Seit die Europäische Zentralbank (EZB) vor einigen Jahren die Einla­ge­fa­zi­lität in den negativen Bereich gesenkt hat, stehen Finanz­in­stitute vor einem ernsten Problem: Sie müssen nun auf alle nicht benötigten Einlagen Zinsen zahlen. Bedenkt man, dass sie außerdem gezwungen sind, eine Mindest­re­serve bei der EZB zu unter­halten, bedeutet dies: Es führt kein Weg an den Kosten vorbei. Diese müssen auf anderen Wegen wieder reingeholt werden. Was einige Institute schon vorge­macht haben, wird sich also in naher Zukunft branchenweit etablieren: Ein Verwah­rentgelt für Kunden­ein­lagen. Doch wer glaubt, dass sich Familien­unternehmer und Unternehmer­familien das so einfach gefallen lassen, der sollte die Situation auch mal aus dem Blick­winkel der Unter­nehmer betrachten.

Verwah­rent­gelte werden sich unwei­gerlich in der Branche etablieren

Eine negative Einla­ge­fa­zi­lität (aktuell ‑0,4 %) – Was noch vor der Finanz­krise völlig unmöglich erschien, ist heute schon Realität. Die Gründe für die generelle aktuelle Situation in der Finanz­dienst­leis­tungs­branche sind vielfältig und wurden von mir bereits in der Sommer­serie 2019 beleuchtet.

Aufgrund der akuten Dring­lichkeit des Themas möchte ich an dieser Stelle also keinen erneuten Blick zurück werfen, sondern die aktuelle Situation speziell zum Thema Verwah­rentgelt betrachten. Denn weder Hoffen noch Jammern wird an den drei Eckpfeilern der momen­tanen Markt­si­tuation etwas ändern:

  • Die EZB erhebt Negativ­zinsen auf Einlagen.
  • Die Banken werden diese Verluste an den Kunden weiter­geben (Verwah­rentgelt).
  • An dieser Situation wird sich so bald nichts ändern.

Statt also nichts zu tun und auf bessere Zeiten zu hoffen, wird es für Finanz­dienst­leister auf allen Ebenen wichtig werden, sich zu fragen, wie sie mit dieser Situation fertig werden: Die Vorstände werden sich fragen, wie sie (mit Verwah­rent­gelten) bei den zusätz­lichen Kosten gegen­steuern können, Führungs­kräfte werden sich eine Strategie zur Umsetzung dieser Richt­linien überlegen und die Berater selbst werden sich die Frage stellen: Wie erklären wir das alles dem Kunden?

Unter­stützung aus der Politik? Fehlanzeige!

Auf politi­scher Ebene ist für die Institute auch keine Entlastung zu erhoffen. Aktuell wird lediglich in eine Richtung disku­tiert, die das Wohlwollen der Wähler zum Ziel hat.

So wurde beispiels­weise vom bayeri­schen Minis­ter­prä­si­denten Söder ins Gespräch gebracht, Verwah­rent­gelte auf Einlagen bis zu 100.000 Euro gesetzlich zu unter­binden. Dabei wurde jedoch ignoriert, dass ein Institut, das beispiels­weise über 1.000 Kunden mit jeweils 50.000 Euro Einla­ge­vo­lumen verfügt, immer noch 200.000 Euro Einla­gezins an die EZB zu zahlen hat. Würde sich Herrn Söders Vorschlag durch­setzen, könnten bei diesem Beispiel diese Kosten jedoch nicht durch Verwah­rent­gelte abgefedert werden – da sich jeder indivi­duelle Sparer innerhalb der geschützten Einla­ge­summe bewegt.

Mit anderen Worten: Die Politik hat bislang noch keinen Lösungs­ansatz vorge­bracht, der die Proble­matik aus Sicht der Banken angeht. Statt­dessen könnten einige politische Pläne den Druck auf die Institute sogar noch erhöhen.

Die Sicht der Banken

Aus dem Blick­winkel der Institute ist also mittel­fristig keine Lösung der Situation zu erwarten: Die Banken werden weiter für Einlagen bei der EZB zahlen (müssen) und sich überlegen, wie sie diese Kosten wieder reinholen können. Das merke ich auch bei meinen Vorstands- und Führungs­kräf­te­ge­sprächen, Coachings und Seminaren: Seit einiger Zeit sind Verwah­rent­gelte immer ein Gesprächs­thema – bei Workshops mit Finanz­dienst­leistern ebenso wie bei der Gesprächs­be­gleitung der Familien­unternehmer. Und in den letzten Wochen bewegt sich der Diskus­sions-Tenor immer weiter von „Verwah­rentgelt nur auf Großvo­lumen“ über „nur für Unter­nehmen“ hin zu „für alle Einlagen, auch bei Privat­per­sonen, ohne Mindest-Einlagevolumen“.

Vor dem letzten Schritt – dem Verwah­rentgelt für alle – schrecken viele Institute noch zurück. Aus gutem Grund, denn diese Strategie könnte zum PR-GAU werden. Stellen Sie sich die Schlag­zeilen vor: „Arme Rentnerin mit 15.000 Euro Erspartem muss Straf­zinsen zahlen! 75 Euro, einfach weg! Nach 10 Jahren wären das 750 Euro gewesen!“

Bei solchen medialen Aufbe­rei­tungen der Proble­matik wird die Banken­seite natürlich völlig ignoriert: Bei einem Einla­ge­vo­lumen von 100 Millionen Euro müssten beispiels­weise 400.000 Euro an die EZB gezahlt werden – zzgl. eigene, interne Vollkosten für Überwa­chungs­me­cha­nismen, Vorrats­haltung bei Vorschriften, Controlling etc. Bei 50.000 Euro Vollkosten pro Mitar­beiter (wir gehen hier vom durch­schnitt­lichen Gehalt eines Bankers bezie­hungs­weise Sparkassen- / Volks­ban­ken­mit­ar­beiters aus) stehen wir bei den Kosten für umgerechnet 8 Mitar­beiter, die irgendwie abgefangen werden müssen.

Viele Institute sind deshalb zu dem Schluss gekommen, dass sich diese Mehrkosten mögli­cher­weise auf die Unter­neh­mer­kunden abwälzen lassen. So könnte man den PR-GAU verhindern und trotzdem die Kosten decken. Und die Unter­nehmer verkraften diesen Obolus doch sicher – die haben das Geld ja. Und außerdem sind sie es ja, die große Einlagen in den Insti­tuten unter­halten. In der Firma und auch Privat.

Die Unter­neh­mer­seite

Bei solchen Betrach­tungen verkennen Finanz­dienst­leister häufig, wie sich die Situation aus Sicht der Unter­nehmer gestaltet. Denn für Sie (wie für alle anderen Bankkunden) war die Regel immer:

  • Für Kredite zahlt man Geld
  • Für Einlagen bekommt man Geld

Auf diese Regel haben sich die Familien­unternehmer jahrelang verlassen und sie werden sich nicht so leicht davon überzeugen lassen, dass sich die Zeiten geändert haben. Die kompli­zierte Situation auf Banken­seite inter­es­siert die Unter­nehmer herzlich wenig, haben sie doch selbst mit den Umschwüngen in der eigenen Branche oder im Welthandel zu tun: Digita­li­sierung, gesell­schaft­licher Umbruch, eventuell abneh­mende Konjunktur, Straf­zölle… Familien­unternehmer sind aktuell im Spar-Modus und Verwah­rent­gelte bedeuten für sie zusätz­liche, unnötige Kosten ohne Mehrwert.

Wie aufge­schlossen sich der Unter­nehmer in Bezug auf Verwah­rent­gelte zeigt, ist aller­dings auch davon abhängig, um welches Vermögen es dabei geht.

Das Betriebs­ver­mögen

Das Betriebs­ver­mögen wird in erster Linie für den laufenden Betrieb benötigt. Hier gibt es für den Unter­nehmer nichts zu „verschenken“. Aller­dings können sich insbe­sondere Großkunden eventuell damit abfinden, sofern sie die Zusatz­kosten selbst wieder reinholen können – sie sind es gewohnt, dass sich Kosten ändern können. Diese Unter­nehmer versuchen selbst­ver­ständlich, die Kosten für das Verwah­rentgelt zu drücken, wo sie nur können. Doch kommen sie zu dem Schluss, dass die Wechsel­kosten beim Umstieg auf ein anderes Institut noch höher wären, zeigen sie sich voraus­sichtlich aufge­schlossen gegenüber Verwahrentgelten.

Sind sie recht­zeitig vorge­warnt, können solche Unter­nehmer die Entgelte in den Businessplan einkal­ku­lieren, wie z. B. einen angestie­genen Rohstoffpreis.

Das Privat­ver­mögen

Geht es um das eigene Vermögen, sieht die Situation wiederum ganz anders aus, denn hier können die Kosten typischer­weise nicht weiter­ge­geben werden. Das bedeutet: Für den Unter­nehmer ist ein Verwah­rentgelt auf das Privat­ver­mögen ein reeller Verlust, der sich praktisch nicht abfedern lässt. Entspre­chend emotional werden die Unter­nehmer auf die anfal­lenden Mehrkosten reagieren. Dies ist auch der Punkt, an dem das Verwah­rentgelt im Bewusstsein der Familien­unternehmer den üblen Beigeschmack der „Straf­zinsen“ annimmt.

Unter­nehmer verstehen – Verwah­rentgelt kommunizieren

Die Inter­essen von Unter­nehmern und Banken stehen sich also im Themen­gebiet „Verwah­rentgelt“ diametral entgegen – und gerade, wenn es um das Privat­ver­mögen geht, wird sich kein Unter­nehmer so schnell mit dem Gedanken anfreunden können. Das macht die Kommu­ni­kation denkbar schwierig, denn der Kunde wird sich selbst­ver­ständlich gegen die vermeint­lichen „Straf­zinsen“ wehren. Wer als Finanz­dienst­leister weiß, woher der Familien­unternehmer kommt, wie er denkt und wie die Situation aus seiner Sicht erscheint, hat hier die besten Chancen, ihn nicht zu stark zu verärgern, wenn das unwei­ger­liche Gespräch zum Verwah­rentgelt ansteht.

Dies ist der erste Schritt zur erfolg­reichen Kommu­ni­kation einer Maßnahme, die die Institute nur aus Not vornehmen und auf die der Unter­nehmer am liebsten ganz verzichten würde.

 Nehmen Sie sich die Zeit, die Situation des Unter­nehmers zu überdenken. Blicken Sie vielleicht schon einmal in Ihr Kunden­port­folio und gehen Sie jeden Kunden durch, dem Sie in nächster Zeit die schlechte Nachricht überbringen müssen. In wenigen Tagen erfahren Sie dann im zweiten Teil dieses Artikels, was Sie aktiv tun können, um dem Familien­unternehmer zu erklären, dass ein Verwah­rentgelt fällig wird – und wie sich diese Thematik in Zukunft weiter­ent­wi­ckeln wird.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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