Die voran­schrei­tende Digita­li­sierung stellt nicht nur Familien­unternehmen vor neue Heraus­for­de­rungen – auch auf persön­licher Ebene muss jeder Einzelne von uns für sich selbst einen Weg finden, mit den neuen Techno­logien im Alltag umzugehen. Und genau, wie Unter­nehmen manchmal im Strom des digitalen Fortschritts übersehen, was für sie wirklich zählt, kommt es auch vor, dass wir als Einzel­per­sonen manchmal den Blick auf unser Gegenüber verlieren, wenn wir selbst zu tief in die digitale Sphäre einge­taucht sind. Ein wunder­bares Beispiel dafür habe ich erst vor Kurzem wieder bei einer Management-Bespre­chung in einem Familien­unternehmen erlebt.

Ablenkung beim Management-Gespräch 

Mit dem Familien­unternehmen, bei dem ich vor Kurzem diese Bespre­chung besuchen durfte, arbeite ich als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) schon seit vielen Jahren vertrau­ensvoll zusammen. Wie jedes Jahr hatte ich auch diesmal wieder ein detail­liertes Review-Gespräch mit dem Unter­nehmer an der Spitze des Konzerns, als dieser mich fragte, ob ich denn nicht auch bei der Management-Bespre­chung im Anschluss dabei sein wolle. Der Familien­unternehmer selbst war lange im Ausland gewesen und war in dieser Zeit bei den Management-Bespre­chungen von seinem kaufmän­ni­schen Leiter vertreten worden. Doch heute wollte er zum ersten Mal wieder teilnehmen. Ich war sehr inter­es­siert und begleitete ihn natürlich gerne.

In der Bespre­chung fiel mir dann sofort auf, wie sehr die Digita­li­sierung unter den Managern schon Fuß gefasst hatte: Keiner von ihnen hatte mehr einen Notiz­block vor sich. Statt­dessen schrieben sie auf Tablets mit. Eigentlich keine schlechte Idee, sollte man meinen. Doch schnell merkte ich, dass der neue Vertriebschef, der vor knapp 4 Monaten seinen Einstand gefeiert hatte, sich nicht nur Notizen auf dem Tablet machte – er kümmerte sich auch um seine E‑Mails und überprüfte seine WhatsApp-Nachrichten, während um ihn herum seine Kollegen sprachen. Eine Gewohnheit, die das iPad ganz schnell zum Gesprächs­killer werden lässt, wie bereits in der Vergan­genheit in einer Tandem-Bespre­chung beim Kunden festge­stellt.

Dem Unter­nehmer war das auch aufge­fallen. In der ersten Pause nahm er den Vertriebschef schließlich beiseite und sprach ihn auf die Situation an. Er erklärte dem Vertriebschef, dass dieses Verhalten nicht von Respekt gegenüber seinen Kollegen zeugte. Der Vertriebschef war zunächst abwehrend und meinte, er mache das schon seit Jahren so und es sei ja nicht respektlos gemeint. Offenbar war ihm selbst nicht bewusst, wie sein abgelenktes Verhalten auf seine Kollegen wirken musste. Der Unter­nehmer verstand das schnell und bat ihn, sich einfach mal in die Position seiner Kollegen hinein­zu­ver­setzen. Wie würde er sich fühlen, wenn er einen wichtigen Redebeitrag leistete, während seine Kollegen nur abgelenkt auf ihre Bildschirme starrten und darauf herumtippten?

Der Vertriebschef war dann schnell einsichtig und stellte wohl auch selbst fest, dass der Gebrauch der digitalen Kommu­ni­ka­ti­ons­struk­turen für ihn so natürlich geworden war, dass er den Blick darauf verloren hatte, wie das ständige, abgelenkte Tippen auf seine Kollegen wirken musste. Inter­es­san­ter­weise nahm der Unter­nehmer später, nach der Bespre­chung, auch noch seinen kaufmän­ni­schen Leiter beiseite und fragte ihn, wie er die Situation denn empfunden hatte. Und der kaufmän­nische Leiter musste in diesem Moment zugeben, dass er selbst auch manchmal während Bespre­chungen seine E‑Mails prüft, ohne sich über die Außen­wirkung im Klaren zu sein.

Selbst­re­flexion und klare Regeln 

In der Folgezeit wurde auch dem Rest des Manager-Zirkels klar, dass es Spiel­regeln für den Umgang mit digitalen Kommu­ni­ka­ti­ons­mitteln während der Gespräche geben musste, um einen respekt­vollen Umgang mitein­ander sicher­zu­stellen. Und so wurden bald explizite Regeln einge­führt. Heute werden in dem Familien­unternehmen vor der Bespre­chung Handys und Smart­watches in einen Korb gelegt, um sie gar nicht mit an den Tisch zu nehmen. Und bei Tablets und Laptops, die für die Bespre­chung wichtig sind, werden die Benach­rich­ti­gungen ausge­stellt. So muss sich auch niemand gedrängt fühlen, vielleicht doch mal – nur für eine Sekunde – nachzu­sehen, ob die Mail, die gerade reinkam, wirklich wichtig war.

Dieses Erlebnis hat mir einmal mehr vor Augen geführt, wie bedeutend es ist, sich trotz der voran­schrei­tenden Digita­li­sierung mit zwischen­mensch­lichem Respekt zu begegnen. Und es hat mich dazu inspi­riert, Sie heute auf diese Heraus­for­derung aufmerksam zu machen, die man manchmal vielleicht gar nicht selbst erkennt. Prüfen Sie doch einfach mal bei sich selbst, in Ihrem Unter­nehmen oder Institut, wie sich Ihre Kollegen verhalten. Und vor allem: Schauen Sie sich auch selbst mal auf die Finger – checken Sie vielleicht auch regel­mäßig Ihre WhatsApps und E‑Mails während Bespre­chungen? Und wie glauben Sie, wird dies von Ihren Kollegen – oder von Ihren Mitar­beitern, wenn Sie Vorstand oder Führungs­kraft sind – wahrgenommen?

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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