Seit einiger Zeit gelten die neuen Zölle zwischen den USA und dem Rest der Welt. Sie verteuern den trans­at­lan­ti­schen Waren­verkehr und verringern seine Planbarkeit. Für die deutsche Wirtschaft ist das kein abstraktes „Außen­han­dels­thema“, sondern eine konkrete Manage­ment­aufgabe – selbst für Unter­nehmen, die überhaupt kein Auslands­ge­schäft haben. Warum sie dennoch betroffen sein werden und wie man diesen Effekten als unter­stüt­zender Firmen­kun­den­be­rater begegnet, erfahren Sie hier.

Kein Auslands­ge­schäft? Die Zölle bekommt man trotzdem zu spüren!

In Deutschland gibt es rund 3,45 Millionen Unter­nehmen, von denen lediglich 13.000 Stück mehr als 50 Millionen Euro Umsatz erwirt­schaften, gefolgt von etwa 55.000 Unter­nehmen zwischen 10 und 50 Millionen Euro Umsatz. Das heißt: Der größte Teil der Wertschöpfung wird hierzu­lande noch von mittel­stän­di­schen Spezi­al­un­ter­nehmen mit weniger als 10 Millionen Euro Umsatz im Jahr erwirt­schaftet. Sie treten vor allem als Zulie­ferer für größere Unter­nehmen auf, als Veredler, Entwickler oder Dienstleister.

Viele davon liefern auch nur an deutsche oder EU-Unter­nehmen – und dennoch werden die meisten von ihnen die neuen Zölle zu spüren bekommen – als Kaska­den­effekt. Denn um die Auswir­kungen der Zölle am eigenen Leib zu erfahren, reicht es schon, wenn der Kunde eines Kunden in die USA expor­tiert. Die Betrof­fenheit ist dabei sehr asymme­trisch: Die großen Konzerne können Zölle aus ihrer eigenen Markt­macht heraus abfedern, indem sie zum Beispiel die Preise ihrer Zulie­ferer drücken – mittel­stän­dische Unter­nehmen können das nicht so leicht.

Dort wirken die Zölle gleich doppelt:

  • Preislich: Vorpro­dukte, Rohstoffe und Inves­ti­ti­ons­güter werden teurer und sprengen die Kalkulation.
  • Psycho­lo­gisch: Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dungen werden aufgrund der Volati­lität in der Handels­po­litik aufgeschoben. 

Gleich­zeitig tun sich jedoch auch Chancen auf – und an dieser Stelle können Banken, Sparkassen, Volks­banken und Regio­nal­banken als Taktgeber wirken. Denn wer Risiken früh erkennt und Finan­zie­rungs­spiel­räume intel­ligent struk­tu­riert, stabi­li­siert das Portfolio und ermög­licht Wachstum.

Unsere Ausgangslage in Zahlen

Aktuell erheben die USA 15 % Zoll auf viele europäische Waren sowie 50 % auf Stahl und Aluminium. Parallel bestehen sogenannte Straf­zölle gegen China, Kanada und zahlreiche weitere Länder, oft mit entspre­chenden Gegen­zöllen. Im Vergleich zu anderen Nationen kommt Deutschland dabei noch ganz gut weg, da der direkte Export in die USA „nur“ etwa 3 % des BIP (120–140 Milli­arden Euro) ausmacht.

Die Zölle stellen also keinen essen­zi­ellen, wohl aber einen hochre­le­vanten Faktor für uns dar. Denn große Expor­teure wie Bayer, BASF oder BMW beziehen ihre Kompo­nenten, Maschinen, Software, Logistik sowie Dienst­leis­tungen nun mal von mittel­stän­di­schen deutschen Zulie­ferern. BASF hat zum Beispiel über 75.000 direkte Liefe­ranten. BASF kann die Mehrkosten durch Zölle also ausgleichen, indem man Auftrags­vo­lumen, Preise und Margen anpasst. Zusammen mit der generell volatilen geopo­li­ti­schen Situation hat das direkte Auswir­kungen auf die Liqui­dität, Beschäf­tigung und Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft der Zulieferer.

Die Wirkungs­kette – und wo Sie im Banking ansetzen können

Die Wirkungs­weise der Zölle lässt sich in drei aufein­ander aufbau­enden Stufen entlang der gesamten Wertschöp­fungs­kette beschreiben:

  • Direkt betroffen: Großkon­zerne mit Auslands­ge­schäft spüren die Zollkosten sofort. Mögliche Folgen sind steigende Preise im Ausland, sinkende Margen und verschärfter Wettbewerb mit lokalen Anbietern. Die Reaktion darauf sind Maßnahmen zur Kosten­op­ti­mierung, härtere Preis­ver­hand­lungen mit Liefe­ranten – oder einfach ein Rückgang der Bestellungen. 
  • Indirekt betroffen: Mittel­stän­dische Zulie­ferer und Dienst­leister spüren bereits, dass Großkunden Auftrags­vo­lumen verringern und Preise drücken, wodurch Umsatz und Marge der Mittel­ständler in Gefahr geraten. 
  • Regionale Folge­ef­fekte: Sinkende Erträge im Mittel­stand wirken sich auf den gesamten regio­nalen Wirtschafts­kreislauf aus, wenn Unter­nehmen, Unter­nehmer und Mitar­bei­tende ihren Konsum einschränken müssen. 

Auswir­kungen auf Ihre Firmenkunden

Sie als Firmen­kun­den­be­rater werden im Bestand wahrscheinlich vermehrt Mittel­ständler im Umsatz­be­reich bis 50 Mio. € oder, je nach Portfo­lio­zu­sam­men­stellung, eher bis 20 Mio. € haben, die stark auf einige wenige Abnehmer oder Zulie­ferer ausgelegt und damit in volatilen Phasen besonders anfällig für solche Kaska­den­ef­fekte sind. Darum ist die Analyse der Kunden­netz­werke und Abhän­gig­keiten entscheidend, um tatsäch­liche Risiko­po­si­tionen – und Chancen – zu erkennen.

Kurzfristig werden Sie bemerken, dass bei Ihren Firmen­kunden zusätz­liche Mittel wegen höherer Einkaufs­preise gebunden werden. Längere Zahlungs­ziele erhöhen derweil den Forde­rungs­be­stand. Passen Sie also Ihre Betriebs­mit­tel­linien an, nutzen Sie Factoring oder Lager­fi­nan­zierung und identi­fi­zieren Sie Kunden mit verkürzter Liqui­di­täts­reich­weite frühzeitig. Mittel­fristig werden Sie feststellen, dass viele Firmen in Resilienz inves­tieren. Sie diver­si­fi­zieren die Liefer­ketten, bauen zusätz­liche Lager­ka­pa­zität auf, verlagern die Produktion und automa­ti­sieren bzw. digita­li­sieren sie. Hier können Sie mit Inves­ti­ti­ons­kre­diten oder Leasing, auch in Kombi­nation mit Förder­mitteln oder ‑zuschüssen, sowie mit flexiblen Finan­zie­rungen für Folge­inves­ti­tionen punkten.

Stellen Sie frühzeitig sicher, dass Sie die komplexen Zusam­men­hänge überblicken – durch engma­schige BWA-Auswer­tungen, Szena­rio­ana­lysen und Prüfung von Absiche­rungen wie Währungs­hedging und Waren­kre­dit­ver­si­che­rungen. Nutzen Sie Frühwarn­in­di­ka­toren, um bei der Kredit­prüfung die Zollbe­trof­fenheit zu prüfen, und kalku­lieren Sie Liqui­di­täts­puffer realistisch. 

Ihre Rolle als Kredit­geber und Sparringspartner

In einer Zeit, in der sich die Rahmen­be­din­gungen jederzeit schnell ändern können, werden die folgenden Tipps für Ihr Institut wichtig:

  • Nutzen Sie Frühwarn­systeme über die klassische Bonitäts­prüfung hinaus (Liefer­ket­ten­ab­hän­gig­keits­analyse, laufende BWA-Auswer­tungen im Jahr, nicht nur im Jahres­ge­spräch etc.).
  • Identi­fi­zieren Sie poten­zielle Betroffene frühzeitig, mithilfe von persön­lichem Berater­wissen und reiner Datenanalyse.
  • Sprechen Sie Kunden proaktiv an, um mögliche zukünftige Szenarien durch­zu­sprechen und indivi­duelle Strategien zur Liqui­ditäts- und Resili­en­z­si­cherung zu erarbeiten. 
  • Bieten Sie maßge­schnei­derte Finan­zie­rungs­lö­sungen, von flexiblen Betriebs­mit­tel­linien über Inves­ti­ti­ons­kredite bis hin zu Fördermittelintegration.
  • Optimieren Sie interne Struk­turen, um die Kompetenz vor Ort zu erhöhen und schnelle Entschei­dungen zu ermöglichen.

Ergreifen Sie die Chance

Wenn Übersee-Wettbe­werber durch Zölle teurer werden, können Markt­lücken entstehen, die Ihre Kunden füllen können. Prüfen Sie dies und unter­stützen Sie die Expansion durch:

  • Stand­ort­ver­la­gerung und Nearshoring 
  • Anbieten von Absiche­rungs- und Hedging-Produkten 
  • Förderung von Maßnahmen zur Digita­li­sierung und Automatisierung 
  • Anbieten Ihres Netzwerks, z.B. durch Organi­sation von Workshops 

Syste­ma­ti­sieren Sie die Kunden­an­sprache durch Leitfäden für Risiko- und Chancen-Gespräche, führen Sie Workshops durch etc. Bauen Sie Finan­zie­rungs­lö­sungen aus (z.B. Resili­enz­fi­nan­zierung) und verankern Sie die Risiko­ab­si­cherung in Ihrem Angebot an Familien­unternehmen. Passen Sie die interne Organi­sation an, um Entschei­dungswege zu entschlacken – zum Beispiel durch Kompe­tenz­teams für zollsen­sible Branchen.

Insbe­sondere für Führungs­kräfte gilt: Seien Sie sich der beson­deren struk­tu­rellen Ausgangslage in Ihrem Institut bewusst. In den vergan­genen Jahren wurde oft der Fokus auf das Immobi­li­en­ge­schäft gelegt, während die klassi­schen Themen Betriebs­mit­tel­fi­nan­zierung, Inves­ti­ti­ons­kredite und struk­tu­relle Unter­neh­mens­fi­nan­zierung liegen­ge­lassen wurden – auch, weil sie von den Unter­nehmen eher zurück­haltend angefordert wurden. Und es wurde gezielt Nachwuchs in der Firmen­kun­den­be­ratung aufgebaut.

Beides zusammen sorgt nun dafür, dass die Banken mit „frischen“ Mitar­beitern mit mögli­cher­weise geringer Erfahrung außerhalb des Immobi­li­en­ge­schäfts in eine volatile Situation geraten. Coachen Sie Ihre Mitar­beiter also gezielt für die neue Situation und reakti­vieren Sie Kompe­tenzen im klassi­schen Firmen­kre­dit­ge­schäft. Nur so können Ihre Berater Ihre Kunden in dieser anspruchs­vollen Phase zuver­lässig begleiten.

Abwarten ist in der aktuellen Situation keine Option – die Zölle sind ein Stresstest für Sie als Bank, Kredit­geber, Firmen­kun­den­be­rater und für die Wirtschaft als Ganzes! Erkennen Sie Risiken sowie Chancen und stärken Sie Ihre Kompe­tenzen. Jetzt ist die Zeit für proak­tives Handeln!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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