Die Invasion der Ukraine kam für die meisten von uns völlig unerwartet. Trotz des Truppen­auf­mar­sches an den Grenzen des Landes konnten sich die wenigsten vorstellen, dass mitten in Europa ein souve­ränes Land überfallen werden würde. Anfang März haben wir vom Institut Für Unternehmer­Familien (IFUF) deshalb kurzfristig ein Online-Seminar zu den wirtschaft­lichen Auswir­kungen des mittler­weile tobenden Kriegs anberaumt. Das Seminar war sehr gut besucht und erlaubte es den Anwesenden, als Erste auf die Situation zu reagieren und sich direkt bei ihren Unter­neh­mer­kunden ideal zu positio­nieren. Nachdem der Krieg mittler­weile schon einen knappen Monat andauert, ist es nötig, sich die Situation noch einmal genau anzuschauen. Nachfolgend möchte ich Ihnen die 5 wichtigsten Handlungs­emp­feh­lungen geben, mit denen Sie in der aktuellen wirtschaft­lichen Lage bei Ihren (Ziel-)Kunden punkten können.

Immer mehr Familien­unternehmen und deren Liefer­ketten sind betroffen

Als der Krieg begann, waren Sie sicher zunächst betroffen wie wir alle und schauten einige Tage später auf Ihr Kunden­port­folio, um die Auswir­kungen auf wirtschaft­licher Ebene abzuschätzen. Vielleicht dachten Sie noch, dass viele Ihrer Unter­neh­mer­kunden keine direkten Auswir­kungen der Invasion verspüren würden – schließlich waren bei den meisten keinerlei wirtschaft­liche Bezie­hungen zur Ukraine oder zu Russland vermerkt. Doch je länger der Krieg, die damit einher­ge­henden Sanktionen und daraus entste­hende Liefer­eng­pässe anhalten, desto stärker merken auch mittel­stän­dische Familien­unternehmer hierzu­lande, dass beide Länder in die globalen Liefer­ketten einge­bunden sind. Und nun mangelt es im Betrieb zum Beispiel an Teilen für die Fertigung.

Aus diesem Grund habe ich Ihnen hier die 5 wichtigsten Tipps zum Umgang mit Familien­unternehmen in der aktuellen wirtschaft­lichen Lage zusam­men­ge­stellt. Diese basieren auf meinen Seminaren und Coachings mit Finanz­dienst­leistern, aber auch auf unseren eigenen Best Practices im IFUF, wenn wir aktuell mit unseren Unter­nehmer-Mandanten sprechen. Diese Tipps haben nicht den Anspruch, vollständig zu sein – es handelt sich jedoch um die wichtigsten Ansatz­punkte, die es Ihnen erlauben, jetzt pragma­tisch, effizient und effektiv mit Ihren (Ziel-)Kunden zu sprechen und sich dort ideal zu positio­nieren. Möchten Sie noch mehr erfahren, so finden Sie zum Abschluss einen Link zum Download der Präsen­tation des eingangs erwähnten Seminars mit noch mehr Details und Praxistipps.

Tipp 1: Identi­fi­zieren Sie betroffene Unter­nehmen und bereiten Sie Care-Calls vor

Die direkt betrof­fenen Unter­nehmen werden sich schon gemeldet haben oder die Situation entspre­chend einschätzen, um sich ggf. später zu melden. Daher ist es nun wichtig, heraus­zu­finden, welche Ihrer Kunden bezie­hungs­weise Zielkunden mit hoher Wahrschein­lichkeit die indirekten wirtschaft­lichen Auswir­kungen des Kriegs zu spüren bekommen (werden). Nehmen Sie dazu die Gewinn- und Verlust­rechnung oder die Betriebs­wirt­schaft­liche Auswertung (BWA) zur Hand (Stand: Dezember 2021) und markieren Sie die einzelnen Positionen:

  • Grün: keine aktuelle Gefahr 
  • Gelb: sollte beobachtet werden 
  • Rot: könnte betroffen sein (direkt oder durch Kettenreaktionen) 

Bereiten Sie sich dann darauf vor, entspre­chende Szenarien mit dem Unter­nehmer zu besprechen, wenn die aktuelle Situation über einen Zeitraum von 6, 12 und 24 Monaten anhält. Legen Sie dabei vor allem einen Schwer­punkt auf die rot markierten Positionen und wie sich diese weiter erhöhen. Je nachdem, wie viele Infor­ma­tionen und Schät­zungen verfügbar sind, können Sie dies dann auf einzelne Positionen indivi­duell anwenden (z. B. Sprit +20 %, aber Heizkosten nur +5 %) oder auf alle pauschal (z. B. alle +10 %, +25 % oder +50 %). Auch wenn es „old school“ sein sollte, kann der Druck der GuV oder der BWA auf Papier sinnvoll sein, um dort die Markie­rungen vorzu­nehmen. Ihre eigenen Markie­rungen können Sie dann wieder einscannen und Ihren Kunden vorab mailen. So ist jeder gut vorbe­reitet und infor­miert, wenn es zum Gespräch kommt.

(Klicken oder tippen Sie auf die Beispiel-Grafik, um sie in voller Größe zu sehen.)

Danach können Sie direkt die entspre­chenden Care-Calls einplanen. Bereiten Sie sich dabei vor allem anhand der folgenden Punkte vor:

  • Geschäfts­modell und Wertschöpfungskette 
  • Beruf­liches und familiäres Umfeld 
  • Typologien aller direkt Beteiligten 
  • Vermögen und Einkommen 

Tipp 2: Führen Sie Care-Calls durch

Sind Sie nun also bereit, die Care-Calls mit Ihren (Ziel-)Kunden durch­zu­führen, gibt es zwei Heran­ge­hens­weisen – je nachdem, ob Sie schon mal einen entspre­chenden Call mit dem Kunden hatten oder es um einen (Ziel-)Kunden geht, den Sie eventuell noch gar nicht kontak­tiert haben.

Hatten Sie schon Care-Calls mit dem Unter­nehmer, dann prüfen Sie, ob sich seit dem letzten Mal etwas im Geschäfts­modell bezie­hungs­weise in den Liefer­ketten des Unter­nehmers getan hat. Eventuell ist auch bereits klarer, ob dieser Kunde schon betroffen ist bzw. inwiefern er betroffen werden könnte.

Bei Famili­en­un­ter­nehmern aus Ihrem Bestand, mit denen Sie bislang noch keine Care-Calls hatten, überprüfen Sie zunächst Ihr Angebot, z. B. auf passende Versi­che­rungs­an­gebote (Cyber­at­tacken, Liefer­ket­ten­ausfall, Vertrags­strafen durch Liefer­ver­zö­ge­rungen etc.), und überlegen außerdem, wie der Familien­unternehmer von Ketten­re­ak­tionen betroffen sein könnte. Fallen beispiels­weise in einem ersten Schritt die Direkt­in­ves­ti­tionen der USA in Russland weg und danach die Inves­ti­tionen der Schweiz, dann kann das nach vielen Schritten immer noch merkliche Auswir­kungen auf den Unter­nehmer in Deutschland haben, obwohl kein direkter Zusam­menhang mit den betrof­fenen Regionen besteht. Haben Sie sich so vorbe­reitet, rufen Sie am besten so bald wie möglich an. Für den Call selbst reichen etwa 15 Minuten, ohne Termi­nierung. Lassen Sie sich dabei nicht auf politische Diskus­sionen ein, sondern bleiben Sie beim Thema – und nutzen Sie die Chance, gegebe­nen­falls auch einen längeren nachfol­genden Gesprächs­termin zu fixieren.

Danach sind die Akquise-Zielkunden oder Kunden, bei denen Sie nur Neben­bank­ver­bindung sind, an der Reihe. Dazu gibt es einen kleinen Geheimtipp: Bei diesen Kunden ist es erfah­rungs­gemäß ein guter Einstiegs­punkt, ein Telefonat zu beginnen mit: „Ihr aktueller Berater hat Sie ja sicher schon angerufen, aber ich wollte mich gerne auch melden.“ Denn falls der aktuelle Berater das noch gar nicht gemacht hat, dann wird sich der Kunde bald fragen, warum nicht. So haben Sie sich direkt einzig­artig positio­niert, ohne dabei zu wirken, als wollten Sie den anderen Berater ausstechen.

Tipp 3: Beachten Sie immer die komplette Lieferkette

Ob bei Gesprächen mit unseren Unter­nehmer-Mandanten oder Vorständen, Führungs­kräften und Beratern der Finanz­in­stitute – wir sehen im IFUF deutlich, dass immer mehr Familien­unternehmen die wirtschaft­lichen Konse­quenzen aus dem Krieg spüren. Und diese werden auch immer direkter – von erhöhten Rohstoff­preisen bis zu Liefer­ver­zö­ge­rungen, die eventuell sogar zu einem Produk­ti­ons­still­stand führen. Deshalb empfehle ich Ihnen, im Gespräch mit Ihren Kunden immer die Liefer­ketten komplett zu analy­sieren und mindestens 6‑Monats-Szenarien zu besprechen. Richten Sie Ihr Augenmerk dabei auch auf weniger offen­sicht­liche Themen: Dass Öl und Getreide teurer werden, ist klar. Doch haben Sie auch daran gedacht, dass der Kerosin­preis ansteigt?

Der steigende Kerosin­preis ist tatsächlich ein gutes Beispiel dafür, wie auch wenig offen­sicht­liche wirtschaft­liche Zusam­men­hänge einen Einfluss auf das Geschäft Ihrer Kunden haben können: Der Preis steigt wahrscheinlich aktuell an, da Militärs auf der ganzen Welt Treib­stoff für ihre Trans­port­flug­zeuge, Kampf­flug­zeuge etc. bunkern. Wieder andere (Airlines und Trans­port­un­ter­nehmen) decken sich ein, da sie den Preis­an­stieg mitbe­kommen. Das mag eine gewagte These sein, aber da der letzte Preis­an­stieg vermutlich durch Russland verur­sacht wurde, liegt es eventuell sogar nahe, dass die Russische Föderation schon damals auf Vorrat gekauft hat, um im Krieg genug Sprit zu haben. Durch den steigenden Kerosin­preis werden dann wiederum auch die noch corona­ge­beu­telten Flugrei­se­an­bieter in Mitlei­den­schaft gezogen, wenn für den Sommer endlich wieder im großen Stil Reisen gebucht werden. Und durch die höheren Sprit­preise auch die Reisebusbranche.

Im Bauge­werbe gibt es aktuell ebenfalls große Heraus­for­de­rungen bei der Kalku­lation, da Rohstoff­preise steigen und Engpässe beim Nachschub bestehen. Viele Bauun­ter­nehmen sind deshalb gezwungen, Aufträge abzulehnen oder Gleit­klauseln in ihre Verträge einzu­bauen – und sich damit dem Risiko zu öffnen, dass die Kunden die Verträge gar nicht erst akzep­tieren oder im Nachhinein monieren.

Ein weiteres inter­es­santes Beispiel: Dass bestimmte Produkte und Rohstoffe nicht mehr nach Russland einge­führt werden dürfen, darunter leiden scheinbar vor allem russische Firmen. Aber was ist eigentlich mit den Liefe­ranten aus Deutschland? Was passiert mit den Preisen, wenn die 14.000 Container voller Produkte und Rohstoffe, die aktuell auf Schiffen mit Ziel Russland festsitzen, dann ersatz­weise in Europa weiter­ver­kauft werden (müssen), um die Verluste zu minimieren? Sehen wir dann eventuell plötzlich Dumping­preise? Besprechen Sie auf jeden Fall mit Ihren Unter­neh­mer­kunden, ob diese Eventua­lität Einfluss auf ihr Geschäft nehmen würde – und ob das zum Positiven oder zum Negativen sein wird.

Tipp 4: Das Risiko von Cyber­at­tacken besprechen

Noch vor 20 Jahren für die meisten Unter­nehmer undenkbar, haben sich Cyber­at­tacken mittler­weile zu einem beliebten Werkzeug von Krimi­nellen und sogar zum Teil einer hybriden Kriegs­führung entwi­ckelt. Besprechen Sie also mit Ihren Unter­neh­mer­kunden zunächst die drei grund­sätz­lichen Arten von Cyberattacken:

  • Mörder“: Hacker, die Manipu­la­tionen vornehmen, die Menschen­leben gefährden oder sogar kosten. 
  • Clowns“: Hacker, die z. B. Produk­ti­ons­ab­läufe stören oder Webseiten verschandeln, ohne jedoch Perso­nen­schäden oder (erheb­liche) wirtschaft­liche Schäden anzurichten. 
  • Erpresser“: Hacker, die eine Unter­nehmens-EDV völlig lahmlegen oder Prozesse stoppen oder manipu­lieren, sodass erheb­licher wirtschaft­licher Schaden entsteht – und dann ein Lösegeld fordern, um z. B. Daten wiederherzustellen. 

In der aktuellen Situation spielt vor allem eine Variante der dritten Art eine Rolle: Cyber­at­tacken, die gezielt wirtschaft­liche Schäden anrichten oder Befehls­struk­turen durch­ein­an­der­bringen sollen. Aus Exper­ten­kreisen wurde zum Beispiel zu Beginn des Angriffs­kriegs festge­stellt, dass auf ukrai­nische Computer vermehrt sogenannte „Wiper“ einge­schlichen wurden – also Schad­pro­gramme, deren einzige Aufgabe es ist, Daten­träger zu löschen und so die Handlungs­fä­higkeit der ukrai­ni­schen Regierung und des Militärs einzu­schränken. Experten warnen, dass solche Schad­pro­gramme aufgrund der weiträu­migen Vernetzung auch ungewollt in andere Länder „einge­schleppt“ werden und dort zu Kolla­te­ral­schäden führen könnten. Ist man im Unter­nehmen gegen derartige Angriffe gewappnet? Bedenken Sie hier bitte auch, dass Ihr Unter­nehmer nicht direkt angegriffen werden muss. Es reicht, einen europäi­schen Großlo­gis­tiker aus der Liefer­kette zu nehmen oder einen Großtanker im Suezkanal quer zu stellen. Was würde das für Ihren Kunden bedeuten?

Tipp 5: Lager­haltung zur Schadens­be­grenzung ins Spiel bringen

Wenn noch nicht geschehen, sollten Ihre Unter­neh­mer­kunden jetzt daran denken, wichtige Rohstoffe zu bunkern. Das kostet zwar Geld und bringt die Kennziffern durch­ein­ander (weshalb Sie unbedingt die Markt­folge Aktiv invol­vieren sollten), kann jedoch die Produk­ti­ons­ab­läufe sicher­stellen. Durch die Lager­haltung sichert man sich gegen ausblei­bende Liefe­rungen ab und hat zudem die Möglichkeit, das Verwah­rentgelt zu umgehen – denn die gelagerten Materialien binden das Geld.

Aller­dings ist Lager­haltung nicht die perfekte Lösung. Im schlimmsten Fall werden die Lager­be­stände aufge­braucht, während sich die Situation auf dem Ressour­cen­markt nicht entspannt. Man hat sich dann also lediglich Zeit erkauft, bis man die Auswir­kungen der Rohstoff­knappheit zu spüren bekommt. Auch einen solchen Fall besprechen Sie am besten direkt mit Ihren Unternehmerkunden.

Sie suchen noch weitere Infor­ma­tionen zum Wechsel­spiel zwischen Famili­en­un­ter­nehmern und dem Ukraine-Krieg? Dann finden Sie hier unsere Präsen­tation zum Thema „Krieg in der Ukraine – sprechen Sie mit Ihren Unter­nehmern. Jetzt!

Risiken erkennen und zu Chancen machen, bevor sie zu echten Problemen werden

Wer noch kurz vor dem Beginn des Ukraine-Kriegs nicht damit gerechnet hatte, dem kann man das sicherlich verzeihen – wer von uns hätte schon mit einem Angriffs­krieg mitten in Europa gerechnet? Aller­dings sollte spätestens jetzt allen von uns klar sein, dass dieser Krieg nicht ohne merkliche Auswir­kungen auf die hiesige Wirtschaft ablaufen wird. Ich empfehle Ihnen also dringend, mit Ihren Unter­neh­mer­kunden oder Zielkunden darüber zu sprechen. Agieren statt reagieren lautet das Gebot der Stunde! Denken Sie selbst vermeintlich undenkbare Szenarien durch und bereiten Sie Ihre Kunden und natürlich Ihr Institut sowie sich selbst angemessen vor. So nutzen Sie die aktuelle Situation, um Ihren Kunden einen echten Service zu bieten und sich gleich­zeitig einzig­artig bei ihnen zu positionieren.

Und eines ist bereits jetzt gewiss: Egal, wie der Krieg ausgeht, die Szenarien, die Sie jetzt mit Ihren Unter­nehmern besprechen, werden mittel- bis langfristig (u. U. über Jahre) aller Voraus­sicht nach zutreffen. Denn selbst wenn der Krieg heute vorbei wäre, würden die Auswir­kungen auf die Liefer­ketten, Infra­struk­turen und politi­schen sowie militä­ri­schen Bezie­hungen sich nicht sofort wieder umkehren. Zudem ist damit zu rechnen, dass die besonders betrof­fenen Länder dann erst einmal eine „We First“-Strategie fahren werden.

Genau darin liegt jedoch auch eine Chance für Ihre Unter­neh­mer­kunden, welche sich dadurch neu oder erneut – und poten­ziell besser als zuvor – aufstellen können. Und Sie als ihre Finanz­in­stitute können ihnen als wertvoller Partner dabei zur Seite stehen. Zum Beispiel, indem Sie entspre­chende Check­listen zur Verfügung stellen – im Sinne von „Die 20 wichtigsten Punkte für Ihre GuV“.

Auf Anfrage können Sie mich dazu für ein digitales Inhouse-Kurz-Seminar buchen. In diesem bekommen Sie als Vorstand, Führungs­kraft oder Berater Impulse, wie Sie die aktuelle Situation nicht nur meistern, sondern erfolg­reich nutzen, um sich einen Vorsprung in der Beratung von Familien­unternehmen und Unternehmer­familien zu verschaffen. Dieses Angebot richtet sich an Personen aus allen Bereichen, von Firmen­kunden und Private Banking über die Markt­folge Aktiv bis hin zu Versi­che­rungen und Ausland.

Klicken Sie hier, um unver­bindlich einen Termin für dieses Inhouse-Seminar anzufragen:

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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