Familien­unternehmer sind nicht die Einzigen, mit denen ich mich in meiner Position als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) regel­mäßig unter­halte – schließlich sind auch die Famili­en­mit­glieder ein wichtiger Teil des Betriebs. Gerade neulich wurde ich zum Beispiel von einem unserer Mandanten dazu einge­laden, mit seiner Tochter über die Nachfolge zu sprechen und zu schauen, inwiefern sie dafür geeignet sei. Da wir uns seit Jahren gut kennen, nahm ich natürlich gerne den Kontakt auf und verein­barte mit seiner Tochter einen Gesprächs­termin in ihrem Büro. Und was soll ich sagen: Selten habe ich ein so spannendes, aber auch heraus­for­derndes Gespräch erlebt wie mit dieser Unternehmerin!

Wie tickt die Nachfolgerin?

Kennen Sie das? Sie kommen ins Büro eines (Ziel-)Kunden und es geht praktisch sofort los? Sie haben nur wenige Sekunden Zeit, zu erkennen, welche Typologien Ihr Gegenüber vereint? Genau so ging es mir in diesem Fall. Die Tochter des eingangs erwähnten Unter­nehmers – selbst erfolg­reiche Unter­neh­merin – saß in ihrem Büro und erwartete mich bereits. Da wir beide uns zum ersten Mal begeg­neten und ich ihr Büro noch nicht kannte, schaltete mein Gehirn sofort auf „Muskel­erin­nerung“. Ich scannte das Büro (wie einge­richtet? aufge­räumt oder nicht aufge­räumt? etc.) und meine Gesprächs­part­nerin (Kleidung, Mimik, Gestik etc.) und mir wurde schnell klar: Hier habe ich es mit einer Macherin/Analytikerin zu tun!

Zur Auffri­schung der Unter­nehmer-Typologien finden Sie hier den passenden Artikel aus dem Versteher-Magazin. Und wenn Sie alle wichtigen Infos z.B. auf der Fahrt ins Büro erhalten möchten, finden Sie hier und hier meine Podcasts zum Thema Unternehmer-Typologien.

Im Fall der Unter­neh­merin bedeutete das also: Kein großer Small Talk, kein langes Drumherum, keine Ausschmü­ckungen, nur wenig Persön­liches und ganz wichtig: kzP (komm zum Punkt)! Typisch für diese Typen-Kombi­nation übernahm sie dann auch direkt die Führung des Gesprächs. Sie begann mit dem Sachverhalt, dass sie ja über kurz oder lang (aus ihrer Sicht vermutlich eher „über kurz“) das Unter­nehmen des Vaters übernehmen werde. Und zur Ausge­staltung der Übernahme hatte sie noch einige Fragen.

Die Öffner-Frage

Gleich zu Beginn fragte ich mich, wie wir für dieses Gespräch eine persön­liche Chemie hinbe­kommen könnten – zumindest im Rahmen dessen, was meine Gesprächs­part­nerin als Macherin/Analytikerin zulassen würde. Also stellte ich ihr eine Frage, die sich als echter Gesprächs­öffner heraus­stellte: Wie kam sie als Frau auf die Idee, in die Firma ihres Vaters einzu­treten? Ihre Augen leuch­teten und sie erklärte mir, dass sie es als Kind schon spannend fand, wie ihr Vater Lösungen für Probleme fand, die andere nicht lösen konnten. Und Biologie sowie Chemie fand sie schon in der Schule und im Abi super.

Ja, aber warum gerade Schäd­lings­be­kämpfung, Schim­mel­be­sei­tigung und Tatort­rei­nigung?“, fragte ich zurück. Denn in der Tat ist es heute nicht so ungewöhnlich, wenn Töchter den Famili­en­be­trieb übernehmen – doch erfah­rungs­gemäß inter­es­sieren sich nur die wenigsten für diese eher unappe­tit­lichen Aufga­ben­ge­biete. Deshalb faszi­nierte es mich auch so, dass sie plötzlich von der Macherin zur Analy­ti­kerin wechselte und mir ihren Blick auf das Thema erklärte, den ich so noch gar nicht bedacht hatte:

  • Es geht nicht um die brutale Vernichtung von Schäd­lingen – es geht darum, dass dies so sanft und schonend wie möglich geschieht. 
  • Es geht darum, dass Menschen anschließend wieder in die Räume können. 
  • Und es geht um die Analyse der Wände, der Luftzir­ku­lation, Wärme- und Kälte­zonen, Schim­mel­arten und so weiter – perfekt für den Analytiker-Typus. 

Sie war dabei sichtlich in ihrem Element. Ihre Augen leuch­teten wie bei einem kleinen Kind, das unterm Weihnachtsbaum Geschenke erblickt. Und ich bekam kostenlose Nachhilfe im Fach Chemie – schon etwas peinlich, wie wenig da aus der Schule hängen geblieben ist.

Typisch für den Macher/­Ana­ly­tiker-Typus erklärte sie mir detail­liert, warum Ratten­befall nichts mit Müll zu tun haben muss (Styropor-Wärme­däm­mungen sind warm und stabil, also eine herzliche Einladung an die Tiere) und warum Silber­fische nicht ausschließlich durch mangelnde Lüftung und Hygiene zustande kommen (mittler­weile werden die Eier häufig mit dem Transport neuer Möbel oder z.B. Laminat in die Wohnung einge­schleppt, wo sich die Silber­fische durch die Wärme ausbreiten). Ich habe also im Gespräch mindestens so viel von der Unter­neh­merin lernen können wie sie von mir. Hatte ich schon erwähnt, dass ich meinen Beruf in solchen Situa­tionen immer wieder aufs Neue lieben lerne?

Ein Gesprächs­ansatz für die Tatortreinigung

Da die Firma auch Tatort­rei­ni­gungen durch­führt, hatte ich als Krimi-Fan natürlich noch eine Frage, die mir auf der Zunge brannte. Nur dachte ich mir, dass die Unter­neh­merin das bestimmt häufiger gefragt wird. Also war meine Frage nicht „Ist das wie im Fernsehen oder Film?“, sondern ich fragte: „Wie oft pro Woche bekommen Sie diese Frage gestellt?“ Also ein Ansatz für die Analy­ti­kerin in ihr. Die Antwort kam prompt: „3 bis 4 Mal pro Woche!“ Ich fragte sie: „Und wie oft kommen Sie zu den Tatorten?“, worauf sie erwiderte: „Eher weniger, weil wir zum Glück nicht so viele Tatorte in der Region haben.“ Ich hakte noch mal nach: „Wie ist das denn so an einem echten Krimi­nalt­atort?“, in der Hoffnung, dass da nichts Morbides kommen würde nach dem Muster „Schon cool, in eine Mordwohnung zu kommen“. Zum Glück war die Antwort dann weniger morbide, denn die Tatort­rei­niger der Firma werden am häufigsten in Wohnungen gerufen, in denen alte Menschen allein­stehend verstorben sind und es niemand bemerkt hat. Sie erwähnte dann noch, dass sie das immer sehr berührt, da sie über ihre Eltern ja einen persön­lichen Bezug dazu hat – die seien ja schon älter. Da ihr Vater erst 57 ist, konnte ich mir da ein inneres Schmunzeln nicht verkneifen.

Von den Eltern zum Kind, vom Übergeber zum Nachfolger: Weitergabe der Passion und der Liebe zum Produkt nicht garantiert

Nach und nach kamen wir immer mehr ins Gespräch und sie wurde immer lockerer und gab immer mehr Infor­ma­tionen preis – z.B. dass ihre Schwester absolut nichts mit dem elter­lichen Unter­nehmen zu tun haben möchte. Denn während meine Gesprächs­part­nerin „einen guten Magen und eine unemp­find­liche Nase“ hat, war ihre Schwester immer schon eher angewidert von den Erzäh­lungen des Vaters von der Arbeit. So sei auch geklärt, dass ihre Schwester ausge­zahlt werden solle – weder sie noch ihr Ehemann oder ihre beiden Kinder hätten Ambitionen in Sachen Unter­neh­mertum. Meine Gesprächs­part­nerin und ihr Ehemann wollen die Firma aller­dings gerne weiter­führen, auch mit Blick auf den Sohn, der ebenfalls schon Interesse für die Arbeit zeigt. Die Frage der Nachfolge schien also auf familiärer Ebene geklärt zu sein. 

Ich fragte dann, inwieweit der Steuer­be­rater schon invol­viert sei, und sie erklärte mir, dass der zwar zusammen mit der Firmen-Buchhal­terin alles Finan­zielle in der Firma und in Bezug auf das Privat­ver­mögen regelt. Aber das Thema Nachfolge sei nicht sein Stecken­pferd. Ihrem Vater habe man schon ein finan­zi­elles Angebot gemacht, aber der sei „noch nicht so weit“. Was ich übrigens verstehen kann – wie erwähnt ist er gerade mal 57 Jahre alt, hat aktuell noch keine großen Hobbys und die Mutter ist auch noch nicht begeistert von der Idee, dass er in Zukunft dann nur noch zu Hause rumsitzen würde.

Kennen Sie das, wenn der Unter­nehmer die Nachfolge hinaus­zögert, weil er außerhalb des Unter­nehmens (noch) nichts mit sich anzufangen weiß? Einige nützliche Ressourcen zum Umgang mit solchen Fällen finden Sie hier im Versteher-Magazin sowie hier in einem kosten­losen E‑Book.

Welche Nachfol­ge­option ist am besten geeignet?

Was ich während des gesamten Treffens als sehr angenehm empfand, war die Tatsache, dass die Unter­neh­merin aufgrund ihrer Typologie eher sachlich an das Ganze heranging. Das konnte ich gut nutzen, um mit ihr mal die Optionen einer Übergabe durchzugehen:

Nachdem wir die Optionen im Einzelnen besprochen hatten, kamen wir für den aktuellen Fall auf zwei mögliche Lösungen: unent­gelt­liche Übergabe und Family-Buy-Out (FBO). Da sie selbst nur über wenig Vermögen und somit wenig Eigen­ka­pital verfügte, kam hier der Vater ins Spiel. Dabei stellte sich schnell heraus, dass er „typisch“ aufge­stellt ist:

  • Firma liegt zu 100 % bei ihm = Gehalt + Gewinnentnahmen 
  • Firmen­im­mo­bilien = Privat­ver­mögen = an die Firma vermietet (also an sich selbst) 
  • einige Eigen­tums­woh­nungen = Mieteinnahmen 
  • 2 Depots mit überschau­barem Volumen

Diese typische Konstel­lation führt oft dazu, dass der Übergeber-Senior oft (zu) lange an der Firma festhält. Denn wenn er die Firma übergibt, fallen Gehalt und Entnahmen weg. Und die Pacht der Firmen­im­mo­bilie ist abhängig vom Erfolg des Nachfolgers. Daher ist in vielen Fällen der im deutsch­spra­chigen eher unbekannte und eher wenig genutzte Family-Buy-out (FBO) eine gelungene Variante, um allen Parteien gerecht zu werden. Genau das ist auch der Grund, wieso diese Variante sehr gut für die Situation meiner Gesprächs­part­nerin als Nachfol­gerin und ihren Vater als Gründer und Noch-Eigen­tümer geeignet ist. 

Tipps für Ihre Nachfolgegespräche

Liebe Leserinnen und Leser: Unabhängig davon, was in diesem spezi­fi­schen Fall letztlich im Rahmen der Nachfol­ge­re­gelung umgesetzt wurde, möchte ich Ihnen mit diesem kleinen Einblick vor allem zwei Dinge mit auf den Weg geben:

Erstens: Wenn Sie sich unser Gespräch anschauen, werden Sie merken, dass sich alle genannten Infor­ma­tionen in 6 Bausteine aufteilen lassen. Diese bieten Ihnen eine praxis­taug­liche Struktur für die Gesprächs­vor­be­reitung, Gesprächs­führung und Nachbereitung:

  • Geschäfts­modell und Wertschöpfungskette 
  • Betei­li­gungs­ver­hält­nisse 
  • beruf­liches und familiäres Umfeld 
  • Typologien 
  • Vermögen und Einkommen 
  • Notfall und Nachfolge 

Zweitens: Nehmen Sie die Bausteine aus dem ersten Punkt als Vorlage, aber bedenken Sie, dass es im zwischen­mensch­lichen Gespräch nicht darauf ankommt, einen Frage­bogen, eine Check­liste oder einen Leitfaden abzuar­beiten. Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen und vor allem mit den Antworten umgehen zu können – denn erst mit den Antworten fängt ein Kunden­ge­spräch richtig an. Fragen sind Ihre Öffner, aber aus den Antworten die richtigen Schlüsse zu ziehen und in indivi­duelle Lösungen umzuwandeln, das macht den echten Unter­nehmer-Versteher aus!

Setzen Sie die vorge­nannten sechs Bausteine in lockeren Kunden­ge­sprächen flexibel ein – Sie werden sehen, dass Sie selbst beim Kontakt mit ganz neuen Zielkunden schnell und effizient wichtige Infor­ma­tionen erhalten, egal aus welchem Segment Sie kommen (Firmen­kun­den­be­ratung, Versi­che­rungen, Private Banking, Genera­tio­nen­ma­nagement etc.). Und das Beste daran: Auf diese Weise fühlt sich Ihr Gegenüber nicht wie in einem Verhör, sondern wie in einem lockeren Gespräch auf Augenhöhe. Und das schafft die Nähe, die Sie brauchen, um bei (Ziel-)Kunden den subjek­tiven Wohlfühl­faktor zu etablieren und mehr Erträge zu generieren.

Behalten Sie das im Kopf und ich verspreche Ihnen viele spannende und inter­es­sante Unter­neh­mer­ge­spräche – viel Spaß dabei!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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