Erinnern Sie sich noch an Ihre Ausbildung, Ihr Studium, Ihr Volontariat, Ihr Praktikum, Ihre Lehrjahre? Welchen Lebensweg Sie auch eingeschlagen haben: Als Finanzdienstleister ist Ihnen klar, dass Fachwissen die Grundlage eines jeden Jobs ist. Fachwissen, das zielstrebig aufgebaut und über die Jahre gepflegt wird. Doch aus der Erfahrung wissen Finanzberater: Sich nur auf das Fachwissen zu verlassen, kann auch schädlich sein. Für die Arbeit Hand in Hand mit dem Kunden braucht es eben auch Feingefühl. Wissen allein reicht nicht aus, um Eindruck zu schinden.
Fachwissen – und die Fähigkeit, es sinnvoll einzusetzen
Als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) saß ich schon oft Menschen gegenüber, die ich als Best-Seller oder Best-Knower bezeichnen würde. Also einerseits Beratern, die wissen, wie sie ihr Fachwissen dazu einsetzen, ihr Produkt zu verkaufen – und andererseits Menschen, die zwar über tiefes Fachwissen verfügen, es aber nicht effektiv zur Beratung einsetzen.
Warum es diese Best-Knower noch gibt, wenn die Best-Seller doch eigentlich das Ziel der Ausbildung sind, wird einem spätestens klar, wenn man wie ich in bereits über 3000 Coachings direkten Kontakt mit mehreren Generationen von Finanzberatern hatte. Aus dieser Erfahrung kann ich sagen: Fachwissen war noch nie das Problem der Finanzbranche – und darauf können Sie alle auch stolz sein. Hier wird viel Wert auf fachliche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gelegt und ich persönlich habe noch nie einen Berater erlebt, der wirkliche Aussetzer hatte, was das Fachwissen in seinem Bereich angeht.
Doch viele Weiterbildungsmaßnahmen – ob in den eigenen Akademien der Volksbanken und Sparkassen oder bei der internen Weiterbildung in Großbanken sowie in diversen Top-Bildungsinstituten – konzentrieren sich eben fast ausschließlich auf das Vermitteln von Fachwissen. Das ist an sich kein Problem, es ist sogar nur richtig und wichtig, dass dieses Know-how gezielt vermittelt wird. Aber die meisten lehren nur das theoretische Wissen und nicht den „Ernstfall“, der eintritt, wenn der Berater schließlich nach der Weiterbildung wieder direkt beim Kunden vorspricht.
Dann stellt er plötzlich fest: Vieles vom gelernten Fachwissen kann man beim Kunden gar nicht anwenden – zumindest nicht direkt und nicht jeden Tag. Ich empfehle also allen Beratern, sich darüber bewusst zu sein:
- Fachwissen ist dazu da, gezielt eingesetzt zu werden, wenn es benötigt wird.
- Das Erlernen von Fachwissen dient vor allem dazu, sich die „Antennen“ anzueignen, mit denen man sich für bestimmte Signale des Unternehmers sensibilisiert.
Mit anderen Worten: Fachwissen ist nicht dazu da, es über dem Familienunternehmer auszuschütten, frei nach dem Motto eines bekannten Vertriebstrainers: „Fachidiot schlägt Kunden tot“. Vielmehr dient es dem Berater dazu, bestimmte Impulse beim Unternehmer zu erkennen und entsprechend nachhaken zu können. Zu merken, dass man in den einen oder anderen Bereich noch einmal im Gespräch tiefer hineinstoßen sollte, da es hier offenbar Beratungsbedarf gibt. Ohne das entsprechende Fachwissen würden diese Signale unbeachtet bleiben. Allein dazu ist das Know-how bereits essenziell.
Sie müssen das Spiel nicht nur beherrschen – sie müssen es auch lieben!
Fachwissen bringt also viele große Vorteile in der Kundenberatung. Und doch zeigt sich auch bei den Beratern, die meine Coachings und Vorträge besuchen, immer wieder: Fachwissen allein hat noch keinen Kunden überzeugt. Der Kontakt und der Umgang mit Kunden ist wie ein Spiel: Um es spielen zu können, wird ein gutes Verständnis für seine Regeln und Mechanismen vorausgesetzt. Aber um im Spiel wirklich erfolgreich zu sein, dazu braucht es eine echte Liebe zum Spiel!
Nehmen Sie als Beispiel ein Spiel im direkten Wortsinn: den Fußball – „the Game“, wie ihn die Engländer als wichtigstes aller Spiele bezeichnen. Glauben Sie, dass ein Ronaldo, Lewandowski, Neuer oder Messi im Fußball wirklich an der Weltspitze wären, wenn sie nur immerzu Taktiken üben würden, ohne dass ihr Herz bei der Sache ist? Nein, es ist ihre Leidenschaft, die es ihnen erlaubt hat, sich als echte Weltklasse-Spieler zu etablieren. Dieselbe Leidenschaft, die Sie bei Familienunternehmern spüren können, wenn diese auf einer Werksbesichtigung begeistert alle Details der eigenen Firma haarklein erläutern. Diese Leidenschaft ist es, die dafür sorgt, dass ein Berater mit all seinem Fachwissen nach der Frustration eines nicht zustande gekommenen Deals trotzdem die Schultern nicht hängen lässt, sondern weitermacht! Weil er Lust auf den Deal hat, auch wenn der vielleicht noch etwas länger braucht. Und ich bin mir sehr sicher, dass so mancher Sportheld oder manche Sportheldin auch nicht begeistert ist von der Vielzahl an Regeln und Vorschriften, die einzuhalten sind. Auch das – in Ihrem Falle die Bürokratie und Regulierungen – gehört dazu.
Eine intrinsische Motivation für die eigene Arbeit ist mindestens genauso wichtig wie das sichere Beherrschen aller relevanten Fachinformationen. Oder, um es mal wie Jürgen Klopp zu sagen: Fußballspielen kann man jedem beibringen – aber was die Spieler haben müssen, ist Bock zu kicken. Werfen Sie noch mal einen Blick auf meinen Artikel zur Erfolgsformel. Sie werden feststellen: Die „Begeisterung“ ist nicht aus purem Zufall ein fester Bestandteil dieser Rechnung.
Konzentrieren Sie sich auf die Fähigkeiten, die Sie beim Kundenkontakt benötigen
Wenn es um Fachwissen geht, heißt die Devise nicht: So viel lernen wie möglich. Sie heißt: So viel lernen wie nötig, um sich bei denjenigen Themen auszukennen, die Unternehmerkunden wirklich bewegen. Und genug Empathie mitbringen, um sich in die Kunden einzudenken und die jeweils passenden Fachinformationen hervorzuholen. Dazu kommt noch der wichtige Blick über den eigenen (Fach-)Tellerrand hinaus. Denn nur mit den richtigen Antennen kann man als Allrounder die Spezialistenkollegen perfekt einsetzen.
Dirk Nowitzki schreibt in seiner Biografie sinngemäß: Man kann alles über Fledermäuse lesen, aber man wird sich nie wie eine fühlen, da man ja keine Fledermaus ist. So ähnlich sieht es im Verhältnis von Finanzberatern zu Unternehmern aus. Doch der wichtigere Punkt ist: Man muss auch keine Fledermaus sein, um sie nachvollziehen zu können. Klopp war auch nie ein Weltklasse-Spieler, die Führungskraft muss nicht der beste Vertriebler sein und – überspitzt formuliert – ein Polizei-Profiler braucht auch kein Massenmörder zu sein, um sich in einen solchen hineinzudenken.
Empathie, echtes Interesse und Wissensdurst sind entscheidend – eben die Fähigkeit, das Spiel zu lieben. Und es auch zu lieben, wenn vielleicht der Unternehmer selbst mal wie ein „Fachidiot“ über seine Branche doziert, da man weiß, dass man durch seine Kunden insgesamt viele wertvolle Informationen zu 20 oder 30 unterschiedlichen Branchen bekommt und so seinen Horizont erweitert. Wer diese Leidenschaft für seine Arbeit mitbringt, der kommuniziert dem Unternehmer mehr als nur blankes Fachwissen. Unternehmer merken, ob man wirklich mit Spaß bei der Sache ist oder das Interesse für die Firma nur vorgaukelt.
Und genau deshalb ist Fachwissen zwar ein wichtiger Stützpfeiler der Arbeit im Finanzbereich. Doch es ist eben nur einer von zwei Stützpfeilern. Nur wenn Wissen und Leidenschaft gemeinsam auf festem Fundament stehen, können Sie als Berater die bestmögliche Beratung liefern, die entsprechenden Erträge erzielen und Ihrem Institut den einen oder anderen großen Neukunden bescheren.
Gerade den erfahrenen Lesern unter Ihnen möchte ich zum Schluss gerne noch zurufen: Erinnern Sie sich bitte mal daran, warum Sie unbedingt das werden wollten, was Sie nun sind. Sei es Firmenkundenberater, Private Banker bzw. Vermögensberater, Family Officer, freier Berater oder auch Spezialist im Zahlungsverkehr, Auslandsgeschäft, Leasing oder in Versicherungen. Was treibt Sie wirklich an, jeden Morgen aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen? Geld allein wird es wohl nicht sein, oder? Ich glaube, es ist Ihre Lust auf diese außergewöhnlichen Menschen, die Unternehmerinnen und Unternehmer. Diese Lust zu sehen, wie Dinge gebaut werden. Und dass Ihr eigenes Arbeitsleben doch eigentlich eine tolle Mischung aus Sesamstraße, Sendung mit der Maus, Löwenzahn und anderen Sendungen im TV sowie auf YouTube oder anderswo ist. Vermutlich werden nur wenige Ihrer Freunde und Bekannten solche tiefen Eindrücke in die Welt von gestern, morgen und übermorgen bekommen – und das fast täglich!
Zu guter Letzt ein Tipp: Schreiben Sie 5 bis 10 positive Dinge Ihres Jobs einmal auf einen Zettel. Diesen Zettel legen Sie stets griffbereit zur Seite (oder nehmen ihn mit in den Urlaub ;-)). Und immer, wenn es knirscht im Tagesgeschäft, nehmen Sie diesen Zettel hervor und schauen drauf. Ich bin mir sicher, Ihre Laune wird besser.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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