Seit einiger Zeit sehe ich zunehmend, dass sich die unter­schied­lichsten Finanz­in­stitute – von Banken, Sparkassen und Volks­banken bis zu freien Vermö­gens­ver­waltern, Family Offices etc. – vermehrt um das wichtige Kunden­segment der Familien­unternehmen und Unternehmer­familien bemühen. Insbe­sondere beim Private Banking speziell für diese Zielgruppe. Das ist zunächst natürlich sehr erfreulich. Doch leider gehen viele Institute in diesem Zusam­menhang immer noch das Risiko ein, den anspruchs­vollen Unter­neh­mer­kunden per Broschüre umfang­reiche Leistungen zu versprechen, die dann in der Praxis oft doch nicht durch­ge­führt werden können. Oder zumindest nicht so einfach und umfang­reich, wie es im Marke­ting­ma­terial darge­stellt wird. Diese immer wieder­keh­rende Erfahrung hat mich dazu inspi­riert, mich in diesem Artikel mal der Frage zu widmen: Wie können Broschüren und Präsen­ta­tionen eigentlich gestaltet sein, damit sie keine leeren Worthülsen, sondern brauchbare Munition für die persön­liche Beratung liefern?

Beratung und Broschüre im Private Banking für Unternehmer­familien – Hand in Hand oder jeder gegen jeden?

Den expli­ziten Anstoß für diesen Artikel hat mir ein Erlebnis gegeben, das ich neulich bei einem Unter­neh­mer­kunden des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) hatte. Als Gründer und Geschäfts­führer des IFUF war ich dort zu einem Gespräch einge­laden, das zufällig direkt nach einem Gespräch zwischen dem Familien­unternehmer und seinem Berater aus der Abteilung Private Banking für Unternehmer­familien (PB-UF) eines namhaften Finanz­in­sti­tutes stattfand.

Wir gaben uns also quasi die Klinke in die Hand, und als ich im Konfe­renz­zimmer noch die Broschüren und die Präsen­tation des Beraters liegen sah, konnte ich meine profes­sio­nelle Neugierde nicht mehr zügeln: „Und? Heiße Luft oder was Handfestes?“, fragte ich den Unter­nehmer mit einem metapho­ri­schen Augen­zwinkern. Zu meiner Freude merkte ich sofort, dass der Unter­nehmer von dem Gespräch nachhaltig begeistert war: „Wissen Sie“, sagt er, „als der zum ersten Mal mit seinen Broschüren zu mir kam, dachte ich: Ui, der trumpft aber ganz schön auf! Aber jetzt merke ich: Das, was da drinsteht, kann der alles genau so umsetzen! Und zwar, sobald ich mein Okay gebe, und nicht erst in ein paar Wochen, Monaten oder gar Jahren!“

Da war ich dann natürlich ganz Ohr, denn oft höre ich von Famili­en­un­ter­nehmern das Gegenteil: Die Broschüren versprechen Premium-Services und ‑Produkte, die sich in der Praxis dann gar nicht blicken lassen oder nur nach langwie­riger Bearbei­tungszeit oder gar erst noch aufgebaut werden müssen.

Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass viele Unter­nehmer Marke­ting­ma­te­rialien mittler­weile beinahe ignorieren – „Ist am Ende eh nur Gerede“. Und selbst die Unter­nehmer, die sich noch dafür inter­es­sieren, finden in den Broschüren oft nicht die Infor­ma­tionen, die sie wirklich sehen möchten. Beides hat seine Gründe:

  • Weite Schere zwischen Versprechen und Umsetzung: Viele Broschüren sind zu theore­tisch gehalten und bieten letztlich mehr Marketing als praxisnahe Infor­mation. Das sorgt dafür, dass Leistungen, die dort angepriesen werden, in der quali­ta­tiven Umsetzung später doch nicht möglich sind. Oder die Broschüre verspricht schnelle Lösungen, wo in der Praxis erst lange Wege gegangen werden müssen. Oder die Leistungen sind überhaupt nur im Netzwerk umsetzbar – oder, oder, oder…
  • Fehlende Segment­reinheit: Aus Kosten­gründen wird häufig eine einzige Broschüre mit allen Leistungen, z. B. aus dem Private-Banking-Bereich, erstellt. Für Unter­nehmer kann es dann abschre­ckend sein, zusammen mit Privat­per­sonen in einen Topf geworfen zu werden, wenn das Institut doch ein Premium-Angebot speziell für das Private Banking von Unternehmer­familien verspricht. Hier wird dringend eine separate Broschüre für das PB-UF benötigt, um die Segmente und die mit ihnen zusam­men­hän­genden Leistungen klar vonein­ander zu trennen. Schließlich haben Sie sich nicht den Aufwand gemacht, das PB-UF als separates Segment zu etablieren, um es dann in der Broschüre wieder stief­müt­terlich zu behandeln.
  • Text geht zu wenig auf Kunden­nutzen ein: Ein Unter­nehmer, der Ihre Unter­lagen liest, möchte wissen, was er konkret von der Zusam­men­arbeit hat. Viele Broschüren konzen­trieren sich jedoch stärker auf das „Was können wir?“ als auf das „Was bringt Ihnen das?“ Die Unter­lagen sollten das Thema also immer aus dem Blick­winkel des Unter­nehmers beleuchten und konkret aufzeigen, warum er auf eine entspre­chende Leistung zurück­greifen sollte.

Immer wieder sehe ich Broschüren, die grafisch hervor­ragend aufge­ar­beitet sind, auf hochwer­tigem Papier gedruckt wurden und schon beim ersten Blick „Premium“ versprechen. Doch inhaltlich schwankt dann die Qualität plötzlich sehr stark. Und das nehmen auch Unter­nehmer wahr – sie lassen sich nicht allein durch eine pompöse Aufma­chung überzeugen. Und kann man sie dennoch überzeugen, dann muss man hinterher auch liefern können, sonst ist der Vertrau­ens­vor­schuss sofort dahin.

Statt den Unter­nehmern also zu viel zu versprechen, ist es für beide Parteien sinnvoller, eine realis­tische Darstellung des wirklich Machbaren und des erreich­baren Kunden­nutzens zu disku­tieren. Frei nach Lessing: „Beide schaden sich selbst: Der, der zu viel verspricht, und der, der zu viel erwartet.“

Das Indivi­duelle darf nicht auf der Strecke bleiben

In der persön­lichen Beratung spielt auch die Indivi­dua­li­sier­barkeit der Broschüren und Präsen­ta­tionen eine Rolle. Denn viele dieser Marke­ting­ma­te­rialien sind letztlich sehr statisch und einheitlich, sodass sie die Beratung wenig unter­stützen können. Sie lassen sich oft nicht modular auf ein Unter­neh­mer­ge­spräch zusam­men­stellen. Sie beinhalten entweder keine Infor­ma­tionen zu spezi­fisch für das besondere Klientel der Familien­unternehmer relevante Tatsachen oder sie versprechen eine hohe Indivi­dua­li­sier­barkeit, aber nach der Konzeption, Angebots­er­stellung etc. (was oft wieder wesentlich länger dauert, als in der Broschüre versprochen) kommt es am Ende doch zu einer Pauschal­lösung, da die Ziele sowie die wirtschaft­liche Situation des Unter­nehmers nicht ausrei­chend berück­sichtigt wurden.

Stellen Sie sich vor, Ihnen als Unter­nehmer würde eine indivi­duelle Lösung versprochen, dann dauert es Wochen, bis Konzeption, Angebote, Estate Planning, Financial Planning etc. durch­ge­ar­beitet sind und am Ende bekommen Sie zu hören: „Ihre Vermö­gens­al­lo­kation ist zu illiquide. Ihre Firma und Ihre Immobilien sind zu dominant“ und Ihnen werden als Lösung nur Aktien­depots, Fonds etc. vorge­schlagen. Das wäre, als würden Sie beim urigen Dorfbäcker für viel Geld „hausge­machte“ Brötchen kaufen und hinterher feststellen, dass beim Backen auf dieselben Massen­roh­linge zurück­ge­griffen wird, die Sie auch im Super­markt bekommen könnten. Und wohlge­merkt, die Aussage „zu illiquide“ weiß der Top-Unter­nehmer meist eh schon. Dazu braucht es keine Aufbe­reitung. Eine kurze Randbe­merkung noch zum Thema „illiquide“: Ein Unter­nehmer, der sein Einkommen resp. seinen Lebens­un­terhalt aus Gehalt, Gewinn­ent­nahmen aus der Firma, über Pachten der Firmen­im­mo­bilien und durch Mietein­nahmen in Höhe von ggf. mehreren hundert­tausend Euro erzielt, fühlt sich selten „illiquide“.

Kurz gesagt: Die zwangs­läufig eher allgemein gehaltene Broschüre eignet sich nur als Unter­stützung der indivi­du­ellen Beratung – sie ersetzt diese keines­falls! Sie ist auch kein Nachschla­gewerk für Unter­neh­mer­kunden, da sie ebenfalls zwangs­läufig nicht detail­liert und indivi­dua­li­siert genug sein kann, um das indivi­duelle Geschäft wieder­zu­geben, das Sie mit dem Unter­nehmer aushandeln wollen. Eine gut gemachte Broschüre dient dem Unter­nehmer in erster Linie als Erinnerung.

Praxis­tipps: Beratung mit der Broschüre unterm Arm

Als PB-UF-Berater kommen auf Sie in Zukunft viele zum Teil ganz neue Anfor­de­rungen zu, wie ich es schon in meinen Artikeln und Podcasts skizziert habe. Im Hinblick auf die vorhan­denen Broschüren Ihres Instituts ist es außerdem Ihre Aufgabe, zunächst heraus­zu­finden, ob Ihr jewei­liger Kunde überhaupt empfänglich für Broschüren ist. Wie bereits erwähnt, sind längst nicht mehr alle Familien­unternehmer willens, sich damit ausein­an­der­zu­setzen. Haben Sie jedoch empfäng­liche Kunden identi­fi­ziert, können Sie eine Broschüre problemlos als „Unter­malung“ Ihrer Beratung einsetzen. Gehen Sie bei der Beratung jedoch immer indivi­duell auf den Kunden ein – und stellen Sie sicher, dass die vorhan­denen Broschüren mit dem überein­stimmen, was Sie über das Angebot und die Arbeits­ab­läufe in Ihrem Institut wissen. Denn werden dort Leistungen versprochen, von denen Sie wissen, dass sie in der Praxis so (noch) nicht durch­ge­führt werden können, dann ist es besser, dies dem Kunden offen zu kommu­ni­zieren. Offen der Broschüre zu wider­sprechen, wirkt vielleicht etwas fragwürdig; aber Verspre­chungen zu machen, die hinterher nicht gehalten werden können, schädigt langfristig die gesamte Marke und Ihre eigene Position beim Unternehmer.

Wichtig ist dabei eine ganzheit­liche Beratung, die den Status quo als Start­punkt sieht und nicht als Ziel. Geben Sie einen ehrlichen Status-quo-Bericht ab und erklären Sie ebenso ehrlich, in welche Richtung Ihr Institut diesen Status quo verschieben kann. Übrigens: Selbst, wenn sich der Unter­nehmer dann doch gegen das Angebot Ihres Instituts entscheidet, können Sie diesen Bericht berechnen. Die meisten Unter­nehmer verstehen, dass Sie damit eine Leistung erbracht haben, auch wenn diese zu keinen weiteren Maßnahmen führt. Und wie man diese Tatsache den echten Härte­fällen erklärt, erarbeite ich gerne mit Ihnen in einem meiner Seminare.

Beachten Sie auch, dass viele Broschüren und Ausar­bei­tungen letzten Endes nur auf Wertpa­pier­emp­feh­lungen (vornehmlich Aktien und Fonds) hinaus­laufen. Dabei werden dann vornehmlich die eigenen Fonds angeboten, wofür man sich aber nicht zu schämen braucht – Sie werden bei einem BMW-Händler auch keinen Audi kaufen können, das verstehen die Unter­nehmer. Bedenken Sie aber, dass viele Unter­nehmer überhaupt erst einmal einen Geschmack für Wertpa­piere entwi­ckeln müssen. Denn gerade in Deutschland haben diese typischer­weise nur einen sehr geringen Anteil am Unter­neh­mer­ver­mögen bzw. nehmen nur einen kleinen Teil der täglichen Überle­gungen eines Unter­nehmers ein:

Die Firma, Erlöse aus Immobilien und das Einsparen von Steuern sind für deutsche Unter­nehmer wesentlich greif­barere Werte, was gerade Insti­tuten ohne Firmen­kun­den­ge­schäft bezie­hungs­weise ohne Immobi­li­en­ma­nagement mehr abver­langt. Idealer­weise macht Ihre Broschüre dem Unter­nehmer also klar, wo die Vorteile ohne die beiden Haupt­blöcke des Unter­nehmers von Wertpa­pieren liegen. Wer sich wiederum auf Immobilien konzen­triert, sollte ihm erklären können, wo auf dieser Ebene in der Zusam­men­arbeit mit dem Institut der Mehrwert liegt. Denn gerade im Immobi­li­en­be­reich sind Unter­nehmer regional oft schneller und besser vernetzt. Werden in der Broschüre also keine Vorteile für das Immobi­li­en­ge­schäft hervor­ge­hoben, lässt sie sich auch nicht zur Unter­stützung Ihrer Beratung einsetzen.

Die Rolle der Broschüre: Unter­stützung der Beratung und Erinnerung

Wir sehen also: Broschüren, Präsen­ta­tionen und andere Ausar­bei­tungen sind ein nützliches Werkzeug für die persön­liche „Mensch zu Mensch“-Beratung – sofern sie sinnvoll aufbe­reitet sind und zum Status quo sowie zu den Zielen des jewei­ligen Unter­nehmers passen. Deshalb empfehle ich Beratern, die insti­tuts­ei­genen Broschüren zunächst zu begut­achten und mit der tatsäch­lichen Praxis­er­fahrung zu vergleichen. Stellt sich dann heraus, dass bestimmte Versprechen nicht gehalten werden können, ist es sicherer, diese Diskre­panzen im Gespräch zu erwähnen.

Und für dieje­nigen unter Ihnen, die entspre­chende Broschüren erstellen, habe ich einen einfachen Tipp: Versetzen Sie sich in die Rolle des Unter­nehmers und fragen Sie sich: „Welche Infor­ma­tionen würde ich mir von der Broschüre erhoffen?“ Das macht das Marke­ting­ma­terial nicht nur inter­es­santer für den Familien­unternehmer, sondern erleichtert auch die Arbeit der Berater in der Praxis. Oder wie Alfred Preißler es formu­lierte: „Grau is‘ im Leben alle Theorie – aber entscheidend is‘ auf’m Platz.“

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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