Nachdem die meisten Institute zunächst zögerlich bei der Einführung des Verwah­rent­gelts für Privat­kunden waren, hat das Thema seit Herbst 2020 eine ganz neue Dynamik angenommen: Immer mehr Häuser haben das Verwah­rentgelt mittler­weile einge­führt und die Freigrenzen sind (auch bei Bestands­kunden) konti­nu­ierlich gesunken. Als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) erlebe ich das Thema immer wieder hautnah, sowohl aus Sicht der Institute als auch der Unter­neh­mer­kunden, und weiß: Keinem von beiden gefällt die aktuelle Situation wirklich. Die jüngste Entscheidung des Landge­richts Berlin zur Praxis des Verwah­rent­gelts möchte ich deshalb zum Anlass nehmen, hier einmal beide Blick­winkel zu betrachten und zu erläutern, warum das Verwah­rentgelt dennoch eine echte Chance für die Finanz­be­ratung sein kann!

Unsicher­heiten auf allen Seiten

Sie werden es sicher alle gelesen haben: Im Zuge einer Klage des Verbrau­cher­zen­trale Bundes­ver­bands (vzbv) wurde der Sparda-Bank jüngst untersagt, auf Giro- und Tages­geld­konten Verwah­rent­gelte zu erheben. Entschei­dungen in weiteren vom vzbv angestrengten Prozessen stehen zwar noch aus, um einen recht­lichen Konsens zu erreichen. Doch bei den Insti­tuten hat diese Nachricht für Aufregung gesorgt. Nicht nur darf die Sparda-Bank aus Sicht des Gerichts kein Verwah­rentgelt erheben, sie muss sogar bereits geleistete Zahlungen zurück­er­statten. Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Landge­richte diesem Urteil anschließen werden.

Eines ist jedoch klar: Für die Institute ist das Verwah­rentgelt einmal mehr ein Thema, das ihnen Bauch­schmerzen bereitet. In meinen Gesprächen mit Private-Banking-Beratern sowie deren Vorständen und Führungs­kräften höre ich immer wieder, dass das Verwah­rentgelt bei der Beratung ein schwie­riges Thema ist. Kein Wunder, möchte doch kein Unter­nehmer hören, dass er für eine Standard-Leistung, die bislang immer kostenlos war, plötzlich einen „Strafzins“ zahlen muss. Doch von den Beratern höre ich auch immer wieder: Wenn man das Thema mal beim Kunden angesprochen und diesen davon überzeugt hat, sein Geld beispiels­weise in Wertpa­pieren, Immobilien oder Versi­che­rungen anzulegen, statt es auf dem Konto zu „bunkern“, dann sind die daraus folgenden Provi­si­ons­er­träge oft erfreulich hoch. Und das wäre so nicht gekommen, wenn dieselben Kunden keinen Anreiz gehabt hätten, auf diese Anlage­formen zu wechseln.

Das Verwah­rentgelt ist somit einer­seits ein Fluch – auch, da nicht alle seine negativen Effekte offen­sichtlich sind –, aber anderer­seits auch eine Chance für das Private Banking.

Das Verwah­rentgelt als Fluch: langfristig risikobehaftet

Während sich die Berater noch über die zusätz­lichen Erträge im Wertpa­pier­be­reich als Verwah­rentgelt-Vermei­dungs­stra­tegie freuen, halte ich es für wichtig zu erwähnen, wie kurzfristig diese wirklich sind, selbst wenn die Kunden in Wertpa­piere mit Bestands­ver­gütung gewechselt haben. Genau genommen ist es sogar möglich, dass Sie noch über Ihre super Erträge aus 2021 schimpfen werden. Denn die zusätz­lichen Erträge haben zu einer Erhöhung der Zielkarten 2022 geführt, obwohl die Kunden mittler­weile größten­teils mit Wertpa­pieren als Verwah­rentgelt-Vermeidung versorgt sind. Das dürfte es dem einen oder anderen Berater schwer machen, die ihm gesteckten Ziele noch zu erreichen, denn das situative Sonder­thema Verwah­rentgelt ist damit jetzt erst mal vom Tisch.

Zu viel Konzen­tration auf das Verwahrentgelt

Gleich­zeitig sind 2021 viele wichtige Themen liegen geblieben. Das liegt vor allem daran, dass sich die Beratung stark auf das eine Thema einge­schossen hat: dem Kunden das Verwah­rentgelt erklären und alter­native Anlage­formen anbieten. Viele Private Banker haben mir berichtet, dass sie vor der Einführung des Verwah­rent­gelts immer wieder versucht haben, die Inflation zur Sprache zu bringen. Doch viele Unter­nehmer haben erst beim Verwah­rentgelt reagiert, denn Inflation ist eine deutlich schlechter greifbare Gefahr für den eigenen Konto­stand. Da das Verwah­rentgelt so stark im Vorder­grund stand, kam es viel zu wenig zu einer wirklich ganzheit­lichen Private-Banking-Beratung, während die Erträge aus den Vermei­dungs­tak­tiken in Bezug auf Verwah­rent­gelte rein tempo­rärer Natur sind.

Die Heraus­for­derung ließ sich immer wieder an der Art und Weise erkennen, wie Firmen­kunden- und Private-Banking-Berater im Tandem agiert haben. Denn oftmals wurde der Private-Banking-Berater gar nicht wirklich als solcher vom Firmen­kun­den­be­rater vorge­stellt. Auch mit Blick auf die im Zuge von Mindest-Kunden­kon­takten zusam­men­ge­schrumpfte Zeit, die sich die Berater mittler­weile bei ihren Kunden nehmen können, ergab sich dann für die Unter­nehmer oft das Bild: Der Firmen­kun­den­be­rater berät mein Unter­nehmen vollum­fänglich – der Private-Banking-Berater ist aber scheinbar nur dazu da, mir das Verwah­rentgelt vom Hals zu halten.

Machen wir uns nichts vor: Unter­nehmer generell (und Familien­unternehmer aus dem Mittel­stand im Spezi­ellen) sind vielfach keine Fans von Wertpa­pieren und haben sich nur für diese Anlageform entschieden, um das Verwah­rentgelt zu vermeiden. Und wenn dann vonseiten der Berater kein guter Anknüp­fungs­punkt gefunden wurde, um noch weitere Produkte anzusprechen, ist das Thema Private Banking für den Unter­nehmer damit erst mal abgehakt. Jetzt, im Nachhinein, ist es deutlich schwerer für den Private-Banking-Berater, noch einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Keine klare Abgrenzung

Wer des Öfteren mal in das von mir angebotene Unter­nehmer-Versteher-Magazin schaut, wird wissen: Ich halte es für sehr wichtig für Tandems aus Firmen­kunden- und Private-Banking-Berater, dass sie beim Kunden ersichtlich machen, welches der beiden Ressorts für welchen Aspekt der privaten und geschäft­lichen Bilanz zuständig ist – auch wenn diese beiden Punkte in einer perma­nenten Wechsel­wirkung zuein­ander stehen. Wenn wir uns diese Wechsel­wirkung einmal anschauen, dann wird klar: Dem Kunden sollte deutlich werden, dass der Private-Banking-Berater für die gesamte rechte Hälfte dieses Schau­bilds verant­wortlich ist:

Wie bereits erwähnt wurde der Private-Banking-Berater statt­dessen in der Wahrnehmung viele Unter­nehmer zum reinen Verwah­rentgelt-Vermeider deklas­siert, da dieses Thema zum Leidwesen aller anderen Aspekte des Private Bankings forciert wurde.

Was, wenn das Kartenhaus zusammenbricht?

Sogar von Beratern bei Insti­tuten, die gar keine Firmen­kun­den­be­ratung anbieten, musste ich in letzter Zeit immer wieder hören, dass sie sich in der Kunden­be­ratung notge­drungen fast nur auf Wege aus dem Verwah­rentgelt konzen­triert haben. Kein Wunder, sind viele Unter­nehmer doch für andere Aspekte des Private Bankings nur schwer zu gewinnen, wenn nicht das „Damokles­schwert des Verwah­rent­gelts“ über ihren Köpfen hängt. Aber jetzt stellen Sie sich mal vor, dass der eingangs erwähnte Gerichts­be­schluss des Landge­richts Berlin auch in weiteren deutschen Gerichten Bestand hat und zur juris­ti­schen Tatsache wird. Was bleibt dann noch von der Private-Banking-Beratung übrig, wenn andere Themen gar nicht erst angegangen wurden? Es ist, als würde ein Steak­house bemerken, dass es sich allein mit den Beilagen sehr bequem über Wasser halten kann – und nicht bedenkt, dass der Gesetz­geber genau diese Beilagen aktuell unter­sucht und gegebe­nen­falls verbieten wird. Und weil es so bequem war, der Laden voll und die Kasse gefüllt ist, hat man vergessen oder übersehen, dass immer weniger Fleisch bestellt wurde.

Daher noch mal eindringlich der Hinweis: Sehen Sie das Verwah­rentgelt noch nicht als unumstöß­lichen Status quo an, bis es nicht durch die aller­höchste Instanz gegangen ist. Denn wird dort festge­stellt, dass es tatsächlich unzulässig ist, dann werden sich die Institute einige schwere Fragen stellen müssen:

  • Wie zahlen wir das bereits einge­zogene Verwah­rentgelt zurück?
  • Was passiert mit Provi­sionen, die sich direkt aus dem Verwah­rentgelt ergeben haben?
  • Kann der Vertrieb diese Rückzah­lungen ausgleichen – und welche weiteren Erträge bleiben dem Private Banking dann noch?
  • Bekommen wir als Institut das an die EZB weiter­ge­reichte Verwah­rentgelt überhaupt zurück und wenn ja, bekommen wir es genauso schnell zurück, wie wir es den Kunden zurück­zahlen sollen?

Das Verwah­rentgelt als Segen: endlich ansprechbar

Trotz all der genannten Risiken und Heraus­for­de­rungen hat das Verwah­rentgelt auch etwas Gutes – und das sogar unabhängig davon, ob es letztlich bestehen bleibt: Die wertvollen Unter­neh­mer­kunden sind endlich zu Gesprächen mit dem Private Banking bereit – sogar Top-Unter­nehmer, die sich jahrelang immer dagegen gewehrt haben. Aufgrund des „drohenden“ Verwah­rent­gelts gibt es plötzlich aufseiten der Unter­nehmer Gesprächs­bedarf. Das ist ein drasti­scher Unter­schied zu früher, als das Haupt­au­genmerk der Unter­nehmer noch auf ihren Firmen und Immobilien als Anlageform lag. Das Verwah­rentgelt kann also als Chance angesehen werden, endlich mal ins Gespräch zu kommen und die Schlagzahl für Gespräche deutlich zu erhöhen.

Das ist insbe­sondere ein Segen für Institute, die mit einer klaren Strategie und einer sauberen Definition des „Private Banking für Unter­nehmer“ (in Abgrenzung zum normalen Private Banking) arbeiten. Für diese Institute kann das Verwah­rentgelt den Stein ins Rollen bringen, der im Nachhinein eventuell ein ganz eigenes Momentum entwi­ckelt – sofern die Beratung ganzheitlich und nicht (zu) produkt­lastig vonstat­tengeht. So profi­tiert man nicht nur von den kurzfris­tigen Erträgen durch Wertpa­piere und andere Verwah­rentgelt-Vermei­dungs­stra­tegien, sondern kann auch viele weitere Möglich­keiten ausschöpfen, den Unter­nehmer endlich für das Private Banking zu erschließen.

Wer jetzt die Chance zur ganzheit­lichen Beratung der Unter­neh­mer­kund­schaft – unabhängig davon, ob Sie über ein Firmen­kun­den­ge­schäft verfügen oder nicht – nutzt, fängt nicht nur kurzfristig Kosten auf, die eventuell durch weitere Urteile gegen das Verwah­rentgelt entstehen, sondern legt den Grund­stein für eine langfristige Beziehung des Private Banking zu den wertvollen Unter­neh­mer­kunden. Man positio­niert sich also proaktiv, indem man über den Firmen­kun­den­be­rater „aus aktuellem Anlass“ den Kontakt herstellt und ihm dann die Private-Banking-Angebote des Instituts schmackhaft macht. Oder – im Fall eines Instituts ohne Firmen­kun­den­be­ra­tungs­segment – gleich zu Beginn kommu­ni­ziert, dass das Vermeiden des Verwah­rent­gelts nur ein Baustein im Puzzle der ganzheit­lichen Private-Banking-Beratung ist.

Meine Handlungs­emp­fehlung: agieren statt reagieren!

Wir sehen: Das Verwah­rentgelt ist nicht nur ein Fluch für Institute und Kunden, sondern auch ein Segen. Wer jetzt ein klares Konzept und eine ganzheit­liche Beratung im Private Banking für Unter­neh­mer­kunden anbieten kann und sich bewusst ist, dass das Anfor­de­rungs­profil des Unter­nehmers deutlich mehr umfasst als nur Wertpa­piere, der ist klar im Vorteil gegenüber der Konkurrenz.

Das Verwah­rentgelt sollte also als Chance verstanden werden, all diese Punkte proaktiv anzusprechen. Da auch Top-Unter­nehmer vom Verwah­rentgelt betroffen sind, bekommt man so sogar Gesprächs­termine, die man sich früher kaum erträumt hätte. Wer das als Private-Banking-Berater nicht gewohnt ist, dem empfehle ich sehr, diese Gespräche vorher ausgiebig zu trainieren. Insbe­sondere die Tandem-Beratung durch Firmen­kunden- und Private-Banking-Berater hat sich hier als perfekter Einstieg heraus­ge­stellt, weshalb ich Vorständen und Führungs­kräften einen kosten­losen Check-up anbiete. In ca. 2 Stunden gehen wir syste­ma­tisch alle wesent­lichen Punkte durch. Vom Aufbau oder Optimieren des Private Bankings für Unter­nehmer über struk­tu­relle Inhalte wie z.B. Zielkar­ten­ab­gleich und Tandem-Führung bis hin zur syste­ma­ti­schen Tandem-Gesprächs­vor­be­reitung und Gesprächsführung.

Denn nur ein einge­spieltes Team, vom Vorstand über die Führungs­kräfte und die Berater-Tandems bis hin zur Assistenz, ist in der Lage, die aktuelle Chance zu nutzen, um nicht nur alter­native Anlage­me­thoden gegen das Verwah­rentgelt ins Spiel zu bringen, sondern den Grund­stein zu legen für eine ganzheit­liche Private-Banking-Beratung. Die dann in der Lage ist, die aktuellen Ertrags­lücken nachhaltig zu schließen – und dabei sogar noch die Kosten der Rückzahlung des Verwah­rent­gelts zu decken, sofern zukünftige Gerichts­be­schlüsse der Argumen­tation des Landes­ge­richts Berlin folgen. Und selbst­ver­ständlich gilt dieses Angebot auch für Institute, die kein Firmen­kunden-Banking anbieten.

Linkbox:

Das Gespräch mit dem Unter­nehmer will top vorbe­reitet sein, insbe­sondere, wenn es um das Private Banking geht, dem Unter­nehmer erfah­rungs­gemäß wenig aufge­schlossen gegen­über­stehen. Wer sich tiefer einlesen möchte, findet im Versteher-Magazin zahlreiche Artikel, vollge­packt mit Hinter­grund­wissen und Handlungsempfehlungen:

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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