Berater aus dem Private-Banking-Bereich haben mitunter einen schweren Stand bei Familienunternehmern: Denn so sehr sich diese um das Wohlergehen der eigenen Firma kümmern, so wenig Augenmerk legen sie häufig auf die privaten Finanzen. Meine eigene Beobachtung aus langjähriger Erfahrung mit Familienunternehmern ist, dass sie knapp 95 % ihrer Zeit und Aufmerksamkeit der Firma widmen, etwa 4 % der Familie und gerade mal 1 % der Verwaltung des eigenen Vermögens.
Doch speziell dieses geringe Augenmerk weist auf einen bestehenden Bedarf hin. Private Banking Berater sind deshalb von entscheidender Bedeutung für Familienunternehmer – insbesondere, wenn sie ein umfassendes und interdisziplinäres Anforderungsprofil zwischen koordinativen und emotionalen Fähigkeiten erfüllen können.
Den Herausforderungen des Private Banking mit Empathie begegnen
Nicht jeder Unternehmer versteht – oder ist gewillt, zuzugeben – dass seine geringe Aufmerksamkeit für das Privatvermögen eine Kompetenzlücke lässt, die gefüllt werden muss. Als Berater tut man deshalb gut daran, die unternehmerische Gedankenwelt nachzuvollziehen und sich entsprechender Begrifflichkeiten zu bedienen, um Familienunternehmer unabhängig vom Unternehmertyp und der Unternehmensgröße (vom Handwerksbetrieb bis zum Großunternehmen) auf diesen Umstand hinzuweisen: So, wie der Unternehmer sich im unternehmerischen Bereich auf die Fähigkeiten und das Wissen eines “Kümmerers” verlassen kann (bei größeren Unternehmen der kaufmännische Leiter, bei kleineren zum Beispiel der Steuerberater), so sollte er auch im Bereich der privaten Finanzen einen Experten haben, dem er sich anvertrauen kann.
Ist dies dem Unternehmer erst einmal klar, kann der Private Banking Berater diese Chance ergreifen und sich als Lösung dieser Kompetenzlücke positionieren. Private Banking Berater müssen also einem speziellen Anforderungsprofil genügen – ähnlich, wie ich es auch schon im letzten Artikel für Firmenkundenberater dargelegt habe. Der Fokus beim Private Banking Berater liegt jedoch etwas anders: Hier geht es vor allem um koordinative Fähigkeiten sowie eine emotionale Intelligenz, die sich vom Unternehmer bis in sein näheres familiäres und unternehmerisches Umfeld erstreckt.
Allgemeinwissen und Fachwissen an den richtigen Stellen (fachliche Kompetenzen)
Um auch die 95 %, das Herzstück des Unternehmers, anzusprechen, müssen sich Private Banking Berater für Unternehmerfamilien zwingend mit dem Geschäftsmodell und der Wertschöpfungskette des Unternehmens beschäftigen. Darüber hinaus sollten sie über eine allgemeine Wissensbreite in Themenkomplexen wie zum Beispiel Versicherungen, Geschlossene Fondsbeteiligungen (sofern es sie aktuell überhaupt noch gibt) sowie sonstige Vermögensgegenstände wie Kunst verfügen. Jedoch ist es nicht nötig, in diesen Bereichen jedes kleinste Detail zu beherrschen. Anders sieht es bei Themen aus, die direkt mit dem Privatvermögen verbunden sind:
- Generationenmanagement,
- Wertpapiere und
- Immobilien sowie
- rechtliche Aspekte (Güterrecht u.a.) und
- (Familien-)Psychologie.
Im Private Banking für Familienunternehmer ist es außerdem wichtig, sich Wissen über im Unternehmen wirkende Kräfte wie den Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv (Kreditabteilung) anzueignen.
Die Kreditakte des Unternehmers ist eine wichtige Ressource, um sich dieses Wissen anzueignen. Ist der Unternehmer bereits als Firmenkunde im eigenen Institut in Erscheinung getreten, liegt hier womöglich ein Schatz an Informationen, der vom Private Banking Berater unbedingt entdeckt werden sollte.
Sympathisches Auftreten und emotionale Intelligenz (soziale Kompetenzen)
Der soziale Aspekt des Mensch zu Mensch (MzM) spielt bei Private Banking Beratern eine besondere Rolle, denn diese haben mit dem Unternehmer und seinem gesamten privaten sowie professionellen Umfeld zu tun. Feingefühl und Empathie sind besonders wichtig, um die unterschiedlichen Anforderungen all dieser Ansprechpartner zu erfüllen:
- Die Fähigkeit, selbstbewusst und sicher aufzutreten und dabei die Regeln der Etikette und Netiquette einzuhalten
- Effektive Kollegenführung sowie die Eignung, Kollegen durch professionelles Verhalten als Vorbild zu dienen (auch geschäftsfeldübergreifend)
- Effektive Zusammenarbeit mit dem Firmenkundenberater – Dazu gehört vor allem, sich ihm kooperativ und auf Augenhöhe zu nähern, also weder als Untergebener, noch als jemand, der ihm seinen Kunden streitig machen will
- Detailliertes Wissen zur Typologie des Unternehmers sowie seines Firmenkundenberaters
- Gutes Verständnis für die Familie des Unternehmers, denn mit dieser haben Private Banking Berater häufig auf privater und demnach sensibler Ebene zu tun
Grundsätzlich sind Private Banking Berater während ihrer Tätigkeit noch stärker als Firmenkundenberater in empfindliche Belange von Unternehmerfamilie, Mitarbeitern im Familienunternehmen sowie generellem Umfeld eingebunden. Sie sollten daher verstehen, wie sie sich auf welchen Ebenen zu verhalten haben, um sich einerseits als Experten zu profilieren und gleichzeitig das wichtige Element des Mensch zu Mensch erfolgreich auszuspielen. So können Private Banking Berater den subjektiven Wohlfühlfaktor herstellen und erfolgreich das so wichtige emotionale Bindeglied zwischen Kunde und Bank bilden.
Familie und Unternehmen navigieren (methodische Kompetenzen)
Die Tatsache, dass Unternehmer selbst nur wenig Zeit mit ihren privaten Finanzen verbringen (können), bedeutet nicht nur, dass man als Private Banking Berater eine Lücke zu füllen hat. Man sollte dies auch möglichst effizient tun. Denn Unternehmer legen Wert darauf, dass ihre wertvolle Zeit nicht ‚vergeudet‘ wird – insbesondere nicht mit Dingen, die in ihren Augen nicht direkt die eigene Firma betreffen. Das effiziente Koordinieren aller Arbeitsabläufe ist also eine der größeren Herausforderungen im Anforderungsprofil des Private Banking Beraters:
- Sicherer Umgang mit EDV-Abläufen und ‑Programmen. Das gilt vor allem für institutseigene Programme und Ressourcen, wenn der Kunde bereits Firmenkunde ist – so lassen sich vorhandene Informationen am effizientesten recherchieren.
- Projektmanagement-Fähigkeiten, insbesondere im Bereich der Zeit- und Ressourcenplanung
- Fähigkeit zur strategischen Planung von Interaktionen zwischen internen und externen Kollegen und Kunden
- Koordination des geschäftlichen und familiären Umfelds des Unternehmers
Der Familienunternehmer wird sich den Aufwand für etwas vermeintlich nebensächliches wie die Verwaltung des Privatvermögens sehr genau ansehen und die Leistung des Beraters konsequent bewerten. Berater müssen sich also bewusst sein, dass sie erstmal unter Beobachtung stehen und es von ihrem Verhalten und ihrer Arbeit abhängt, ob das eigene Institut weiterhin im Private Banking Bereich mit dem Unternehmer zusammenarbeiten wird. Erkennt und spürt der Familienunternehmer jedoch erstmal die erbrachten Mehrwerte, kann man sich die nachhaltige Loyalität der gesamten Familie verdienen.
Ideale Voraussetzungen für ideale Ergebnisse
Gerade weil das Private Banking für viele Familienunternehmer keinen Fokus darstellt, ist es für den Berater wichtig, von seinem Institut die nötigen Rahmenbedingungen gelegt zu bekommen, um auf dieser Ebene zielorientiert Verbindungen zu knüpfen. Bankvorstände können ihre Berater daher entscheidend unterstützen, wenn sie Voraussetzungen schaffen, unter denen effektiv und kundenorientiert gearbeitet werden kann.
Dazu zählen zunächst hochwertige Ressourcen, Werkzeuge und Methoden: Ein funktionierendes, bereichsübergreifendes EDV-System, inklusive Zugang zu allen relevanten Kundendaten. Institute, die den Wert der Private Banking-Verbindung zum Unternehmer erkannt haben, legen außerdem viel Wert auf zusätzliches Training sowie Fortbildungen – und natürlich viel vertriebsaktive Zeit am Kunden. Um das beschriebene Anforderungsprofil zu erfüllen und sich als Experte zu positionieren, ist es außerdem entscheidend, dass entsprechenden Beratern die Möglichkeit gegeben wird, sich ausschließlich auf das Segment Unternehmerfamilien zu fokussieren.
Wer als Private Banking Berater noch keine solche Unterstützung bekommt, muss vielleicht etwas Überzeugungsarbeit leisten. Das in diesem Artikel skizzierte Anforderungsprofil kann die faktische Grundlage bieten, um bei seinem Vorgesetzten anzuklopfen.
Ent-Emotionalisierung verhindern
Früher oder später werden Familienunternehmer die Kompetenzlücke im Bereich der privaten Finanzen mit einem Experten schließen müssen. Es liegt an Private Banking Beratern, sie nicht nur auszufüllen, sondern dem Unternehmer zunächst überhaupt klar zu machen, dass sie existiert und Handlungsbedarf besteht. Und hat man sich erst einmal als Experte auf dem Gebiet positioniert, ist es ein Leichtes, über diese Verbindung auch der Ent-Emotionalisierung des Kunden durch das immer digitaler werdende Geschäftsumfeld entgegenzuwirken.
Denn anders als bei einem Auto oder Smartphone, fällt es schwer, zu Finanzprodukten eine emotionale Bindung aufzubauen. Diese “Liebe” zu einem Produkt oder einer Dienstleistung kann nur der Private Banker persönlich herstellen – weshalb er gerade in Zeiten der zunehmenden Technologisierung und Automatisierung wichtiger als je zuvor ist.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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