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Die weltweiten Wirtschafts- und Börsenmärkte sind stark in Bewegung. Mitunter wirkt es überzogen panisch. Die aktuellen geopolitischen Spannungen, drohende Zölle, die US-Zinsentwicklung und deren potenzielle Auswirkungen auf Europa sind allgegenwärtig – in den Medien ebenso wie in Gesprächen mit Familienunternehmern und Bankern. Ich möchte mit Ihnen gemeinsam einen Blick darauf werfen, welche Chancen und Risiken sich daraus für Ihr Institut ergeben. Und daraus abgeleitet für Ihr Kundenportfolio. Immer mit dem Ziel, Erträge zu steigern – vielleicht sogar ganz kurzfristig, aber auch, um (latente) Risiken frühzeitig zu erkennen und anzusprechen.
Die Ausgangslage im Vergleich zum Beginn des Ukraine-Kriegs
Auch wenn mancherorts Parallelen gezogen werden: Die aktuelle Wirtschaftslage unterscheidet sich tatsächlich grundlegend vom Schock des Ukraine-Kriegsbeginns am 24. Februar 2022. Damals erforderten explodierende Energiepreise und berstende Lieferketten sofortiges, branchenübergreifendes Handeln. Es entstand ein Kaskadeneffekt: Energie, Logistik, Preise – alles war gleichzeitig betroffen.
Heute erleben wir eine eher schleichende Verunsicherung durch politische Ankündigungen (wie etwa Zolldrohungen), die zwar grundsätzlich absehbar waren – in ihrer konkreten Umsetzung aber kaum prognostizierbar sind. Die aktuelle Situation ist durch eine permanente mediale Ankündigungs- und Reaktionsspirale geprägt. Während ich diese Zeilen schreibe, gab es vielleicht bereits neue Ankündigungen. Ein gutes Beispiel sind die jüngsten Zoll-Ausnahmen der USA für Smartphones und Computer, die selbst für China gelten.
Strategisch gesehen gibt es aber Konstanten, an denen Sie sich orientieren können: Produktion und Lieferungen laufen zunächst unbeeindruckt weiter, während vor allem die strategische Weiterentwicklung stockt. Unternehmer suchen zwar das Gespräch und „haben Pläne in den Schubladen“, zögern aber bei Investition und Innovation, bis sich die Märkte beruhigen. Dabei bietet gerade das aktuelle Umfeld Chancen für diejenigen, die den Mut haben, sie zu ergreifen.
Konkrete Auswirkungen auf die deutsche Industrie
Die USA sind Deutschlands wichtigster Exportmarkt, Deutschland umgekehrt auf Platz 4 der Importländer für die USA. Der bilaterale Handel belief sich 2023 auf rund 230 Milliarden Euro. Auf den ersten Blick erscheint da ein pauschaler Zoll von plus 10 %-Punkten (ca. 23–30 Mrd. Euro Mehraufwand) im Verhältnis zum deutschen BIP (ca. 4.500 Mrd. Euro) verkraftbar.
Allerdings gibt es einige Sekundäreffekte zu beachten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass wichtige deutsche Kernindustrien unter einer Mehrbelastung leiden werden. Etwa durch gesonderte Autozölle – sowohl primär beim Endprodukt als auch sekundär über die Zulieferer. Lieferketten hängen komplex zusammen – das habe ich bereits in zahlreichen Artikeln und Podcasts veranschaulicht.
Die Komplexität der Lieferketten kann sogar Mehrfachbelastungen durch Zölle erzeugen. Die Zusatzkosten tragen hierbei zunächst die wenigen großen Exportunternehmen (Automotive, Maschinenbau, Pharma), was sich dann zeitverzögert auf Kunden und Preise auswirken kann.
Chancen für Berater und ihre Unternehmerkunden
Für Sie als Berater bedeutet das gute, aber leider oft noch nicht abschlussreife Gespräche. Anders als 2022, wo alle schnell reagieren mussten, sind aktuell vor allem exportorientierte und international tätige Unternehmen direkt von Unsicherheiten wie möglichen Zöllen betroffen, während der breite Mittelstand eher beobachtet. Diese Situation ist beherrschbarer als 2022 – und ein guter Ansatzpunkt für wichtige strategische Gespräche über Finanzen, Lieferketten und Investitionsplanung. Das können Sie als Berater aktiv anstoßen.
Mein Rat: Die Lage erfordert eine nüchterne Betrachtung ohne Dramatisierung oder Verharmlosung und bietet Raum für proaktive Beratung in einer Phase des allgemeinen Abwartens. Für Unternehmen stellen sich dadurch zum Beispiel folgende Handlungsmöglichkeiten dar:
- Zinsniveau sichern: z. B. durch Forward-Darlehen langfristige Sicherung des günstigen Zinsumfeldes und Planbarkeit von zukünftigen Investitionen
- Lieferketten analysieren: Kunden und Zulieferer entlang der Lieferkette auf Bonität und (auch indirekte) US-Zoll-Abhängigkeiten prüfen
- Digitalisierung und Automatisierung fördern: Wettbewerbsfähigkeit durch Effizienzsteigerung
- Liquiditäts- und Risikomanagement optimieren: Währungsrisiken, Konkurrenzverhalten, Marktpreise, Liquiditätsplanung
Handlungsempfehlungen für Firmenkundenberater
Auch wenn sich Ihre Firmenkunden aktuell passiv verhalten: Gehen Sie proaktiv auf sie zu! Fordern Sie BWAs per März 2025 sowie die Bilanzen 2024 an! Lieferketten und Kundenstrukturen können gemeinsam auf internationale Verflechtungen geprüft werden, auf die sich die aktuelle US-Zollpolitik gegebenenfalls auch indirekt auswirken könnte. Unter Zuhilfenahme von EDV-Systemen können Sie volatile Umsatzszenarien simulieren (z. B. ± 10 %) und angemessene Reaktionen vorbereiten. In den letzten Monaten habe ich vermehrt darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland bei ca. 3,45 Mio. Firmen gerade einmal 73.000 mit einem Jahresumsatz größer 10 Mio. € haben. Das bedeutet, dass Handlungen der „Globals“ Ihre Firmenkunden zeitverzögert treffen werden, sofern sie nicht direkt mit US-Im- und ‑Export verbunden sind.
1. Das Heft proaktiv in die Hand nehmen
Wahrscheinlich haben Sie Kunden, die in den letzten 6 bis 12 Monaten Projekte angefragt haben, die nun on hold liegen. Haken Sie gezielt nach! Das aktuelle Umfeld verführt viele Kunden zum Abwarten. Versuchen Sie, selbst Impulse zu setzen.
2. Klar strukturierte Kundenanrufe
Nutzen Sie kurze Sondierungsgespräche (10–15 Minuten), um Präsenz zu zeigen, und fragen Sie gezielt nach. Wie soll auf mögliche Preisschwankungen reagiert werden? Und liegen aktuelle Investitionen auf Eis? Je nach Bedarf kann ein Follow-up-Termin vor Ort hilfreich sein.
3. Weitere Ansprechpartner einbeziehen
Die kaufmännische Leitung oder die Finanzabteilung können gleich von vornherein mit einbezogen werden. Bei kleineren Kunden nimmt diese Rolle oft der Steuerberater ein – dann ziehen Sie einfach ihn mit hinzu.
4. Preise, Margen, Kreditlinien
Fragen Sie gezielt nach der aktuellen Situation zur Preisgestaltung und wie sich die möglichen Zölle auf die Marge auswirken. Dabei geht es auch um Lagerbestände und bereits eingekauftes Material. Wirken sich Preissteigerungen (etwa bei Rohmaterialien) auf die Inanspruchnahme von Kreditlinien aus?
Anmerkung: Apple hat innerhalb von Tagen 600 Tonnen, ca. 1,5 Mio. Produkte, direkt aus den Werken in China geholt, um diese in den USA zu lagern. Was kann man daraus als deutsches Unternehmen lernen?
5. Klare Ansprache zu Beginn der Bilanzsaison
Die BWA per März sollte zeitnah vorliegen. Fordern Sie Unterlagen zielgerichtet an. Weichen Sie dabei aber in Ihrer Priorisierung nicht von den bisherigen Selektionskriterien ab, nur weil Unterlagen früher oder später zur Verfügung stehen.
Diese Branchen sollten vertieft analysiert werden
- Maschinen- und Anlagenbau
- Automotive-Zulieferer
- Metallverarbeitung
- Chemie, Kunststoff, Pharma
- Medizintechnik (mit US-Zulassung)
Dabei stehen besonders importabhängige Branchen zusätzlich im Fokus. Das können beispielsweise Elektronik und Elektrotechnik sein, Metall- und Werkzeughandel sowie die Verpackungsindustrie. Daneben kann noch dem Großhandel und der Maschineninstandhaltung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Chancen durch stark veränderte Rahmenbedingungen
Teilweise zeichnet sich bereits eine Verlagerung von Lieferketten und Absatzmärkten ab, was neue Herausforderungen birgt, z.B. neue Anforderungen bei ESG, Nachhaltigkeit oder Cybersicherheit. Nachfolgefragen werden teilweise aufgeschoben, um in unruhigen Zeiten das Ruder in der Hand zu behalten, und teilweise geraten M&A‑Prozesse ins Stocken. Die disruptive Lage birgt aber auch Chancen für Unternehmenszukäufe. An diesen Punkten können Sie als Firmenkundenberater mit konkreten Produkten ansetzen:
- Betriebsmittelkredite mit flexibler Rückführung, ggf. in Kombination mit Fördermitteln
- Zinssicherungsinstrumente (Forward-Darlehen) für geplante Investitionen
- Avalkredite/Bürgschaften zur Absicherung internationaler Geschäfte
- Working-Capital-Finanzierung zur Verbesserung der Liquidität
- Versicherungsüberprüfung (z.B. Forderungsausfallversicherung) und ggf. Anpassung der Deckung
Das hat für kleinere Firmen mit 1–5 Millionen Euro Umsatz erhöhte Bedeutung. Diese sind zwar häufig nicht direkt betroffen, können aber durch Lieferkettenverwerfungen und Kreditverfügbarkeitsrisiken teils massiv in Mitleidenschaft gezogen werden.
Um Stabilität und Ertrag zu sichern, können Sie folgende Fragen als Input an Ihre Firmenkunden geben:
- Was ist, wenn Vorlieferanten die Preise anziehen?
- Wie können günstige Zinsen für Investitionen gesichert werden?
- Wie wird sichergestellt, dass die Firma weiterhin sicher durchfinanziert ist?
- Was passiert, wenn ein Kunde ins Straucheln gerät?
Nicht vergessen: Cross-Selling zum Private Banking
Des einen Schwäche ist des anderen Stärke. Volatile Aktienmärkte bieten exzellente Kauf-Opportunitäten. Kapitalstarke Unternehmerkunden können hier gezielt im Tandem angesprochen werden. Wer firmenseitig gerade abwartet, kann jetzt gut auf Vermögensseite aktiv werden. Zeigen Sie sich als professionelles Team mit ganzheitlichem Blick in alle Himmelsrichtungen.
Mein Rat: Ruhe bewahren und Opportunitäten nutzen
„Glück ist das, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft.“
Das Zitat von Seneca passt heute besser denn je.
Was wäre, wenn die US-Zölle in ein paar Monaten wieder vom Tisch sind – oder schon nächste Woche? Das erratische Handeln des US-Präsidenten ist nicht vorhersehbar, aber die Märkte werden irgendwann wieder steigen. Wer sich jetzt Zinsen und Finanzierungen sichert, sichert sich auch strategische Vorteile. Genauso kann sich eine Phase der Unsicherheit aber auch deutlich länger ziehen. Selbst bei einer Einigung kann es dauern, bis Regelungen tatsächlich umgesetzt werden. Vermeiden Sie Angstmacherei, aber sprechen Sie offen sowie proaktiv mit Ihren Kunden und positionieren Sie sich als verlässlicher Partner auf rauer See.
Die Saat wird aufgehen – und sie kann kurzfristige Erträge bringen, Risiken frühzeitig identifizieren und gezielt eliminieren.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de