Mit dem Ende des Jahres 2020 und der allmählichen Verbreitung der ersten Impfstoffe scheinen zu Beginn 2021 die Weichen dafür gestellt, dass sich die Corona-Situation bessern wird. Doch egal, welche Entscheidungen auf politischer Ebene getroffen werden, auch das Jahr 2021 wird unter dem Zeichen des Coronavirus und den damit verbundenen Unsicherheiten stehen. Wir werden also bald auf zwei Jahre unter direktem Corona-Einfluss zurückblicken, vielleicht sogar mehr. Im Versteher-Magazin habe ich bereits frühzeitig festgestellt: Bleibt dieser Einfluss über längere Zeit bestehen, dann wird er auch nachhaltige Veränderungen an unserer Art zu arbeiten und zu wirtschaften mit sich bringen. Die jetzt kommenden sechs bis zwölf Monate werden zeigen, welche dieser (oft kurzfristig aus der Not geborenen) Anpassungen langfristig bestehen bleiben. Im Bereich der Finanzberatung zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass sich die Beziehung von Familienunternehmer, Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv als Trio neu formieren wird.
Neuorientierung auf allen drei Seiten
In gewisser Hinsicht ist die aktuelle Lage mit der Finanzkrise von 2007 zu vergleichen: Auch damals wurde zunächst geglaubt, das Problem würde sich schnell und vielleicht sogar von selbst lösen. Und dann gab es doch über mehrere Jahre ein zähes Ringen, bis sich die Lage wieder stabilisiert hat. Und genau wie damals kann es auch jetzt zu langfristigen Veränderungen auf dem Markt kommen.
Familienunternehmer und ‑unternehmen im Zeichen des Wandels
Egal, welche Größe das Unternehmen hat: Priorität Nr. 1 werden für Familienunternehmer in naher Zukunft strategische Aufgaben haben. Beispielsweise werden diejenigen Unternehmen, die 2020 wirtschaftliche Einbußen zu verzeichnen hatten, evaluieren, ob sie die zur Überbrückung der Coronakrise umgesetzten Maßnahmen auch danach noch vorantreiben möchten. Denn wenn die interne Krise beispielsweise durch den äußeren Einfluss der Corona-Shutdowns herbeigeführt wurde, dann sind die zur Überbrückung getroffenen Maßnahmen möglicherweise nicht geeignet, das Unternehmen auch nach Corona gestärkt und innovativ in die Zukunft gehen zu lassen. Das Stichwort hier lautet: Turnaround-Management! Familienunternehmer benötigen dazu einen klaren strategischen Entwicklungsplan gemäß dem Strategiehaus:
Für Unternehmen, die aus der Corona-Zeit ohne nennenswerte positive oder negative Auswirkungen kommen und auch in naher Zukunft keine großen Veränderungen in ihrer wirtschaftlichen Situation zu erwarten haben, bedeutet das wiederum: Ein Blick in die Zukunft und ein Mitmachen des Wandels wird auch für sie notwendig. Denn sie drohen von denjenigen Unternehmen überholt zu werden, die durch die Krise zu langfristiger Innovation gedrängt wurden.
Selbst die Krisengewinner sollten sich vor denjenigen Unternehmen in Acht nehmen, die durch Corona zum Wandel gezwungen wurden. Während einige dieser Firmen ganz einfach gut aufgestellt waren und die Krise deshalb meistern konnten, profitierten andere davon, dass ihre Produkte und Dienstleistungen gerade während Corona dringend gebraucht wurden, beispielsweise Hersteller medizinischer Güter. Diese Firmen tun gut daran, sich in Erinnerung zu rufen, dass ihr „Sonderstatus“ maßgeblich zu ihrem Erfolg beigetragen hat. Dieser Erfolg könnte also nach der Pandemie schnell wieder auf ein Normalniveau sinken.
Letztlich wird sich also die Mehrheit der Familienunternehmen einem dauerhaften Wandel unterziehen – oder sich ihm zumindest öffnen. Dabei geht es unter anderem um prozessuale Herausforderungen sowie neue Herausforderungen für den Vertrieb und die alltägliche Arbeit (wie z. B. Arbeiten im Homeoffice oder zumindest mobiles Arbeiten). All diese neuen Ideen werden die Unternehmer in ein funktionales Gesamtkonzept übertragen wollen. Das prägt die Zukunft des Unternehmens maßgeblich. Einige weitere zentrale Fragen dieses Wandels habe ich bereits im Artikel Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Digitalisierung in Familienunternehmen und Finanzinstituten angeschnitten, weitere lassen sich beispielsweise in dieser Studie von Bain & Company finden.
Firmenkundenberater: Tiefe Einarbeitung absolut notwendig!
Da die Unternehmen vor der strategischen Neuorientierung stehen, werden Strategiegespräche mit Fokus auf diese Veränderungen in naher Zukunft Pflicht für den Firmenkundenberater. Das bedeutet auch, dass er sich tiefer als je zuvor mit den Geschäftsmodellen und Zukunftsplänen seiner Kunden auseinandersetzen muss.
Eine Herausforderung, die sich für den Firmenkundenberater in dieser Hinsicht eröffnet, ist diese: Selbstverständlich kennt sich der Unternehmer wesentlich besser in seinem eigenen Metier aus als der Berater. Der Berater betreut immerhin 50 bis 100 Kundenverbünde, typischerweise mit ganz unterschiedlichen Branchen, in die man sich einarbeiten muss. Der Firmenkundenberater ist nun also noch stärker darauf angewiesen, sich in diese Branchen noch tiefer hineinzudenken und die entsprechenden Geschäftsmodelle aller seiner Kunden detailliert zu verstehen – ob über die persönliche Recherche mit Google, YouTube und Co oder mithilfe der Informationssammlungen der Institute selbst wie auch der Researchabteilungen der Kopfinstitute/Zentralabteilungen. Wenn Sie Vorstand oder Top-Führungskraft im Institut sind, möchte ich an dieser Stelle deshalb auch dringend dazu aufrufen, Beratern den nötigen Rahmen für ein individuelles Kunden-Research zu bieten. Denn eine durch die Researchtabteilung erstellte Studie, z. B. zur Entwicklung im globalen Maschinenbau, nützt dem Berater vor Ort bei einem Familienunternehmen mit 5 Mio. € Umsatz und 45 Mitarbeitern vermutlich nur wenig.
Berater sollten sich außerdem darauf einstellen, sowohl die Recherche als auch die Strategiegespräche auf unterschiedlichsten Kommunikationskanälen durchzuführen. Ob vor Ort unter Einhaltung aller Hygienerichtlinien oder über eine Videokonferenz – alle Varianten müssen vom Firmenkundenberater beherrscht werden, um proaktiv das Gespräch mit dem Kunden zu suchen. Denn auch nach Corona gilt weiterhin: Mehr agieren, weniger reines Reagieren.
Und noch ein „Geheimtipp“: Betriebsbesichtigungen (eines meiner Lieblingsthemen, wie Sie als eifrige Leser und Unternehmer-Versteher ja wissen) werden für Sie persönlich zu einem maßgeschneiderten TV-Erlebnis, wenn der Unternehmer Sie während der Videobesprechung mit seinem Handy oder Tablet live durch den Betrieb führt. So konnte ich z. B. in den letzten Monaten zahlreiche Betriebe von innen kennenlernen, die ich bislang und seitdem noch nicht „analog“ besichtigen durfte.
Marktfolge Aktiv (MFA): Am Ball bleiben!
Ich habe in der Vergangenheit bereits mehrere Male eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv angeregt. In einer Situation, in der Familienunternehmen einen mitunter großen Wandel vollziehen (müssen), Bilanzen und Gewinn-/Verlust-Rechnungen stark von der Corona-Situation beeinflusst sind und sich die Berater noch stärker mit den Detailfragen des Markts und der Geschäftsmodelle auseinandersetzen, darf sich die Marktfolge Aktiv deshalb unter keinen Umständen abhängen lassen. Oder von Kollegen außen vor gelassen werden. Vielmehr können erhebliche Mehrwerte für alle Beteiligten entstehen, wenn die Marktfolge Aktiv in die Vorbereitung auf Kundengespräche und auch in die Gespräche selbst miteinbezogen wird. Wie bereits in meiner Podcast-Episode zum Thema Marktfolge der Zukunft besprochen, wird so auch der Gefahr vorgebeugt, dass Informationen im Stille-Post-Prinzip vom Familienunternehmer zum Berater und vom Berater zur Marktfolge Aktiv verloren gehen oder missinterpretiert werden, sofern letztere nicht an einem Unternehmer-Gespräch teilnimmt (was auch heute leider noch immer nicht so oft vorkommt).
Egal, aus welchem Grund ein Ungleichgewicht entstanden ist oder entstehen könnte: Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv müssen in Zukunft mehr denn je koordiniert zusammenarbeiten und Informationen austauschen.
Und der o. a. Tipp bzgl. der Besichtigung gilt natürlich auch für die MFA. Einer der Hauptgründe, warum die MFA nicht aktiv mit zum Kunden fährt, war in der Vergangenheit der Zeitaufwand. Hinfahren, dabei sein, Besichtigung, Rückfahrt und Besuchsbericht schreiben: Das alles kann (je nach Entfernung) bis zu einen vollen Kalendertag in Anspruch nehmen. Doch stellen Sie sich vor, der FKB sitzt vor Ort beim Unternehmer (oder hat eine Videobesprechung) und MFA wird zugeschaltet. Man geht gemeinsam durch den Betrieb und MFA sieht live dabei zu, kann Fragen stellen und sich so einen eigenen Eindruck verschaffen. Professionell auf- und vorbereitet, spart dieses Vorgehen enorm viel Zeit und die Reibungsverluste werden stark abnehmen.
Die Vorbereitung von Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv
Eine Strategie, mit der Sie sich im Tandem auf die Trio-Gespräche mit Familienunternehmern vorbereiten können, ist es, sich einfach mal vom Controlling die Top-20-Branchen des Instituts geben zu lassen und diese dann gemeinsam am runden Tisch durchzugehen. Großbanken und sehr große regionale Institute können hier selbstverständlich die Top-20-Branchen auf die jeweiligen Regionen herunterbrechen, bei kleineren oder mittelgroßen regionalen Banken eignet sich jedoch der Blick auf das Gesamtbild am besten. Als Termin setzen Sie sich am besten feste Jours fixes, zu denen Sie die Entwicklungen in den Branchen diskutieren, und zwar geordnet nach folgenden Zeiträumen:
- bis 2019 (gewissermaßen als der alte Status quo)
- von 2019 bis Ende 2021 (speziell mit dem Hintergedanken, dass es sich hier um einen sehr ungewöhnlichen Zeitraum für die Branche handelt)
- Zukunftsaussicht ab 2022 (falls externe Meinungen dazu eingeholt werden, dann am besten klare Zeiträume dafür definieren: 1 Jahr, 3 Jahre und 5 Jahre in die Zukunft)
Dabei gilt es, sowohl den Blickwinkel des Instituts (also mit Fokus auf offensichtliche bzw. latente Risiken) als auch den Kundenblick einzunehmen. Immerhin geht es hier um diejenigen Branchen, aus denen die meisten beziehungsweise wichtigsten Kunden Ihres Instituts kommen. Es braucht also ein praktikables und gesundes Verhältnis zwischen der strategischen Risikobrille und dem strategischen Beratungsmehrwert, um ein vollständiges Verständnis für die Entwicklungen der Branche über die Corona-Jahre hinaus zu erlangen. Die potenziellen Ertragschancen sollten bitte ebenfalls gemeinsam diskutiert werden.
Haben Sie noch Fragen zur Umsetzung dieser Übung, stehe ich Ihnen gerne für ein Gespräch zur Verfügung. Gegebenenfalls können Sie auch einen echten Mehrwert aus meinem Seminar „Firmenkundenberatung und Marktfolge Aktiv“ ziehen. Schildern Sie mir gerne Ihre Situation und ich kann Ihnen eine Einschätzung geben, ob Ihnen eine individuelle, tiefgehende Aufbereitung im Rahmen des Seminars (gerne auch live online) einen Mehrwert bietet.
Große Herausforderungen kommen während und nach Corona
Was genau in Zukunft mit dem Coronavirus geschehen wird, wissen wir heute noch nicht. Aber wir wissen, dass es viele Bereiche unseres Lebens und unserer Wirtschaft langfristig beeinflussen könnte. Deshalb gilt es, schon jetzt aktiv zu werden. Unternehmer, Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv stehen vor den größten Herausforderungen, denen sie sich je stellen mussten – egal ob alleine oder im Trio. Wer sich der Herausforderungen jetzt annimmt, kann den Grundstein für eine ertragreiche Zukunft legen.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de