Seit jeher beschäftigen wir uns im Versteher-Magazin mit der Frage, wie viel Standard und wie viel Premium im Angebot Ihres Instituts stecken und welche Kunden davon am meisten angesprochen werden. Wie wichtig es ist, sich darüber Gedanken zu machen, sehen Sie spätestens, wenn Ihre Top-Unternehmerkunden plötzlich abspringen, weil sie das Gefühl haben, dass nicht genug Premium im „Premium“-Angebot steckt. Solche Fälle lassen sich in praktisch jedem Marktbereich finden, bis hin zum einfachen Autokauf.
Der Blick des Unternehmers: Warum für Premium zahlen, wenn Standard drin ist?
Vor Kurzem hatte ich in meiner Eigenschaft als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) wieder einmal die Freude, mich mit einem Top-Unternehmer zu unterhalten, den wir als Mandanten betreuen. Im Gespräch erzählte er mir ganz nebenbei davon, dass er gerade vor der Erneuerung des Leasingvertrags für seinen Dienstwagen steht. Der Unternehmer schaute sich also das Angebot an Modellen, möglichen Extras und Konfigurationen eines renommierten Premium-Herstellers an. Und ihm fiel auf: Viele der besonders hochpreisigen Ausstattungsmerkmale waren durchweg für alle Modelle des Herstellers erhältlich.
Der Unternehmer setzte sich also mit seinem Berater im Autohaus zusammen und sie erstellten gemeinsam den Dienstwagen mit allen gewünschten Extras. Und danach schauten die beiden, ob eine identische Konfiguration auch für ein günstigeres Automodell umsetzbar war. Und siehe da: Zumindest der Großteil der Ausstattungsliste war 1‑zu‑1 auch für kleinere Modelle erhältlich. Und das auch noch zu einem günstigeren Gesamtpreis.
Der Grund dafür: Wo technische Neuerungen und Extras früher noch vor allem in Premium-Fahrzeugen verbaut wurden, werden diese heutzutage vor allem in die neuesten Modelle integriert – ungeachtet, ob es sich dabei um Premium- oder Standard-Modelle handelt. Für den Unternehmer stellte sich jetzt die Frage: „Warum soll ich dann überhaupt noch für einen Premium-Wagen zahlen? Wo ist da der Mehrwert für mich?“
„Premium“ ist ein Versprechen
Dieselbe Situation ergibt sich auf ähnliche Weise auch im Bereich der Finanzdienstleistungen: Gerade die Top-Unternehmerkunden in den Segmenten Firmenkundenberatung und Private Banking, die gewillt sind, für Premium-Service auch Premium-Preise zu zahlen, fragen sich zunehmend nach dem Mehrwert. Denn in manchen Fällen bekommen Sie zwar eine exklusive Kundenkarte – aber dann doch nur einen Service, der dem Service für Standard-Kunden verdächtig zu ähneln scheint. Und selbstverständlich lässt sich da im Bereich der Produkte wenig ändern. Sie verkaufen ja schließlich vorgefertigte Finanzprodukte. Daran lässt sich auch bei einer ganzheitlichen Beratung nichts machen. Leider ist (zu) oft auch eine individuelle Beratung auf Honorarbasis am Ende in der Umsetzung wieder nur „Standard“.
Und auch in Sachen Prozesse und Abläufe ist eine gewisse Standardisierung absolut sinnvoll und wirtschaftlich notwendig. Ihr Institut ist schließlich ebenfalls ein Wirtschaftsunternehmen und maximal individuelle Prozesse sind auf dieser Basis schlichtweg nicht umsetzbar. Das kennen wir auch aus anderen Bereichen. Wussten Sie zum Beispiel, dass die meisten Sternerestaurants selbst gar nicht rentabel sind? Sie werden üblicherweise als Anhängsel von Luxushotels mitfinanziert – allein würde sich das Premium-Angebot gar nicht rechnen. Wahre Cash Cows sind hingegen diejenigen Restaurants, die eine gute Mischung aus Premium-Qualität und Standard-Prozessen finden. Restaurants, die zwar Top-Gerichte und herausragenden Service bieten, aber auch eine eher überschaubare Karte. Auf Sonderwünsche kann dann immer noch eingegangen werden – und einen Michelin „Bib Gourmand“ haben sich auch diese Restaurants redlich verdient – aber prinzipiell sind die Gerichte allesamt fest vordefinierte Produkte. Denn in Restaurants stehen die Inhaber, wie auch die Vorstände und Führungskräfte in Ihrem Institut, verständlicherweise unter einem enormen wirtschaftlichen Druck, Abläufe und Prozesse zu standardisieren.
Aber rechnen wir nur mal die Zahlen vor: Ein Kunde legt 100.000 Euro bei Ihrem Institut an bzw. nimmt 100.000 Euro Kredit in Anspruch – bei 1 % Marge sind das 1.000 Euro Deckungsbeitrag für Sie. Ein anderer Kunde legt 1.000.000 Euro an bzw. nimmt einen entsprechenden Kredit in Anspruch und steuert damit 10.000 Euro Deckungsbeitrag bei. In diesem Beispiel unterschlagen wir der Einfachheit halber die Betriebswirtschaftsrechnung der Bank (Risikobildung, Rücklagenbildung etc.), aber es stellt sich dennoch die Frage: Wie sollte sich der Service für diese beiden Kunden unterscheiden? Und ich meine damit wirklich mehrwertige Unterschiede, denn Unternehmer sind wirtschaftlich denkende Menschen. Ob Sie mit ihnen das Kundengespräch in der Filiale haben, in der Jugendstilvilla bei Kaffee und Kuchen oder in der Firma, macht für Unternehmer kaum einen Unterschied. Worauf es wirklich ankommt: Kann man mal eben schnell in der Bank anrufen und bekommt gleich den Berater zu sprechen oder landet man in derselben Hotline-Warteschlange wie jeder andere Kunde auch? Wird man auf Wunsch zurückgerufen? Meldet sich der Berater vielleicht auch mal von sich aus mit einem Zwischenstand der Bearbeitung des Anliegens? Wenn „ganzheitliche Beratung“ angeboten wird, ist die Beratung dann auch wirklich „ganzheitlich“? Oder sind aufwendig gestaltete Bestandsaufnahmen, Konzeptionen und Pläne dann doch nur ein Vehikel, um Standardprodukte gemäß Zielkarte zu verkaufen?
Handlungsempfehlung: Premium muss Premium bleiben, trotz standardisierter Prozesse für alle
Wichtig für die echten Premium-Kunden – die Top-Unternehmerkunden – sind eine starke Kundenzentrierung und eine effektive Kundenreise auf allen Service-Leveln. Dazu muss man sich zunächst fragen, ob die Rahmenbedingungen für eine solche Kundenreise auf allen Leveln gegeben sind: Gibt es genug gut ausgebildete Mitarbeiter, ist die nötige Technik vorhanden etc.?
Danach können Sie einfach mal auf einem Flipchart aufzeichnen, wie die „Reise“ des Kunden denn nun eigentlich abläuft. Und an welchen Stellen man insbesondere für die Top-Kunden noch das gewisse Etwas als Premium-Angebot herauskitzeln kann.
Exemplarisch seien hier vermeintlich kleine Dinge genannt, die aber eine große Wirkung erzielen (oder bei Nichteinhalten eher negative Erlebnisse beim Kunden erzeugen):
- Erreicht der Kunde Sie? Wenn ja, über welche Kanäle (Telefon, Mail, WhatsApp etc.)?
- Rufen Sie Top-Kunden sicher und zeitnah zurück?
- Gibt es eine persönliche (!) Eingangsbestätigung für E‑Mails?
- Geben Sie zwischenzeitlich Bescheid über den Fortschritt der Bearbeitung?
- Liefern Sie einen persönlichen After-Sales-Service?
Solche persönlichen Maßnahmen lassen sich einerseits gut dosieren und sorgen andererseits für das zusätzliche Mensch zu Mensch (MzM), das heutzutage das Zünglein an der Waage sein kann, auch wenn die eigentlichen Finanzprodukte nahezu aller Anbieter aus Sicht Ihrer Kunden sehr gleichartig und austauschbar erscheinen. Sie bieten damit einen merklichen Mehrwert für den wirtschaftlich denkenden Unternehmer, ohne sich dadurch die Standardprozesse zu zerschießen. Halten Sie mit solchen Kleinigkeiten das Versprechen von „Premium-Qualität“ ein und binden Sie Ihre wichtigsten Kunden langfristig an sich, statt sie zu vergraulen!
Vergleichen Sie es gern einfach ´mal mit Ihren eigenen Erlebnissen, wenn Sie an einem Samstag mitunter spontan zu zweit ins Restaurant gehen wollen. Wie empfinden Sie da Ihre eigene „Reise“? Von der Reservierung über Anfahrt – Parkplatz – Begrüßung – Begleitung zum Platz – Abnahme der Garderobe – Service – Wartezeiten – Umgebung/Einrichtung – Verabschiedung – Heimfahrt (Taxi?). Sie sehen: Es gibt viele Elemente, die den subjektiven Wohlfühlfaktor beeinflussen. Ach ja, schmecken sollte das Essen auf jeden Fall auch noch.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de