Das Beratungsgespräch ist ein wichtiger Bestandteil jeder Finanzberatung. Denn das persönliche Gespräch von Mensch zu Mensch (MzM) – im selben Raum und von Angesicht zu Angesicht – ist der beste Weg, den subjektiven Wohlfühlfaktor zu etablieren, der heute für erfolgreiche Abschlüsse absolut notwendig ist. Als Anfang des Jahres die ersten Corona-Einschränkungen durchgesetzt wurden, wichen deshalb viele Institute nicht etwa zu unpersönlichen Telefonaten als neuem Beratungskanal aus, sondern versuchten sich an der digitalen Videoberatung als temporärem Plan B. Und von den Unternehmern wurde diese Strategie überraschend positiv aufgenommen. Doch nun stehen wir vor dem Winter 2020 und es ist absehbar, dass die persönliche Vor-Ort-Beratung noch über viele Monate zumindest teilweise ersetzt werden muss. Aus dem spontanen Plan B wird eine dauerhafte Lösung. Und als solche legen Unternehmer nun auch ganz andere Qualitätsmaßstäbe an die Videoberatung an.
Erfahrungen aus fast einem Jahr Corona-Modus
Der eine oder andere kannte das Prinzip der Videoberatung schon, bevor sie durch Corona zu ihrer großen Blüte gelangte: ein digitales Beratungsgespräch, das zwar „remote“ stattfindet, aber mit Kamera und Mikrofon das Gefühl eines persönlichen Gesprächs von Mensch zu Mensch möglichst detailgetreu einfangen soll. Vor der Pandemie wurde diese Beratungssituation von Finanzinstituten eher als Sonderfall behandelt. Denn die persönliche Interaktion mit dem Kunden vor Ort hat eine tiefe psychologische Wirkung, die sich auch durch Live-Videofeeds und Audioübertragungen nicht zu 100 % einfangen lässt. Viele dachten sich: Wenn ich nicht persönlich vor Ort sein kann, dann greife ich einfach zum Telefonhörer – das ist auch unpersönlich, aber deutlich einfacher zu organisieren als ein Videochat.
Doch wie ich es bereits in einigen Artikeln im Versteher-Magazin angesprochen habe: Je länger die aktuellen Kontaktbeschränkungen anhalten, desto mehr Veränderungen bringen sie für die Art und Weise, wie wir unsere Arbeit tun. Nicht von heute auf morgen, aber Stück für Stück. Die Videoberatung ist da ein gutes Beispiel. Denn jetzt, nach 9 Monaten „Probezeit“, sehen wir deutlich, dass die Videoberatung aufseiten der Familienunternehmer erstaunlich schnell angenommen wurde. Die Ereignisse dieses Jahres haben die Unternehmer nahezu gezwungen, Videokonferenzen als einen der festen Bestandteile der Kommunikation – intern wie extern – zu etablieren. Und diese scheinen nun auf den Geschmack gekommen zu sein! Die Sorge der Finanzinstitute, das digitale Gespräch könne als zu unpersönlich empfunden werden, war zumindest zum Teil unbegründet. Denn selbst die traditionellsten Familienunternehmer müssen sich mittlerweile eingestehen, dass ein „analoges“ Gespräch vor Ort zwar immer noch die bessere Lösung ist, die Videokonferenz jedoch in Zeiten strenger Hygieneauflagen die beste Alternative darstellt. Auch, wenn in der Anfangszeit vielleicht bei dem einen oder anderen Teilnehmer noch spontan die Hauskatze durchs Bild lief.
Unter den Familienunternehmern, die ich in meiner Position als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) kenne, kristallisiert sich eine neue Herangehensweise heraus. Hier wird immer noch als oberste Priorität auf persönliche Anwesenheit beim Gespräch gesetzt. Die firmeninterne Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist eben doch noch direkter, genauer und „echter“ – das Mensch zu Mensch ist den Familienunternehmern so wichtig wie vor der Pandemie. Doch bevor ein solches Gespräch geplant wird, werden nun zusätzlich Fragen gestellt:
- Ist die physische Präsenz aller Gesprächsteilnehmer notwendig oder nur „nice to have“?
- Ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht günstiger, das Meeting digital abzuhalten?
- Gibt es Bedenken auf Basis des aktuellen Pandemie-Plans?
- Werden komplexe Themen besprochen, die in einem Gespräch vor Ort besser geklärt werden können?
Und je nachdem, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, entscheiden sich viele Unternehmer nun deutlich leichter für eine Videokonferenz mit den eigenen Leuten. Vor allem Unternehmen, die an mehreren Standorten überregional oder international aufgestellt sind, mussten in den letzten Monaten Kommunikationswege aufbauen, die es ermöglichen, dass man seinen Gesprächspartnern zumindest virtuell in die Augen sehen kann. Gerade diese Unternehmen sind oft die attraktivsten und ertragreichsten (Ziel-)Kunden Ihres Instituts. Daher sollte man vermeiden, in diesem Segment den technischen Anschluss zu verlieren.
Geht es beispielsweise darum, einen neuen Berater zu empfangen, der gerade Akquisearbeit macht, dann führt für viele Unternehmer nichts an einem Vor-Ort-Gespräch (unter entsprechenden Hygienebedingungen) vorbei. Kennt man sich bereits und es wird im Gespräch nur um Rückfragen zu einer Finanzierung oder Ähnliches gehen, dann ist eine Videoberatung der perfekte „Plan B“ – und längst keine reine Notfalllösung mehr.
Die Videoberatung: Vorteile für alle Beteiligten
Woher kommt die plötzliche Offenheit gegenüber der Videoberatung? Ganz einfach: Seit Anfang der Pandemie haben viele Unternehmer erkannt, dass digitale Meetings teilweise sogar Vorteile gegenüber den „analogen“ haben können. Schauen Sie sich beispielsweise folgende Situation aus Sicht des Unternehmers an: Für 16:00 Uhr ist ein persönliches Gespräch mit einem Berater angesetzt, doch morgens um 10:00 Uhr kommt plötzlich die Absage: Ein Bekannter des Beraters wurde positiv getestet und nun muss er zur Sicherheit Quarantäne halten.
Sind beide Seiten für eine Videoberatung zu begeistern, dann lässt sich diese nun unkompliziert als Alternative einschieben. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das für den Unternehmer sogar die bessere Lösung, denn die Zeit, die er und seine Mitarbeiter aus unerwartet frei werdenden Slots im Terminkalender gewinnen, wird erfahrungsgemäß deutlich weniger produktiv verbracht. Mit einer Videoberatung macht man also einfach das Beste aus einer ungünstigen Situation.
Eingesparte Zeit
Ein weiterer guter Grund, Videoberatungen eine echte Chance zu geben, vor allem für Finanzinstitute und deren Berater, sind die Ersparnisse bei den Fahrzeiten: Benötigt der Berater beispielsweise eine Stunde zur Anfahrt und eine zur Rückfahrt, sind die entstehenden Fahrtkosten schon bei einem einzigen digitalen Meeting eingespart. Wenn wir jetzt noch bedenken, dass ein Berater mit ca. 80 Kundenverbünden häufigen analogen Kundenkontakt hat – sagen wir etwa 2,5 Mal pro Woche –, dann kommen wir auf etwa 100 Fahrten pro Jahr. Also 200 Stunden. Bei 100.000 Euro Vollkosten im Jahr pro Berater und 1.600 Stunden im Jahr (40 Wochen x 40 Stunden) ergibt das etwa 62,5 Euro pro Stunde. Also 12.500 Euro Fahrtkosten für nur einen Berater. Bei 10 Beratern in Ihrer Abteilung wären wir also bereits bei 125.000 Euro Produktiv-Kosten im Jahr, die durch eine Videoberatung einfach eingespart werden können. Vorausgesetzt, alle Fahrten könnten durch Videoberatung ersetzt werden.
Für die Finanzinstitute ergibt sich daraus im Umkehrschluss der Vorteil, dass die Berater dadurch mehr qualitative (!) Zeit für andere Kunden oder zusätzliche Arbeiten haben. Insbesondere zentral aufgestellte Einheiten oder Vermögensberater und ‑verwalter, die überregional agieren, können durch Videoberatungen deutlich Zeit einsparen. Denn aufgrund der zurückzulegenden Distanzen muss hier nicht selten ein ganzer Arbeitstag für die Hin- und Rückfahrt sowie das Gespräch eingeplant werden. Bei einer Tandemberatung mit 10 gemeinsamen Kundenbesuchen im Monat fallen nun also nicht mehr etwa 10 Manntage an (1 Stunde hin, 1 Stunde zurück, 2 Stunden vor Ort = 4 Stunden pro Berater x 2 im Tandem), sondern nur die tatsächliche Beratungszeit. Sagen wir der Einfachheit halber: Von 10 Manntagen bleiben nun noch 5 übrig. Nach 10 Monaten sind das schon 50 gesparte Manntage, also 400 Stunden Zeitersparnis – pro Tandem!
Ähnliche Zeitersparnisse lassen sich übrigens auch erreichen, wenn beispielsweise in einer Tandem- oder Trioberatung nur ein Mitglied des Beraterteams körperlich anwesend ist und die anderen am Tablet oder Laptop zugeschaltet werden. Insbesondere Spezialisten, die gegebenenfalls zu besonderen Gesprächen mitgenommen werden würden, können einfach hinzugeschaltet werden. Das sorgt auch institutsintern für eine bessere Stimmung, da die Spezialisten nicht den Eindruck bekommen, dass sie ihre ohnehin voll verplante Arbeitszeit für die Kunden des Firmenkundenberaters durch Hin- und Herfahren „opfern“ müssen.
Höhere Qualität und Quantität sind möglich
Als direkte Konsequenz dieser Zeitersparnis öffnet sich also für Finanzberater der Terminkalender. Die zusätzliche Zeit kann dann dazu genutzt werden, die Kundenverbünde pro Berater zu erhöhen oder die Qualität der Beratung durch zusätzliche Vorbereitungszeit zu verbessern bzw. zu optimieren. Wichtig dabei ist es erfahrungsgemäß, nicht einfach die Anzahl der zu betreuenden Kunden pro Berater zu erhöhen. Denn rein rechnerisch klingt es vielleicht sinnvoll, bei 50 % eingesparter Zeit die Kundenanzahl zu verdoppeln. In der Praxis sorgt das jedoch nur für zusätzlichen Frust beim Berater, was wiederum die Beratungsqualität negativ beeinflussen kann.
Ich empfehle, ein gutes Gleichgewicht zu finden, bei dem zunächst die Qualität der Beratung deutlich angehoben wird. Die dann noch verbleibende zusätzliche Zeit kann dann gerne in zusätzliche Kunden gesteckt werden. Orientieren Sie sich hier an unserer bekannten Erfolgsformel:
Anzahl x Intensität x Qualität x Begeisterung x Zeitraum = Ergebnis
Digitale Aufnahmen statt Notizen
Die Videoberatung bietet zusätzlich noch einen rein technischen Vorteil: Da die Kommunikation digital vonstatten geht, kann sie aufgezeichnet werden – natürlich nur mit Einverständnis der Gesprächspartner, um 100 % DSGVO-konform zu bleiben (so wie Sie es mittlerweile bei Wertpapierorders am Telefon ja auch schon absichern). Das erlaubt es dann allen Gesprächspartnern, sich voll und ganz auf ihr Gegenüber zu konzentrieren, da sie ihre Notizen nicht analog mitschreiben müssen. Ich empfehle deshalb, die technische Möglichkeit zum Mitschneiden der Gespräche einzurichten und vor dem Gespräch klar und kurz mit dem Kunden darüber zu sprechen, ob beide Seiten einen Wert in der digitalen Aufzeichnung sehen und keine rechtlichen Bedenken haben. Verfügt der Unternehmer nicht über die Möglichkeit, selbst aufzunehmen, können Sie sogar ausmachen, ihm hinterher Ihre Aufnahme zuzuschicken – eine gute Demonstration Ihrer digitalen Kompetenz und ein Mehrwert, der dem Unternehmer nicht entgehen wird.
Doch Vorsicht: Verfügen beide Seiten über Aufnahmen der Gespräche, wiegen auch vorschnelle Versprechen oder andere Aussagen, die man hinterher bereut, deutlich schwerer. Denn es gibt dann keinen Interpretationsspielraum mehr – das Gespräch lässt sich schließlich minutengenau und die getätigten Aussagen zu 100 % nachverfolgen. Mit Übung und Professionalität werden dann aber deutliche Qualitätssprünge in der Beratung erkennbar.
Die veränderte Erwartungshaltung der Unternehmer
Zu Beginn der Pandemie im März und April wurde die Videoberatung noch sowohl von Finanzinstituten als auch von den Familienunternehmern als reine Notlösung wahrgenommen. Da war es dann auch in Ordnung, wenn mal der Ton über das Laptop-Mikrofon verrauscht war oder im Hintergrund die Tür zum Schlafzimmer offen stand.
Doch je stärker sich Videokonversationen im Laufe der letzten Monate als fester Bestandteil der Beratung etabliert haben, desto klarer wird auch: Unternehmer erwarten mittlerweile eine gewisse Qualität in der Umsetzung dieser Gespräche. Denn die Zeit der Kompromisse ist aus ihrer Sicht vorbei und die Finanzinstitute hatten genug Zeit, eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen. Unternehmer erwarten mittlerweile:
- Top-Internetverbindung
- Top-Bildqualität
- Top-Tonqualität
- Top-Beleuchtung
- moderne Kommunikationsgeräte
- moderne Software
Je „normaler“ die Videoberatung also in den Köpfen der Unternehmer geworden ist, desto eher setzen sie auch „normale“ Qualitätsmaßstäbe an. Als Berater fragt man sich also am besten: Würde mir der Kunde diese Qualität auch bei der Vor-Ort-Beratung durchgehen lassen? Spätestens dann sollte klar sein: Die Zeiten, in denen man Videoberatungen im Pullover aus dem eigenen Schlafzimmer abhalten konnte und sich auf das unvorhergesehene Homeoffice-Gebot berufen konnte, sind endgültig vorbei.
Welcher Kommunikationskanal wird genutzt?
Skype, Zoom, GoToMeeting, Google Meet, Microsoft Teams: All diese Videochat-Anbieter haben in der Corona-Krise an Bedeutung gewonnen. Für Unternehmer – und insbesondere Top-Unternehmer – bedeutet das, dass sie aufgrund ihrer vielen unterschiedlichen Geschäftsverbindungen oft schon über Accounts bei den meisten dieser Anbieter verfügen, dazu kommen noch institutseigene beziehungsweise unternehmenseigene Systeme. Und für all diese gibt es dann eigene Logins und Passwörter, in alle muss man sich erst einarbeiten … Sie können sich vorstellen, dass es dann auf Unternehmer wesentlich unattraktiver wirkt, wenn er von einem Finanzberater in der Akquise hört: „Wir kommunizieren nur über System XY.“
Deshalb möchte ich Ihnen nahelegen, im Institut Accounts für alle gängigen Kommunikationsplattformen einzurichten. Auch die Fähigkeit, mit diesen umzugehen, sollte zwingend ein wesentlicher Teil des (zukünftigen) Anforderungsprofils für Mitarbeiter des Instituts werden. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Videokommunikation, wie in den Episoden 3, 4 und 6 des Versteher-Podcasts diskutiert. Ich gehe davon aus, dass es in Zukunft deutlich mehr Hybrid-Kontakte geben wird, also beispielsweise über:
- analog – von Angesicht zu Angesicht im selben Raum
- E‑Mail
- SMS-/WhatsApp-Nachrichten
- Telefonate
- Telefonate mit Unterlagen (Webinar)
- Video-Konferenzen
Die Fähigkeit, mit all diesen Kommunikationskanälen sicher umzugehen, erlaubt es Ihnen, dem Kunden die Wahl zu lassen. Und das ist letztlich auch ein wichtiger Aspekt beim Aufbauen des subjektiven Wohlfühlfaktors: Der Kunde merkt, dass Ihr Institut auf seine Wünsche und Vorlieben eingeht, anstatt ihn zu zwingen, sich noch ein weiteres Login für ein System zuzulegen, das er bislang noch gar nicht kennt.
An dieser Stelle noch eine dringende Bitte: Qualität in der Vorbereitung, im Gespräch und in der Nachbereitung sowie in den Ablaufprozessen dürfen auch in Zukunft nicht vernachlässigt werden – trotz oder vor allem wegen der Einführung von neuen Wegen der Kommunikation. Alle oben erwähnten Methoden, von E‑Mail über SMS bis hin zu Video-Beratung, sind nur Mittel zum Zweck. Sie ersetzen auf keinen Fall die Grundelemente einer professionellen Beratung von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien.
Die Zeit der professionellen (!) Videoberatung ist gekommen
Wir sehen im IFUF immer wieder, dass die Beratung über digitalen Videochat mittlerweile zum festen Arsenal der Beratungsmittel von Finanzinstituten geworden ist – und sowohl von Ihnen als auch von den Familienunternehmern als praktischer „Plan B“ zur physischen Anwesenheit gesehen wird. Wer sich darum bemüht, die neuen Qualitätserwartungen der Unternehmer zu befriedigen, der findet in der Videoberatung eine Beratungsmethode, die auch nach Corona noch unter bestimmten Umständen große Vorteile bietet. Oder wie es mir ein Managing Director Wealth Management (WM) einer Großbank neulich erklärte:
„Wenn ich im Oktober 2019 gefragt worden wäre, ob im WM Kunden- oder sogar Akquise-Gespräche komplett per Videoberatung geführt werden können, hätte ich dieses klar verneint. Aber seit März 2020, als wir in unserem Haus reibungslos auf digitales Arbeiten umgestellt haben, empfinde ich die Video-Beratung als sehr hilfreich, effizient und vor allem ist sie auch erfolgreich.“
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de