Wie jedes Frühjahr stehen auch 2021 wieder die Jahres­ge­spräche zwischen Familien­unternehmen und Finanz­in­sti­tuten ins Haus. Und wie jedes Jahr habe ich mich als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) auch diesmal wieder mit Unter­neh­mer­kli­enten getroffen, die sich vorab mit mir über die anste­henden Gespräche berat­schlagen möchten. Bei einem dieser Gespräche ging es vor allem um die wichtige Frage des Control­lings und der Daten­er­fassung, denn der Familien­unternehmer hatte von seiner Bank eine Liste mit Kennziffern erhalten, über die man sich gerne unter­halten wollte. Und der Unter­nehmer fragte sich nicht ganz zu Unrecht: Braucht es das wirklich?

Daten sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage

Dazu möchte ich gleich zu Beginn sagen: Das Controlling und die Erhebung von Daten sind extrem wichtige Werkzeuge, sowohl für Privat­un­ter­nehmen als auch für Finanz­in­stitute. An dieser Tatsache möchte ich auch gar nicht rütteln, denn ohne fundierte Daten sind nun mal keine strate­gi­schen Entschei­dungen möglich – und daraus ableitend auch keine opera­tiven. Und stellen Sie sich vor, es wurden auf einer dieser beiden Ebenen falsche Entschei­dungen getroffen. Dann ist ein Gegen­lenken nur noch auf Basis reprä­sen­ta­tiver Daten möglich. Fehlen diese Daten, lässt sich die falsche Entscheidung nicht mehr sinnvoll korri­gieren – und das kann fatal für Firmen und letzt­endlich auch für den Kredit­geber sein.

Die Daten­er­hebung ist also ein wichtiges Kontroll­in­strument. Doch im Gespräch mit unserem IFUF-Klienten stellten wir beide schnell fest: Als Unter­nehmer konzen­trieren wir uns vor allem auf eine Kennzahl: EBITDA. Das Finanz­in­stitut wollte jedoch einen ganzen Wust an zusätz­lichen Daten von ihm. An dieser Stelle kam das Gespräch auf Corona, denn auch in der Pandemie werden bekanntlich die wildesten Kennziffern gemessen und ausge­wertet. Das brachte uns wiederum darauf, dass durch die verän­derten Ernäh­rungs- und Sport­ge­wohn­heiten der Menschen im Lockdown auch ganz persön­liche Kennzahlen wie das Gewicht für die perfekte Sommer­figur 2021 in statis­tische Regionen verschoben wurden, die eigentlich nicht reprä­sen­tativ für unser Leben sind.

Uns fiel dann der alte Unter­neh­mer­spruch ein: „Durch Controlling und Statistik allein wurde noch nie ein einziger Euro Ertrag erzielt!“ Wir wurden uns schnell einig, dass das Controlling natürlich nicht vernach­lässigt werden darf. Immerhin ist es für die Vertriebs­er­geb­nisse unerlässlich, sowohl für Finanz­in­stitute als auch für Familien­unternehmen. Doch was ist mit der Tiefe und Frequenz der Datenerhebung?

Wie viel Controlling ist wirklich sinnvoll?

Schauen Sie noch in die Corona-Statis­tiken? Mein persön­licher Eindruck, auch nach Gesprächen mit Unter­nehmern und Finanz­dienst­leistern (vom Berater, über Controlling / Vertriebs­steuerung bis zum Vorstand), ist eher, dass die Menschen ihnen kaum noch Beachtung schenken. Und die Frage nach dem Warum ist leicht beant­wortet: Weil die tägliche Dosis an Daten und Fakten längst nicht mehr zu einem Gefühl von Trans­parenz und Erkenntnis führt, sondern aufgrund der großen Daten­fülle eher zu:

  • Verwirrung und Verunsicherung 
  • Aggres­si­vität und Trotzhaltungen 
  • Gleich­gül­tigkeit  

Diese Verhal­tens­weisen beobachten wir nicht nur in der Pandemie, sondern auch im Geschäfts­leben: Zu viel Reporting kann den entspre­chenden Stellen im Unter­nehmen schnell über den Kopf wachsen. Irgendwann sieht man das gesamte Controlling nur noch als lästige Pflicht­arbeit an. Und an die Ergeb­nisse bezie­hungs­weise die daraus resul­tie­renden Handlungs­emp­feh­lungen hält man sich dann gar nicht mehr. Um das Beispiel der Sommer­figur erneut aufzu­greifen: Wer täglich Gewicht, Body-Mass-Index und Körper­fett­anteil misst bezie­hungs­weise errechnet – noch dazu, ohne die Tagesform und die äußeren Einflüsse durch die Lockdown-Einschrän­kungen zu berück­sich­tigen –, der gibt womöglich irgendwann entnervt auf, wenn zum Beispiel mal keine deutliche Verbes­serung zum Vortag erkennbar ist. Das ist vergleichbar mit dem Druck, den Vertriebler spüren, wenn ihr Institut damit beginnt, extrem kurzfristige Reporting-Rhythmen einzu­führen – in der Hoffnung, jederzeit ein verläss­liches Bild der Gesamtlage zu haben – und dabei das Folgende vernachlässigen:

  • Vision, Ziel und Plan zu haben: d. h. sowohl über sich selbst Bescheid zu wissen, als auch die Pläne und Ziele des Kunden zu verstehen.
  • Nachhaltig dranzu­bleiben und regel­mäßig mit Augenmaß einen Ist-Soll-Abgleich durchzuführen.

Ziele setzen!

Wichtig für die Akzeptanz der erhobenen Daten ist außerdem, dass diese genauso wie die aus ihnen resul­tie­renden Entschei­dungen für alle nachvoll­ziehbar sein sollten, die davon betroffen sind. Genauso wichtig ist es für jeden einzelnen Betrof­fenen, das Ziel klar vor Augen zu haben: Wann ist meine Leistung ausrei­chend? Wann ist ein Erfolg erreicht? Für die Corona-Pandemie wäre das zum Beispiel die Herden­im­mu­nität, beim Sport wäre es mit dem Ziel Sommer­figur 2021 das Wunsch­ge­wicht oder die Meister­schaft in der Fußballbundesliga.

Viele Unter­nehmen und Institute tun sich jedoch schwer, Ziele zu definieren, die so klar und sinnvoll sind, dass sie von jedem nachvoll­zogen werden können, erreichbar sind und das Reporting für jeden Einzelnen sinnvoll machen. Solche Ziele sollten auf allen Ebenen etabliert werden: Nicht nur der Berater sollte sich fragen, wann er erfolg­reich ist, auch die Führungs­kraft braucht eine klare Richt­linie, ab wann sie erfolg­reich ist.

Es ist also notwendig, quanti­tative und quali­tative Ziele zu definieren. Und bei denen gilt dann das Motto: Miss es oder vergiss es! Beim Erreichen der Sommer­figur wäre das quanti­tative Ziel ein fest definiertes Körper­ge­wicht, das quali­tative Ziel eine dazu passende Optik. Bei der Beratung von Familien­unternehmen und Unternehmer­familien wäre das quanti­tative Ziel der Ertrag, also der Deckungs­beitrag, das quali­tative Ziel hingegen eine reprä­sen­tative Beratungs­qua­lität. Hier wird auch ersichtlich, dass quanti­tative Ziele tenden­ziell einfach zu identi­fi­zieren sind. Quali­tative Ziele erfordern wiederum ein großes Maß an Erfahrung und Know-how, sowohl was die Definition als auch die Messung angeht (Ab wann ist denn die Qualität der Beratung hoch genug?).

Am Ende zählt, was hinten rauskommt!

Ich selbst habe viele Jahre als Finanz­be­rater gearbeitet, danach habe ich das IFUF gegründet und bin seitdem Unter­nehmer. Glauben Sie mir: Mit solch einer Vita haben Sie in Ihrem Leben alles schon mal in eine Statistik gepackt, vom persön­lichen Monats­budget über sport­liche Leistungen bis zur Unter­neh­mens­führung. Das läuft bei mir dann erfah­rungs­gemäß so ab:

  • Begeis­terung für die Messbarkeit und die dadurch heraus­les­baren Informationen
  • Übertreiben der Daten­er­hebung und Ausufern in immer neue Kennziffern
  • Besinnung auf die quali­ta­tiven Ziele und willent­liche Beschränkung auf die wichtigsten quali­ta­tiven und quanti­ta­tiven Daten

Denn zumindest bei mir kommt irgendwann immer der Punkt, an dem ich erkenne, dass unter all den Daten letztlich nur das zählt, was hinten rauskommt: Beim persön­lichen Gewicht geht es darum, mehr Kalorien zu verbrennen, als man aufnimmt; im Sport muss man mehr Punkte erzielen als der Gegner… und im Unter­nehmen gilt: Weniger ausgeben als einnehmen!

Mit anderen Worten: Daten­er­hebung und Controlling ist gut, aber das darf nicht davon ablenken, dass in der Beratung von Famili­en­un­ter­nehmern und Unternehmer­familien großes Augenmaß gefragt ist, sowohl in Bezug auf die Infor­ma­tionen, die man vom Kunden haben möchte, als auch intern in der Vertriebsstatistik.

Ich habe in der Vergan­genheit immer wieder über den Begriff „Beloh­nungs­auf­schub“ gesprochen. Und dieser wird auch hier wieder wichtig, denn unter erhöhtem Abschluss­druck dürfen die Institute nicht vergessen, dass es lange und beständige Arbeit am Kunden erfordern kann, um echte Erfolge zu erzielen. Wer hier nur auf die erhobenen Perfor­mance-Daten schaut, übersieht leicht, dass am Ende einer Durst­strecke die heiß ersehnte Oase liegen kann. Wenn der Berater auf einem Markt der gleich­artig wirkenden Finanz­pro­dukte seine Zeit darin inves­tiert, beim Kunden einen emotio­nalen Wohlfühl­faktor zu etablieren, dann kann dies die Kennzahlen vorüber­gehend negativ beein­flussen. Wer dann gleich die Notbremse zieht, weil er nur auf die blanken Zahlen schaut, der verbaut sich mögli­cher­weise die Gelegenheit, in Zukunft die Früchte der Vorarbeit des Beraters zu ernten (Tipp: Schauen Sie auch gerne hier in den Artikel nach der Erfolgs­formel für nachhaltige Top-Ergeb­nisse). Ein Unter­nehmer wird für die Finan­zierung der Gewer­be­halle nicht einfach dem erstbesten Institut den Zuschlag erteilen. Dazu braucht es mitunter jahre­lange Vorarbeit. Das betrifft im Übrigen alle Vertriebseinheiten:

  • Im Zahlungs­verkehr kann es sein, dass der Unter­nehmer erst langatmig intern für Ordnung sorgen muss, bevor er aufspringt. 
  • Für Versi­che­rungen haben Top-Unter­nehmer typischer­weise bereits Top-Berater. Und es kann lange dauern, sich an deren Stelle beim Unter­nehmer zu etablieren. 
  • Im Auslands­ge­schäft sind auch viele interne Schritte zu erledigen, bis man den Anbieter wechselt oder den Kreis der Partner erweitert.
  • Und im Private Banking muss zunächst viel Vertrauen aufgebaut werden, da es um das persön­liche Vermögen geht. 

Alle diese Punkte sind von zentraler Bedeutung für den Erfolg beim Kunden und dennoch kann keiner von ihnen in einer reinen Statistik Ausdruck finden.

Ohne Daten geht nichts – aber Augenmaß muss sein!

Wir leben nicht nur in einer Leistungs­ge­sell­schaft (Tun wir das eigentlich wirklich?), sondern vor allem in einer Ergeb­nis­ge­sell­schaft. Und damit die Ergeb­nisse stimmen, müssen sich Vertriebler konti­nu­ierlich messen lassen, sodass gegebe­nen­falls Kurskor­rek­turen vorge­nommen werden können. So hart es klingen mag: Wer damit nicht umgehen kann, der ist vielleicht in einer anderen Position im Unter­nehmen oder Institut besser aufgehoben.

Gleich­zeitig muss aber auch erkannt werden, dass selbst die notwendige Messung von Daten und Kennzahlen ihre Grenzen haben sollte. Denn Infor­ma­tionen zu beschaffen, ist in unserer heutigen Welt keine Heraus­for­derung mehr – den Infor­ma­ti­ons­über­fluss zu verstehen und auf die wichtigsten Daten herun­ter­zu­brechen, das ist die zentrale Heraus­for­derung unserer Zeit. Und: die richtigen Infor­ma­tionen zum richtigen Zeitpunkt in eine korrekte Entscheidung einfließen zu lassen. Das schaffen nur Profis – Menschen, die mit Herz, Leiden­schaft, Erfahrung und großer Resilienz voran­gehen. Deshalb wünsche ich allen Lesern tolle Gespräche mit faszi­nie­renden Unter­nehmern und die nötige Resilienz, um sich von gelegent­lichen Rückschlägen nicht unter­kriegen zu lassen. Lernen Sie daraus und gehen Sie weiter mit Leiden­schaft voran, dann spiegelt sich der Erfolg bald sowohl in Ihren Kennzahlen als auch in Ihrem wohlver­dienten Lohn.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

Keine neuen Artikel mehr verpassen und jetzt kostenfrei das Versteher-Magazin abonnieren!

Teilen Sie dies mit Ihrem Netzwerk:
Xing
LinkedIn
Follow by Email
RSS
Facebook
Twitter
Google+