Das Jahr 2021 mag für viele von uns mit neuen Heraus­for­de­rungen begonnen haben. Doch zumindest ein mir bekannter Unter­nehmer kann sich vorerst über einen echten Geldsegen freuen: Einer der langjäh­rigen Mandanten des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF), mit dem ich in meiner Funktion als Gründer und Geschäfts­führer in den letzten Wochen mehrere Gespräche hatte, steht zurzeit vor dem Teilverkauf seines Unter­nehmens. Nach Steuern wird er sich also bald über einen dreistel­ligen Millio­nen­betrag freuen können. Doch nun fragt er sich: Was mache ich mit dem Geld eigentlich? Und im Zuge dessen ist mir einmal mehr aufge­fallen, wie viele Unter­nehmer gar nicht so richtig wissen, wo zwischen Family Office, Wealth Management, Private Banking und Co. eigentlich der Unter­schied liegt – welche Optionen sie haben und welche Fragen vorher noch geklärt werden müssen.

Die Qual der Wahl

Den Unter­nehmer begleiten wir beim IFUF schon seit Jahren und somit auch während des M&A‑Prozesses, weshalb der Teilverkauf für mich nicht überra­schend kam. Ich wusste auch, dass er sich in dieser Zeit bereits mit diversen Anbietern getroffen hatte, um sich ein Bild davon zu machen, was er mit dem Gewinn aus dem Teilverkauf so alles machen konnte. Doch irgendwann muss er dann den Überblick über all die unter­schied­lichen Optionen verloren haben. Da er wusste, dass ich mich als Referent, Seminar­leiter und Trainer auch tief in der Finanz­dienst­leis­tungs­branche bewege, bat er mich also darum, ihm einmal die Unter­schiede aufzuzeigen.

Wir sprachen also in den letzten 14 Tagen lange und intensiv über die unter­schied­lichen Möglich­keiten der Geldanlage für den Verkaufs­erlös seiner Firma. Und diese Gespräche haben mir ins Gedächtnis gerufen: Die Frage „Wohin mit dem Geld?“ ist tatsächlich gar nicht so einfach zu beant­worten. Als Finanz­dienst­leister blickt man bei all den unter­schied­lichen Möglich­keiten vielleicht noch durch, denn man beschäftigt sich ja haupt­be­ruflich damit. Doch für Unter­nehmer bleiben oft viele Fragen offen.

Aus diesem Grund möchte ich im Folgenden zusam­men­fassen, welche konkreten Fragen im Gespräch mit unserem Mandanten aufge­kommen sind. Was beschäftigt so einen Unter­nehmer überhaupt und welche generellen Themen müssen vielleicht noch geklärt werden, bevor er überhaupt etwas mit dem Kapital anstellt? Gern nehme ich Sie mit hinter die Kulissen dieser Unter­neh­mer­ge­spräche und lasse Sie daran teilhaben. So können Sie einen Einblick über – mitunter kritische – Fragen, Themen und getätigte Aussagen bekommen, die auch Ihre (Ziel-)Kunden haben.

Welche Möglich­keiten bestehen überhaupt?

Die grund­le­gende Frage jedes Unter­nehmers in einer ähnlichen Situation, wie es unser Mandant ist, lautet zunächst: Welche Anbieter gibt es überhaupt, an die man sich wenden könnte? Bereits hier zeigt sich eine enorme Menge an Wahlmög­lich­keiten, deren Unter­schiede nicht immer offen­sichtlich sind:

  • Single Family Office (SFO)
  • Multi Family Office (MFO)
  • Single Family Office mit Multi-Family-Öffnung
  • Univer­salbank
  • Regio­nal­in­stitut (z.B. Sparkasse, Volksbank etc.)
  • Regio­nal­in­stitut oder kleine Privatbank
  • Privat­bankier
  • Auslän­dische Bank mit deutscher Nieder­lassung (z.B. BNP, Goldman Sachs etc.)
  • Freier Vermö­gens­be­rater/-verwalter oder Beratungs-Boutiquen
  • AWD/MLP/DVAG
  • Versi­cherung
  • Große Steuer­kanzlei (PWC, Ernst & Young etc.)

Diese Vielzahl an möglichen Ansprech­partnern bietet wiederum unter­schied­liche finan­zielle Bausteine an. Daraus ergibt sich für den Unter­nehmer zwangs­läufig die Frage, wie sich diese Angebote unter­scheiden: Was machen Single Family Offices anders als Multi Family Offices? Welche Vor- und Nachteile haben Wealth Management (Affluent), Premium Banking, Private Banking oder Vermö­gens­ma­nagement etc.? Und wo liegen die Unter­schiede bei der Umsetzung:

  • Volumina (z.B. wo ist der Übergang vom Private-Banking-Kunden zum Wealth Management? Und warum eigentlich genau „ab Summe X“?)
  • Deckungs­bei­träge
  • Komple­xi­täten
  • Wie wird Beratungs­bedarf gehandhabt?
  • Wie viele Kunden betreut jeder Berater?
  • Wie sieht der strate­gische Ansatz aus (liquide Assets, Gesamt-Assets, steuer- oder rechts­be­ra­tungs­lastig etc.)?

All diese Fragen lassen sich leider nur im spezi­fi­schen Einzelfall beant­worten, denn national oder inter­na­tional einheit­liche Standards bezüglich der Angebote und deren Spezifika gibt es nicht. Die Komple­xität bei der Auswahl eines Partners beginnt für den Unter­nehmer also bereits damit, nach welchen Kriterien Kunden bei den jewei­ligen Anbietern in einzelne Kunden­seg­mente einge­teilt werden. Oder ob überhaupt Segment­reinheit besteht oder Kunden unter­schied­licher Arten zusammen betreut werden (z.B. Erben und aktive Unter­nehmer im selben Segment, solange der Deckungs­beitrag übereinstimmt).

Wo liegt der Mehrwert für den Unternehmer?

Während unserer Gespräche ist unserem Unter­nehmer-Mandanten schnell aufge­fallen, dass seine Fragen zwar ganzheitlich ausgelegt waren, die dazu passenden Angebote jedoch eher wertpa­pier­lastig waren oder sich auf die Buchhaltung der liquiden Mittel beschränkten. M&A‑Angebote werden zwar oft mit Depot-Anlagen kombi­niert, dann aber oft nur via Fonds/ETF/Zertifikate.

Und über dieses Thema kamen wir schließlich auf eine Frage, die für den Unter­nehmer besonders wichtig war: Wo liegt eigentlich der Mehrwert? Nehmen wir als Beispiel eine 100.000-Euro-Aktienanlage zu 1 % Trans­ak­ti­ons­pro­vision. Davon erhält das beratende Institut also 1.000 Euro Provision. Bei 1.000.000 Euro würden wiederum 10.000 Euro Trans­ak­ti­ons­pro­vision fällig. Und der Unter­nehmer fragte sich (nicht zu Unrecht), warum er denn die zehnfache Provision zahlen müsse, nur weil der Berater am Computer eine „0“ mehr eintippt.

Gleiches gilt für die Vergütung laufender Dienst­leis­tungen: Wenn die Struktur des Vermögens einmal sauber erstellt wurde, also alle Infor­ma­tionen (die sich typischer­weise bei einem sehr hohen Prozentsatz der Unter­nehmer nicht ständig wieder ändern) in die passenden Tools einge­tragen wurden, warum muss der Unter­nehmer dann regel­mäßig für diese Leistung zahlen? Zumal Depots, die Fonds/ETFs und Zerti­fikate beinhalten, ja grund­sätzlich sehr statisch sind und kaum regel­mäßig gepflegt werden müssen.

Spezi­fisch fragte der Unter­nehmer hier auch nach Multi-Banking-Tools. Seiner Erfahrung nach wird in diesen in erster Linie das liquide Vermögen aktua­li­siert, nicht aber unbedingt Immobilien und andere Werte. Er fragte sich demnach natürlich: Wenn die Werte doch ohnehin sehr statisch sind, das liquide Vermögen praktisch automa­tisch aktua­li­siert wird und er als Kunde jederzeit ins Reporting schauen kann, worin liegt dann die Leistung des Anbieters im Allge­meinen und des Beraters im Spezi­ellen? Natürlich, das Aufsetzen der Tools und das Einpflegen und Struk­tu­rieren der Werte kosten Zeit und Geld. Aber danach? Warum muss er Premium-Preise für etwas zahlen, was gefühlt kein Premium ist?

Wie sieht es mit den Volumina aus?

Viele Finanz­dienst­leister orien­tieren sich natur­gemäß an den Volumina, die Kunden an den Tisch bringen. Doch was bedeutet das aus Sicht des Unter­nehmers? Kann dieser es wirklich nachvoll­ziehen, wenn ein höheres Volumen direkt mit höheren Kosten einhergeht, auch wenn kein höherer Aufwand ersichtlich ist – wie im letzten Beispiel besprochen? Und wie fühlt sich der Kunde, wenn er beispiels­weise eine Entnahme bei der Firma macht, dadurch sein Volumen erhöht und plötzlich sein bekannter und einge­ar­bei­teter Berater durch einen neuen ersetzt werden soll, obwohl sich an seiner Situation nichts funda­mental geändert hat?

Auch im Bereich der Poten­ziale gibt es wichtige Fragen zu klären: Wenn der Unter­nehmer bereits im Wealth Management beim Institut ist, aber nicht sein gesamtes Volumen beim Institut hat (und vielleicht auch gar nicht vorhat, alles auf eine Karte zu setzen), bekommt er dann weiterhin den vollen Service? Und wenn ja, wie lange? Anders herum: Wenn der Unter­nehmer den vollen Betrag leistet, aber mitbe­kommt, dass andere Kunden mit weniger die gleichen Services erhalten, dann kann dies zu großer Unzufrie­denheit beim Kunden führen. Hier erwarten Unter­nehmer, dass man mit klaren Regeln spielt.

Welche Aufgabe haben die Berater überhaupt?

Eine spezi­fische Frage, die mir der Unter­nehmer stellte, überraschte mich besonders, denn sie zeigt, dass er sich mental in die Situation der Finanz­in­stitute hinein­ver­setzt hatte. Er fragte: Wenn alles gut struk­tu­riert, geplant und umgesetzt ist, was macht dann eigentlich noch der Berater? Sein Arbeits­aufwand sinkt dann ja drastisch, denn die Parameter (Geschäfts­modell, Umfeld etc.) des Geschäfts mit den Familien­unternehmen ändern sich selten. Noch dazu werden Entschei­dungen insbe­sondere bei größeren Volumina und höherer Komple­xität automa­tisch stärker sachbe­zogen. Auch wenn also zu Beginn eine emotionale Verbindung zum Berater nützlich sein kann, geht es in der Umsetzung doch nur noch um die Sache an sich. Insbe­sondere bei größeren Familien­unternehmen geht es in erster Linie immer um den Erhalt der Vermö­gens­werte, die Absicherung, Rechts­si­cherheit, funktio­nie­rende Struk­turen sowie Rendite-Risiko-Verhält­nisse. Und wie kann der Berater hier noch von Nutzen sein?

Der Unter­nehmer brachte mir gegenüber folgende Überlegung an (diese hat er von seinen eigenen „Key-Accountern“ adaptiert, da diese sich in der gleichen Situation befinden, wie die TOP-Berater in Finanz­in­sti­tuten): Wenn der Berater also ab einem gewissen Punkt haupt­sächlich als Sparrings­partner, Impuls­geber und Koordi­nator fungiert, womit verdient dann das Institut eigentlich sein Geld? Typischer­weise doch nur mit Buchhaltung (die dank digitaler Lösungen oft automa­ti­siert abläuft), der Abwicklung der Geschäfte und dem Verkaufen von Finanz­pro­dukten. Der Unter­nehmer meinte also, dass am Ende der Beratung doch für das Institut immer nur das Ziel stehen könne, die eigenen Produkte zu verkaufen – was hat er davon? Schwatzt ihm das Institut da vielleicht etwas auf, was er gar nicht braucht? Und sind diverse andere Zusatz­leis­tungen wirklich von Wert für ihn?

  • Extra-Leistungen wie Personal Assistants oder Concierge-Services braucht er nicht wirklich, denn er hat bereits eigenen Leute und Partner in dieser Funktion.
  • Verbin­dungen, um beispiels­weise die Kinder in Elite-Unis unter­zu­bringen, hat er ebenfalls selbst ausreichend.
  • Nette Boni wie exklusive Eintritts­karten sind zwar schön, sofern sie für den Unter­nehmer sonst nicht zu haben sind. Aber ist das wirklich die Aufgabe einer Bank?

Für den Unter­nehmer ist es also wichtig, die bestmög­liche neutrale Beratung und die besten Produkte zu erhalten. Das bedeutet natürlich nicht, dass man als Institut zwingend eine offene Produkt­ar­chi­tektur anbieten muss. Es würde ja auch niemand von einem BMW-Händler erwarten, Audis ins Sortiment aufzu­nehmen. Bei der Finanz­be­ratung geht es also darum, eine kleine, aber durch­dachte Auswahl anzubieten, die spezi­fisch auf die Bedürf­nisse des Unter­nehmers eingeht, und über eine Beratung von Mensch zu Mensch den subjek­tiven Wohlfühl­faktor herzu­stellen, anstatt nur die Produkte zu verkaufen, die gerade verkauft werden müssen. Andern­falls schrecken die Unter­nehmer nur vor dem Angebot zurück und lassen am Ende alles so, wie es ist.

Haben Sie eigene Antworten auf diese Fragen?

Sie als Finanz­dienst­leister haben nun einen Einblick erhalten, welche Fragen einen Unter­nehmer beschäf­tigen, wenn er sein Geld anlegen möchte. Nun liegt es an Ihnen, zu definieren: Wie beant­worten wir diese Fragen? Was hebt uns von Konkur­renten ab, die eben keine Antworten auf diese Fragen haben?

Viele Finanz­dienst­leister glauben, dass es ausreicht, „nah am Kunden“ zu sein. Doch sind Sie wirklich nah genug dran, um Fragen, wie unser Unter­nehmer sie hatte, zu antizi­pieren und im Vorhinein beant­worten zu können? Nutzen Sie Ihre Position nah am Kunden wirklich strate­gisch und geben Sie die entspre­chenden Infor­ma­tionen frühzeitig an Ihre Kollegen weiter? Beraten Sie den Unter­nehmer dann sogar aktiv im Verkauf, beispiels­weise durch gute Jahres- und Strate­gie­ge­spräche auf Firmenkunden-Seite?

Falls Sie diese Fragen nicht klar beant­worten können, empfehle ich Ihnen, sich zunächst eine klare Strategie zur Beratung von Unter­nehmern auf privater Seite zu struk­tu­rieren, die Ihnen hier handfeste Antworten bereit­stellt. Und sofern Sie eine Firmen­kun­den­be­ratung anbieten, dann fragen Sie sich: Ist die Zusam­men­arbeit so gut und struk­tu­riert, dass Ihnen Kunden wie der in diesem Artikel beschriebene Unter­nehmer nicht durch die Lappen gehen? Können Sie ihm Antworten auf seine Fragen liefern und ihm die Leistungen anbieten, die er tatsächlich benötigt? Mein Tipp: Lassen Sie sich von den Fragen in diesem Artikel inspi­rieren, bieten Sie Menschen wie unserem Unter­nehmer-Mandanten handfeste Antworten, um sich gegenüber der Konkurrenz mit echten Mehrwerten auf Basis der Kunden­wünsche hervorzutun.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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