Nach den beiden vorangegangenen Artikeln in der Sommerserie 2019 wissen wir nun also, wie sich die Lage aktuell darstellt und wie es zu diesem Status quo gekommen ist. Doch wie wir bereits festgestellt haben, reicht der Blick zurück allein nicht aus, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Stattdessen müssen die Versäumnisse sowie die Anforderungen der kommenden Entwicklungen erkannt und mit den richtigen Mitteln angegangen werden.
Wie begegnen Banken der Bankendichte?
Das Metier der Banken hat sich über die letzten Jahre zu einem reinen Käufermarkt entwickelt: Die Produkte der Institute haben sich einander so stark angenähert, dass es für Unternehmer kaum noch objektive Gründe gibt, das eine Institut dem anderen vorzuziehen. Und wenn bei der aktuellen Bank nicht mehr alles zufriedenstellend läuft, stehen noch Dutzende andere Banken in den Startlöchern, um den neuen Kunden aufzunehmen. Klingt übertrieben? Ein Blick auf die aktuelle Marktlandschaft reicht, um zu realisieren. Wer eine Bank sucht, findet in Deutschland auch eine:
(Quelle: Google; Anmerkung: Diese Grafik bildet weder alle sich am Markt befindlichen Institute ab, noch zeigt sie das Netz der Geschäftsstellen. In Wirklichkeit ist die Dichte also noch viel höher.)
Wie lassen sich also für all diese Banken überhaupt noch Abschlüsse erzielen? Viele Institute erwägen diesen Ausweg: die Fusion. So soll die eigene Marktposition gestärkt und ein Synergieeffekt hergestellt werden – mit dem positiven Nebeneffekt, dass aus vermeintlichen Konkurrenten Verbündete in einem gemeinsamen Institut werden. Doch Fusionen sind kein Allheilmittel. Denn nach der Fusion bleibt vieles gleich. Zum Beispiel hat man nun eine Bank mit 6 Milliarden Bilanzsumme erschaffen, wo vorher 3 Institute je 2 Milliarden gestemmt hätten.
Mit welchen Einsparungen kann man wirklich rechnen?
Fusionen bringen vor allem Vorteile, wenn sie auch noch mit Einsparungen kombiniert werden können: Lassen sich beispielsweise 2 von 3 Controlling-Abteilungen wegrationalisieren, ergeben sich dadurch nützliche Einsparungen für die Bank. Allerdings ist dies nicht immer möglich: In Fusionsverträgen wird häufig festgehalten, dass die Entlassung von Personal für mehrere Jahre unterbunden ist. Dann schleppt die neue Bank möglicherweise fünf Jahre lang Mitarbeiter mit sich herum, die eigentlich nicht gebraucht werden und nach Ablauf der Frist ohnehin freigestellt werden. Und das in einer Zeit, in der Änderungs- und Anpassungszyklen dramatisch schneller werden.
Zudem werden durch die zukünftigen Digital- und Standardisierungsprozesse tendenziell weniger Menschen gebraucht, um noch das Delta der komplexeren Arbeiten umzusetzen. Dies betrifft nicht nur das Controlling, sondern auch viele andere interne Abteilungen, wie z.B. Revision oder Personal. Dazu kommt, dass jedes der fusionierten Institute vermutlich bereits seit 2007 jedes Jahr Einsparungen gemacht hat, wo immer sie möglich waren. Dementsprechend ist das Einsparungspotenzial – zumindest im Bereich der Sachkosten – ohnehin verschwindend gering.
Auch Einsparungen in den Prozessen sind eher unwahrscheinlich, da diese oft bereits über standardisierte Schnittstellen laufen und vollständig durchdigitalisiert sowie ‑optimiert sind – oder, ob mit oder ohne Fusion, bald sein werden. Im ungünstigsten Fall müssen die fusionierten Banken zunächst eine entsprechende IT-Infrastruktur aufbauen, damit der neu gegründete Koloss ohne Unterbrechung und ohne Reibereien zwischen den ehemals autonomen Instituten funktionieren kann. In einem solchen Fall werden mögliche Einsparungen schnell durch die Kosten der für die Fusion nötigen Infrastruktur aufgefressen.
Die Lösungsansätze der nahen Zukunft
Fusionen allein sind also langfristig gesehen meist nicht dazu geeignet, die Probleme der Finanzwelt in den Griff zu bekommen. Ich glaube deshalb, dass es ohne entsprechend klare, eindeutige sowie sich vom Wettbewerb abgrenzende Strategien ein Wettrennen zwischen den Instituten geben wird, bei dem immer derjenige den Vorsprung haben wird, der die robustesten und stabilsten Digitalprozesse aufbauen kann. Doch dieses Rennen wird letztlich kein Institut klar für sich entscheiden können, denn natürlich arbeitet auch die Konkurrenz an denselben Digitalthemen. Hat man sich mal einen entsprechenden Vorsprung erarbeitet, werden andere Institute innerhalb weniger Monate einfach nachziehen.
Die Entwicklung dieser Digitalprozesse wird außerdem langfristig nur einen geringen Effekt auf die wirklich großen Abschlüsse haben, denn diese Prozesse sind nicht für hochkomplexe, dynamische Abläufe gedacht, sondern für eine hohe Anzahl gleichbleibender und wiederkehrender Vorgänge. Selbst die effizientesten und robustesten Digitalprozesse funktionieren im Moment also nur für Massenprodukte. Und Massenprodukte werden sich auch in Zukunft von Institut zu Institut stark ähneln.
Aus Sichtweise des Unternehmerkunden werden diese Vorgänge lediglich das Bild aufrechterhalten, dass die unterschiedlichen Banken in Hinsicht auf Produkte und Vertriebskanäle weitestgehend identisch sind. Was dann wiederum Auswirkung auf die Preise haben wird, die sich dann – auf mitunter sehr niedrigem Niveau – ebenfalls anpassen werden. Auch in Hinblick auf die für alle Institute geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen wird dies deutlich: Echte Produktinnovationen wurden in der jüngsten Vergangenheit auch schon mal rückwirkend gesetzlich gekippt – der Gesetzgeber erzeugt hier gewissermaßen automatisch mehr Standardisierung als Individualisierung.
Ohne ein entsprechendes Gegensteuern gegen die gefühlte Identitätsgleichheit werden Banken auch in naher Zukunft die Lebensmittelhändler des Finanzwesens bleiben: Ihre Kunden bekommen quasi überall die gleichen Produkte und entscheiden nur noch über den subjektiven Wohlfühlfaktor, bei welchem Händler sie denn nun kaufen möchten.
Emotion wird in Zeiten der Digitalisierung großgeschrieben
Die Zukunft wird nicht allein mit immer besseren Digitalprozessen zu gewinnen sein. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und der realistischerweise noch zu erreichenden Potenziale bietet nur ein Mittel einen echten Vorteil gegenüber der Konkurrenz: das Mensch zu Mensch.
Nehmen wir Zalando als Beispiel: Der Konzern konnte zwar viel verkaufen, doch die bestellte Ware wurde oft genug von den Kunden zu Hause anprobiert und bei Nichtgefallen direkt zurückgeschickt. Das Problem: Aufgrund der fehlenden persönlichen Beratung gab es keine Möglichkeit, den Kunden emotional zu binden und ihn von einem Produkt zu überzeugen. Viele Leute schickten also spontan motiviert ihre Schuhe zurück, weil sie beispielsweise „zu eng“ waren, und Zalando hatte keine Gelegenheit, ihnen persönlich zu erklären, dass sich das gibt, wenn die Schuhe erst mal eingelaufen sind.
Hier zeigt sich das verschenkte Potenzial, wenn nur auf diejenigen Kunden gesetzt wird, die digitalaffin sind. Denn dann fallen alle anderen Kunden weg, für die eine persönliche Bindung wichtig ist. Und diese Gruppe ist nicht gerade klein: Menschen sind eine soziale Spezies und Kommunikation ist eines ihrer Grundbedürfnisse. Unternehmer, die Wert auf eine persönliche Beratung legen, sollten diese also auch bekommen können. Nicht vergessen: Die erfolgreichsten Unternehmer, bei denen die lukrativsten Abschlüsse gemacht werden können, sind meistens auch die anspruchsvollsten. Und diese wünschen meist Beratungen, Dienstleistungen und Produkte, die auf sie zugeschnitten sind und ihnen einen persönlichen Mehrwert bieten. Was aber nicht heißen muss, dass alles super individuell sein muss. Standardprodukte, die maßgeschneidert auf bestimmte Bedürfnisse abgestimmt sind, sind auch individuell. Wie in der Autoindustrie zu beobachten.
Standardprozesse sind gut und billig, doch ein übermäßiges Vertrauen in sie sorgt schnell dafür, dass das Institut genau diejenigen Kunden verliert, welche ihm die größtmöglichen Abschlüsse versprechen. Denn diese Kunden möchten nicht in Standardprozesse gepresst werden, die gar nicht zu ihnen als Mensch und Unternehmer passen. Die Etablierung von individuellen Beratungsstrukturen mit einem Fokus auf dem Mensch zu Mensch, parallel zu den digitalen Standardprozessen für die Masse, ist eine der Herausforderungen, die auf wettbewerbsfähige Institute in Zukunft zukommen wird.
Passende Mitarbeiter für neue Anforderungsprofile
Neue Prozesse zu finden, ist wichtig – doch darüber sollte nicht vergessen werden, dass für ein effektives Mensch zu Mensch die Mitarbeiter im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen müssen. Sie sollten einem Anforderungsprofil genügen, das an den neuen Fokus ihrer zukünftigen Arbeit angepasst wurde:
- Führungs‑, Koordinations- und Teamfähigkeit, speziell in interdisziplinären Teams
- Die Flexibilität, einerseits strategisch beraten und andererseits verkaufen zu können
- Die psychische und mentale Fähigkeit sowie Bereitschaft zu komplexen Kundenkontakten
Mit anderen Worten: Der klassische Einzelkämpfer mit Fokus auf dem reinen Produktverkauf hat ausgedient. Was gebraucht wird, sind komplex denkende Berater, die abschlussorientiert handeln und sich auf eine unterstützende Peripherie verlassen können. Die neuen Berater müssen in der Lage sein, bei den weniger, aber gleichzeitig komplexer werdenden Kundenkontakten zu brillieren. Gleichzeitig müssen sie die strategische, ganzheitliche Beratung mit dem Produktverkauf kombinieren – denn so wird dem Kunden am effektivsten suggeriert, dass sich „wirklich etwas tut“.
Hierbei sei erwähnt, dass es, meiner Erfahrung aus Workshops nach, es in vielen Instituten richtig gute und tolle Berater (sowohl mit mehr als auch mit weniger Berufserfahrung) gibt. Man muss also nicht immer nach außen schauen, um entsprechende Kandidaten erfolgreich zu identifizieren. Oft ist es der effektivste (und effizienteste) Weg, die im eigenen Institut schlummernden Berater-Potenziale zu wecken, wiederzubeleben, weiterzuentwickeln und einzusetzen.
Zu guter Letzt gilt es für die Mitarbeiter, neue Kunden zu aktivieren. Denn die Banken von morgen stehen in der Verantwortung zu agieren, statt nur zu reagieren, wie es in der Vergangenheit meist der Fall war. Sie können sich heute und in Zukunft nicht mehr darauf verlassen, dass der Kunde in der digitalisierten Welt von sich aus zur Bank kommt, wenn er doch digital vermeintlich alles selbst in die Hand nehmen könnte.
Der Weg in die Zukunft
Fusionen sind langfristig nicht die Lösung aller Probleme. Ein Umdenken ist nötig: Zunächst muss sich jedes Institut eine eigene Identität verschaffen. Was umso herausfordernder wird, wenn man als regionales Institut einem größeren überregionalen Verbund angehört. Möglich und lohnend ist es dennoch, indem man mit Sub-Marken arbeitet, wie im Artikel Game of Brands vorgestellt. Diese Identität und Sub-Marken werden dann dem Unternehmerkunden kommuniziert, damit er weiß, was er von der Bank zu erwarten hat, und darauf basierend ein effektives Mensch zu Mensch entstehen kann. So ist es dem Berater möglich, wie die Spinne im Netz zu sitzen und an den passenden Fäden ziehen, um den Unternehmer gemäß seinen individuellen Wünschen für sich zu gewinnen: Geht es um die Firmenkundenberatung, wird die entsprechende Sub-Marke aktiviert, geht es um Private Banking oder die individuelle Beratung, lässt sich der Kunde mit einer anderen Sub-Marke ködern. Und die hohe Kunst ist es, die „Sub-Sub-Marke“ Tandemberatung Firmenkunden und Private Banking zu installieren und erfolgreich dem Kunden zu kommunizieren.
Ist die eigene Identität gefunden, kann eine dazu passende Kombination aus Standardisierung und Individualisierung entwickelt werden. Denn zu viel Individualisierung macht die Standardisierung kaputt und bei zu viel Standardisierung bleibt die Individualisierung auf der Strecke. Beides ist für den jeweils passenden Kundentypus kontraproduktiv.
Zum Abschluss der Sommerserie 2019 möchte ich mich noch direkt an diejenigen wenden, die täglich in der Pflicht stehen, die neue Identität des Instituts zu leben und den Kunden zu vermitteln: an die Berater. Sie sind es, die den Kontakt mit den Kunden aufrechterhalten. Mein Appell lautet: Trotz aller Standardisierung und Prozessoptimierung – bewahren Sie sich die Lust auf Ihre Kunden und nutzen Sie die sich gebenden Chancen, um sie auszuleben! Genießen Sie es, mit außergewöhnlichen Menschen, den Unternehmern, zu arbeiten. Denjenigen Menschen, die die Welt von heute, morgen und übermorgen bauen und gestalten. Denn vor allem Unternehmer werden Ihnen Ihre individuelle Hingabe danken. Und so können Sie Ihre Persönlichkeit gemäß der Unternehmertypologie richtig ausspielen und über ein effektives Mensch zu Mensch die richtig großen Abschlüsse erzielen – die es auch heute immer noch gibt.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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