Die voran­schrei­tende Digita­li­sierung in den Indus­trie­na­tionen ermög­licht nicht nur ganz neue Vertriebs- und Kommu­ni­ka­ti­onswege, sondern verleiht den dort lebenden Menschen auch die noch nie dagewesene Fähigkeit, in Sekun­den­bruch­teilen an überwäl­ti­gende Mengen von Infor­ma­tionen zu gelangen. Wenn heute auf der anderen Seite der Welt etwas passiert, wissen wir hierzu­lande binnen weniger Minuten davon, vielleicht sogar mit dazu passendem 4K-Video aus einer Handy­kamera. Doch was als großer Schritt in die schöne neue Welt des Infor­ma­ti­ons­zeit­alters begann, wird immer häufiger zur reinen Belastung einer Infor­ma­tions-Überfluss-Gesell­schaft. Deshalb rate ich Ihnen: Klinken Sie sich auch einfach mal eine Weile aus! Schon ein Tag pro Monat Digital-Abstinenz kann sehr wirksam sein.

Warum wir uns selbst mit dem Infor­ma­tions-Überan­gebot erdrücken

Der Drang, möglichst viele Infor­ma­tionen über die Welt um uns herum zu haben, ist uns Menschen gewis­ser­maßen evolu­ti­ons­tech­nisch in die Wiege gelegt. Und dass sich scheinbar so viele von uns dabei insbe­sondere auf negative Infor­ma­tionen konzen­trieren, ist auch nicht neu: Psycho­lo­gisch gesehen erzeugt die Konfron­tation mit negativen Emotionen innerhalb einer selbst gewählten, sicheren Umgebung ein positives Gefühl von Kontrolle über das eigene Leben. Aristo­teles beschrieb ein ganz ähnliches Phänomen unter dem Namen Katharsis, die Wissen­schaft kennt es spätestens seit der Freud’schen Beschreibung des „Fort-da“-Spiels, das er bei seinem Enkel beobachten konnte. Und wenn man sich vor Augen hält, dass Strea­ming­dienste aktuell ein erhöhtes Publi­kums­in­teresse an Pandemie-Katastro­phen­filmen verzeichnen, erkennt man vielleicht auch, dass dieses Verhalten tief in der mensch­lichen Psyche verwurzelt ist und wie vor vielen Jahrtau­senden auch heute noch greift.

Auch gab es schon vor dem Digital­zeit­alter Medien­un­ter­nehmen, die diesen Effekt erkannten und sich – bewusst oder unbewusst – verstärkt auf die Vermittlung negativer Nachrichten konzen­trierten. Schließlich müssen auch sie wirtschaftlich handeln, um sich auf dem Markt behaupten zu können. So zynisch es klingen mag: Die Presse liefert, was die Menschen sehen möchten, und die Menschen können sich an Waldbränden, Kriegen, Verbrechen und Epidemien nicht sattsehen.

Sind die Mecha­nismen der Infor­ma­ti­ons­ver­mittlung (und ‑verfäl­schung) neu?

Blickt man auf die aktuelle Medien­land­schaft und die kultu­relle Ausein­an­der­setzung mit ihr, stellt man schnell fest: An vielen der Schlag­wörter, die wir heute für Phänomene des postmo­dernen Internet-Zeitalters halten, ist tatsächlich nur der verwendete Begriff neu:

  • Fake News: Gab es natürlich auch schon früher, vom simplen Gerücht, das im Dorf weiter­erzählt wurde, bis zur Propa­ganda, die durch gezielte Falsch­in­for­ma­tionen die öffent­liche Wahrnehmung trüben oder verschieben sollte. 
  • Clickbait: „Ohne Internet kein Clickbait“, meint man vielleicht. Doch wenn eine Tages­zeitung früher eine reiße­rische Headline auf ihr Titel­blatt druckte und der Zeitungs­junge sie dann entspre­chend laut in die Fußgän­ger­zonen schrie – hat dann nicht der ein oder andere zugegriffen und war vom eigent­lichen Inhalt des Artikels später maßlos enttäuscht? 
  • Hate Speech: Auch diese fragwürdige „Kommu­ni­ka­ti­ons­me­thode“, die wir aus Social Media kennen, gab es früher schon. Wenngleich entspre­chende Leser­briefe früher vielleicht nicht automa­tisch in der Zeitung abgedruckt worden wären. 

Und übrigens: Wer sich heute über Menschen aufregt, die ständig auf ihr Smart­phone starren, sollte sich mal an die Zeiten zurück­er­innern, in denen es noch keine Smart­phones gab. Da starrten die Menschen in der Öffent­lichkeit eben auf ihre Tageszeitung.

Alte Verhal­tens­weisen treffen auf digitale Verbreitungswege

Was sich nach meiner persön­lichen Erfahrung jedoch mit dem Anbruch der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft merklich verändert hat, sind Art und Ausmaß der Verbreitung von Infor­ma­tionen. Die Älteren werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass es mal ganze drei Fernseh­pro­gramme gab. Heute sind es Dutzende, wenn nicht Hunderte. Und dazu noch 24 Stunden am Tag Streaming, News-Webseiten, Blogs… Und dazu kommen noch unzählige Tages­zei­tungen und Magazine – mindestens ein Print­medium zu jedem Thema und für jede Meinung. Mehr noch: Von Twitter bis zum Youtube-Video aus der Handy­kamera in jeder­manns Hosen­tasche erreichen heute selbst Privat­per­sonen mit minimalem zeitlichen und monetären Aufwand ein Millio­nen­pu­blikum. In dieser Hinsicht wurden jedem einzelnen Menschen durch das Internet die Werkzeuge an die Hand gegeben, um die Infor­ma­ti­ons­do­minanz und die Meinungs­macht eines großen Medien­hauses zu erreichen oder sogar zu übertrumpfen. Eine Entwicklung, wie sie beispiels­weise der große Vordenker Peter Kruse bereits vor zehn Jahren in Bezug auf das nicht­li­neare System Internet erkannt hat.

Zusammen ergibt das nach meiner Einschätzung drei Effekte:

  1. Die schiere Masse an Infor­ma­tionen, die täglich auf uns eindringen, ist rapide gestiegen. 
  2. Insbe­sondere Fake News sowie Click- und Likebait nehmen überhand. 
  3. Dadurch wird es immer schwie­riger, zwischen vertrau­ens­wür­digen Infor­ma­tionen und Fakes zu differenzieren. 

Wir haben aktuell kein Infor­ma­ti­ons­zeit­alter. Infor­ma­tionen gibt es genug. Wir haben ein Vertrau­ens­zeit­alter. Wem und welchen Infor­ma­tionen kann und soll man vertrauen? Das Digital­zeit­alter erschwert es übrigens auf zweierlei Arten, die Legiti­mität von Infor­ma­tionen zu erkennen. Denn neben der überkom­plexen Menge an unter­schied­lichen Infor­ma­tionen werden auch die Methoden des Fälschens perfider. So ist es heute beispiels­weise auf Twitter nicht unüblich, reale Bilder einfach in einen fiktiven Kontext zu setzen – da hilft selbst die technische Bildanalyse nicht mehr weiter, denn das Bild ist ja nicht bearbeitet worden. Und selbst, wenn Bildma­ni­pu­lation im Spiel ist: Dank der „Deep Fake“-Technik, mit der Bilder oder sogar Videos mithilfe einer künst­lichen Intel­ligenz täuschend echt nachbe­ar­beitet werden können (mit der entspre­chenden Ausrüstung und Know-How heute schon sogar in Echtzeit und live!), lassen sich selbst umfang­reiche Bildma­ni­pu­la­tionen bald nicht mehr eindeutig nachweisen. Denken Sie nur: Hätte die umfang­reiche sowje­tische Presse­zensur, die Anfang des 20. Jahrhun­derts im großen Stil in Ungnade gefallene Polit­kader aus Presse­fotos tilgte, bereits über ein solches Arsenal verfügt, dann könnten Histo­riker heute nicht einmal mehr die russische Geschichte von vor gerade 70 Jahren vollständig nachvollziehen.

Vorsicht vor negativen Echo Chambers

In den sozialen Netzwerken gab es in den letzten Jahren noch eine weitere inter­es­sante Entwicklung: Algorithmen, deren Aufgabe es ist, das Verhalten der Nutzer zu analy­sieren und ihnen darauf basierend nur dieje­nigen Inhalte anzuzeigen, die für sie inter­essant sein könnten – vollkommen automa­ti­siert, versteht sich. In der Praxis bedeutet das: Die Maschine analy­siert, welche Inhalte Sie sich häufig ansehen, und liefert Ihnen in Zukunft nur noch ähnliche Inhalte. Insbe­sondere auf politi­scher und sozialer Ebene hat dieser Mecha­nismus zu einer Abschottung von anderen Meinungen geführt, den sogenannten Echo Chambers, in denen Social Media User nur noch dieje­nigen Inhalte vorge­setzt bekommen, die exakt ihrer eigenen Meinung entsprechen. Selbst wenn Sie nur zufällig in solchen Gefilden gelandet sein sollten: Sobald die Systeme Sie erfasst haben, beginnen diese, Sie zu manipu­lieren und in eine entspre­chende Richtung zu lenken. Und je länger Sie mit diesen Infor­ma­tionen konfron­tiert werden, desto wahrschein­licher übernehmen Sie dann diese Meinung.

Dieser Mecha­nismus bedeutet auch, dass Menschen, die häufig negative Inhalte konsu­mieren, konse­quen­ter­weise mehr und mehr solcher Nachrichten vorge­setzt bekommen. Jim Rohn, Unter­nehmer- und Motiva­ti­ons­trainer-Legende, sagte einst: „Du bist der Durch­schnitt der fünf Menschen, mit denen du dich umgibst.“ Im digitalen Zeitalter kann dies auch auf die Infor­ma­ti­ons­medien ausge­weitet werden: „Ihr Gedan­kenbild ist der Durch­schnitt der fünf Medien und deren Inhalte, die Sie am regel­mä­ßigsten konsu­mieren.“ Wenn Sie nun (aufgrund der mensch­lichen Psycho­logie) viele negative Nachrichten konsu­mieren und Ihnen der Algorithmus als Reaktion darauf in Zukunft nur noch negative Nachrichten vorsetzt – dann können Sie sich denken, was das mit Ihrem Gemüts­zu­stand macht. Das Gleiche gilt natürlich auch analog. Gehen Sie jeden Mittag 1 Stunde mit negativ denkenden und handelnden Personen essen, sind das pro Jahr 220 Stunden negativer Einfluss.

Was das alles mit der Finanz­be­ratung von Unter­nehmern zu tun hat

Wer gibt sich schon gerne mit Menschen ab, die ständig nur mit den negativen Dingen des Lebens beschäftigt sind? Familien­unternehmer sicher nicht, denn diese Menschen sind echte Macher, die von Ihnen erwarten, dass Sie ihnen Chancen aufzeigen, statt ständig über Probleme zu klagen. Eine positive Ausstrahlung ist hier essen­ziell, um eine effektive Beziehung von Mensch zu Mensch herzu­stellen. Und eine positive Ausstrahlung ist das Ergebnis eines positiven Geistes.

Wenn Sie also

  • auf psycho­lo­gi­scher Ebene dazu veranlagt sind, Ihre Aufmerk­samkeit auf Negatives zu richten,
  • wenn Ihnen die Medien deshalb nur noch negative Nachrichten aufti­schen und
  • wenn Sie unter all den negativen Nachrichten ohnehin nicht mal mehr erkennen können, was echt und was fake ist, 

dann bleibt Ihnen letztlich nur ein Ausweg:

Einfach mal ausklinken!

Dazu braucht es noch nicht einmal ein umfang­reiches Digital-Detox-Programm mit vollstän­digem Verzicht auf Medien­konsum. Schauen Sie statt­dessen mit einem kriti­schen Auge auf die Medien, die Sie norma­ler­weise konsu­mieren: Bieten Ihnen diese einen echten Mehrwert? Wann war das letzte Mal, dass Sie dort etwas Inspi­rie­rendes gelesen haben? Und wann war das letzte Mal, dass Sie dort mit schreck­lichen Nachrichten konfron­tiert wurden, die für Sie absolut nicht zu ändern waren? Stellen Sie fest, dass Letzteres die Überhand hat, dann klinken Sie sich einfach mal eine Weile aus und konzen­trieren Sie sich nur noch auf die Medien, die Ihnen wirkliche Mehrwerte bieten. Sie werden merken: Das verbessert nicht nur die eigene Laune, sondern auch die Ausstrahlung – und es setzt viel Zeit frei, die Sie wesentlich angenehmer und produk­tiver verbringen können!

Insbe­sondere als Finanz­dienst­leister profi­tieren Sie davon, durch Digital Detox einfach mal den Kopf frei zu machen. Denn die Finanz­be­ratung für Familien­unternehmen und Unternehmer­familien ist immer eine komplexe Angele­genheit, die von Ihnen eine enorme Fokus­sierung erfordert. Und wenn Sie sich zwei Minuten vor der wichtigen Bespre­chung mit dem Unter­nehmer (oder in den Pausen inmitten einer Sitzung) durch negative Schlag­zeilen, Mails, Whatsapp-Nachrichten o. ä. wälzen, dann verschwenden Sie wichtige mentale Kapazi­täten auf Dinge, die Sie ohnehin nicht ändern können.

Ein Akt der Selbst­dis­ziplin verbessert Leistung und Stimmung

Ja, es kann schwer sein, sich von Social Media und dem täglichen Kontingent an Nachrichten im Netz und im Fernsehen abzuschotten. Selbst wenn man sich immer noch zumindest auf dieje­nigen Medien konzen­triert, die einem erfah­rungs­gemäß einen echten Mehrwert bieten. Aber glauben Sie mir: Es hilft, ab und zu mal den Kopf frei zu bekommen und seine Energien in sinnvollere Tätig­keiten zu stecken. Denn Negati­vität erzeugt nicht nur eine negative Ausstrahlung und tötet die eigene Kreati­vität – sie ist auch ein echter Produktivitätskiller:

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Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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