Für die Global Player unter den Geschäftsleuten ist der Verkauf eines Unternehmens oft eine Kleinigkeit. Doch aufseiten der Familienunternehmer gestaltet sich das Thema schon deutlich komplizierter. Und emotionaler, denn Familienunternehmer sind ganz normale Menschen, die ihre Firmen mitunter über Jahrzehnte aufgebaut haben. In diesem Artikel werfen wir einen Blick hinter die Kulissen der Familienunternehmen und schauen uns an, welche Aspekte einen größeren Einfluss auf den Verkaufspreis aus Sicht der Unternehmerfamilien haben, als man sich als deren Finanzberater zunächst denkt.
Wichtig für den Unternehmensverkauf: Die 7 Fokusthemen
In meinen Artikeln nehme ich immer wieder Bezug auf die 7 Fokusthemen, die aktuell für Familienunternehmer eine große Rolle spielen. Und ich lege Ihnen regelmäßig ans Herz, sich als Berater ebenfalls mit diesen 7 Themen gut auseinanderzusetzen. Denn auch beim Unternehmensverkauf werden sie wieder wichtig werden:
- Geschäftsmodell: Wie funktioniert die Wertschöpfungskette (heute, morgen, übermorgen)?
- Digitalisierung: Wie viel Digitalisierung ist notwendig (Produktion/Verwaltung)?
- ESG und Nachhaltigkeit: Wie lässt sich ökologisch, ökonomisch und sozial arbeiten?
- Personal: Wer wird dazu benötigt (heute, morgen, übermorgen) und an welcher Stelle?
- Nachfolge: Wer übernimmt die Firma später?
- Privatvermögen: Wie baut man das Privatvermögen auf und schützt es?
- Asset und Family Protection: Wie sichert man Firma/Privatvermögen (auch digital) ab?
Vor allem die ersten vier dieser eng miteinander verwobenen Themen werden beim Unternehmensverkauf besonders wichtig. Im Institut Für UnternehmerFamilien (IFUF) haben wir zum Beispiel einen Mandanten, der ein Familienunternehmen lenkt, das unter anderem als Zulieferer für ein sehr großes, internationales Technologieunternehmen tätig ist. Die Auflagen von diesem haben sich in den letzten Jahren drastisch verschärft, wenn es um Punkte wie Nachhaltigkeit oder ESG geht. Um heute noch Aufträge zu bekommen, muss das Familienunternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette lückenlos ESG-Konformität nachweisen. Und um das gewährleisten zu können, bräuchte es satte 50 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionen.
Das sind 50 Millionen Euro, die sich nicht so einfach wieder reinholen lassen. Denn die können nicht ´mal eben so auf das Unternehmen des Mandanten umgelegt werden – und dessen Kunden werden es nicht einsehen, Nachhaltigkeits-Zertifikate „mitzufinanzieren“, die sie so noch gar nicht gefordert haben. Das Unternehmen stand also vor der Wahl: 50 Millionen investieren oder ihren größten Kunden verlieren. Der Familienrat ging einen dritten Weg: Das Unternehmen wurde an eine Firma verkauft, die größer aufgestellt ist und durch Synergieeffekte die 50 Millionen Euro besser auffangen kann.
Im Falle eines (geplanten) Unternehmensverkaufs sollten sich also alle Beteiligten mit den 7 Fokusthemen auseinandersetzen – und insbesondere mit den ersten vier. Für Sie als Berater ist es außerdem wichtig, sich vor Augen zu halten, dass sich ein Großteil an Unternehmensverkäufen eher weniger auf Milliarden-Niveau abspielt. Bedenken Sie, dass von 3,45 Millionen Unternehmen in Deutschland gerade mal 0,5 % (ca. 17.000 Unternehmen) einen Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro vorweisen können. Und da sind Konzerntöchter von globalen Unternehmen schon miterfasst.
10 Regeln für die Unternehmensbewertung beim Verkauf
Sie als Berater haben es in den meisten Fällen mit Familienunternehmen zu tun, die zwar stabile Umsätze, gute Margen und gute Erträge haben, aber eben nicht Tausende und Abertausende von Mitarbeitern. Das kann dann dazu führen, dass man als Unternehmen in eine Größenklasse fällt, bei der der Kauf durch eine Einzelperson ausgeschlossen ist, weil man zu groß ist – aber um von einem Großinvestor gekauft zu werden, ist man zu klein.
Um sich dennoch ein Bild davon zu machen, wie es bei Preisverhandlungen oft zugeht, gibt es 10 einfache Regeln:
- Ein Unternehmen ist grundsätzlich so viel wert, wie der Käufer zu zahlen bereit ist. Fragen Sie den Unternehmer am besten mal: „Was würde mit Ihrem Markt passieren, wenn Sie gestern abgeschlossen hätten?“ Ist die Antwort „nichts“, dann wird sich der Preis wahrscheinlich eher aus Sachwerten berechnen.
- Wer in Kaufverhandlungen den ersten Preis nennt, verliert!
- Der Preis richtet sich danach, wer der Käufer ist und wie dringend er das Unternehmen haben möchte – in der Regel nicht nach den (utopischen) Wunschvorstellungen des Verkäufers (siehe Regel 1).
- Unternehmenskäufe und ‑verkäufe finden nahezu immer im Verborgenen statt, nicht in aller Öffentlichkeit wie in „Die Höhle der Löwen“.
- Nur wenige Personen sind direkt involviert. Nicht beteiligte Führungskräfte, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Banken müssen jedoch schnellstmöglich und ausreichend im Anschluss bzw. situationsbedingt informiert werden.
- Was gekauft wird – Gebäude, Maschinen, Know-how, Personal, Kunden, etc. – entscheidet der Käufer und nicht der Verkäufer.
- Es gibt kaum eine Situation im Unternehmerleben, die so emotional erlebt wird, und dennoch so rational wie möglich ablaufen sollte.
- Je mehr der Verkäufer versucht, seine Interessen auch nach dem Verkauf noch umgesetzt zu wissen, desto geringer wird der Kaufpreis sein.
- Je komplizierter das Kaufobjekt aufgestellt ist (z.B. Unternehmensverschachtelungen) und je mehr Sonderschleifen vorhanden sind (z.B. extrem hohe individuelle Einzelproduktionen), desto geringer der Kaufpreis.
- Für den Familienunternehmer ist der reine Kaufpreis oft nicht die einzige Priorität – siehe Punkt 8.
Die Beweggründe des Unternehmers beim Verkauf verstehen
Ich hoffe, diese 10 Punkte zur Einschätzung des Verkaufspreises geben Ihnen in Verbindung mit unseren etablierten 7 Fokusthemen ein Gefühl dafür, welche Parteien beim Unternehmensverkauf welche Ziele verfolgen und was den Verkaufspreis maßgeblich mit beeinflusst. Vergessen Sie bitte niemals die Innensicht Ihrer Unternehmerkunden.
Ich habe mal miterlebt, dass ein Familienunternehmer bei den Verkaufsverhandlungen immer wieder abgeblockt hat und der potenzielle Käufer versuchte es ganz pragmatisch mit immer neuen Preiserhöhungen. Es stellte sich dann heraus, dass der Unternehmer gar nicht wegen des Preises blockte. Vielmehr hatte er immer wieder (vergeblich) darauf gepocht, dass der Käufer der Belegschaft gewisse Sicherheiten zusagen sollte. Denn die Belegschaft war mitunter schon in der zweiten Generation im Unternehmen tätig und der Verkäufer hatte Bedenken, dass „seine Leute“ vielleicht vom neuen Eigentümer entlassen würden, um die Gewinne zu maximieren. Sobald dies offen angesprochen wurde, wurde eine entsprechende Passage im Vertrag eingefügt, um die Mitarbeiter zu schützen. Anschließend ging der Verkauf zügig über die Bühne. In diesem Fall war auch maßgeblich, dass der Verkäuferunternehmer und seine Familie Zitat „schon ohne Verkaufserlös über Generationen finanziell ausgesorgt“ hatten.
Und denken Sie immer auch an unsere Regel Nummer 7. Denn der Unternehmensverkauf muss so weit wie möglich rational bestimmt bleiben. Ich erinnere mich oft an eine Situation, in der ein mir bekannter Unternehmer seiner Familie Sonntag morgens am Frühstückstisch freudestrahlend eröffnete, dass er in Zukunft noch mehr Zeit für seine Familie haben werde, da er die Firma verkaufen werde. Ich saß damals mit dabei, und war davon ausgegangen, dass der Unternehmer seine Frau und Kinder im Vorfeld informiert hatte. Ihre Gesichter in diesem Moment sprachen jedoch eine ganz andere Sprache. Insbesondere seiner Frau war offenbar klar: 24 Stunden am Tag einen nach Beschäftigung suchenden Power-Alpha-Rentner-Gatten im Haus zu haben, wäre für beide Leben wohl eher disruptiv als positiv. Sie sprach also mit ihm darüber, dass er alles aufgeben würde, was bislang sein Leben erfüllt hatte; darüber, dass er damit seine Belegschaft, seine Kunden und seine Partnerunternehmen in die Hand des neuen Eigentümers geben würde… Eines der besten „Verkaufs“-Gespräche, das ich je erleben durfte. 😉 Und nach langem Ringen mit sich stand der Unternehmer dann eines Tages vor seiner Führungscrew und erklärte ihnen freudestrahlend, dass er die Firma nun doch nicht verkaufen würde. Ich stelle mir vor, dass man dort wiederum sehr ähnliche überraschte Gesichter machte. Denn der Deal war schon längst in der Planung und offen in der Führungscrew kommuniziert (anscheinend aber nicht der Familie mitgeteilt), es gab sogar schon potenzielle Nachfolger für den Geschäftsführer, die ihrerseits Nachfolger für ihre jeweiligen Bereiche bestimmt hatten. Kaum verwunderlich, dass in der Folgezeit die Stimmung im Unternehmen immer weiter kippte und einige Top-Führungskräfte die Firma verließen. Am Ende wurde das Unternehmen dann doch verkauft – aber diesmal aus der Not heraus und zu einem Bruchteil des vorherigen Kaufpreises.
Sie sehen: Ein Blick in die Bücher reicht bei Familienunternehmern oft einfach nicht aus – es braucht einen Blick hinter die Kulissen, um zu verstehen, wie der Unternehmer als Mensch tickt. Und ein Gespür dafür, wann (und wie) man ihn wieder auf rationalen Boden zurückholt. Denn sonst wird der Verhandlungsprozess zäh und langwierig. Und die Preisfindung wird ein Raten auf höchstem Niveau.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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