Es ist Februar, der erste Monat des neuen Jahres ist rum, und wir alle fragen uns: Kommt die Rezession noch oder nicht? Und was ist mit der Energie­krise? Nach aktuellem Stand ist noch keines der dunklen Schre­ckens-Szenarien einge­troffen – zumindest nicht so drastisch wie befürchtet. Doch insbe­sondere im Zuge des Zinsan­stiegs zeigt sich schon jetzt, dass 2023 die Spreu vom Weizen trennen wird. Warum das so ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

Was wird jetzt aus dem Immobilienmarkt?

Alles in allem kommen die meisten Unter­nehmen Anfang 2023 noch ganz gut zurecht. Das sieht man daran, dass die Abtei­lungen in den Finanz­in­sti­tuten, die für Abschrei­bungen, Sanie­rungen und Insol­venzen verant­wortlich sind, aktuell nicht im übertrie­benen Maße in Anspruch genommen werden – weder rückwirkend für 2022 noch für 2023. Das bedeutet natürlich nicht, dass es den Unter­nehmen langfristig gut geht, aber sie kommen aktuell noch zurecht.

Doch schon zeichnet sich eine neue Heraus­for­derung für das laufende Jahr ab: das Immobi­li­en­ge­schäft. Der Firmen­kun­den­be­reich in Banken, Volks­banken und Sparkassen ist seit einigen Jahren stark vom Immobi­li­en­ge­schäft abhängig. Und nun ist die Nachfrage nach Neubauten drama­tisch gesunken. In einigen Fällen sogar auf null. Finanz­dienst­leister, die sich zu einseitig aufge­stellt haben, gehen jetzt das Risiko ein, „nackt in der Brandung“ zu stehen. Man hat sich zu lange zu stark auf Immobi­li­en­kredite konzen­triert und nun, wo die Nachfrage einbricht, weiß man nicht mehr, woher die Deckungs­bei­träge kommen sollen. Auf eine solche Entwicklung habe ich vor einiger Zeit in einem Artikel im Versteher-Magazin hingewiesen.

Vertane Chancen bei der breiteren Aufstellung?

Jetzt, da sich die „Flut“ der Immobi­li­en­ge­schäfte langsam in eine „Ebbe“ verwandelt und immer mehr Institute nackt in der Brandung stehen, zeigt sich auch so mancher Makel, der sonst unter der Wasser­ober­fläche verborgen geblieben wäre. Insbe­sondere zeigt sich, dass die Finanz­dienst­leister im Firmen­kun­den­ge­schäft zwar regen Kontakt mit den wertvollen Famili­en­un­ter­nehmern hatten. Jedoch in vielen Fällen nicht in der notwen­digen Form und in der Tiefe, um sich auf die „Ebbe“ vorzu­be­reiten. Klar, das war bislang auch nicht unbedingt nötig. Spätestens jetzt ist es das aber.

Warum war es bislang eigentlich nicht nötig, allzu tief in die Beziehung mit dem Unter­nehmer zu gehen? Na ja, stellen wir uns mal einen Firmen­kun­den­be­rater vor, der Mitte 2022 sein Jahres­ge­spräch beim Unter­nehmer hat. Was erfährt er da wohl vom Unter­nehmer? In den meisten Fällen wahrscheinlich, dass es der Firma gut geht, man aber noch viel mehr machen könnte, wenn es denn nur genug Fachkräfte gäbe. Der Firmen­kun­den­be­rater fragt natürlich auch nach, ob der Unter­nehmer denn irgend­welche Kredite bräuchte. Die Antwort: Nein, aktuell nicht. Es läuft ja, und bevor man Verwah­rentgelt zahlt, würde man Inves­ti­tionen nicht per Kredit, sondern in Cash tätigen – so oder so: Die Firma ist liquide genug, um Inves­ti­tionen selbst zu stemmen.

Das ist natürlich schade für unseren Berater, also fragt er noch nach, ob man denn sonst noch etwas für den Unter­nehmer tun könnte. Und wenn er schon so fragt, dann kommt der Unter­nehmer natürlich auf sein Lieblings­thema zu sprechen: Immobi­li­en­in­ves­ti­tionen. Da gibt es noch Finan­zie­rungs­bedarf. Und natürlich auch staatlich geför­derte alter­native Energie­mög­lich­keiten werden gern vom Unter­nehmer genommen und vom Firmen­kun­den­be­rater gern über Kredite veredelt. 

Der Berater hat an dieser Stelle eigentlich alles richtig gemacht: Jahres-/Stra­te­gie­ge­spräch geführt, nach Geschäfts­po­tenzial in der Firma gefragt, Cross-Selling ins Gespräch gebracht und mit den Immobilien auch gleich noch ein Geschäft akqui­riert. Natürlich hat sich der Berater dann nicht noch weiter um andere Optionen gekümmert – man möchte ja dem Kunden gegenüber nicht aufdringlich wirken. Eine Betriebs­be­sich­tigung wurde auch nicht in Betracht gezogen, denn es lief ja nach Aussage des Unter­nehmers alles gut. Er war zwar in der Firma, aber nicht im Betrieb. Ein kleiner, aber feiner Unterschied. 

Ganz wichtig: Zielkarte erfüllt. Läuft!

Die Entwicklung mit dem Zinsanstieg

Die geschil­derte Situation entspricht also in etwa dem Stand bis Mitte 2022: Die Berater boten an, was sie konnten, der Unter­nehmer biss vor allem bei Immobilien an. Wenn wir ehrlich sind, geht das ja schon seit Jahren so. Immerhin hat die EZB im März 2016 den Leitzins auf 0 % gesenkt. Die dadurch angeregte Kredit­nach­frage begann zu galop­pieren. Und infol­ge­dessen entwi­ckelte sich das Firmen­kun­den­ge­schäft schlei­chend hin zu einer Abhän­gigkeit vom Immobi­li­en­markt. Danach passierte jedoch Folgendes: ein Zinsan­stieg – im Juli 2022, also 6 Jahre und 3 Monate nach der „0“, nun wieder ein Leitzins von 0,5 %, der bis Dezember 2022 auf 2,5 % und seit dem 8. Februar 2023 bei 3 % liegt ‒, wer hätte damit noch gerechnet, dass es überhaupt mal wieder Zinsen gibt und vor allem in dieser kurzen Zeit so stark im Anstieg? Wohl eher die wenigsten Marktakteure.

Das Verhalten der Kunden ändert sich plötzlich, und auch die Banken fallen durch die steigenden Zinsen in alte Verhal­tens­muster zurück. Die Quote der Eigenheim-Besitzer (EFH/ETW) war im europäi­schen Vergleich ohnehin schon nicht besonders gut (mit 49,5 % Platz 33 von 34 Ländern  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/155734/umfrage/wohneigentumsquoten-in-europa/). Doch nun stockt es noch stärker. Beim Bau und Kauf von Eigen­heimen wird plötzlich viel gestoppt oder sogar rückab­ge­wi­ckelt, dadurch gibt es wieder deutlich mehr Mieter. Das treibt die Mieten in die Höhe (mehr Nachfrage) und sorgt für Probleme bei der Immobi­li­en­branche. Dort gibt es plötzlich deutlich weniger Neubauten, also auch weniger Bedarf an Handwerkern. Auch die hohen Materi­al­preise können nicht weiter­ge­geben werden (die Preise für viele Baustoffe sind bereits gefallen, was aber nicht an die Kunden weiter­ge­geben wird).

Auch außerhalb der Immobi­li­en­branche sorgt der Zinsan­stieg für Verän­de­rungen. So sind beispiels­weise die Aktien­quoten, die in den letzten Jahren durch Niedrigzins und Verwah­rentgelt deutlich angestiegen waren, wieder rückläufig. Tages­gelder, Zinsan­gebote und Anleihen waren bis vor Kurzem wenig attraktiv, doch jetzt, wo die Zinsen wieder steigen, wird auch wieder mehr Geld „geparkt“. Diese Entwicklung wird zusätzlich durch Kursver­luste in den Aktien­depots befeuert. Fonds­ge­sell­schaften verzeichnen aktuell unter anderem durch die Inflation und aufgrund steigender Energie­kosten die höchsten Quoten im Bereich der Sparpläne-Stopps bei Privat­per­sonen. Und gleich­zeitig gibt es einen drama­ti­schen Rückgang bei den Neuan­lagen. Das alles kann übrigens auch langfristig für die Alters­vor­sorge fatal werden.

Wie die Institute auf den Zinsan­stieg reagieren

Die Finanz­in­stitute zögern noch bei der Weitergabe der gestie­genen Zinsen – nur bei Unter­nehmen und Großkunden wird schon gezahlt, beim klein­tei­ligen Privat­kun­den­ge­schäft jedoch noch nicht. Druck kommt erst auf, wenn digitale Direkt­banken das bessere Angebot machen. Dann wird aufseiten der Banken oft schnell und teilweise fast panisch gehandelt, weil sonst Gelder mit einem einzigen Klick weg sind. Ich kann die Vorstände und Entscheider verstehen. 1 Mrd. Euro bei Privat­kunden unver­zinst, das Geld bei der EZB mit 2 % p.a. verzinst – so kann man die Ertrags­rück­gänge in den Immobi­li­en­be­reichen und im generellen Provi­si­ons­ge­schäft gut auffangen. Schön zu wissen für die Entscheider: Die große Masse der Privat­kunden ist „träge“. Ein Konto einrichten bei einem Fintech, das Geld überweisen … das geht zwar schnell, aber für 150 € Brutto­zinsen pro Jahr, also knapp 10 € pro Monat … was solls. Lasse ich es halt bei der aktuellen Bank. Poten­zielle Gefahr: Das kann aber auch an der einen oder anderen Stelle im eigenen Institut (wieder) bequem werden lassen.

Intern werden dennoch weiterhin die Kosten gedrückt. Noch Anfang 2022 hieß es „Keine Erträge – keine Fort-/Weiter­bil­dungen“. Heute heißt es „Wir warten grund­sätzlich erst mal ab und sparen unser Geld für den Fall, dass die Situation noch schlechter wird“. Meine Prognose für die Zukunft ist: Wenn es dann irgendwann gut anläuft, dann heißt es vermutlich „Für Fort- und Weiter­bil­dungen haben wir jetzt keine Zeit, es ist zu viel zu tun!“. Hier nur ein Zitat von Laotse zum Nachdenken: „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Hört man damit auf, treibt man zurück.“

Wie der Bund reagiert

Die Bundes­re­gierung freut sich übrigens trotz des Zinsan­stiegs weiterhin über gute Finanzen. Durch die Niedrig­zin­s/­Ne­gativ-Zins-Politik wurden bislang zwar keine Zinslasten aufgebaut, aber die Nachfrage nach Anleihen war vormals eben „nur o.k.“. Durch die nun höheren Zinsen entsteht jetzt zwar ein höherer Bundes­aufwand, aber gleich­zeitig ist die Nachfrage nach Bundes­an­leihen deutlich gestiegen. Der Bund kann somit alles refinan­zieren und Geld aufnehmen, wie er will.

Das schlägt sich natürlich in der Tatsache nieder, dass der Bund nun mit seinem/unserem Geld prassen kann, wie er möchte. Warum denn schon sparen, wenn durch die Zinsen die Bundes­an­leihen reißenden Absatz finden? Zumal die nächsten Wahlen vor der Tür stehen …

Zwischen­fazit: Wie hat sich das auf die Entwicklung niedergeschlagen?

In Deutschland hatten wir einen Trans­for­ma­ti­ons­prozess, der in den letzten Jahren – wenn auch gezwun­ge­ner­maßen – noch zugenommen hat: Die Eigen­heim­quote stieg, die Aktien­quote stieg, die Finanz­dienst­leister mussten näher an den Kunden gehen, die Regierung musste vorsich­tiger mit neuen Schulden umgehen und so weiter.

Diese eigentlich positive Entwicklung für den Wohlstand unseres Landes wird nun leider wieder ausge­bremst. Sie stockt oder geht in einigen Fällen sogar wieder deutlich zurück. Denn leider scheint noch immer die Menta­lität zu bestehen: Warum anstrengen und tief sitzende Probleme lösen, wenn man sie einfach mit Geld zudecken kann?

Finanz­dienst­leister zwischen Netflix-Problem und Sirtaki-Falle

Konkret bringt die aktuelle Situation für die Finanz­dienst­leister zwei Heraus­for­de­rungen mit sich. Die eine lässt sich sehr gut analog mit dem Streaming-Service Netflix erklären. Die andere habe ich auf den Namen des „Sirtaki“-Restaurants bei uns in Sprock­hövel getauft, das ich Ihnen übrigens nur wärmstens empfehlen kann, wenn Sie mal in der Gegend sind. Setzen Sie gerne den Namen eines belie­bigen Restau­rants in Ihrem Wohnort ein, denn ich denke, dass ein Großteil der Restau­rants in Deutschland ähnlich agiert hat.

Das Netflix-Problem

Kommen wir aber zunächst zum Netflix-Problem. Den Streaming-Dienst kennen Sie alle, und Sie alle werden wissen: Seine Abonnenten wollen regel­mäßig neue Serien und Filme schauen. Doch was, wenn einfach keine neuen gedreht werden? Das haben wir während Corona gesehen: Aufgrund der Hygie­ne­vor­schriften gab es kaum neue Produk­tionen. Das ging etwa zwei Jahre so. Und da viele aktuelle Filme und Serien viel Post-Production-Aufwand erfordern, werden die jetzt wieder gedrehten neuen Streaming-Angebote wahrscheinlich erst im Laufe dieses Jahres oder sogar erst 2024 wieder im gewohnten Volumen auf die Plattform kommen. Das hat natürlich dafür gesorgt, dass einige Kunden abgesprungen sind. Warum auch für einen Service bezahlen, der mindestens zwei Jahre lang wenig Neues gezeigt hat? Netflix musste daraufhin das Gebüh­ren­modell anpassen und das Account-Sharing einschränken.

Das Netflix-Problem gibt es nun auch in der Finanz­branche: Wenn es keine Neubau­pro­jekte gibt, dann können die Finanz­dienst­leister diese auch nicht finan­zieren. Und selbst wenn es nicht zu einer Rezession kommt und bald wieder Neubau­pro­jekte in größerem Maß geplant werden, wird es erst mal dauern, bis alles wieder anläuft. Es gibt Regionen in Deutschland, in denen die Geneh­migung von Bauplänen bis zu 2 Jahre dauert. Das bedeutet, wer heute im Februar 2023 den Antrag stellt, erhält Ende 2024 die Geneh­migung. Baubeginn ist 2025. Kredit­aus­legung ab 2025. Schließlich braucht man die Finan­zierung nicht schon in der ersten Planungs­phase. Und selbst, wenn es schneller geht, werden viele Institute vermutlich bis Ende 2023 oder sogar bis Mitte 2024 mit gerin­gerer Nachfrage an Immobi­li­en­kre­diten rechnen müssen. Das heißt: Die Immobi­li­en­er­träge liegen erst mal brach. Wie abhängig das Firmen­kun­den­ge­schäft noch von Immobi­li­en­er­trägen ist, das haben wir zu Beginn dieses Artikels ja schon ausführlich besprochen.

Die Sirtaki-Falle

Wie erwähnt, habe ich diese Heraus­for­derung nach dem Restaurant „Sirtaki“ in meinem Heimatort benannt. Denn dort hatte ich die Gelegenheit, während des ersten Lockdowns im März 2020 mal den Inhaber zu fragen, wie er sein Geschäft eigentlich während Corona am Leben erhalten konnte. Er erklärte mir dann, dass es Aktionen zum Bestellen und Abholen gab. Es werde also weiter gekocht, nur gegessen haben die Menschen dann bei sich zu Hause. Keine ungewöhn­liche Strategie für ein Restaurant während der Pandemie.

Ich fragte jedoch noch genauer nach und wollte wissen, ob es denn auch Maßnahmen gäbe, die die Kunden zusätzlich ans Restaurant binden. Zum Beispiel einen Newsletter oder Videos/Promo auf Facebook, Instagram und TikTok. Denn das reine Bestellen und Abholen mag ja praktisch für den Kunden sein, aber Loyalität baut es nicht auf. Er meinte dann, dass das nicht nötig gewesen sei, denn sein Restaurant war ja bislang auch immer voll – und wenn die Pandemie erst mal vorbei wäre, würden die Kunden von alleine wiederkommen. 

Es kam, entgegen meiner Vermutung, dann doch so, wie es der Inhaber vorher­gesagt hatte: Kaum durfte er wieder öffnen, strömten die Menschen wieder in sein Lokal. Und heute, 3 Jahre nach dem ersten Lockdown, ist das Restaurant wie vor März 2020 immer proppenvoll. 

Inflation und steigende Energie­kosten nagen vermutlich an den Gewinnen des energie­in­ten­siven Restau­rants und die Menschen überlegen sich mitunter genau, ob und wo sie noch essen gehen. Der Abend im Restaurant ist in diesen Zeiten für viele längst keine Selbst­ver­ständ­lichkeit mehr – denn das Geld sitzt nicht mehr so locker und der „Luxus“ eines Restaurant-Besuchs ist mitunter das Erste, woran man sparen kann. 

Doch was wäre, wenn es nicht so gekommen wäre? Wenn die Gäste nicht wieder so zahlreich gekommen wären? Klar: hätte, hätte, Fahrrad­kette. Aus meiner Erfahrung machen (zu) viele Unter­nehmen in der Boom-Phase den Fehler, kein Zielkun­den­port­folio aufzu­bauen. Muss man ja nicht. Hat man ja auch keine Zeit dazu.

Wenn ich mit Finanz­be­ratern, deren Chefs und Vorständen spreche, habe ich den Eindruck, dass sie wie „Sirtaki“ davon ausgehen: „Wenn es doch keine Rezession gibt, wird alles wieder wie vorher und gut is‘.“ Man geht davon aus, dass die Kunden schon wieder­kommen werden. Doch was, wenn sich die Zinslage oder eine beliebige andere Rahmen­be­dingung ändert – und die Kunden eben doch nicht wieder­kommen, weil man die ganze Zeit keine zusätz­lichen Maßnahmen unter­nommen hat, um Loyalität aufzu­bauen? Das ist die Sirtaki-Falle, in die die Institute in der aktuellen Situation tappen könnten.

Was manche Finanz­dienst­leister von Grill­fluencern und Fitness­studios lernen können

Kennen Sie „Klaus grillt“? Das ist ein Youtube-Kanal, den ich mir immer wieder mal gerne anschaue, ein sogenannter „Grill­fluencer“, der in seinen Videos alles rund ums Grillen thema­ti­siert. Da wurde nun angekündigt, dass Klaus jetzt vom reinen Fleisch-Grillen weggehen möchte. Er bleibt natürlich beim Grillen, aber er möchte jetzt mehr Beispiele bringen, wie man etwa Fisch oder vegeta­rische und vegane Lebens­mittel auf dem Grill zubereiten kann. Und selbst wenn Sie auf Youtube keine Grill­fluencer-Videos schauen – vielleicht haben Sie eine ähnliche Entwicklung auch im Fitness­studio bei Ihnen vor Ort festge­stellt: Weg von der reinen „Muckibude“, hin zu abwechs­lungs­reichen Angeboten mit Yoga und Wellness.

Beide Entwick­lungen hätte es sicher so nicht gegeben, wenn nicht ein Bedarf bei den Zielgruppen bestünde. Immer mehr Menschen möchten sich vegeta­risch oder vegan ernähren, also muss nicht immer Fleisch auf den Youtube-Grill. Und viele Menschen würden schon ganz gerne ins Fitness­studio gehen, wenn es ein Trainings­an­gebot gäbe, das ihren Vorlieben entspricht. Genau so sieht es bei den Finanz­dienst­leistern aus: Das reine Produkt-Pushen (1990er- und 2000er-Jahre-Hardselling) ist nicht mehr so gefragt. Statt­dessen wünschen sich die Kunden eine ganzheit­liche Beratung und einen Finanz­coach – und zwar sowohl auf der Firmen- als auch auf der Privat­seite. Oder so ausge­drückt: Reine Dealmaker sind „out“, reine Berater sind „out“, aber dealma­kende Strategen und strate­gische Dealmaker mit Routine-Arbeitern im Schlepptau – die sind mehr „in“ als je zuvor!

So bauen Sie eine Finanz­be­ratung für 2023+

Das reine Relati­onship Management (RM), mit Vertrieblern, die nur beim Kunden sind und nichts im eigenen Haus intern machen, hat bislang kaum gewirkt. Kein Wunder, denn diese Teams sind oft ohne Markt­folge Aktiv aufge­stellt und in der Regel ganz auf „IST“, „Produkt“ und Ertrag ausgelegt. Das funktio­niert heute so nicht mehr. Statt­dessen müssen sich Finanz­dienst­leister hinbe­wegen zu der Idee, dass der Berater die Speer­spitze ist, aber ganzheitlich denkt, inter­dis­zi­plinär ein laterales Team führt und nach Notwen­digkeit noch Spezia­listen hinzu­zieht. Das Ganze sollte dann aufgebaut werden als Tandem oder Trio mit Firmen­kun­den­be­rater, Privat-Banking-Beratung und Markt­folge Aktiv. So, wie es sich zum Beispiel im Fußball bewährt hat: ein Trainer/Manager als „Head“, aber mit einem Stab von 20 ihm zuarbei­tenden Personen (Assis­tenz­trainer, Fitness-Coaches, Physio­the­ra­peuten etc.).

Genau diese Art von Firmen­kun­den­be­rater ist es, die die Unter­neh­mer­kunden jetzt brauchen: ein Firmen­kun­den­be­rater mit dem Private-Banking-Berater als Co-Trainer und einem inter­dis­zi­pli­nären Team dahinter. So entstehen effektive Deal-Teams und Kunden­kon­fe­renzen. Das alles wurde bis vor Kurzem noch als „Heraus­for­derung der Zukunft“ bezeichnet – doch die Zukunft ist jetzt! Es gilt jetzt, all das umzusetzen, sofern das noch nicht geschehen ist!

Gehen Sie außerdem weg vom reinen Reagieren und hin zum Agieren. Und beachten Sie: Wenn Sie poten­zielle Kunden anrufen, die nicht um einen Anruf gebeten haben, werden Sie in der Akquise mehr „Neins“ als „Jas“ hören – das ist ganz normal und völlig in Ordnung.

Sofort handeln!

Beant­worten Sie in der aktuellen Situation so bald wie möglich folgende konkreten Fragen für Ihr Institut:

  • Lässt sich Inter­dis­zi­pli­na­rität besser mit „make“ oder „buy“ umsetzen? Und wie ist das zu bezahlen? 
  • Wie viel Fachtiefe ist überhaupt pro Bereich notwendig? 
  • Wie viele Kunden­ver­bünde bekommt jedes einzelne Beratungsteam? 

Eine Handlungs­emp­fehlung, die ich Ihnen zur sofor­tigen Umsetzung geben kann, ist: Machen Sie wieder mehr Betriebs­be­sich­ti­gungen bei Ihren Unter­neh­mer­kunden! Denn jetzt haben Sie die Möglichkeit, sich darauf zu berufen, dass in den letzten Jahren so wenig Kontakt bestand, weil alles lief und es nicht so viele Themen gab. Sagen Sie Ihren Unter­nehmern einfach ehrlich, dass Sie gerne sehen würden, was sich in den letzten Jahren so im Betrieb getan hat. Das ist Ihr „Dosen­öffner“! Und den Private-Banking-Beratern empfehle ich: Überzeugen Sie den Firmen­kunden-Berater, Sie direkt zu den aktuell anste­henden Jahres-/Stra­te­gie­ge­sprächen und zu Betriebs­be­sich­ti­gungen mitzu­nehmen! So entwi­ckeln Sie sich gemeinsam weiter zu Unter­nehmer-Verstehern und im Tandem zum Finanz­coach-Team für Familienunternehmer.

Das ist auch dringend notwendig, denn was wir seit einigen Jahren erlebt haben – dass Kunden fast von alleine kamen und nur Produkte „gepusht“ werden konnten –, das war eine Ausnah­me­si­tuation. Das, was wir jetzt haben – die Notwen­digkeit einer aktiven Akquise und einer ganzheit­lichen Positio­nierung beim Unter­neh­mer­kunden –, das ist der Normal­zu­stand. Natürlich müssen weiter die Finanz­pro­dukte verkauft werden. Doch dies ist jetzt eher das Mittel zum Zweck – nicht der eigent­liche Aufhänger. 

So, wie sich die aktuellen Rahmen­be­din­gungen verändert haben, so ist auch eine Anpassung in der Finanz­be­ratung notwendig, um wieder Erträge ins Haus zu holen. Brauchen Sie noch ein wenig Unter­stützung dabei, diese Anpas­sungen bei sich im Institut umzusetzen, dann schauen Sie doch mal bei meinen Seminaren und Workshops vorbei. Hier gehen wir auch vom Generellen ins Spezi­fische und sprechen gerne über die Möglich­keiten, die sich Ihnen in Ihrem spezi­ellen Fall anbieten. Haben Sie Mut, die entspre­chenden Trans­for­ma­tionen umzusetzen. Es wird sich in mehrfacher Hinsicht lohnen!

Erlauben Sie mir bitte zum Abschluss noch eine rheto­rische Spitze: Ans Telefon zu gehen, wenn jemand anruft, oder zurück­zu­rufen, wenn jemand um Rückruf bittet, war und ist keine Akquise. Private Immobi­li­en­kre­dit­an­fragen des Unter­nehmers abzuar­beiten war und ist keine Firmen­kun­den­be­ratung, sondern Kredit­be­ar­beitung. Und aktuell lediglich und vorrangig Zinspro­dukte (Anleihen, Tagesgeld, Sparbriefe & Co.) zu platzieren ist absolut kein Private Banking.

In den vergan­genen Jahren traf die alte Börsen­weisheit in allen Bereichen des Lebens, der Wirtschaft und in den Insti­tuten zu: „Die Flut hebt alle Boote, auch die mit Löchern im Rumpf.“ Jetzt, im Hier und Heute, zeigt sich, welche Berater verkaufen können und wollen. Und welche Führungs­kräfte führen, anleiten, unter­stützen und coachen können.

Der italie­nische Dichter und Philosoph Dante Alighieri (1265‒1321) hat schon vor über 700 Jahren angemerkt: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie an und handelt.“ Ihren Unter­nehmern liegt „Anpacken“ im Blut. Machen Sie mit!

Ihnen allen viel Spaß und Erfolg in Ihren Unternehmergesprächen!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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