Erinnern Sie sich noch an die Zeiten der großen Finanz­krise? Die haben wir nun zum Glück weitgehend hinter uns gelassen – und das ist vor allem den Insti­tuten zu verdanken. Denn nach einem guten Stück Arbeit haben diese mittler­weile gut abgestimmte Risiko­po­si­tionen aufgebaut, ganz im Sinne der strengen Vorgaben der Bundes­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht (BaFin).

Doch in genau dieser Situation flutet die Europäische Zentralbank (EZB) seit einiger Zeit und dauerhaft den Markt mit Liqui­dität, um das Geschäft zu stimu­lieren und die Anleger und Unter­nehmen zu Inves­ti­tionen zu überreden. Wie ergeht es Beratern und Famili­en­un­ter­nehmern bei dieser zweischnei­digen Finanz­po­litik? Und wie lassen sich in dieser Situation noch Gewinne erwirtschaften?

Was bedeutet das leicht zugäng­liche Geld im Klartext?

Früher wäre die plötz­liche Geldflut vonseiten der EZB noch mit Begeis­terung aufge­nommen worden – doch wer die Denkweise der (Familien-)Unternehmen versteht, wird schnell merken: Diese Flut wird dieje­nigen Äcker, die sie bewässern soll, gar nicht erst erreichen. Denn nach den Regelungen der BaFin werden die meisten Unter­nehmer, die einen wirklichen Nutzen aus dem „billigen“ Geld ziehen könnten, als zu riskant eingestuft.

Familien­unternehmer haben oft die Eigenart, dass sie nur dann Kredite aufnehmen, wenn es gar nicht anders geht. Das bedeutet: Die Top-Unter­nehmen (von denen es auf dem Markt nur eine begrenzte Anzahl gibt) könnten das Geld zwar problemlos bekommen – doch abseits von wirklichen Großpro­jekten wie Immobi­li­en­ge­schäften oder weitrei­chenden Digita­li­sie­rungs­maß­nahmen haben sie derzeit kaum Grund, es anzunehmen. Schließlich ist noch genug Liqui­dität für das Tages­ge­schäft und kleinere Inves­ti­tionen vorhanden. Und in vielen Fällen muss man ja sogar schon Verwah­rent­gelte auf das eigene Guthaben zahlen – warum dann also sogar noch Kredite aufnehmen, und sei der Zinssatz noch so gering?

Kurz gesagt: Wir befinden uns heute in einer bizarren Catch-22-Situation: Da sie über ausrei­chend Mittel verfügen, werden die Top-Betriebe als ausrei­chend risikoarm einge­stuft, um Inves­ti­ti­ons­mittel bekommen zu können – und aus demselben Grund brauchen sie es überhaupt nicht. Gleich­zeitig würde das Geld bei den Betrieben abseits der Top-Ratings gebraucht – doch gerade weil sie es brauchen, sagen die Risiko-Vorschriften: Hier ist das Risiko zu groß!

Wie kommt man aus dieser Zwick­mühle heraus?

Für die meisten Finanz­in­stitute lässt sich das Geld der EZB nur auf wenige Arten unter die Unter­nehmer bringen:

  • Geschäfte mit Top-Kunden
  • Mehr Risiko­to­leranz
  • Einführen neuer Produkte

Jede dieser Optionen wirft Probleme auf: Von den Top-Kunden gibt es natur­gemäß nur eine begrenzte Anzahl und diese ist außerdem nur im Zusam­menhang mit großen Projekten an dem Geld inter­es­siert. Eine höhere Risiko­to­leranz würde neue Kunden­schichten erschließen, ist jedoch gegenüber dem eigenen Institut intern nur schwer zu vermitteln und häufig nicht BaFin-konform. Gleicher­maßen lassen sich neue Produkte aufgrund von Gesetzen und Verbrau­cher­schutz­richt­linien meist nicht umsetzen.

Wie sich trotzdem Gewinne erwirt­schaften lassen

Sie als Finanz­dienst­leister sind in der aktuellen Situation nicht zu beneiden: Von der einen Seite drängt die EZB auf mehr Inves­ti­tionen, auf der anderen warnt der Gesetz­geber mit erhobenem Zeige­finger vor zu viel Risiko­freude. Viele von Ihnen haben bereits erkannt: Die alte Prämisse, dass schlechte Zeiten gute Zeiten für Berater sind, bewahr­heitet sich auch diesmal – nur, dass gute Berater diesmal zusätzlich zur eigenen Fachex­pertise auf eine hervor­ra­gende Zusam­men­arbeit innerhalb des Instituts bauen.

Nur gut vorbe­reitete und koordi­nierte Tandem- und Triobe­ratungen oder interne Kunden­kon­fe­renzen werden in der aktuellen Ausgangslage überzeugend genug sein, um den Top-Unter­nehmern noch Kredite schmackhaft zu machen oder riskantere Unter­nehmen noch innerhalb der BaFin-Vorgaben mit Krediten zu versorgen. Insbe­sondere Firmen­kun­den­be­rater können enorm vom Zuarbeiten der Kollegen der anderen Vertriebs­ein­heiten profi­tieren – gerade, wenn die Zinsmargen im Kredit­ge­schäft noch stärker fallen und noch mehr Provi­si­ons­ge­schäft generiert werden muss. Es gilt also: Agieren Sie stärker zum Kunden hin und gehen Sie auch mal ein Risiko ein – mit Augenmaß, versteht sich.

Top-Kunden mit Bedacht angehen

Top-Unter­nehmer sind also für die Institute immer noch die beste Möglichkeit, die vorhan­denen Geldmittel sinnvoll einzu­setzen, lediglich die Heran­ge­hens­weise hat sich geändert. Das Ziel ist es heute, mehr zu agieren als zu reagieren. Denn gehen Sie näher an Ihre Top-Unter­nehmer heran, dann lassen sich diese Kunden nicht nur eventuell zu neuen Geschäften überzeugen – sie werden auch resis­tenter gegenüber den Abwerbe-Bestre­bungen anderer Institute gemacht, wie es beispiels­weise die neue Strategie der Deutschen Bank vormacht. Als Bonus sorgt dies auch dafür, dass indirekt poten­zielle Neukunden angeworben werden, da diese am Beispiel der Top-Kunden sehen können, was Ihr Institut kann und zu leisten bereit ist.

Lassen Sie sich jedoch beim Umgarnen der Top-Unter­nehmer nicht zu unvor­sich­tigen Geschäften verleiten. Aktuell erzeugt die finanz­po­li­tische Lage eine Situation, in der es einen regel­rechten Run der Institute auf die Top-Unter­nehmer gibt – das drückt nicht nur die Preise, sondern erzeugt auch Stilblüten bei den weichen Kredit­be­din­gungen. Diese können selbst­ver­ständlich nicht im Sinne Ihres Instituts sein, da sich damit nur das eigene Risiko erhöht. Und auch auf psycho­lo­gi­scher Basis ist Vorsicht vor zu viel Engagement angesagt: Eine zu große Kontakt­fre­quenz zum Kunden kann leicht als aufdringlich wahrge­nommen werden. Bedenken Sie: Die Unter­nehmer profi­tieren von der aktuellen Markt­si­tuation, also wirken regel­mäßige Anfragen, ob man denn nicht trotzdem einen Kredit aufnehmen möchte, schnell wie blanker Eigennutz.

Unter­nehmer-Versteher sind im Vorteil 

Machen Sie sich auch darauf gefasst, dass Ihre Unter­neh­mer­kunden in der kommenden Zeit viele der Proze­duren, die Sie im Institut zwangs­läufig durch­setzen müssen, nicht vollständig verstehen können. Im schlimmsten Fall macht das die Familien­unternehmer misstrauisch oder gibt ihnen das Gefühl, gegängelt zu werden.

Überlegen Sie sich, was wohl ein Familien­unternehmer mit mehreren Millionen Euro Umsatz im Jahr denkt, wenn er die neue Gewer­be­halle problemlos per Kredit finan­zieren kann, aber beim Kauf einer Eigen­tums­wohnung für sein Kind „regulie­rende“ Steine in den Weg gelegt bekommt (Stichwort Wohnim­mo­bi­li­en­kre­dit­richt­linie [WoKRi]). Machen Sie sich den Blick­winkel des Famili­en­un­ter­nehmers bewusst, um zu wissen, wo es eventuell Erklä­rungs­bedarf geben wird.

Ein Ausweg aus dem Catch-22 der aktuellen Finanzpolitik

Zwischen den Regulie­rungen des BaFin und dem massiven Geldsegen der EZB werden Finanz­dienst­leister heute in eine paradoxe Situation gezwungen: Das Geld ist da, kann aber scheinbar nur an dieje­nigen verteilt werden, die es weder brauchen noch haben möchten. Doch zum Glück gibt es Wege aus der Misere. Für Sie als Finanz­dienst­leister bedeutet das: Die aktuelle Markt­si­tuation ist vertrackt, aber nicht aussichtslos. Finden Sie heraus, wie Sie Kunden, die schon alles haben, noch etwas Gutes tun können, und erkennen Sie, bei welchen „riskanten“ Kunden das Risiko geset­zes­konform und sicher minimiert werden kann. Das mag schwer klingen, doch in einem einge­spielten Team lässt sich das tatsächlich – und messbar – reali­sieren. Getreu dem Motto „AF1®: Alle für einen – Den Kunden!“

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

Keine neuen Artikel mehr verpassen und jetzt kostenfrei das Versteher-Magazin abonnieren!

Teilen Sie dies mit Ihrem Netzwerk:
Xing
LinkedIn
Follow by Email
RSS
Facebook
Twitter
Google+