(Foto: charnsitr, Shutterstock)

Die weltweiten Wirtschafts- und Börsen­märkte sind stark in Bewegung. Mitunter wirkt es überzogen panisch. Die aktuellen geopo­li­ti­schen Spannungen, drohende Zölle, die US-Zinsent­wicklung und deren poten­zielle Auswir­kungen auf Europa sind allge­gen­wärtig – in den Medien ebenso wie in Gesprächen mit Famili­en­un­ter­nehmern und Bankern. Ich möchte mit Ihnen gemeinsam einen Blick darauf werfen, welche Chancen und Risiken sich daraus für Ihr Institut ergeben. Und daraus abgeleitet für Ihr Kunden­port­folio. Immer mit dem Ziel, Erträge zu steigern – vielleicht sogar ganz kurzfristig, aber auch, um (latente) Risiken frühzeitig zu erkennen und anzusprechen.

Die Ausgangslage im Vergleich zum Beginn des Ukraine-Kriegs

Auch wenn mancherorts Paral­lelen gezogen werden: Die aktuelle Wirtschaftslage unter­scheidet sich tatsächlich grund­legend vom Schock des Ukraine-Kriegs­be­ginns am 24. Februar 2022. Damals erfor­derten explo­die­rende Energie­preise und berstende Liefer­ketten sofor­tiges, branchen­über­grei­fendes Handeln. Es entstand ein Kaska­den­effekt: Energie, Logistik, Preise – alles war gleich­zeitig betroffen.

Heute erleben wir eine eher schlei­chende Verun­si­cherung durch politische Ankün­di­gungen (wie etwa Zolldro­hungen), die zwar grund­sätzlich absehbar waren – in ihrer konkreten Umsetzung aber kaum prognos­ti­zierbar sind. Die aktuelle Situation ist durch eine perma­nente mediale Ankün­di­gungs- und Reakti­ons­spirale geprägt. Während ich diese Zeilen schreibe, gab es vielleicht bereits neue Ankün­di­gungen. Ein gutes Beispiel sind die jüngsten Zoll-Ausnahmen der USA für Smart­phones und Computer, die selbst für China gelten.

Strate­gisch gesehen gibt es aber Konstanten, an denen Sie sich orien­tieren können: Produktion und Liefe­rungen laufen zunächst unbeein­druckt weiter, während vor allem die strate­gische Weiter­ent­wicklung stockt. Unter­nehmer suchen zwar das Gespräch und „haben Pläne in den Schub­laden“, zögern aber bei Inves­tition und Innovation, bis sich die Märkte beruhigen. Dabei bietet gerade das aktuelle Umfeld Chancen für dieje­nigen, die den Mut haben, sie zu ergreifen.

Konkrete Auswir­kungen auf die deutsche Industrie

Die USA sind Deutsch­lands wichtigster Export­markt, Deutschland umgekehrt auf Platz 4 der Import­länder für die USA. Der bilaterale Handel belief sich 2023 auf rund 230 Milli­arden Euro. Auf den ersten Blick erscheint da ein pauschaler Zoll von plus 10 %-Punkten (ca. 23–30 Mrd. Euro Mehraufwand) im Verhältnis zum deutschen BIP (ca. 4.500 Mrd. Euro) verkraftbar.

Aller­dings gibt es einige Sekun­där­ef­fekte zu beachten. Es kann nicht ausge­schlossen werden, dass wichtige deutsche Kernin­dus­trien unter einer Mehrbe­lastung leiden werden. Etwa durch geson­derte Autozölle – sowohl primär beim Endprodukt als auch sekundär über die Zulie­ferer. Liefer­ketten hängen komplex zusammen – das habe ich bereits in zahlreichen Artikeln und Podcasts veranschaulicht.

 

 

Die Komple­xität der Liefer­ketten kann sogar Mehrfach­be­las­tungen durch Zölle erzeugen. Die Zusatz­kosten tragen hierbei zunächst die wenigen großen Export­un­ter­nehmen (Automotive, Maschi­nenbau, Pharma), was sich dann zeitver­zögert auf Kunden und Preise auswirken kann.

Chancen für Berater und ihre Unternehmerkunden

Für Sie als Berater bedeutet das gute, aber leider oft noch nicht abschluss­reife Gespräche. Anders als 2022, wo alle schnell reagieren mussten, sind aktuell vor allem export­ori­en­tierte und inter­na­tional tätige Unter­nehmen direkt von Unsicher­heiten wie möglichen Zöllen betroffen, während der breite Mittel­stand eher beobachtet. Diese Situation ist beherrsch­barer als 2022 – und ein guter Ansatz­punkt für wichtige strate­gische Gespräche über Finanzen, Liefer­ketten und Inves­ti­ti­ons­planung. Das können Sie als Berater aktiv anstoßen.

Mein Rat: Die Lage erfordert eine nüchterne Betrachtung ohne Drama­ti­sierung oder Verharm­losung und bietet Raum für proaktive Beratung in einer Phase des allge­meinen Abwartens. Für Unter­nehmen stellen sich dadurch zum Beispiel folgende Handlungs­mög­lich­keiten dar:

  • Zinsniveau sichern: z. B. durch Forward-Darlehen langfristige Sicherung des günstigen Zinsum­feldes und Planbarkeit von zukünf­tigen Investitionen 
  • Liefer­ketten analy­sieren: Kunden und Zulie­ferer entlang der Liefer­kette auf Bonität und (auch indirekte) US-Zoll-Abhän­gig­keiten prüfen 
  • Digita­li­sierung und Automa­ti­sierung fördern: Wettbe­werbs­fä­higkeit durch Effizienzsteigerung 
  • Liqui­ditäts- und Risiko­ma­nagement optimieren: Währungs­ri­siken, Konkur­renz­ver­halten, Markt­preise, Liquiditätsplanung 

Handlungs­emp­feh­lungen für Firmenkundenberater

Auch wenn sich Ihre Firmen­kunden aktuell passiv verhalten: Gehen Sie proaktiv auf sie zu! Fordern Sie BWAs per März 2025 sowie die Bilanzen 2024 an! Liefer­ketten und Kunden­struk­turen können gemeinsam auf inter­na­tionale Verflech­tungen geprüft werden, auf die sich die aktuelle US-Zollpo­litik gegebe­nen­falls auch indirekt auswirken könnte. Unter Zuhil­fe­nahme von EDV-Systemen können Sie volatile Umsatz­sze­narien simulieren (z. B. ± 10 %) und angemessene Reaktionen vorbe­reiten. In den letzten Monaten habe ich vermehrt darauf hinge­wiesen, dass wir in Deutschland bei ca. 3,45 Mio. Firmen gerade einmal 73.000 mit einem Jahres­umsatz größer 10 Mio. € haben. Das bedeutet, dass Handlungen der „Globals“ Ihre Firmen­kunden zeitver­zögert treffen werden, sofern sie nicht direkt mit US-Im- und ‑Export verbunden sind. 

1. Das Heft proaktiv in die Hand nehmen

Wahrscheinlich haben Sie Kunden, die in den letzten 6 bis 12 Monaten Projekte angefragt haben, die nun on hold liegen. Haken Sie gezielt nach! Das aktuelle Umfeld verführt viele Kunden zum Abwarten. Versuchen Sie, selbst Impulse zu setzen.

2. Klar struk­tu­rierte Kundenanrufe

Nutzen Sie kurze Sondie­rungs­ge­spräche (10–15 Minuten), um Präsenz zu zeigen, und fragen Sie gezielt nach. Wie soll auf mögliche Preis­schwan­kungen reagiert werden? Und liegen aktuelle Inves­ti­tionen auf Eis? Je nach Bedarf kann ein Follow-up-Termin vor Ort hilfreich sein.

3. Weitere Ansprech­partner einbeziehen

Die kaufmän­nische Leitung oder die Finanz­ab­teilung können gleich von vornherein mit einbe­zogen werden. Bei kleineren Kunden nimmt diese Rolle oft der Steuer­be­rater ein – dann ziehen Sie einfach ihn mit hinzu.

4. Preise, Margen, Kreditlinien

Fragen Sie gezielt nach der aktuellen Situation zur Preis­ge­staltung und wie sich die möglichen Zölle auf die Marge auswirken. Dabei geht es auch um Lager­be­stände und bereits einge­kauftes Material. Wirken sich Preis­stei­ge­rungen (etwa bei Rohma­te­rialien) auf die Inanspruch­nahme von Kredit­linien aus?

Anmerkung: Apple hat innerhalb von Tagen 600 Tonnen, ca. 1,5 Mio. Produkte, direkt aus den Werken in China geholt, um diese in den USA zu lagern. Was kann man daraus als deutsches Unter­nehmen lernen?

5. Klare Ansprache zu Beginn der Bilanzsaison

Die BWA per März sollte zeitnah vorliegen. Fordern Sie Unter­lagen zielge­richtet an. Weichen Sie dabei aber in Ihrer Priori­sierung nicht von den bishe­rigen Selek­ti­ons­kri­terien ab, nur weil Unter­lagen früher oder später zur Verfügung stehen.

Diese Branchen sollten vertieft analy­siert werden

  • Maschinen- und Anlagenbau 
  • Automotive-Zulie­ferer 
  • Metall­ver­ar­beitung 
  • Chemie, Kunst­stoff, Pharma 
  • Medizin­technik (mit US-Zulassung) 

Dabei stehen besonders import­ab­hängige Branchen zusätzlich im Fokus. Das können beispiels­weise Elektronik und Elektro­technik sein, Metall- und Werkzeug­handel sowie die Verpa­ckungs­in­dustrie. Daneben kann noch dem Großhandel und der Maschi­nen­in­stand­haltung besondere Aufmerk­samkeit gewidmet werden. 

Chancen durch stark verän­derte Rahmenbedingungen

Teilweise zeichnet sich bereits eine Verla­gerung von Liefer­ketten und Absatz­märkten ab, was neue Heraus­for­de­rungen birgt, z.B. neue Anfor­de­rungen bei ESG, Nachhal­tigkeit oder Cyber­si­cherheit. Nachfol­ge­fragen werden teilweise aufge­schoben, um in unruhigen Zeiten das Ruder in der Hand zu behalten, und teilweise geraten M&A‑Prozesse ins Stocken. Die disruptive Lage birgt aber auch Chancen für Unter­neh­mens­zu­käufe. An diesen Punkten können Sie als Firmen­kun­den­be­rater mit konkreten Produkten ansetzen:

  • Betriebs­mit­tel­kredite mit flexibler Rückführung, ggf. in Kombi­nation mit Fördermitteln 
  • Zinssi­che­rungs­in­stru­mente (Forward-Darlehen) für geplante Investitionen 
  • Avalkredite/Bürgschaften zur Absicherung inter­na­tio­naler Geschäfte 
  • Working-Capital-Finan­zierung zur Verbes­serung der Liquidität 
  • Versi­che­rungs­über­prüfung (z.B. Forde­rungs­aus­fall­ver­si­cherung) und ggf. Anpassung der Deckung 

Das hat für kleinere Firmen mit 1–5 Millionen Euro Umsatz erhöhte Bedeutung. Diese sind zwar häufig nicht direkt betroffen, können aber durch Liefer­ket­ten­ver­wer­fungen und Kredit­ver­füg­bar­keits­ri­siken teils massiv in Mitlei­den­schaft gezogen werden.

Um Stabi­lität und Ertrag zu sichern, können Sie folgende Fragen als Input an Ihre Firmen­kunden geben:

  • Was ist, wenn Vorlie­fe­ranten die Preise anziehen? 
  • Wie können günstige Zinsen für Inves­ti­tionen gesichert werden? 
  • Wie wird sicher­ge­stellt, dass die Firma weiterhin sicher durch­fi­nan­ziert ist? 
  • Was passiert, wenn ein Kunde ins Strau­cheln gerät? 

Nicht vergessen: Cross-Selling zum Private Banking

Des einen Schwäche ist des anderen Stärke. Volatile Aktien­märkte bieten exzel­lente Kauf-Oppor­tu­ni­täten. Kapital­starke Unter­neh­mer­kunden können hier gezielt im Tandem angesprochen werden. Wer firmen­seitig gerade abwartet, kann jetzt gut auf Vermö­gens­seite aktiv werden. Zeigen Sie sich als profes­sio­nelles Team mit ganzheit­lichem Blick in alle Himmelsrichtungen.

Mein Rat: Ruhe bewahren und Oppor­tu­ni­täten nutzen

Glück ist das, was passiert, wenn Vorbe­reitung auf Gelegenheit trifft.“

Das Zitat von Seneca passt heute besser denn je.

Was wäre, wenn die US-Zölle in ein paar Monaten wieder vom Tisch sind – oder schon nächste Woche? Das erratische Handeln des US-Präsi­denten ist nicht vorher­sehbar, aber die Märkte werden irgendwann wieder steigen. Wer sich jetzt Zinsen und Finan­zie­rungen sichert, sichert sich auch strate­gische Vorteile. Genauso kann sich eine Phase der Unsicherheit aber auch deutlich länger ziehen. Selbst bei einer Einigung kann es dauern, bis Regelungen tatsächlich umgesetzt werden. Vermeiden Sie Angst­ma­cherei, aber sprechen Sie offen sowie proaktiv mit Ihren Kunden und positio­nieren Sie sich als verläss­licher Partner auf rauer See.

Die Saat wird aufgehen – und sie kann kurzfristige Erträge bringen, Risiken frühzeitig identi­fi­zieren und gezielt eliminieren.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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