Jetzt, wo sich nach den (bis dato) schlimmsten Corona-Monaten die deutsche Wirtschaft langsam wieder geöffnet hat, finde ich mich als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) wieder vermehrt in persönlichen Gesprächen mit Unternehmern und Finanzberatern – ja, ganz ohne Webcam! Und schon ergeben sich für mich interessante Gelegenheiten, die durch den Lockdown und die damit verbundenen Auswirkungen veränderte Beziehung von Unternehmern zu Finanzberatern direkt vor Ort zu verfolgen.
So wurde ich beispielsweise neulich im Anschluss an ein Jahresgespräch mit einem Familienunternehmer und dessen kaufmännischem Leiter dazu eingeladen, doch noch für ein Gespräch mit dem Firmenkundenberater von der Bank zu bleiben. Denn die Firma wollte nun – als Konsequenz aus der aktuellen Lage – zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder auf Kredite zurückgreifen. Selbstverständlich blieb ich gerne, um mir diese interessante Gesprächssituation von Nahem anzuschauen.
Eine typische Ausgangslage für Unternehmen nach dem Lockdown
Wie bei so vielen Betrieben hatte sich die Situation für den Unternehmer in den letzten Monaten merklich gewandelt. Dem Unternehmen ging es immer noch gut – man hatte vor Corona 25 Jahre lang jede Anfrage des Finanzinstituts bezüglich Krediten abblocken können und diese solide Position konnte auch der Lockdown nicht ins Gegenteil umkehren. Doch in den letzten Monaten mussten die üblichen Maßnahmen getroffen werden, um finanzielle Ausfälle und laufende Kosten abzudecken:
- Kurzarbeit
- Homeoffice
- Überprüfung und ggf. Neuorganisation der Lieferketten
- Kundengespräche
- Zufuhr von Eigenkapital (private Liquidität) des Unternehmers
So, wie das Unternehmen 25 Jahre lang vorbildlich gewirtschaftet hatte, war es nun also auch durch die umsichtige Anwendung kluger Maßnahmen durch die ersten Auswirkungen der Corona-Krise gekommen. Doch spurlos war das alles nicht am Betrieb vorübergegangen. Denn die liquiden Mittel des Unternehmens und des Unternehmers waren zwar nicht aufgebraucht und auch Immobilienvermögen war noch vorhanden. Doch die Liquidität war merklich zurückgegangen und ein Kredit für die seit Langem angepeilte Zukunftsstrategie sollte hier Abhilfe schaffen.
All das erklärten der Unternehmer und sein kaufmännischer Leiter nun also dem Firmenkundenberater. Dieser war übrigens alleine gekommen, was mich zunächst wunderte. Warum hatte er nicht seinen Chef oder einen Spezialisten aus der Marktfolge- oder Kreditabteilung mitgebracht, wenn es um ein so wichtiges Gespräch mit zwei Experten aus dem Unternehmen ging? Aber – das kann ich schon mal lobend vorwegnehmen – der Firmenkundenberater war offensichtlich hervorragend vorbereitet und meisterte das Gespräch vorbildlich, auch ohne personelle Verstärkung.
Das Leid mit den Sicherheiten
Nachdem der Unternehmer also den aktuellen Stand des Unternehmens dargelegt hatte, wurde über das Konzept für die Zukunft ab 2021 gesprochen. Und darüber, dass der Betrieb zur Umsetzung weitere Liquidität benötigte. Der Berater war dem gegenüber auch sehr aufgeschlossen, fragte jedoch ziemlich zügig danach, welche Sicherheiten man denn für den Kredit anbieten könnte. Unternehmer und kaufmännischer Leiter schauten sich verwundert an und meinten, das Konzept seit doch schlüssig, also warum brauchte es Sicherheiten?
Der Firmenkundenberater hatte sich offenbar auch auf diesen Teil des Gesprächs vorbereitet. Souverän und höflich erklärte er, dass seine Bank das Unternehmen gerne bei einem gut ausgearbeiteten Zukunftskonzept unterstützen würde. Doch aufgrund der Komplexität der Kredite und der Höhe der Kreditsummen ließ sich das Ganze nicht ohne Sicherheiten abwickeln. Er hatte sogar konkrete Vorschläge, was als Sicherheiten verwendet werden könnte: die privaten Immobilien und das Wertpapierdepot des Unternehmers.
Doch der echte Brocken sollte erst noch kommen: Da Immobilien und Wertpapierdepot gemeinsam noch nicht als Sicherheit reichen würden, wünschte sich die Bank, dass der Unternehmer persönlich noch eine Risiko-Lebensversicherung als Sicherheit für den dann noch vorhandenen Blankoanteil abschließen würde. Da war zunächst Totenstille im Raum. Für bestimmt eine Minute hätte man eine Feder fallen hören können, während der Unternehmer und sein kaufmännischer Leiter diese Information verarbeiteten und der Firmenkundenberater wiederum sehr souverän abwartete.
Im Anschluss wurde dann eine sehr sachliche und vor allem höfliche Diskussion über das Thema gehalten, bei der alle Seiten konkret und direkt aufeinander eingingen. Schließlich kam man zu einer Einigung, die für das Unternehmen und die Bank gleichermaßen zufriedenstellend war.
Die persönliche Haftung des Unternehmers, von beiden Seiten betrachtet
Eine alte Kreditgeberweisheit besagt: „Blankokredit ist der sicherste Kredit.“ Ein Vorstand übersetzte das im Gespräch mit mir vor Kurzem so: „Wir finanzieren das Risiko und die Unternehmer haften dafür!“ Und ich muss zugeben, als Finanzdienstleister-Coach einerseits und Unternehmer andererseits schlagen hier zwei Herzen in meiner eigenen Brust. Denn natürlich verstehe ich, dass man als Unternehmer am liebsten auf dieses persönliche Risiko verzichtet – gerade in den letzten Monaten ist so manches Beratungsgespräch sehr emotional geworden, wenn es darum ging. Ich kann aber auch nachvollziehen, warum Finanzinstitute vermehrt darauf bestehen: In der aktuellen Wettbewerbssituation, in der Produkte und Preise alle gleich wirken, haben viele Institute auf Sicherheiten verzichtet, um sich gegenüber der Konkurrenz hervorzutun. Und an diese Stelle ist nun ein neues Bewusstsein getreten, dass dieses Vorgehen zu viel Risiko beim Institut selbst bedeutet.
Kredite basieren immer auf beidseitigem Vertrauen
Finanzdienstleistern empfehle ich daher immer, die Gründe für Sicherheiten höflich, ohne Floskeln und Verklausulierungen sowie direkt anzusprechen. Denn der Unternehmer kann so viel über seine Pläne und Konzepte schwärmen, wie er will. Wenn er dann keine Sicherheiten (sofern vorhanden) stellen möchte, klingt das aus Bankensicht eher nach: „Finanziert mir meine Träume und wenn was schiefgeht, habt ihr halt Pech gehabt.“ Unternehmer realisieren nicht immer, dass „Kredit“ aus dem Lateinischen von „vertrauen“ („credere“) kommt. Und dass Finanzinstitute (genau wie das eigene Unternehmen) Verantwortung tragen – für die Mitarbeiter und ihre Familien, für die Einlagen anderer Kunden und für die Investoren. Deshalb stellt man sich im Institut vor der Vergabe eines Kredits durchaus wichtige und berechtigte Fragen (übrigens schon seit Anbeginn des Kreditwesens):
- Ist der Kreditnehmer als Person vertrauenswürdig?
- Will man den Verwendungszweck unterstützen?
- Wie beurteilt man (subjektiv) das Risiko?
- Wie sieht die eigene Risikoprämie aus?
- Was passiert, wenn der Kredit nicht zurückgezahlt werden kann?
All diese Abwägungen stellt man sich auch als Unternehmer, wenn es zum Beispiel um die enge Zusammenarbeit mit Zulieferbetrieben geht. Oder sogar als Privatperson, wenn man von einem Bekannten um Geld gebeten wird. Warum sollten Finanzinstitute mit ihrer zusätzlichen Verantwortung es dann nicht auch so handhaben?
Wissenslücke Kreditrating
Mal ganz ehrlich: Verstehen Sie eigentlich die genauen Rating-Kriterien Ihres Instituts? Und selbst wenn Sie zu 100 % in der Materie drin sind: Können Sie sich vorstellen, dass es Ihren Unternehmerkunden nicht so geht? Dass Eigenkapital, Fremdkapital, Gesellschafterdarlehen, Nachrangdarlehen etc. sich ganz unterschiedlich auf das Rating auswirken, das können die wenigsten Unternehmer vollständig nachvollziehen. Genauso wenig wie die Auswirkungen, die die Corona-Monate trotz eines grundsoliden Geschäftskonzepts auf ihre Ratings haben können, wie ich es bereits in meinem Artikel „Kundenbeziehungen und Kreditengagements mit Familienunternehmen müssen neu gedacht werden – aber ohne die BaFin wird es nichts!“ dargestellt habe.
Dieses Unverständnis kann dann zu schlechter Stimmung beim Unternehmer führen. Stellen Sie sich beispielsweise vor, wie er reagiert, wenn man als Berater den geschlossenen Immobilienfonds verkauft und dem Kunden zu verstehen gibt, dass es sich um eine stabile Anlage handelt – die Kreditabteilung des Instituts diese Sicherheit jedoch mit 0 Euro ansetzt. Gleiches gilt, wenn bestimmte Sicherheiten zunächst vom Institut gefordert werden und dann ebenfalls mit 0 Euro beziffert werden. Vor allem, wenn Unternehmer schon seit Jahren nichts mehr mit Kreditvergabeprozessen zu tun hatten, wird es an dieser Stelle vermehrt Klärungsbedarf geben.
Praxistipps: Wie man Unternehmerkunden die persönliche Haftung vermittelt
Bei einem bin ich mir sehr sicher: Für mindestens 1 Jahr werden Gespräche, wie ich sie zu Beginn dieses Artikels skizziert habe, keine Seltenheit mehr sein. Denn aufgrund der vergangenen Monate sind die Institute jetzt dazu angehalten, vermehrt Wert auf Kreditsicherheiten zu legen. Zumindest, bis wieder die ersten Bilanzen vorliegen, die nicht durch Corona verzerrt wurden. Ich rate deshalb allen Finanzberatern, die mit Firmenkunden zu tun haben:
- Spielen Sie mit der Marktfolge Aktiv mögliche Szenarien durch und überprüfen Sie, wo der Unternehmer Fragen haben könnte.
- Lernen Sie das Geschäftsmodell Ihrer Kunden kennen und verstehen. Das räumt schnell Kommunikationsdifferenzen aus und sorgt dafür, dass die Atmosphäre im Gespräch nicht zu konflikthaft wird.
- Organisieren Sie Kreditvergabegespräche immer als Vor-Ort-Termin. Denn im Gespräch Auge in Auge wird eine persönliche emotionale Verbindung geschaffen, die es dem Unternehmer leichter macht, Ihren Standpunkt als Institut zu verstehen.
- Vor allem: Sprechen Sie Unternehmer direkt darauf an, dass Sie Sicherheiten benötigen, und erklären Sie, warum das so ist. Machen Sie dem Unternehmer aber auch klar, dass Ihr Institut kein Interesse daran hat, dass der Kredit nicht funktioniert. Geben Sie zu erkennen, dass Sie verpflichtet sind, das eigene Institut, die Mitarbeiter, die Anleger und die Investoren abzusichern. Und dass die Sicherheiten eben nur für den absoluten Notfall gedacht sind.
An dem zu Beginn dieses Artikels beschriebenen Gespräch haben wir gesehen: Die neue Situation, in der Sicherheiten ein höherer Stellenwert zugewiesen wird und gegebenenfalls auch Unternehmer privat haften müssen, ist schwierig, aber nicht unmöglich zu vermitteln. Sie brauchen dazu eine Portion Mut, viel Kommunikationssicherheit und eine gute Vorbereitung. Und wenn Sie bei besonders hartnäckigen Kunden nicht wissen, wo Sie ansetzen können, dann besuchen Sie doch einmal mein Seminar „Firmenkunden Banking für Familienunternehmen“. Dort spielen wir gemeinsam Ihre individuellen Fälle durch und eruieren auf Basis geballter Erfahrung, welche Ansatzpunkte es gibt.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erkennt auch der hartnäckigste Unternehmer bald, dass Sicherheiten keine Schikane sind, sondern eine Voraussetzung für das Vertrauen, das Finanzinstitute ins Unternehmen setzen.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de