Nachdem wir letzte Woche einen Blick zurück auf das Jahr 2021 geworfen haben, schauen wir nun in die nahe Zukunft. Denn 2022 verspricht Diskussionsbedarf. Zwischen Niedrigzins und Inflation scheint sich mitten in der Pandemie ein neuer Crash anzubahnen. Doch keine Sorge, das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Höchste Zeit, dass wir darüber sprechen, was wir von 2022 erwarten können – und warum an den Untergangsszenarien für die nahe Zukunft unserer Marktwirtschaft nichts dran ist.
Bestandsaufnahme: Die aktuellen Entwicklungen
Noch vor 32 Jahren zeichnete sich in Deutschland ein sehr ähnliches Bild wie heute ab: Der Dax bei 1.500 Punkten, Mietfaktor 7 und hohe Unternehmenspreise – an jeder Stelle schlug man die Hände über dem Kopf zusammen und rief: „Alles viel zu teuer!“ Von vielen Seiten wurde damals argumentiert: Wer bei diesen Preisen noch in den Markt investiert, der muss wahnsinnig sein.
Und dennoch ist seither beides noch weiter gestiegen: Der Dax hat über die Jahrzehnte immer höhere Werte erreicht und die Immobilienpreise sind in Deutschland seit 2004 um bis zu 86 % gestiegen. Selbst in sogenannten Schrumpfungsregionen gibt es in diesem Zeitraum einen Preisanstieg von 38 % (Quelle: Statista; Statista-Account zum Einsehen erforderlich). Und konsequenterweise sind auch die Mieten nach oben geschnellt. Wenn das also damals schon „alles viel zu teuer“ war, dann muss Investieren im Jahre 2022 ja praktisch unerschwinglich geworden sein, oder?
(DAX Entwicklung, Quelle: boerse.de)
Heute sind die Preise also noch mal um ein Vielfaches höher – und gleichzeitig ist zu viel Geld im Umlauf und die Niedrigzinspolitik der weltweiten Notenbanken seit 2007 hat ihr Übriges dazu getan, wie ich es bereits vor Jahren prognostiziert und in einer ganzen Reihe von Artikeln immer wieder dargelegt habe, von der Bestandsaufnahme der Situation damals bis zum Ausblick auf das Heute. Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Ich gehe davon aus, dass sich am Zinsmodell der Notenbanken auch 2022 nichts dramatisch verändern wird. Eine Erhöhung von 200 bis 300 Basispunkten ist jedenfalls nicht zu erwarten, da eine solche plötzliche Anhebung sogar eher negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnte – bspw. Stichwort Unternehmenskredite. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns mit dem Dauerzustand Niedrigzins abzufinden und uns zu überlegen, wie wir damit umgehen.
Als Unternehmer fragt man sich nun: „Wenn so viel Geld im Umlauf ist, wo soll das denn hin, wenn die Zinsen so ungünstig aussehen?“ Da durch die niedrigen Zinsen Anleihen als Investitionsoption praktisch wegfallen, sind viele Investoren auf der Suche nach neuen Anlageoptionen. Und da die Regularien und Anforderungen bei der Kreditvergabe für Immobilien (Eigenheim, Eigentumswohnungen, Mehrfamilienhäuser) in den letzten 10 Jahren deutlich schärfer geworden sind, ist der Traum vom Eigenheim für NINJAs (No Income, No Job, No Assets) im Jahr 2022 in weite Ferne gerückt. Das hat selbstverständlich etwas Gutes für die Stabilität der Marktwirtschaft im Vergleich zur Zeit des großen Immobiliencrashs (Tipp: Schauen Sie gern mal den Film „The Big Short“), doch für Investoren ist die Suche nach Käufern umso schwieriger geworden.
Das leidige Corona-Thema hat zunächst dazu beigetragen, diese Situation noch zu verschärfen: Als die Pandemie im März 2020 in Europa so richtig losging, umklammerten die Investoren zunächst ihr Bargeld oder zogen Investitionen zurück, in Erwartung eines weitläufigen Crashs. Doch schon nach wenigen Wochen lief alles wieder steil nach oben – hat ja auch keinen Zweck, wo soll das Geld sonst hin, wenn die Zinsen im sog. „safe haven“ so niedrig sind und man dann noch Verwahrentgelt bezahlen soll? Bald schon liefen die Robo-Investoren und quantitative Hedgefonds wieder heiß, als die Großinvestoren erneut einstiegen. Bei etwa 10 % Rückgang setzten sich die ersten Käufer wieder in Bewegung und verließen sich erneut auf ihre automatischen Kauforders. Spätestens 2022 stellen wir fest: Das Schreckgespenst des plötzlichen, unvermeidlichen Crashs war eben doch nur das – ein (kurzfristiges) Gespenst.
Was tun ohne Anleihen?
Viele traditionelle Anleger wie Pensionsfonds, Stiftungen oder andere große institutionelle Investoren wie die Harvards dieser Welt haben mittlerweile verstanden, dass Anleihen zinsbedingt kaum noch nennenswerten, im Risiko vertretbaren Cashflow generieren. Vielerorts wurden kurzerhand die eigenen Anlagerichtlinien geändert, um auch in andere Anlageklassen investieren zu können. Da stecken mittlerweile zum Beispiel Fonds ihr Geld in Unternehmen und machen damit klassischen Private-Equity-Beratern Konkurrenz, während Family Offices in Wohn‑, Logistik- und Pflegegebäude investieren – was wiederum die Preise steigen lässt, denn das Prinzip von Angebot und Nachfrage bleibt bestehen, wie es zum Beispiel ein Artikel im Private-Banking-Magazin veranschaulicht. Dennoch sind derzeit sehr viele Anleiheinvestoren aufgrund von gesetzlichen Vorschriften weiterhin gezwungen in unrentable Anleihen zu investieren.
Für Unternehmen, Fonds etc. bleibt aktuell eigentlich keine andere Möglichkeit, als jederzeit vollinvestiert zu sein. Denn Investoren sehen sich mit dem Verwahrentgelt und niedrigen Zinsen konfrontiert, wenn sie ihr Geld zu lange liegen lassen. Ein Verwahrentgelt von 0,5 % p.a. bedeutet bei 100 Mio. Euro Liquidität zum Beispiel einen Verlust von 500.000 Euro p.a. – oder 1.369 Euro pro Tag. Fonds sehen sich zusätzlich mit dem Performancedruck der Investoren konfrontiert. So wird dann auf Teufel komm raus investiert, wenn nötig auch nur auf Basis der „Greater Fool Theory“ als Investitionsstrategie.
Die „Greater Fool Theory“ beschreibt die Annahme, dass eine Investition in Anlagegüter sinnvoll ist, sofern man davon ausgehen kann, dass man später einen „noch größeren Trottel“ findet, der einem die Anlage zu einem höheren Preis abkauft. Nach dieser Theorie kann also auch die Investition in objektiv zu hoch bepreiste Güter sinnvoll sein, wenn absehbar ist, dass man später beim Verkauf dennoch einen Gewinn erzielen kann.
Immobilien sind die neuen Anleihen
Gegenwärtig stehen viele regionale Institute wie Sparkassen und Volksbanken vor der Frage, ob man in Immobilien investieren sollte (sofern man es überhaupt darf), als Ersatz für Anleihen im Depot A. Das würde dazu führen, dass die regionalen Immobilienpreise eher steigen als sinken. Dazu kommt, dass regionale Immobilienmärkte von den Volkswirtschaften abgekoppelt sind. Ein Beispiel: Wenn die Automobilbranche Probleme hat, dann merkt Stuttgart das stärker als wir hier bei uns im schönen, beschaulichen Sprockhövel (Nähe Bochum/Wuppertal), doch bei den Immobilien zählt immer die Situation vor Ort – wie viele Menschen suchen eine Wohnung, wie viele sind regional vorhanden etc.?
Im Rahmen eines Gesprächs in einem Regionalinstitut wurde mir vor Kurzem eine Situation geschildert, die auf viele Institute zutreffen wird: Das Institut hat im Jahr 2022 im Depot A auslaufende Anleihen in Höhe von 1 Milliarde, bei einem durchschnittlichen nominalen Zinsertrag von 4 Prozent – also pro Jahr Erträge im zweistelligen Millionenbereich. Selbstverständlich setzt man sich rege mit dem Thema Alternativanlagen auseinander – denn sobald die Anlagen auslaufen, muss (!) man gemäß der bisherigen Investitionsstrategie erneut und zügig investieren. Doch bei „sicheren“ ‑0,5 % p.a. Effektivzins und Null-Zins-Kupon würde das Institut direkt Millionen verlieren – und auf 10 Jahre gerechnet sogar mehrere Hundert Millionen weniger Zinsertrag zur Verfügung haben. Gleichzeitig ist bislang das Investitions- und Risikomanagement im eigenen Institut gar nicht darauf eingestellt, in Alternativanlagen wie zum Beispiel Private Equity zu investieren. Es sind also schnellstmöglich Alternativen zu suchen, um weiter investieren zu können. Für das Institut bleiben letztlich nur zwei mögliche Anlageklassen übrig: Aktien- und Immobilienmarkt.
Was bedeutet das nun für das Institut? Treue Leserinnen und Leser wissen bereits: Wie oft in meinen Artikeln sollen die nachfolgenden Ansätze keiner wissenschaftlichen Überprüfung standhalten und gelten eher als Impuls und Denkanstoß. Es ist mir natürlich bewusst, dass ein Institut bei den Eigenanlagen strengen gesetzlichen Vorschriften, z. B. in der Eigenkapitalanlage und in der Vorhaltung der Liquidität, zu erfüllen hat. Dennoch ein exemplarisches Beispiel: Nehmen wir an, die 1 Milliarde Euro, die vormals in Anleihen angelegt waren, würden nun 50/50 aufgeteilt und 500 Millionen Euro in einen Spezialfonds mit einer sehr hohen Aktienquote mit Dividendentiteln gepackt, um daraus einen Cashflow zu haben und an potenziellen Kursgewinnen teilzuhaben. Um wiederum einen GESICHERTEN Cashflow zu haben – als Ersatz für die Zinszahlungen der bisherigen Anleihen –, würde die andere Hälfte der 1 Milliarde Euro in Immobilien investiert werden müssen. Wenn wir annehmen, dass eine symbolische Wohneinheit 500.000 Euro kostet, könnte man also in 1.000 Wohneinheiten investieren. Doch der Cashflow wird sofort gebraucht, denn lässt man das Geld liegen, dann wird Verwahrentgelt bei der EZB fällig. Man kann sich also keine Zeit mit der Investition lassen – neue Bauprojekte erst langfristig zu planen, ist unrentabel. Es müssen quasi „von heute auf morgen“ 500 Millionen Euro in bestehende Bauprojekte investiert werden, die zunächst mal gefunden, analysiert und geschätzt werden müssen. Viele Regionalinstitute können, dürfen und wollen nicht in Immobilien investieren, die 700 km oder weiter entfernt liegen.
Selbst wenn sich also regional bestehende Bauprojekte im Wert von 500 Millionen Euro finden lassen, dann würde das Regionalinstitut auf einen Schlag zum neuen Großinvestor auf dem dadurch stark angeheizten regionalen Immobilienmarkt. Man kann auch davon ausgehen, dass schon bei der Sondierung und den ersten Gesprächen zu diesen Großprojekten (es ergäbe ja keinen logistischen und betriebswirtschaftlichen Sinn, immer nur 1 oder 2 Wohneinheiten zu kaufen) sämtliche Investoren der Region sofort Wind davon bekommen und somit die Preise sofort stark ansteigen würden. Und im kommenden Jahr wird die Investitionssumme tendenziell sogar noch größer. Jetzt gehen Sie mal davon aus, dass regional ca. 1.000 Sparkassen und Volksbanken die gleiche Strategie fahren müssten. Das wäre ein jährlicher Anlagedruck von 500 Milliarden Euro auf dem Aktien- und noch mal so viel auf dem Immobilienmarkt (50/50-Quote). Das wäre nach der o.g. Musterrechnung eine sofortige Nachfrage von 1 Mio. Wohneinheiten in Deutschland.
Der Aktienmarkt wird dadurch sicher stabil gehalten. Gäbe es noch einen rentablen Anleihemarkt mit vertretbarem Verhältnis Zins zu Risiko, würden 500 Milliarden gerade einmal eine Staatsanleihe bedeuten. Es war ja bisher auch kein Problem, die Gelder schnell zu platzieren. Doch bei den Immobilien bedeutet es einen sich aufheizenden Markt und jedes Jahr riesige Wiederanlagepotenziale. Und dabei reden wir hier ja nur über die regionalen Finanzinstitute. Dazu kommen noch andere Finanzdienstleister, Stiftungen, Versicherungen und viele andere Investoren, die aus denselben Gründen von Anleihen auf Aktien und Immobilien umsteigen wollen oder müssen.
Kommt der Immobiliencrash? Wohl eher nicht!
Von vielen Seiten wird deshalb aktuell prophezeit, dass der Investitionsdruck auf den Immobilienmarkt in Kombination mit steigenden Miet- und Kaufpreisen zu einem Immobiliencrash führen könnte. Doch angesichts der großen Summen, die von allen Seiten in den Immobilienmarkt gepumpt werden, um die wegfallenden Anleihen auszugleichen, frage ich mich: Woher soll dieser Crash denn eigentlich kommen?
- Zugegeben, bei schnell steigenden Zinsen würde alles in sich zusammenbrechen, da Private Equity, Immobilien, Wertpapiere und sogar Kunst auf Kredit gekauft wurden. Doch wie wir schon festgestellt haben, sieht es nicht so aus, als würden die Notenbanken in absehbarer Zeit die Zinsen schnell und deutlich erhöhen.
- Die Inflation ist deutlich im Jahr 2022 angekommen, doch auf viele Produkte wird sie nur geringe Auswirkungen haben: Bei Lebensmitteln, Kleidung, TV, Kommunikation und digitalen Geräten haben wir einen erheblichen Massendruck, bei dem Preissteigerungen kaum durchzusetzen sind. Anders sieht es zwar prinzipiell in Gebieten wie Automobil, Reisen und Mieten aus. Doch starke Preissteigerungen hatten wir in den letzten 50 Jahren immer wieder – und trotzdem leben wir noch heute in Häusern und fahren Autos.
Dementsprechend halte ich marktwirtschaftlich umfassende und nachhaltige Crashes auch 2022 für äußerst unwahrscheinlich. Situative Rückschläge sind seit jeher gang und gäbe und werden auch in 2022 kommen. Das sind dann wieder gute Einstiegsmöglichkeiten. Auch für Ihre Unternehmer, die gern auf Schnäppchen aus sind. Teilweise wird wieder schnelles und beherztes Handeln notwendig sein, denn die Robos, Quantitaves und High-Frequenter powern direkt wieder in den Markt, sobald die Charttechnik es hergibt.
Geld findet 2022 neue Wege – und neue Herausforderungen
Ich gehe davon aus, dass sich die unterschiedlichen Finanzdienstleister, Fonds, Stiftungen etc. bald weitere (vornehmlich regelmäßig Cashflow generierende) Investitionsoptionen schaffen werden. Anleihen fallen als effektive Investition b. a. W. weg und fehlende, zeitgemäße und angepasste Richtlinien im Risikomanagement sorgen dafür, dass sich aktuell nur noch Aktien und Immobilien als Investitionen anbieten – doch das muss nicht so bleiben. Einige Institute planen beispielsweise schon den Handel mit Kryptowährungen. So würden einige Sparkassen und Volksbanken, wie neulich zu lesen war, ihren Kunden beispielsweise bald direkt Bitcoin und Co. als Investitionsmodelle anbieten.
Doch mit den neuen Möglichkeiten 2022 kommen neue Herausforderungen, die sich mit den Kryptowährungen sehr schön darstellen lassen: Natürlich ist das eine spannende, moderne und digitale Anlageoption. Doch Kunden legen im 21. Jahrhundert deutlich mehr Wert auf ökologisch unbedenkliche Anlagen. Viele Institute gehen diesen „grünen Trend“ mit und positionieren sich dementsprechend. Wer sich allerdings mit Kryptowährungen beschäftigt, weiß: Der Stromverbrauch der Rechenzentren, die für diese Währungen notwendig sind, ist enorm. Wie steht also das Regionalinstitut vor den Kunden da, wenn es sich als „nachhaltig“ positioniert und zum Beispiel öffentlichkeitswirksam Ladestationen für E‑Autos auf dem Mitarbeiterparkplatz baut – und zugleich Bitcoins anbietet, deren Stromverbrauch insgesamt auf dem Niveau ganzer Nationen liegt?
Marktwirtschaftliche Risiken 2022 – gibt es überhaupt welche?
Alles in allem sehe ich für 2022 mehr Positives als Negatives auf uns zukommen: Meiner Einschätzung nach ist das Risiko für größere Crashs überschaubar. Das soll nicht heißen, dass es nicht zu Insolvenzen und Ähnlichem kommen kann. Aber die globale Marktwirtschaft als Ganzes steht heute so stark da wie eh und je. Das merken Sie, wenn Sie sich mal die Bereiche anschauen, in denen einige Kommentatoren Risiken wittern:
- Nationale Überschuldung – Sind wir doch mal ehrlich: Kein Staat der Welt wird jemals alle seine Schulden begleichen können und vermutlich auch nicht wirklich wollen. Und das wissen auch alle anderen Nationen. Genau genommen dient diese enge finanzielle Verflechtung sogar eher der Stabilisierung der Märkte.
- Kriege zwischen den größten Nationen der Welt – Dazu wird es nicht kommen, da Nationen und Staatengebilde wie die USA, die EU, Russland, China etc. politisch und wirtschaftlich so stark verwoben sind, dass ein Krieg für niemanden einen Gewinn bedeuten würde. In der Serie „Madame Secretary“ gab es da mal eine schöne (funktionale, aber sehr treffende) Szene, in der der Präsident der USA auf einer Veranstaltung neben einem chinesischen Diplomaten sitzt und im Gespräch fragt: „Wollen Sie uns mit Krieg drohen?“ Und der chinesische Abgesandte antwortet: „Uns gehören so viele Ihrer Staatsschulden – wenn es so weit ist, kommen wir nicht mit Soldaten, sondern mit dem Gerichtsvollzieher.“
- Unternehmensinsolvenzen – Hier sehe ich leider insbesondere im Mittelstand noch viele Unternehmen, die in naher Zukunft tatsächlich insolvent gehen könnten. Dass diese Insolvenzen in der Corona-Zeit lediglich verschleppt wurden, habe ich bereits des Öfteren erwähnt. Doch für die Wirtschaft als Ganzes kann nur der Zusammenbruch eines wirklich systemrelevanten Unternehmens gefährlich werden, wie seinerzeit die Lehman Brothers. Und dann auch nur, wenn es um branchenübergreifende Unternehmen geht. Der aktuelle Rohstoffmangel und die Probleme bei der Chipherstellung sind beispielsweise eher Branchenthemen als ein Risiko für eine globale, nachhaltige Rezession. Nur wenn einer der Big Big Player wie Goldman Sachs oder Amazon wirklich bankrottgehen würde, hätte dies deutliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Und diese Unternehmen sind locker gleich mehrfach „too big to fail“.
- Nationen, die bankrottgehen – Das wird zumindest in den größten und wirtschaftsstärksten Nationen niemals der Fall sein. Wie bereits erwähnt, erwartet niemand, dass diese Staaten ihre Schulden jemals zurückzahlen werden. Deshalb wurde gerade in der Pandemie Geld geliehen wie nie zuvor – werden die Schulden wirklich irgendwann mal fällig, wird einfach refinanziert. Und das Geld wird im eigenen Land wieder investiert. Bei 10 Millionen Euro Kosten pro Autobahn-Kilometer würde man also schon für die Erneuerung von 10.000 km Autobahn locker 100 Milliarden Euro in die eigene Marktwirtschaft pumpen. Investitionsbedarf besteht immer und selbst wenn die eine Regierung einen Investitionsstopp verhängt, gerät die nächste in Zugzwang, da die Autobahnen für vier Jahre nicht erneuert wurden und es nun nötiger haben als je zuvor. Das erleben die Vielfahrer unter Ihnen täglich.
Die To-dos 2022 für Sie als Finanzdienstleister
Kommen wir von der Makroökonomie zur handfesten Praxis bei den Finanzdienstleistern: Was können Sie 2022 beachten, um anhaltenden Erfolg mit Familienunternehmerkunden zu haben? Die Tatsache, dass es keinen nachhaltigen Crash geben wird, sollte auch den meisten Familienunternehmern bewusst sein. Deshalb werden diese weiter investieren, anstatt ihrem Vermögen dank Inflation, Niedrigzins und Verwahrentgelt beim Schrumpfen zuzuschauen.
Was die Investitionen angeht, wird für Sie 2022 wichtig sein, zu verstehen, dass Familienunternehmer in der Regel strategische Lenker sind. Sie denken generationenübergreifend und nicht in Quartalen. Und sie haben einen intrinsischen ideologischen Antrieb, die Welt mit ihren Produkten zu bereichern. Keiner von ihnen möchte sich irgendwann zur Ruhe setzen, ohne auf das eigene Lebenswerk stolz sein zu können.
Selbstverständlich sind sie auch auf Rendite aus, aber die moralischen Vorstellungen sind bei Familienunternehmen ein nicht zu unterschätzender Faktor. Denken Sie nur daran, wie viele insbesondere mittelständische Firmen aktiv daran arbeiten, sich für das Klima einzusetzen, vom Verzicht auf Papierausdrucke bis zur Montage von Solaranlagen auf den Dächern der Firmengebäude. Lassen Sie derartige Aspekte bei der Beratung nicht außer Acht und wundern Sie sich nicht, wenn der eine oder andere Unternehmer lieber weiterhin in regionale Immobilien investiert als in Ihr Kryptowährungsangebot – also aus seiner ethisch-moralischen Sicht in die Gemeinschaft investiert statt in ökologisch problematische, wenn auch mitunter attraktiv erscheinende Finanzprodukte.
Des Weiteren sorgt das Generationendenken bei Familienunternehmern dafür, dass das genaue Timing von Investitionen kaum relevant ist. Ob der Unternehmer diese oder nächste Woche in regionale Immobilien investiert, ist ihm egal, da er ohnehin vorhat, diese Investition langfristig aufrechtzuerhalten. Da kann es ihm im Zweifelsfall auch egal sein, ob er mal ein Schnäppchen verpasst hat. Zu guter Letzt ist Liquidität für Unternehmer wichtig. Denn Liquidität bedeutet für sie Unabhängigkeit und das Gefühl, auf plötzliche Entwicklungen reagieren zu können, ohne dazu gleich einen Kredit aufnehmen zu müssen.
Die ganzheitliche Beratung steht also auch 2022 wieder an oberster Stelle. Sie ist entscheidend, um Familienunternehmer sowohl als Firmenkunden wie auch als Privatkunden abzuholen. Sie etabliert einen subjektiven Wohlfühlfaktor, der dafür sorgt, dass der Unternehmer bei Ihnen kauft und nicht bei der Konkurrenz, die sich zumindest bei den Finanzprodukten scheinbar nicht mehr von Ihrem Angebot unterscheidet. Es kommt nicht darauf an, dem Unternehmer perfekt getimte Investitionen anzubieten, sondern umfassende Ideen und Vermögensstrategien.
In der Beratung der Familienunternehmen sollte die Diskussion über das Geschäftsmodell den größten Teil des Termins einnehmen. Verstehen Sie wirklich (!) was die Firma so macht? Können Sie als Firmenkundenberater auf Top-Niveau die Entwicklungen der Branche und die daraus resultierenden notwendigen Handlungen nachvollziehen? Und schaffen Sie es, darauf Ihren eigenen Ertrag zu generieren?
Es kommt mehr denn je darauf an, dass sich der Unternehmer in sicherer Hand fühlt und sich dank Ihrer durchdachten Strategie weiter in Ruhe um die Firma kümmern kann. Denn die ist sein Herzstück und Lebenswerk. Nicht selten steht sie sogar über der Familie.
Um eine derartige Strategie und Idee zu entwickeln, braucht es natürlich Ihre aktive Zuarbeit. Agieren Sie also, statt nur zu reagieren, und gehen Sie konkret auf den Unternehmer zu. Auch wenn es keinen aktuellen Bedarf gibt, können Sie ihn mit einigen guten Ideen dazu bewegen, gemeinsam eine umfassende Firmen- und Vermögensstrategie zu erstellen. Die wird dann eventuell nicht gleich umgesetzt, aber Sie haben beim Unternehmer Eindruck gemacht – und sobald er zur Umsetzung bereit ist, wird er an Sie denken.
Anpacken statt zaudern – auf ein produktives Jahr 2022
Nachdem wir nun das Jahr 2021 haben Revue passieren lassen und uns einen ersten Überblick über das neue Jahr gemacht haben – das meiner Einschätzung nach weniger riskant sein wird, als manche befürchten –, bleibt mir nur noch, Ihnen ein erfolg- und ertragreiches 2022 zu wünschen. Vergessen Sie nicht, dass Sie es als Finanzberater mit einigen der beeindruckendsten Unternehmer unseres Landes zu tun haben, und genießen Sie die spannenden Gespräche!
Falls Sie sich für weitere hilfreiche Informationen und Handlungsempfehlungen für die Herausforderungen 2022 interessieren, lege ich Ihnen die kommende Artikelserie im Versteher-Magazin nahe, in der ich mich mit der Frage auseinandersetzen werde, wie sich das Investitionsverhalten von Unternehmern kurz‑, mittel- und langfristig entwickeln wird und weshalb Immobilieninvestitionen bald ganz neu gedacht werden müssen. Was spannende Chancen für Firmenkundenberater und Private Banking Berater gleichermaßen bringen wird.
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