Uwe hat eigentlich immer einen tiefen Schlaf, doch dieses Morgens weckte ihn ein lautes Klopfen an die Tür. Er öffnete seine noch sehr verschla­fenen Augen und schleppte sich noch nicht ganz geistig anwesend die Treppe seines Hauses hinunter. Das Klopfen wollte nicht aufhören. „Wer könnte das um diese Uhrzeit sein?“ – frage sich Uwe, sichtlich genervt. Vor dem ersten Kaffee ist er noch zu nichts zu gebrauchen. Endlich kam er an seiner Tür an und schaute durch den Türspion. Dort waren ein paar dunkel gekleidete Männer, die zum Teil vor der Tür und zum Teil auch auf der Auffahrt seines Anwesens standen. Er öffnete die Tür und während er noch Luft holte, um etwas zu sagen, übernahm ein graume­lierter Herr offen­sichtlich routi­niert gleich die Initiative, händigte Uwe ein Schrift­stück überschrieben mit „Durch­su­chungs­be­schluss“ aus und murmelte irgend­etwas von Steuer­hin­ter­ziehung und dass er und die anderen Kolle­ginnen und Kollegen rein müssen…

[Rückblende]

Uwe sitzt beim Notar, sichtlich zufrieden. In dem Moment unter­schreibt er den Kaufvertrag über sein Unter­nehmen. Natürlich verbleiben ein paar Zweifel, ob das wohl eine gute Entscheidung ist, das Unter­nehmen, das sein Großvater aufgebaut hat, nun zu verkaufen, aber der Kaufpreis ist einfach sehr verlo­ckend und trotz aller Bemühungen konnte Uwe keinen Nachfolger finden. Der Kaufpreis, eine hohe Summe, soll nun in ein paar Wochen auf sein Konto fließen, das er und seine Frau bei der Bank ihres Vertrauens seit Jahren unter­halten. Der Kunden­be­rater sagte kürzlich zu ihm, dass Uwe mit diesem Betrag wohl ausge­sorgt habe und dass er sich nun um eine optimale Asset Allocation kümmere, um einen möglichst hohen Return zu bekommen. Es bestehe wohl keine Garantie für eine Outper­for­mance, aber das hängt immer von der Benchmark ab…Das meiste hat Uwe nicht verstanden, aber egal, das Vertrauen war ja seit Jahren da.

Über Pawel Blusz, LL.B., LL.M.

Beratungs­schwer­punkt von Rechts­anwalt und Steuer­be­rater Pawel Blusz ist die steuer­zen­trierte Unter­nehmens- und Vermö­gens­nach­folge. Er begleitet Familien­unternehmen und vermö­gende Privat­per­sonen bei der Nachfol­ge­planung und der steuer­op­ti­mierten Struk­tu­rierung des privaten und betrieb­lichen Vermögens. Sein beson­deres Interesse gilt dabei den grenz­über­schrei­tenden Sonder­themen. Zudem berät Herr Blusz Familien­unternehmen und deren Inhaber bei M&A‑Transaktionen und in laufenden gesell­schafts­recht­lichen Fragen. Die Tätigkeit von Herrn Blusz erstreckt sich darüber hinaus auf die Konzeption, Errichtung und laufende Beratung von Famili­en­stif­tungen und gemein­nüt­zigen Stiftungen. Herr Blusz referiert und veröf­fent­licht regel­mäßig zu aktuellen recht­lichen und steuer­lichen Entwick­lungen im Bereich der Familien­unternehmen und vermö­genden Privatpersonen.

Der Kaufpreis soll auf ein gemein­schaft­liches Oder-Konto fließen?! Bei den steuerlich versierten Beratern läuten hier sofort die Alarm­glocken. Für die anderen ist die Proble­matik schnell erklärt: das Unter­nehmen gehörte alleine dem Ehemann. In dem Kaufvertrag gab er als Zielkonto sein gemein­schaft­liches Konto an, das auf ihn und seine Ehefrau lautete. Der Erlös aus der Veräu­ßerung des Unter­nehmens wurde nun auf das Konto überwiesen, worin Finanz­ämter in aller Regel eine schen­kung­steu­er­pflichtige Zuwendung der Hälfte des Erlöses von dem Ehemann an seine Frau sehen und nun in diesen Fällen ein Steuer­straf­ver­fahren wegen der hinter­zo­genen Schen­kung­steuer einleiten. Bei einer Steuer­hin­ter­ziehung in einer Größen­ordnung ab 1 Mio. EUR kann sogar eine Gefäng­nis­strafe ohne Bewährung drohen.

Wenn wir nun überlegen an welcher Stelle in diesen Fällen Kontroll­me­cha­nismen versagen, kommen wir zum Kern dieses Beitrags. Beinahe jeder Mandant hat einen laufenden Steuer­be­rater, einen befreun­deten Notar und einen Kunden­be­treuer bei seiner Bank. Eine Standardkonstellation.

Jeder Notar weist aber in den Urkunden darauf hin, dass „er in steuer­lichen Angele­gen­heiten nicht berät und empfiehlt, den Steuer­be­rater zu konsultieren“.

Der laufende Steuer­be­rater sagt meist (sofern ihm die Proble­matik bekannt ist), dass er von der Mitbe­rech­tigung der Ehefrau am Konto nichts wusste. Das sind keine Themen, die für die laufenden Steuer­erklä­rungen von Bedeutung sind. Das weiß aber mit Sicherheit der Bankberater.

Den Bankbe­ratern ist dieser Umstand natürlich bekannt, dass das Konto auf die Ehegatten lautet. Dies wird leider immer noch in der Praxis von Banken empfohlen. Im Todes- oder Komafall ist so leichter sicher­ge­stellt, dass der andere Ehegatte auf das Guthaben zugreifen kann und damit nicht in finan­zielle Not gerät. Die steuer­lichen Konse­quenzen werden dabei immer verdrängt, denn „für steuer­liche Fragen ist doch der laufende Steuer­be­rater zuständig“. Außerdem, wie so oft in solchen Fällen, wurde „das gemein­schaft­liche Konto lange vor seiner Zeit bei der Bank von dem Vorgänger eröffnet, der schon längst in Rente ist…“

Dem Kunden selbst waren alle Fakten bekannt, aber nicht deren steuer­liche Relevanz.

Sicherlich kann man an dieser Stelle die Frage nach der recht­lichen Haftung stellen. Das steht aber nicht im Vorder­grund dieses Beitrags. Im Vorder­grund soll vielmehr der Kunde stehen.

Das oben skizzierte Ergebnis ist typisch für die Beratung von vermö­genden Privat­per­sonen. Der Steuer­be­rater hat häufig eher die Steuer­erklä­rungs­themen im Blick. Im Übrigen kennt er auch nicht alle Vorgänge, da nicht alle einkom­men­steu­erlich relevant sind. So werden beispiels­weise Zuwen­dungen zwischen Ehegatten häufig nicht erkannt. Auch Gestal­tungs­be­ratung gehört nicht zum Alltag jedes Steuer­be­raters, was menschlich absolut nachvoll­ziehbar ist. Das Steuer­recht ist derart verzweigt und unter­liegt häufigen Änderungen, so dass es an sich schon sehr anspruchsvoll ist, auf dem Laufenden zu bleiben, geschweige denn Gestal­tungs­ideen zu entwickeln.

Der Bankbe­rater befindet sich auch in einem Dilemma. Steuer­liche Themen sind nicht sein Haupt­be­reich. In diesem Bereich müsste er sich aktiv fortbilden und bei Hinweisen an den Kunden riskiert er zudem einen eventu­ellen Verstoß gegen das Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz, worauf die Compliance-Abteilung unermüdlich hinweist. Außerdem könnte der Kunde ggf. zurückfragen…

Alles legitime Gründe. Wer dabei aber auf der Strecke bleibt, ist der Kunde selbst. Man beobachtet in der Praxis, dass es immer mehr Schnitt­stellen gibt, die von niemandem besetzt werden. Das Steuer­recht wird immer komplexer und kann nicht ernsthaft von einer einzigen Person vollum­fänglich abgedeckt werden. Neben laufenden Erklä­rungs­themen bei im Schnitt 200 Mandanten, gibt es auch Nachfol­ge­planung, Beratung im Zusam­menhang mit Unter­neh­mens­ver­käufen, Grund­stücks­um­struk­tu­rie­rungen etc.

Es gibt natürlich spezia­li­sierte Berater, die aber meist erst dann einge­schaltet werden, wenn jemandem diese Schnitt­stelle aufge­fallen ist. Die immer größere Spezia­li­sierung bewirkt, dass jeder immer mehr über immer weniger weiß. Vermö­gende Privat­per­sonen benötigen hingegen einen Genera­listen, der aus der Vogel­per­spektive alle Bereiche überblickt und die jewei­ligen Spezia­listen an den Tisch holt, wenn sie benötigt werden. An diesem Tisch haben sowohl der Notar als auch der laufende Steuer­be­rater einen berech­tigten Platz. Sie können aber die Rolle dieses Genera­listen nicht spielen. Diese Aufgabe ist optimal beim Bankbe­rater angesiedelt. Damit das gut funktio­niert, muss er aber sich vom Silodenken (Privatkunde/Firmenkunde) befreien, seine Fachkom­petenz ausbauen und über den Tellerrand seiner Portfo­lio­op­ti­mierung schauen. Kunden sind dankbar für einen Kümmerer, der den Mut und die Kenntnis hat, um im richtigen Moment entschei­dende Hinweise zu geben. Dabei muss man keinen Konflikt mit dem Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz riskieren. Es hätte in diesem Fall genügt, wenn der Bankbe­rater dem Kunden empfohlen hätte, steuerlich prüfen zu lassen, ob ein gemein­schaft­liches Konto proble­ma­tisch ist. Die Steuer­be­ratung findet dann nicht statt, aber der laufende Steuer­be­rater wird dadurch darauf hinge­wiesen und hat die Möglichkeit, zu agieren oder einen Spezia­listen hinzuzuziehen.

Selbst wenn der Bankbe­rater dies zu spät sieht, so könnte er bei entspre­chender Sensi­bi­li­sierung von anderen Fällen aus seiner Erfahrung berichten, in denen Zuwen­dungen zwischen Ehegatten durch sog. Güter­stands­wechsel „bereinigt“ wurden. Das Vorgehen ist denkbar einfach und setzt keine vertieften steuer­lichen Kennt­nisse voraus: wenn die Ehegatten ihre Zugewinn­ge­mein­schaft durch einen Ehevertrag aufheben, entsteht eine Zugewinn­aus­gleichs­for­derung. Auf diese Zugewinn­aus­gleichs­for­derung werden Schen­kungen zwischen Ehegatten angerechnet. Dies hat schen­kung­steu­erlich zur Folge, dass die in der Vergan­genheit ausge­löste Schen­kung­steuer mit Wirkung für die Vergan­genheit wieder wegfällt. Ob in diesem Fall eine Zuwendung vorliegt und ob der Güter­stands­wechsel in Frage kommt, das kann und sollte dem steuer­lichen Berater überlassen werden. Ein Verstoß gegen das Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz liegt nicht vor, da auch keine Beratung im Einzelfall stattfindet.

Durch diesen wertvollen Hinweis wird aber der Kunde vor sehr gefähr­lichen Folgen geschützt.  Das hebt den Berater von anderen Banken ab, die den Kunden ebenfalls betreuen. Bei solchen Hinweisen spielen im nächsten Jahres­ge­spräch die Kosten und die Perfor­mance eine unter­ge­ordnete Bedeutung und festigen das Vertrauensverhältnis.

Diese Funktion ist perfekt auf einen Family Officer zugeschnitten. Die Einstiegs­schwellen für Multi Family Offices steigen aber konti­nu­ierlich oder der Umfang der Leistungen werden immer weiter reduziert. Dies führt dazu, dass die Mehrzahl der Kunden von einem oder mehreren Kunden­be­ratern betreut werden. Diese haben aber meist nur die eigene Vermö­gens­ver­waltung im Blick, die aber aus Kosten­gründen auch immer mehr standar­di­siert und der KI überlassen wird.

Zugege­be­ner­maßen befinden sich viele Institute in der Zange. Die Spiel­regeln für die Vermö­gens­ver­waltung wurden verschärft, viele Compliance- und Reporting-Vorschriften einge­führt. Das recht­liche und steuer­liche Umfeld ändern sich im atembe­rau­benden Tempo. Gleich­zeitig steigt der Kosten­druck. Auch das Leben selbst wird immer komplexer. Während die älteren Kunden­ge­ne­ra­tionen ihr gesamtes Leben in einem Umkreis von 30 km verbracht haben und allen­falls eine Finka auf Mallorca hatten, studieren die Jüngeren in London, heiraten einen Partner aus Spanien und leben zeitweise in Zürich, um später eine beruf­liche Heraus­for­derung in Paris anzunehmen. Es ist nicht leicht, mit der steigenden Komple­xität Schritt zu halten. Die Antwort auf Komple­xität ist aber nicht Verein­fa­chung, sondern wiederum Komple­xität und Flexibilität.

Diese Worte sollen ein Plädoyer sein für die Übernahme der Verant­wortung für den Kunden, für den strate­gi­schen, genera­lis­ti­schen, mutigen Blick auf seine Situation, losgelöst von Report­ing­kenn­zahlen, damit der Kunde nicht umgeben vom Wald voller Berater doch am Ende alleine da steht.

––

Uwe wischte seine verschwitzte Stirn ab und setzte sich erstmal hin. Während die Herren mit der Durch­su­chung begannen, schaute Uwe aufmerk­samer auf den ihm ausge­hän­digten Durch­su­chungs­be­schluss. „Moment mal…Da steht doch Manfred Müller, das ist doch mein Nachbar von der 4 und nicht 4a!“

[einen Tag später]

Uwe erholte sich von seinem Schreck. Nun wartet er im Warte­zimmer seiner Bank auf seinen Kunden­be­rater. Es geht nun darum, die Anlage­richt­linien für den Erlös festzu­legen. Mal schauen, was er noch erzählt. Im Telefonat hat er erwähnt, dass er noch Fragen zu dem Verkauf hat und auch gerne über die Nachfolge sprechen möchte…

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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