Finanzdienstleister sollten im Umgang mit Unternehmerfamilien und Familienunternehmern einige wichtige Dinge beachten, um mit ihnen erfolgreich ins Geschäft zu kommen. So werden Sie in zehn Schritten zum Unternehmer-Versteher.
Familienunternehmer und Unternehmerfamilien
Früh am Montagmorgen ist der erfahrene Bankberater Max Müller (Name von der Redaktion geändert) auf seinem Weg zum Erstgespräch bei einem erfolgreichen Familienunternehmer. Auf diesen Termin hatte er lange hingearbeitet, er hat sich nach eigener Meinung gut vorbereitet und ausreichend Zeit eingeplant. Erwartungsvoll betritt er das Büro des Unternehmers. Doch dann läuft alles ganz anders als erwartet: Der Kunde fertigt ihn kühl ab, und ehe er sich versieht, findet er sich draußen vor den Firmentoren wieder. Irgendetwas muss schief gegangen sein, denkt sich Max Müller – doch was? Hatte er etwas Wichtiges übersehen?
Geschäftsbeziehungen zu Familienunternehmern und ‑unternehmen folgen ganz eigenen Gesetzen, und so lauern auf dem Weg zum Erfolg viele Fallen. Die gute Nachricht ist: Die meisten von ihnen lassen sich rechtzeitig erkennen und beseitigen. Firmenkunden-Berater sowie Private-Banking-Berater müssen dazu – ungeachtet der Größe des Unternehmens oder des Vermögens der Familie – verstehen lernen, wie Familienunternehmer „ticken“, um diese aktiv statt reaktiv beraten zu können. Dies trifft auch auf alle anderen Finanzdienstleister zu.
Dazu blicken wir hinter die Kulissen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien. Werden Sie in zehn Schritten zum Unternehmer-Versteher.
1. Beachten Sie die gekoppelten Systeme
Familie, Unternehmen, Anteilsinhaber: Familienunternehmen bestehen immer aus drei gekoppelten Systemen. So kann es sein, dass Ehepartner im Unternehmen keine wesentliche Funktion einnehmen, doch privat entscheiden sie mit über die Finanzen.
Eine besondere Rolle kann dem Leiter der Buchhaltung bzw. dem kaufmännischen Leiter der Firma zukommen. Wickelt er lediglich die Zahlungsströme in der Firma ab oder hat er ausreichend Einfluss, um auch in den privaten Belangen der Familie mitzumischen? In letzterem Fall hat er vielleicht sogar Einfluss auf finanzielle Entscheidungen und wird dadurch für Sie zu einer wichtigen Kontaktperson.
Fazit:
Finden Sie heraus, wo sich Ihr Gesprächspartner innerhalb der drei gekoppelten Systeme befindet.
2. Betrachten Sie Geschäftsmodell und Wertschöpfungskette
Unternehmer ist man 24/7. Deshalb sollten Sie sich mit dem auskennen, was dem Unternehmerkunden am wichtigsten ist: die Firma! Der Blick auf die Homepage des Unternehmens reicht nicht: Recherchieren Sie so gründlich wie möglich. Scheuen Sie auch nicht, als Firmenkunden-Berater mit der Private-Banking-Abteilung Ihres Instituts im Tandem zusammenzuarbeiten – und umgekehrt: Ist der Unternehmer bereits Kunde eines Bereichs Ihres Instituts, sind vielleicht bereits wichtige Informationen zum Geschäftsmodell und der Wertschöpfungskette vorhanden.
Machen Sie sich darüber hinaus schlau über Trends und Themen der Branche Ihres Unternehmerkunden. Vielleicht lassen sich daraus Impulse für sein Unternehmen ableiten, die Sie aktiv geschickt ins Gespräch einfließen lassen: Sie werden erstaunt sein, was der Unternehmer Ihnen alles erzählt.
Fazit:
Machen Sie sich umfassend vertraut mit den Geschäften des Unternehmens.
3. Wer gehört zur Familie?
Dass Berater sich über die Familienkonstellation der Unternehmerfamilie erkundigen, ist mittlerweile Standard, sowohl im Private-Banking- als auch im Firmenkunden-Bereich. Dennoch zeichnen überraschend wenige Berater einen Stammbaum. Nutzen Sie dafür EDV und Akten Ihres Instituts, fragen Sie Kolleginnen und Kollegen – auch aus anderen Abteilungen und Geschäftsstellen. Unter Beachtung sämtlicher Datenschutzbestimmungen, versteht sich.
Anhand des Stammbaums sehen Sie auf einen Blick, wer die wahrscheinlichsten Nachfolger sind: Per Abhaken kann eine nahezu vollständige Ertragspotenzialanalyse betrieben werden. Wenn Sie zusätzlich noch Nationalitäten und Wohnorte aufführen, erkennen Sie außerdem schnell, welche Risiken sich aus verschiedenen nationalen Rechtsstandards ergeben.
Fazit:
Verschaffen Sie sich einen Überblick, wer zur Familie gehört, und zeichnen Sie einen Stammbaum.
4. Erkennen Sie den Unternehmertypus
In der Vergangenheit konnte man häufig die Metapher hören, Banking sei die Stahlindustrie der Zukunft. Beim heutigen Konkurrenzdruck scheint jedoch der Vergleich mit Lebensmittelläden passender zu sein: Als Kunde bekommt man überall denselben Joghurt – oft sogar zum gleichen Preis. Die Frage ist also nicht, ob der Kunde ein Produkt kauft, sondern, bei wem er es tut – und hier kommt der „subjektive Wohlfühlfaktor“ ins Spiel: Wo möchte der Kunde kaufen?
In der Finanzbranche, in der mittlerweile viele Bereiche vollständig durchdigitalisiert und prozessoptimiert sind, lassen sich Unterschiede zwischen den Angeboten häufig nur anhand derjenigen Tätigkeiten ausmachen, bei denen das „Mensch zu Mensch (MzM)“ entscheidend ist. Setzen sie sich hier positiv von der Konkurrenz ab, schaffen Sie es, den „subjektiven Wohlfühlfaktor“ beim Kunden zu erzielen. Der erste Schritt in diese Richtung ist, sich über den Unternehmertyp des potentiellen Kunden im Klaren zu sein.
Typisieren Sie zunächst sich selbst und dann den Unternehmer. Clevere Finanzdienstleister präsentieren ihrem Gegenüber alle Informationen konsequent gemäß seiner Typologie – nicht der eigenen. Damit kommt das Angebot optimal beim Kunden an – Die Basis für den Erfolg!
Fazit:
Erkennen Sie den Unternehmertypus! Formulieren Sie konsequent alle Informationen gemäß der Typologie Ihres Gegenübers.
5. Finden Sie die Player / Kaufbeeinflusser
Erfolgreiche Unternehmer sind immer von einem Heer an Beratern umgeben. Wissen Sie, wer das ist, wer am meisten Einfluss hat und wer Ihnen hilfreich sein kann?
Bedenken Sie: Für das Umfeld des Unternehmers bedeuten Sie als Finanzdienstleister zunächst einmal nur Mehrarbeit. Warum sollten Mitglieder dieses Hofstaats also gerade Sie unterstützen? Ein Steuerberater etwa bekommt diesen Mehraufwand mitunter nicht einmal vergütet. Fragen Sie sich deshalb immer: Cui bono – wem nützt es? Was hat eine Person davon, Ihr Produkt beim Unternehmer positiv erscheinen zu lassen? Nehmen Sie deshalb Ihr eigenes Ego zurück und lassen Sie mögliche Mentoren beim Unternehmer gut aussehen. Teilen Sie den Ruhm. Machen Sie das Umfeld des Unternehmers zu Ihrem „Verkäufer“.
Fazit:
Identifizieren Sie die Player / Kaufbeeinflusser und ziehen Sie diese auf Ihre Seite!
6. Beurteilen Sie die Kaufhaltungen aller Beteiligten
Bewerten Sie vor, während und nach jedem Gespräch die Kaufhaltung des Unternehmerkunden. Vier Kaufhaltungen gibt es: Ein unschlüssiger Unternehmer im „Wachstum“ sondiert noch, sucht aktuell nur nach Informationen. Er wird auch kaufen, nur nicht heute. Besteht „(akuter) Bedarf“, möchte der Unternehmer ihn auch möglichst schnell decken. Solange „alles okay“ ist, herrscht kein Bedarf. Ist der Unternehmer sogar erfolgreicher als erwartet, kommt „Euphorie“ auf – Nun wird er erst recht keinen Anlass sehen, etwas zu ändern. Doch oft kommt Hochmut vor dem Fall: Sie sollten die Situation beobachten, denn die Kaufhaltung kann sich täglich ändern! Außerdem gilt sie nicht pauschal zu jedem Thema. Überprüfen Sie deshalb bei jedem Kontakt zum Unternehmerkunden seine Kaufhaltung aufs Neue. Beachten Sie dabei auch sein Umfeld – siehe Punkt 5.
Fazit:
Finden Sie heraus, welche Kaufhaltung Ihr Gegenüber hat und wie sein Umfeld das Thema bewertet.
7. Verschaffen Sie sich einen Gesamtüberblick
Als Private Banker werden Sie vom Unternehmer eher selten auf Anhieb alle Informationen bekommen. Erkundigen Sie sich, wer Ihnen die wesentlichen Informationen bereitstellen kann. Damit erfahren Sie gleich auch mehr über sein Umfeld. Bei Top-Kunden mit hohen Kreditvolumina finden sich Hinweise zum Privatvermögen beispielsweise in den Kreditakten.
Doch auch Firmenkunden-Berater tun gut daran, die private Situation des Unternehmers hinter dem Familienunternehmen zu beleuchten. Die Unternehmensnachfolge ist beispielsweise ein Bereich, in dem Details des Privatvermögens Einfluss auf das Unternehmen als Ganzes haben können. So sind viele Unternehmer zwar vermögend, aber nicht unbedingt liquide, was zu Problemen bei der Übernahme des Familienunternehmens führen kann. Die Einkünfte eines Unternehmers ergeben sich aus seinem Gehalt, den Gewinnentnahmen aus seiner Firma, aus Firmengebäuden, die im Familienbesitz sind, aber an die Firma verpachtet werden und aus Einkünften aus sonstigem Privatbesitz. Fällt das Gehalt durch die Nachfolge weg, wird der Unternehmer bei den Pachtzahlungen von seinem Nachfolger abhängig. Eine erfolgreiche Unternehmensnachfolge lässt sich also nur dann managen, wenn man sich auch als Firmenkunden-Berater dieser Problematik bewusst ist und auf sie eingeht.
Tipp: Größere Unternehmer kennen Organigramme, da sie in ihrer eigenen Firma damit arbeiten. Um einen ersten Gesamtüberblick zu erzielen, erstellen Sie ein Unternehmerorganigramm für sich. Fragen Sie sich aber, bevor Sie damit auf den Kunden zugehen, ob er womöglich negativ reagieren wird, wenn er sieht, wie viele Informationen Sie schon über ihn zusammengetragen haben. Bei solchen Kunden lassen Sie diese Grafik im Gespräch einfach weg und nutzen sie nur für den internen Gebrauch. Es reicht zunächst, die groben Informationen aufzuführen. Details werden erst später wichtig.
Fazit:
Verschaffen Sie sich schon vor dem Gespräch einen groben Überblick über die Vermögensverhältnisse. In vielen Fällen sind die Informationen in der Kreditakte zu finden.
8. Welche Funktion / Position wollen Sie im Gesamtkomplex haben?
Im Dreieck Unternehmer – Bank – Bänker treffen womöglich drei unterschiedliche Sichtweisen aufeinander: Die Bank möchte, dass der Kunde vollumfänglich beraten und betreut wird. Mit den persönlichen Interessen des Beraters muss das nicht übereinstimmen. Und noch wissen wir nicht, was der Kunde will.
Fragen Sie ihn! Doch Vorsicht: Die Antwort könnte unangenehm sein. Viele Unternehmer wollen gar nicht vollumfänglich betreut werden. Das gilt es, zu respektieren: Wer nur Durst hat, braucht nicht die ganze Speisekarte. Es ist an Ihnen, daraus Ihre Schlüsse zu ziehen.
Fazit:
Fragen Sie den Kunden, welche Leistung er von Ihnen erwartet. Überprüfen Sie auch, ob Ihre Leistung adäquat bezahlt wird.
9. Womit vergleicht der Unternehmer Investmententscheidungen außerhalb der Firma?
Unternehmermandanten des Instituts Für UnternehmerFamilien erzählen mir immer wieder, dass sie den Eindruck hätten, Bankberater wüssten gar nicht, wie im Unternehmen Geld „gemacht“ wird.
Der Unternehmer überschlägt grob im Kopf: Wie viel Stück meines Produkts müsste ich für den Gewinn oder Verlust, den ich im Privatvermögen erziele, mehr oder weniger verkaufen? Bei einem EBITDA von 5 Prozent müsste er etwa 4,8 Millionen Euro Umsatz zusätzlich erwirtschaften, um einen Verlust im Privatvermögen von 100.000 Euro auszugleichen. Der Faktor liegt also grob bei 1 zu 48. Diese Zahl wird der Familienunternehmer gleich in Stückzahlen seines Produkts umrechnen. Immer. Daran wird er sich bei der Anlage seines Privatvermögens orientieren.
Fazit:
Finden Sie heraus, wie viele Produkte mehr oder weniger der Unternehmer in seiner Firma im Ausgleich für Gewinne oder Verluste im Privatvermögen verkaufen müsste.
10. Es gibt immer einen Grund
Lehnt der Unternehmer Ideen, Produkte oder anderes dankend ab, versäumen es viele Private-Banking-Berater und Firmenkunden-Berater nachzufragen, warum der Unternehmer so entschieden hat.
Oftmals hören sie nur Floskeln wie: „Ich fühle mich bei der bisherigen Bank eigentlich ganz wohl.“ Dahinter stehen Gründe, und die können vielfältig sein. Sei es, dass Verpflichtungen gegenüber anderen Banken bestehen, sei es, dass der Wechsel zu einer anderen Bank oder das Verwalten einer zweiten Bankverbindung zu mühsam erscheint. Und in einigen Fällen können die Gründe sogar ganz banal sein, wenn beispielsweise eine Freundin der Ehefrau Leiterin der entsprechenden Abteilung bei einer konkurrierenden Bank ist. Keine dieser Motivationen werden Sie erfahren, wenn Sie nicht nachhaken. Und wenn Sie die wahre Motivation hinter einer Entscheidung nicht kennen, werden Sie immer wieder viel Zeit und Mühe in Gespräche investieren, aber nichts ernten.
Fazit:
Wer nicht fragt, bleibt dumm – Mag eine Entscheidung Ihnen noch so unverständlich erscheinen: Haken Sie nach. Denn aus Sicht des Kunden ist sie vielleicht völlig nachvollziehbar. Einen Grund gibt es immer, und den sollten Sie kennen.
Wenn Sie diese zehn Regeln beherzigen, werden Sie sich nachhaltig als Partner des Familienunternehmers etablieren können.
Sie haben einen Termin bei einem Familienunternehmer? Glückwunsch! Wussten Sie, dass von 100 Existenzgründern nach zehn Jahren nur noch vier am Markt sind? Nach 20 Jahren ist es sogar nur noch einer von 500! Und mit diesem Menschen sitzen Sie nun in einem Raum. Sie haben es mit einer beeindruckenden Persönlichkeit zu tun. Genießen Sie jede Minute, die sie mit ihr verbringen dürfen.
Familienunternehmer und ‑unternehmen zu betreuen ist keine Pflicht, sondern ein Privileg! Erfolgreiche Unternehmer gestalten die Welt, in der wir morgen leben. Gehen Sie deshalb mit Begeisterung an die Sache heran. Lieben Sie, was Sie tun – Dann kommt der Erfolg von selbst.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de