Von bisherigen Artikeln und Podcasts im Versteher-Magazin wissen Sie: Aus Unternehmersicht gleichen sich die Angebote auf dem Finanzmarkt mittlerweile dermaßen stark, dass nur noch der subjektive Wohlfühlfaktor eine effektive Differenzierung erlaubt. Und Sie wissen, dass es die Berater sind, die jeden Tag daran arbeiten, diesen subjektiven Wohlfühlfaktor zu etablieren, indem sie sich gezielt auf die Typologie und das Geschäftsmodell des Unternehmerkunden einstellen. Doch eines sollten Sie dabei niemals aus den Augen lassen: Sich auf den Kunden EINZUstellen bedeutet nicht, sich zu VERstellen. Mit diesem Artikel möchte ich Sie deshalb bestärken: Sie sind, wie Sie sind, also seien Sie auch gegenüber Ihren Kunden die Person, die Sie wirklich sind!
Die Gretchenfrage: Welcher Berater passt zu welchem Unternehmertypus?
Wenn ich mit Beratern und Führungskräften darüber spreche, wie man bei Familienunternehmern am besten einen subjektiven Wohlfühlfaktor etabliert, dann spreche ich natürlich viel von der Unternehmertypologie. Davon, dass es wichtig ist, die Psychologie des Unternehmers zu verstehen, seine Beweggründe, seine Historie. Wie Sie sich vorstellen können, kommt dann immer irgendwann die berechtigte Frage: „Und wenn wir verstehen, wie der Unternehmer tickt, welchen Typ von Berater setzen wir dann auf ihn an?“ Ich zeige dann an dieser Stelle immer gerne ein Schaubild:
Dieses Schaubild gibt eine gute Tendenz vor und hilft bei der Orientierung. Doch zwischenmenschliche Gefühle sind zu komplex, um sie so einfach strukturiert herunterzubrechen. Deshalb sollte man sich auch an dieses Schaubild nicht sklavisch halten. In der persönlichen Finanzberatung gilt wie in der Liebe: Wer mit wem kann, das lässt sich nicht immer vorhersehen. Und bei so manchem Pärchen kann man im Nachhinein kaum glauben, dass da einfach die Chemie stimmt. Setzt man beispielsweise einen Macher-Berater auf einen Macher-Unternehmer an, kann es sein, dass die beiden sich perfekt ergänzen und auf gleicher Wellenlänge denken. Oder es entbrennt ein Grabenkampf, bei dem beide versuchen, ihre eigenen Ideen durchzudrücken. Da spielen viele weitere Persönlichkeitsmerkmale mit hinein, deren genaue Kombination sich häufig nur schlecht einschätzen lässt.
Institute, die Berater DSGVO-berücksichtigend und ‑konform gemäß der Unternehmertypologie zuweisen, sind also bereits denjenigen Instituten einen Schritt voraus, die Berater noch stur nach technischen Merkmalen wie Regionalzuständigkeit zuschlüsseln. Institute, die bereits so weit sind, nach Beratertypus und Unternehmertypus zu kombinieren, müssen jetzt nur noch ausreichend Erfahrung bei der Zuteilung sammeln, um dabei mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit den richtigen Riecher zu beweisen.
Soziales Chamäleon oder authentischer Typ?
Nun könnte man als Führungskraft natürlich auf die Idee kommen: Anstatt nach dem Trial-and-Error-Prinzip auszuloten, wer mit wem kann, könnten doch auch einfach die Berater ihr Verhalten anpassen. Sich gemäß dem Unternehmertypus mit ein bisschen Schauspielerei zum perfekten Pendant des Unternehmers machen. Und genau hier muss ich sagen: Nehmen Sie dringend Abstand von dieser Idee!
- Familienunternehmer merken schnell, wenn ihnen jemand etwas vormachen möchte. Sie können beispielsweise echten Enthusiasmus bei der Werksbesichtigung von gespielter Begeisterung kinderleicht unterscheiden. Und der Vertrauensschaden, der durch Verstellungen entstehen kann, macht sich deutlich stärker bemerkbar, als wenn (rechtzeitig) der zuständige Berater ausgetauscht wird, weil die Chemie nicht stimmt.
- Berater sind ab einem gewissen Alter deutlich erfahrener als ihre jungen Kollegen, tun sich aber dementsprechend schwerer, ihren Charakter anzupassen. Wer von ihnen Schauspielereien einfordert, weil er die durchdachte individuelle Zuschlüsselung von Berater- und Unternehmertypus scheut, der verspielt ein riesiges Erfahrungspotenzial.
- Manche Aspekte des eigenen Charakters lassen sich einfach nicht verstellen. Ein Berater, der beispielsweise eher ein harmonischer Typ ist und seine Kunden auf emotionaler Ebene erreicht, wird es beispielsweise bei Top-Kunden schwer haben, denn hier können die Gespräche gemäß der Natur des Geschäfts sehr technisch werden. Es geht dann um Zahlen und Fakten, für die sich ein eher analytisch denkender Berater ehrlich begeistern könnte, die den emotionalen Typus aber eher kaltlassen, sosehr er sich auch bemüht.
Deswegen lautet mein Rat an Führungskräfte: Finden Sie heraus, wer Ihre Berater wirklich sind, und untersuchen Sie den Unternehmertypus Ihrer Kunden aufmerksam. Bauen Sie die Erfahrung auf, um die individuellen Persönlichkeiten der Berater und Unternehmer optimal zusammenzubringen, denn Authentizität ist in einem Vertrauensverhältnis wie der persönlichen Finanzberatung effektiver als jede Schauspielerei. Und haben Sie ein wachsames Auge auf die Chemie zwischen Ihren Beratern und den Kunden, denn viele Berater geben es nicht gerne zu, wenn es einfach nicht funktioniert.
An die Berater geht mein Ratschlag: Besinnen Sie sich darauf, wer Sie sind, was Ihnen bei der Beziehung mit Ihren Kunden wichtig ist und wofür Sie sich begeistern können. Passen Sie sich professionell dem Unternehmertypus und der Geschäftssituation an, aber verstellen Sie sich dabei nie. Und trauen Sie sich ruhig, Ihren Führungskräften zu sagen, wenn die Chemie nicht stimmt, denn dann können Ihre Talente sicher an anderen Stellen besser eingesetzt werden.
Authentizität geht vor!
Typologien sind ein wichtiger Bestandteil der Finanzberatung. Doch wer ihnen blind folgt, der verpasst Chancen, denn das Mensch-zu-Mensch, das den subjektiven Wohlfühlfaktor erzeugt, das lässt sich nicht zu 100 % mit dem strikten Beachten von Datensätzen erreichen. Deshalb gilt: Empathie, Authentizität und eine clevere Zuordnung der Berater zu den jeweiligen Unternehmerkunden sind zwar kein leichter, aber immer noch der sicherste Weg zum Erfolg beim Familienunternehmer.
Und auch wenn man mal nicht den perfekt zum Kunden passenden Berater zugewiesen hat, dann lässt man den Berater besser einen Kunden aus einem anderen Segment betreuen und führt gegenüber dem bisherigen Kunden einen neuen Berater ein. Meist sind es entweder wenige Kundenverbünde innerhalb eines Portfolios, bei denen es mit der Chemie nicht klappt, oder dann gleich das gesamte Segment. Glauben Sie mir: Jeder Berater hat einen Unternehmertypus, für den er perfekt geeignet ist. Und dann lässt sich der Kunde auch auf dem so gleichartigen Finanzmarkt nachhaltig und ertragreich an das Institut binden.
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Dirk Wiebusch
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