahrer, der einbe­stellt wurde, um den ganzen Tag vor der Tür mit laufendem Motor direkt auf Abruf verfügbar zu sein, wird seine Arbeitszeit auch dann berechnen, wenn man seinen Service letztlich gar nicht genutzt hat. Denn er hat ihn schließlich bereit­ge­halten und in diesem Zeitraum keine anderen Passa­giere befördern können.

Springt der Unter­nehmer hierauf an, können Sie diesen Gedan­kengang auch auf ein Beispiel übertragen, das sich spezi­fisch aus dem Geschäfts­modell des Unter­nehmers ergibt. Ein Lebens­mit­tel­pro­duzent wird beispiels­weise verstehen, dass er für verderb­liche oder Spezial-Produkte, die er für Super­markt­ketten produ­ziert und für eine bestimmte Zeit ständig verfügbar hält, bezahlt wird – auch wenn die Kette letzt­endlich nicht das gesamte Kontingent in Anspruch nimmt.

Das Umfeld des Unter­nehmers unter die Lupe nehmen

Der nächste Faktor in Ihrer Argumen­ta­ti­ons­kette sollte die Tatsache sein, dass das Umfeld eines Unter­nehmers einen wichtigen Einfluss auf seine Entschei­dungen hat. So wird er oder seine Mitar­beiter sich über die Vor- und Nachteile unter­schied­licher Banken infor­mieren. Tun Sie also genau dasselbe: Überprüfen Sie, welche Verbin­dungen noch zwischen dem Unter­nehmer sowie anderen Banken bestehen und welche sonstigen Optionen er hätte. Hat eine andere Bank noch keine Kredit­pro­vision einge­führt, können Sie sich darauf einstellen, dass der Kunde Ihnen gegenüber mit einem Wechsel liebäugeln könnte.

Legen Sie dem Unter­nehmer dar, wie zeit- und ressour­cen­in­tensiv ein Wechsel sein kann. Denn jemand muss diesen tatsächlich vollziehen. Je nach Unter­neh­mens­größe entweder der Unter­nehmer selbst oder einer seiner engeren Mitar­beiter, wie der kaufmän­nische Leiter. Im Hinblick auf aktuelle Markt­ent­wick­lungen und darauf, dass früher oder später alle Finanz­in­stitute die Kredit­pro­vision einführen werden, wäre dies ein verschwen­deter Aufwand – und es gibt nichts, was Unter­nehmer mehr ärgert als unnötiger Zeit- und Geldaufwand.

Bleibt ein Kunde dabei, von Ihrer Bank zu einer anderen wechseln zu wollen, ist dies ein eindeu­tiges Anzeichen: Die Kredit­pro­vision ist nicht der eigent­liche Grund dafür. Sie könnte womöglich nur ein Vorwand sein – oder der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. In einem solchen Fall sollten sie überprüfen, welches der eigent­liche Grund für die Unzufrie­denheit ist.

Beachten Sie die Unternehmer-Typologie

Als dritter Faktor ist es wichtig, in Vorbe­reitung auf das Gespräch die Typologie des Kunden in Augen­schein zu nehmen.

Starten Sie mit einer Mehrwert-Argumen­tation aus Sicht des Kunden: Was kann er bei Ihnen haben, was er sonst nirgends bekommt? Oft werden Sie dabei zu dem Schluss kommen: Ihre Produkte und die Produkte von Konkurrenz-Banken unter­scheiden sich nicht so drastisch vonein­ander, dass die Entscheidung auf rein ratio­naler Basis eindeutig wäre. Statt­dessen zählt für Familien­unternehmer häufig das „Mensch zu Mensch“ (MzM), also der “subjektive Wohlfühl­faktor“. Mit anderen Worten: Fühlt sich der Kunde bei Ihnen gut umsorgt?

Die Typologie des Unter­nehmers erlaubt Ihnen schließlich, heraus­zu­finden, auf welche seiner Eigen­schaften Sie im Gespräch eingehen müssen, um diesen Wohlfühl­faktor zu erreichen:

Legt Ihr Kunde beispiels­weise Wert darauf, jederzeit die volle Kontrolle über alle Aspekte seines Unter­nehmens zu haben, machen Sie ihm nochmal klar, welche Freiheit der jederzeit verfügbare Kredit bedeutet und wie gering die Provision im Vergleich ist. Analy­ti­schen Unter­nehmer-Typen rechnen Sie wiederum vor, wie viel die Kredit­pro­vision ihn tatsächlich über die vergan­genen 12 Monate gekostet hätte – dies ist oft weniger als ursprünglich befürchtet wird. Stellt sich in der Abrechnung sogar heraus, dass der Kunde den Kredit­rahmen in dieser Zeit kaum in Anspruch genommen hat, kann bei dieser Gelegenheit auch gleich eruiert werden, ob man den Rahmen nicht anpassen sollte.

Von der Heraus­for­derung zur Chance

Es gibt Dinge, die brauchen Ihnen nicht unangenehm sein: Mit der richtigen Vorbe­reitung bringen Sie Ihren Kunden wichtige aber proble­ma­tische Wahrheiten nahe, ohne das Kunden­ver­trauen zu verlieren. Und beherr­schen Sie perfektes „Unter­neh­me­risch“, können Sie ein vermeintlich unange­nehmes Gespräch sogar zu Ihren Gunsten wenden und sich als strate­gi­scher Partner auf Augenhöhe positio­nieren. Nutzen Sie zum Beispiel das Gespräch als Gelegenheit, den Unter­nehmer erneut auf den indivi­du­ellen Mehrwert Ihres Instituts für sein Unter­nehmen aufmerksam zu machen – denn dieser besteht trotz Kredit­pro­vision nach wie vor.

Behalten Sie eine positive Einstellung und orien­tieren Sie sich – unabhängig von Ihrer Dienst­leistung und des von mir genutzten Beispiels – an den genannten Punkten. So wenden Sie einen schwarzen Tag im Termin­ka­lender zu einem echten Erfolg.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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