Dass die Digita­li­sierung unsere Arbeitswelt fest im Griff hat, ist nichts Neues und bringt – sinnvoll einge­setzt – unzählige Vorteile mit sich: Kurze Kommu­ni­ka­ti­onswege oder schnelle Infor­ma­ti­ons­be­schaffung gestalten den Arbeits­alltag effizient und bieten bei bewusstem Einsatz einen großen Mehrwert. Wie es jedoch auch anders geht, konnte ich vor kurzem in einem Tandem-Gespräch zwischen einem Familien­unternehmer und zwei Bankbe­ratern live miterleben.

Mangelnde Medien­kom­petenz als Aufmerksamkeitsfalle

In meiner beratenden Funktion als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) unter­stützte ich neulich einen Familien­unternehmer in einem Meeting mit zwei Bankbe­ratern, die anstatt mit Stift und Notiz­block mit iPads ausge­rüstet waren. Dies erschien durchaus sinnvoll, denn so finden digitale Notizen zielsicher ihren Weg in die Kunden­struktur – ein Mehrwert sowohl für Unter­nehmer als auch Berater. Doch im Gesprächs­verlauf zeigte sich, dass ein Nutzer entspre­chende Medien­kom­petenz benötigt, um effizient mit dem digitalen Arbeits­gerät umzugehen. Sonst wird das innovative Tool schnell zum echten Gesprächskiller.

Doch wie konnte die vermeintlich praktische Techno­logie einen faden Beigeschmack hinter­lassen? Es ist allseits bekannt, dass ein Unter­neh­mer­ge­spräch Fokus und absolute Aufmerk­samkeit erfordert. Zwar verfolgten beide Berater die Anliegen des Famili­en­un­ter­nehmers mit Interesse, doch während nur ein Berater sprach, vertiefte sich der jeweils andere im Display seines iPads. Und hier wurden wohl nicht nur Notizen gemacht: Anhand der intui­tiven Wisch­be­we­gungen ließ sich erahnen, dass er vielleicht auch die ein oder andere E‑Mail checkte.

Nach dem Beratungs­termin suchte der Unter­nehmer sichtlich irritiert den Austausch mit mir: Die Berater hätten sich einander gegenüber respektlos verhalten, da sie sich augen­scheinlich wenig für die Aussagen des Kollegen inter­es­sierten. Schwerer wiegt jedoch eine weitere Frage, die aus diesem Verhalten resul­tiert. Wie fokus­siert sind beide Bankbe­rater in einer gemein­samen, länger­fris­tigen Kunden-Zusammenarbeit?

Begrü­ßenswert wäre gewesen, das iPad zur allge­meinen Visua­li­sierung komplexer Sachver­halte heran­zu­ziehen. So würde Vertriebs­kom­petenz und gegen­seitige Wertschätzung bewiesen. Diese Erfahrung zeigt, dass der EDV-Einsatz im Kunden­ge­spräch Sensi­bi­lität und die Fähigkeit zum Umgang mit der Technik benötigt – sowohl gegenüber dem Kunden als auch den Kollegen.

Zeitfresser Nummer 1: Unbewusster EDV-Einsatz

Im Berufs­alltag wird oftmals nicht wahrge­nommen, wie häufig der Griff zum Smart­phone erfolgt. Haben Sie im Unter­nehmen ähnliche Erfah­rungen gemacht? Gibt es jemanden, der immer von Handy, Tablet oder Smart­watch abgelenkt ist? Meist unbewusst ausge­führt, wird dieses Verhalten nicht nur als unhöflich erlebt, sondern führt zu messbarem Produk­ti­vi­täts­verlust: Geht täglich nur eine Stunde an die Techno­logie verloren, sind das 5 Stunden in der Woche und satte 200 Stunden im Jahr. Und schon werden mangelnde EDV-Erfahrung oder Ablenkung durch persön­liche Inter­essen zum Zeitfresser Nummer 1.

Im Zuge dieser Geschichte habe ich mir die Mühe gemacht, die wesent­lichen Faktoren für Produk­ti­vi­täts­verlust aufgrund meiner Erfah­rungen exempla­risch darzustellen.

Ursache Minuten pro Tag Minuten pro Woche Stunden pro Jahr
Klagen / Beschwerden (über Kunden, Vorge­setzte, Unter­neh­mens­struk­turen, etc.) 15 Min/Tag 75 Min/Woche 50 Std/Jahr
Ablenkung durch Technik (persön­liche Mails, Nachrichten) 15 Min/Tag 75 Min/Woche 50 Std/Jahr
Abschweifen in Meetings (agenda­fremde Themen, Smalltalk) 15 Min/Woche 10 Std/Jahr
Mangelnde Fähig­keiten im Umgang mit EDV, Ablenkung, Trödeln 60 Min/Tag 300 Min/Woche 200 Std/Jahr
Diverse Störungen (nicht termi­nierte Aufgaben, Ablenkung durch Kollegen oder Vorgesetzte) 30 Min/Tag 150 Min/Woche 100 Std/Jahr

(Bitte mit dem Finger nach links wischen, um die anderen Spalten zu sehen.)

Insgesamt ergibt dies ein jährliches Produk­ti­vi­täts­de­fizit von 410 Stunden. Bei einer Regel­ar­beitszeit von rund 1.600 Stunden pro Jahr sind das also 25,7 % unpro­duktive Arbeitszeit! Lege ich in meinen Seminaren und Workshops Finanz­dienst­leistern diese Zahlen offen auf den Tisch, sitzt der Schock erst einmal tief: „Herr Wiebusch, Ihre Schät­zungen sind eigentlich noch zu niedrig“, reflek­tieren die Teilnehmer als ehrliches Feedback.

Fazit: Uns allen steht täglich nur eine begrenzte Anzahl an Stunden zur Verfügung. Daran lässt sich nichts ändern, jedoch kann jeder Mensch selbst entscheiden, wie er diese Zeit effizient nutzt. Mit ein wenig Selbst­re­flexion sind Produk­ti­vi­täts­fresser enttarnt, sodass am Ende spürbar mehr Zeit bleibt, ohne etwas einzu­büßen. Die gewonnene Zeit lässt sich hervor­ragend in Unter­neh­mens­pro­zesse inves­tieren, um sich beispiels­weise noch präziser auf einen Kunden­termin vorzubereiten.

Dank einer Prise Empathie, gepaart mit bewusstem Einsatz von PC, Tablet oder Smart­phone, steht einer erfolg­reichen, kolle­gialen Zusam­men­arbeit und der Beratung von Unter­nehmern auf Augenhöhe nichts mehr im Wege. Auf lange Sicht zahlen sich Identi­fi­kation und Elimi­nierung von Produk­ti­vi­täts­killern für alle Betei­ligten nachhaltig aus: Eine wertschät­zende Arbeits­um­gebung, stetiger Erfolg und wachsende Erträge sind die positiven Folgen dieses Erkenntnisprozesses.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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