Wenn der Firmenkundenberater (FKB) beim Unternehmer ungenutzte und spezielle Potenziale erkennt, dann soll er sich am besten heraushalten und den Spezialisten aus dem Weg gehen! So zumindest wirkt es auf mich manchmal, wenn ich in meiner Position als Gründer und Vorstand des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) an Gesprächen teilnehme, bei denen sich der FKB zum Beispiel einen Private-Banking-Berater (PBB) zur Unterstützung mitgebracht hat. (Wir nehmen hier aus Gründen der Vereinfachung exemplarisch den PBB. Die folgenden Ausführungen gelten auch für andere Vertriebseinheiten wie Auslandsberatung, Leasing, Zahlungsverkehr, Versicherungen und natürlich auch für professionell ausgebildete Financial Planner und Estate Planner etc.) Doch dieses Mindset kann in der Tandem-Konstellation zu deutlichen Spannungen führen. In diesem Artikel möchte ich aufzeigen, warum das so ist und wie man derartige Spannungen verhindert.
Das ganze Leben ist eine Bühne?
Wer schon einmal einen US-Krimi gesehen hat oder sich für Serien wie „Criminal Minds“ interessiert, der kennt die Konstellation sehr genau: In einem verschlafenen kleinen Örtchen irgendwo im mittleren Westen sorgt der örtliche Sheriff für Recht und Ordnung. Er kennt seine Stadt und deren Bewohner sehr gut, er verhindert mit viel Augenmaß Schlägereien in der örtlichen Kneipe („Was würde deine Mutter über dich denken, Jack?“), schreibt Strafzettel und kümmert sich um kleinere Straftaten. Doch eines Tages werden irgendwo im nahen Gebirge mehrere Leichen entdeckt.
Höchste Zeit also, das FBI hinzuzuziehen, denn diese Behörde ist spezialisiert auf Schwerverbrechen und Ermittlungen auf Bundesebene. Dann dauert es im Film meist auch nicht mehr lange, bis der FBI-Agent im Armani-Anzug aus dem Jet steigt, die Sonnenbrille aufsetzt und dem Sheriff ein „Danke, ab jetzt übernehme ich“ zuraunt. Für den Zuschauer ist sofort klar: Der Agent setzt sich in der Hierarchie über den Sheriff – und dem wird das mit Sicherheit nicht gefallen, immerhin kennt er seine eigene Stadt doch wesentlich besser als der Bundesagent.
Wie üblich möchte der FBI-Agent natürlich sofort zur Tat schreiten – denn seine Zeit ist ja besonders wertvoll (zumindest in seiner Selbstwahrnehmung). Also verlangt er vom Sheriff direkt: „Bringen Sie mich zum Tatort, alles weitere können wir während der Fahrt besprechen.“ Nun wirft der Sheriff vielleicht ein, dass es bald dunkel werden wird, dass heftige Unwetter vorhergesagt sind und dass die örtlichen Bären im Gebirge um diese Jahreszeit aus dem Winterschlaf erwachen und sehr hungrig sind. Doch der FBI-Agent wiegelt ab, denn es muss gehandelt werden, bevor die Spuren verwischt sind – aber davon hat ein Kleinstadt-Sheriff natürlich keine Ahnung, nicht wahr?
Auf der Fahrt zum Tatort ist der FBI-Agent dann in seine Unterlagen vertieft und liest sich den vorläufigen Bericht der hiesigen Polizei zum Verbrechen durch, während der Sheriff mit besorgtem Blick Kratzspuren an den Bäumen, frischen Bärenkot und das zunehmend stürmische Wetter im Auge behält …
Hollywood – ausnahmsweise übertragbar auf die Realität
An dieser Stelle machen wir einen kurzen Schnitt. Festzuhalten ist, dass solche Szenen in Hollywood-Filmen und amerikanischen Serien nicht ganz aus der Luft gegriffen sind. Selbstverständlich gibt es auch in der Realität immer wieder Spannungen, wenn die Bundesbehörde zur Unterstützung der lokalen Polizei gerufen wird, denn ein gewisses hierarchisches Denken liegt in der Natur des Menschen. Auch dann, wenn sowohl der Sheriff als auch der FBI-Agent eigentlich dasselbe Ziel haben: den Mord aufzuklären. Drehbuchautoren verlassen sich natürlich darauf, dass das Publikum instinktiv erkennt:
- Der FBI-Agent ist der Spezialist von außen, der sich auf Schwerverbrechen spezialisiert hat. Er wird in eine Stadt gerufen, um bei der Aufklärung eines Verbrechens zu helfen, das sein Spezialwissen erfordert. Und sobald die Arbeit getan ist, wird er in die nächste Stadt gerufen. Er ist also ein Spezialist in seinem Themenschwerpunkt, doch er hält sich nie lange genug in einer Stadt auf, um wirklich einen Blick für das große Ganze in der Region zu entwickeln. Er braucht den Sheriff, um ihm zum Beispiel zu erklären, wer mit wem in der Stadt anbandelt, wer sich in letzter Zeit komisch verhalten hat und so weiter.
- Der Sheriff verfügt über kein Spezialwissen zur Verbrechensbekämpfung auf Bundesebene. Vielleicht hat er es in seinem Städtchen noch nicht mal mit einem Mord zu tun bekommen, geschweige denn mit einem Massenmord. Aber er kennt seine Stadt. Er weiß, dass Ärger droht, wenn die Jungs der beiden verfeindeten Familien sich über die Straße hinweg ankeifen, und er weiß, wo es im Straßenverkehr gehäuft zu Unfällen kommt. Er verfügt vielleicht über kein Spezialwissen, aber er kennt seine kleine Stadt wie seine Westentasche.
Wie geht unsere Geschichte also aus? In der Regel raufen sich Sheriff und FBI-Agent im Laufe des Films zusammen. Vielleicht steht der Agent schon in der ersten Nacht Auge in Auge einem Grizzly gegenüber, den erst das beherzte Eingreifen des Sheriffs in die Flucht schlagen kann. Und bald erkennen beide Polizisten, dass sie ihr Ziel – den Mord aufzuklären – nur erreichen können, wenn sie beide ihre Standesdünkel ablegen und ihre Fähigkeiten effizient kombinieren.
Hierarchien in den Köpfen – auch in der Finanzwelt
An dieser Stelle kommen wir damit auf unser eigentliches Thema. Denn wenn ich bei Gesprächen mit Familienunternehmern auf der einen und FKB mit PBB auf der anderen Seite dabei bin oder das Berater-Tandem bei der Vorbereitung begleiten darf, dann denke ich manchmal unwillkürlich an diese Rollenkonstellation in US-Filmen.
Da merkt man dann, dass der Firmenkundenberater ab und zu die Sensibilität dafür vermissen lässt, dass es außer seinem Kredit-Tagesgeschäft noch mehr Ansatzpunkte beim Familienunternehmer gibt. Oder dass der Spezialist – sei es der PBB, Versicherungsberater, Leasing‑, Zahlungsverkehr‑, Auslandsgeschäfts-Spezialist oder der hochgradig fachlich ausgebildete Financial-/Estate-Planner – dem FKB gar nicht richtig zuhört, wenn er die persönliche Situation des langjährigen Kunden erklärt. Diese Spannungen können in großen Instituten sogar noch schlimmer werden, wenn die Spezialisten beispielsweise nicht nur auf unterschiedlichen Etagen, sondern in ganz anderen Niederlassungen arbeiten und ggf. weite Fahrten zu bewältigen haben.
Teamgeist und gegenseitige Wertschätzung führen zum Erfolg
Ich habe bereits in zahlreichen Artikeln und Podcasts hervorgehoben, wie in einer Zeit, in der sich die Finanzprodukte immer mehr angleichen, die Tandem- oder Trio-Beratung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Denn der subjektive Wohlfühlfaktor wird zunehmend zum wichtigsten Entscheidungskriterium der Familienunternehmer – und nur eine gute Kooperation aufseiten der Finanzberater kann am Ende einen besonderen Eindruck bei diesen wichtigen Kunden hinterlassen. Als Unternehmer fühlt man sich gut aufgehoben, wenn der FKB weitere Spezialisten mitbringt, die gut vorbereitet sind und gemeinsam daran arbeiten, das bestmögliche Ergebnis für den Unternehmer zu erzielen.
Was Unternehmer nicht gerne sehen, ist, wenn sich die Berater untereinander einen (oftmals unbewussten) Machtkampf liefern. Stellen Sie sich vor, sie wären in unserer Beispielgeschichte aus Hollywood Angehöriger eines der Mordopfer und müssten mit ansehen, wie sich Sheriff und FBI-Agent unentwegt uneins sind und zu keiner Sekunde Zweifel daran lassen, dass es sich bei der Kooperation um eine reine Zwangsgemeinschaft handelt.
- Eine detaillierte Vorbereitung ist ein Muss – und die darf nicht erst im Auto bei der Fahrt zum Kunden stattfinden.
- Detailwissen und ein ganzheitlicher Blick auf die Situation des Unternehmers sind beides gleichwertig wichtige Aspekte der Beratung.
- Es darf nicht passieren, dass der Spezialist einfach zum FKB sagt: „Danke, ab hier übernehme ich“, denn das ist keine Basis für echte Kooperation.
- Ebenso darf es nicht passieren, dass der FKB vor lauter Firmenkunden-Tagesgeschäft nicht erkennt, wann die Zeit gekommen ist, den Spezialisten ins Boot zu holen.
In meinen Trainings und Coachings merke ich immer wieder, dass derartige Spannungen vor allem unterbewusst auftreten. Standesdünkel und eine „Ab hier übernehme ich“-Einstellung sind fast nie aktiv gewollt, sondern ein Ergebnis der eigenen Selbstwahrnehmung. Denn selbstverständlich möchten weder Spezialisten noch FKB in einem Tandem „ausgestochen“ werden – oder sie können aufgrund ihres eigenen Fokus nicht erkennen, wie wichtig die Fähigkeiten des jeweils anderen für den gemeinsamen Erfolg beim Kunden sind.
Deshalb empfehle ich: Trainieren Sie die Kooperation frühzeitig und lernen Sie einander wertzuschätzen. Denn dann kann die Zusammenarbeit für den Unternehmerkunden und das eigene Institut sehr profitabel und für Sie und Ihre Kollegen bereichernd und spannend sein.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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