Als regelmäßiger Leser des Versteher-Magazins wissen Sie: Das Mensch zu Mensch ist für Familienunternehmer mittlerweile DAS Entscheidungskriterium schlechthin, wenn sie ihrem Firmenkundenberater (FKB) gegenübersitzen. Es muss also die Chemie stimmen, sonst bleibt man als FKB schnell auf der Strecke. Eine gehörige Portion Selbstbewusstsein passt da perfekt in die Mischung, denn Kompetenz und Zielsicherheit imponieren Familienunternehmern. Doch wenn das Selbstbewusstsein in (vermeintliche) Arroganz abrutscht, dann schadet es dem FKB mehr, als dass es hilft.
Der Drahtseilakt
Wie so oft hat mich auch diesmal ein selbst miterlebtes Kundengespräch dazu gebracht, das Thema hier anzuschneiden: Wieder einmal war ich in meiner Funktion als Gründer und Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) zu einem Gespräch mit einem unserer Familienunternehmer-Klienten eingeladen. Nach dem Gespräch fragte mich der Unternehmer dann, ob ich nicht noch für das Gespräch mit seinem Firmenkundenbetreuer bleiben wolle. Und selbstverständlich bin ich immer dafür zu haben, diese spannenden Interaktionen persönlich mitzuerleben und einen Blick darauf zu werfen, wie sich ein mir nicht bekannter Berater so schlägt.
Und was soll ich sagen: Der FKB hat mich wirklich beeindruckt! Gute Agenda, guter Zeitplan, merklich hervorragend vorbereitet, tief in die Wertschöpfungskette und das Geschäftsmodell des Unternehmers eingearbeitet etc. Dieser Berater hatte sich um alles gekümmert, was auch ich in meinen Artikeln immer wieder rate. Er war in Topform – und das wusste er auch. Er trat selbstsicher und zielgerichtet auf. So selbstsicher, dass mir schnell klar wurde: Dieser Berater wird den Unternehmer entweder sehr beeindrucken oder er tappt in die Falle und sein deutliches Selbstbewusstsein wird als Arroganz wahrgenommen.
Zum Glück kam es nicht so weit: Der Berater konnte das Gespräch souverän lenken, sodass es sich auch dann noch sehr angenehm anfühlte, wenn man mal nicht einer Meinung war. Der Unternehmer meinte dann auch hinterher zu mir: „Klasse – ein Berater, der weiß, was er will, was er kann und was am Ende des Gesprächs herauskommen soll!“ Ich dachte mir nur: „Interessant, ob das die Kollegen des FKB, ein anderer Gesprächspartner oder ein weiterer Beobachter genauso wahrgenommen hätten?“
Wo geht Selbstbewusstsein in Arroganz über?
Alle Menschen haben einen „sozialen Kompass“. Das ist das mentale Werkzeug, das uns dabei hilft, beispielsweise bei einem Abend mit Freunden intuitiv zu verstehen, wann man sich am besten verabschiedet, um die Gastfreundschaft nicht zu überstrapazieren. Auch beim Selbstbewusstsein kommt dieser Kompass zum Einsatz und schlägt heftig aus, wenn unser Gegenüber die unsichtbare Grenze zur Arroganz übertreten hat.
Dieses Werkzeug ist so wichtig für uns, da beide Eigenschaften untrennbar zueinander gehören. Beide sind das öffentlich zur Schau gestellte Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die feinen Unterschiede zu kennen, ist deshalb umso wichtiger:
- Arroganz entsteht, wenn das zur Schau gestellte Selbstbild deutlich positiver ist als das vom Gegenüber empfundene Fremdbild. Wohlgemerkt: In einigen Fällen ist das Fremdbild, das der Gesprächspartner von Ihnen hat, vielleicht tatsächlich zu negativ und Sie werden ungerechtfertigterweise als „arrogant“ empfunden.
- Angebliches Selbstbewusstsein, das darauf aufbaut, anderen ihre (vermeintlichen) Mängel aufzuzeigen, wird ebenfalls als Arroganz wahrgenommen. Schlimmer noch: Ein solches Verhalten wird schnell (und in vielen Fällen völlig zutreffend) als ein Mangel an Selbstbewusstsein identifiziert, da versucht wird, durch die eigene Überhöhung einen „Abwehrpanzer“ aufzubauen.
- Selbstbewusstsein gründet sich auf Leistung und Leistungsfähigkeit. Handfeste Beweise dafür überzeugen das Gegenüber, dass das Selbstbewusstsein gerechtfertigt ist. Ein fehlender Nachweis Ihrer Leistungen und Fähigkeiten lässt Sie wiederum eher arrogant wirken. Gleiches gilt übrigens auch für Leistungsnachweise, die allzu penetrant vorgetragen werden: Bekämen Sie jeden Tag einen Anruf von Cristiano Ronaldo, der Ihnen erzählt, wie toll er Fußball spielen kann, dann würden Sie ihn auch bald als arrogant wahrnehmen – auch wenn er objektiv gesehen natürlich recht hat.
Ungeachtet dessen, ob die Wahrnehmung Ihres Gegenübers korrekt ist, können wir eines feststellen: Arroganz ist Gift für das Mensch zu Mensch, während Selbstbewusstsein ein wichtiger Bestandteil vor allem im Gespräch mit dem Unternehmerkunden ist.
Wie stellt man sich richtig dar?
Da die Unterscheidung zwischen Arroganz und Selbstbewusstsein sehr subjektiv ist, ist es Ihre erste Aufgabe beim Kundenkontakt, den Punkt zu finden, ab dem Ihr selbstbewusstes Auftreten negativ wahrgenommen wird. Ich rate Ihnen in diesem Sinne sehr, sich mal objektiv selbst zu betrachten und herauszufinden, welche Verhaltensweisen potenziell als arrogant wahrgenommen werden könnten.
Heutzutage gilt: Ein richtig guter FKB ist mutig und selbstbewusst, aber auch ein guter Teamplayer. Er ist schnell und direkt, um bei den mitunter ruppigen Unternehmergesprächen bestehen zu können, aber gleichzeitig oft herzlich, sowohl in Bezug auf den Unternehmer und seine Familie als auch in Bezug auf das eigene Team. Ein richtig guter Firmenkundenberater zeigt Einzelkämpfer-Talente, wenn er sie braucht, und bleibt (insbesondere intern) ein Teamplayer (wie in meinem Podcast dazu besprochen).
Risiken für dieses gesunde Selbstbewusstsein gibt es freilich viele: Im Gespräch sitzt der FKB oft Unternehmer, kaufmännischem Leiter und Steuerberater gegenüber und wird intern ständig gemessen und beurteilt, wie im Artikel „Diva oder Opfer“ beschrieben. Man arbeitet also in dem Bewusstsein, sich jederzeit verteidigen und rechtfertigen zu müssen, denn die Kundenverbünde werden laufend von Dritten überprüft und alle Leistungen werden den vom Vorstand gesteckten Zielen gegenübergestellt. Und natürlich bekommt man als Berater schnell den Eindruck, dass es im eigenen Institut alle besser wissen, wenn einem beispielsweise Führungskräfte oder interne Abteilungen vorhalten, dass der Kunde doch direkt auf das Angebot anspringen müsste, denn er ist ja schon seit 20 Jahren beim Institut – man selbst weiß aber aus Erfahrung, dass das mit einem Familienunternehmer nun mal nicht so schnell geht. Der FKB sitzt bei der Interaktion mit dem Familienunternehmer eben genau an der Stelle, an der er alles „abkriegt“:
In meinen Seminaren und Coachings stelle ich immer wieder fest, dass es diese herausfordernde Position ist, die den Berater in eine permanente Abwehrhaltung zwingt. Da rutscht ihm dann auch im Team oder sogar beim Kunden mal ein Satz raus, der ihm sofort als arrogant ausgelegt wird. Auch in meinen Veranstaltungen merke ich beispielsweise zu Beginn häufig eine Haltung unter den teilnehmenden Firmenkundenberatern, dass man ja jetzt schon seit X Jahren diese Arbeit mache und man ja wohl schon alle Tricks – und natürlich auch die Unternehmerkunden – kenne. Das mag auf den ersten Blick arrogant wirken, ist aber nur ein Effekt des ständigen Drucks, dem FKB ausgesetzt sind. Ich sage dann immer: Wer in diesem Setting selbstbewusst genug ist, um zu erkennen, dass er vielleicht doch noch etwas Nützliches dazulernen kann, der läuft auch im Gespräch mit dem Unternehmer nicht so leicht Gefahr, arrogant zu wirken.
Zu wenig Selbstbewusstsein ist auch keine Lösung
Wer jetzt auf Nummer sicher gehen möchte, der könnte der Versuchung erliegen, sich mit Konjunktiven und übertrieben vorsichtigen Formulierungen in Sicherheit zu bringen: Wer kein Selbstbewusstsein an den Tag legt, läuft auch nicht Gefahr, am Ende arrogant zu wirken, oder?
Selbstverständlich ist das ein Trugschluss: Als FKB ist man permanent in einer Welt der Alphatiere unterwegs (extern bei Unternehmern und intern z.B. beim Vorstand) und die respektieren eben insbesondere persönliche Stärke. Nur wer sich klar positioniert und durchsetzt, wird auch ernst genommen. Wer das nicht kann, verblasst schnell im Gespräch mit Top-Unternehmern, die vielleicht selbst Weltmarktführer in ihrer Branche sind. Für zögerliche und unsichere Firmenkundenbetreuer haben diese Menschen einfach keine Zeit. Ganz zu schweigen davon, dass Sie beispielsweise Kreditwünsche des Kunden auch intern den verschiedensten Abteilungen verkaufen müssen. Klappt das nicht, weil Sie auch intern nicht selbstbewusst genug agieren, dann will der Unternehmer bald gar nichts mehr von Ihnen hören.
Selbstbewusst ist eine Person, wenn sie weiß, was sie kann. Ich finde, man darf auch entsprechend selbstbewusst auftreten. Natürlich, ohne andere zu düpieren oder kleinzumachen. Aber man sollte sein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen.
Selbstbewusstsein ist Teil des Anforderungsprofils
Ein gesundes Selbstbewusstsein bedeutet vor allem auch die Fähigkeit, zu erkennen, wo man eventuell noch Wissenslücken hat, um diese aufzuarbeiten. Ein Berater sagte mal zu mir: „Die jungen Leute heute tippen mit 10 Fingern, aber was sie schreiben, ist nur Schrott.“ Darauf angesprochen, wie er denn so tippt, meinte er mit einem Lächeln: „Zweifinger-Suchsystem, aber das Ergebnis hat Hand und Fuß.“ Daraufhin fragte ich ihn: „Und wenn die heute noch jungen Mitarbeiter in Zukunft auch noch inhaltlich gut werden, dann sind die am Ende schnell und gut – werden Sie dann bis dahin auch schnell?“ Der Berater erkannte dann, dass es einen Tipping Point gibt zwischen „weiterentwickeln“ und „Anschluss verlieren“. In dem Moment dachte er wohl auch darüber nach, ob er nicht doch vielleicht das Tippen mit 10 Fingern trainieren sollte.
Selbstbewusstsein und der Teamgedanke
Meines Erachtens gibt es drei Arten von Firmenkundenberatern:
- Top-Berater gehen selbstbewusst voran, aber schaffen es auch, andere mitzunehmen.
- Durchschnittsberater lassen passiv alles über sich ergehen.
- Underperformer stören sich an allem und kritisieren, anstatt an Lösungen zu arbeiten.
Damit es nicht missverständlich wird: konstruktive Kritik und lösungsorientierte Ideen sind sogar ausdrücklich erwünscht – nur dauerhaftes Jammern geht halt nicht. Selbstverständlich sollten alle FKB danach streben, zu den Top-Beratern zu gehören. Das bedeutet, dass wir unser Anforderungsprofil der Zukunft erweitern: Die Herausforderung für den Firmenkundenbetreuer der Zukunft ist kooperative Führung ohne hierarchische Macht. Damit zusammenhängend rate ich allen Beratern, sich mal ehrlich zu fragen: Kann ich das? Will ich das? Und hat man mir mal gezeigt, wie man das eigentlich erfolgreich macht?
Arroganz ist immer schädlich, nicht nur dem Kunden gegenüber. Ich rate Firmenkundenberatern deshalb außerdem, ihr Auftreten gegenüber Kollegen, auch aus anderen Bereichen des Instituts, genau im Auge zu behalten – und sich bewusst zu machen, welche Umstände im Job dazu führen können, dass man unabsichtlich mal arrogant wirkt. So wird einem zum Beispiel klar: Im Tagesgeschäft ist man oft nah am Vorstand dran. Wer jedoch ständig erwähnt, dass er „gleich noch in die Vorstandssitzung muss“, der wird schnell als arrogant wahrgenommen, auch wenn das lediglich den Tatsachen entspricht.
Ich rate Ihnen vor allem, intern ein Teamplayer zu sein: Es ist allzu leicht, sich selbst zu überhöhen, da beim FKB alle Stränge der Kundenkommunikation zusammenlaufen. Doch wirklich selbstbewusste Berater erkennen den Wert ihrer Kollegen. Oder glauben Sie, dass Weltstars wie Messi, Ronaldo und Lewandowski allein durch ihr rigoroses Training dahin gekommen sind, wo sie heute stehen? Nein, den wirklichen Durchbruch haben sie erst geschafft, als sie anfingen, mehr und mehr für das Team zu arbeiten. Oder um es mit Jürgen Klopp zu sagen: „Meine größte Stärke ist, richtig starke Leute um mich herum zuzulassen und sie dann auch machen zu lassen. Wir brauchen alle in bestimmten Bereichen Experten um uns herum, mit mehr Know-how als man selbst.“
Nehmen Sie sich all das, was ich in diesem Artikel angesprochen habe, zu Herzen und Sie werden schnell erkennen: Die Balance zwischen selbstbewusstem Teamplayer und arrogantem Einzelkämpfer ist nicht leicht und oft sehr subjektiv – doch wer sich auf dem Drahtseil halten kann, der sorgt damit für starke Kooperation unter den eigenen Kollegen und ein hervorragendes Mensch zu Mensch mit dem Unternehmer.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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