Nachdem wir letzte Woche einen Blick zurück auf das Jahr 2021 geworfen haben, schauen wir nun in die nahe Zukunft. Denn 2022 verspricht Diskus­si­ons­bedarf. Zwischen Niedrigzins und Inflation scheint sich mitten in der Pandemie ein neuer Crash anzubahnen. Doch keine Sorge, das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Höchste Zeit, dass wir darüber sprechen, was wir von 2022 erwarten können – und warum an den Unter­gangs­sze­narien für die nahe Zukunft unserer Markt­wirt­schaft nichts dran ist.

Bestands­auf­nahme: Die aktuellen Entwicklungen

Noch vor 32 Jahren zeichnete sich in Deutschland ein sehr ähnliches Bild wie heute ab: Der Dax bei 1.500 Punkten, Mietfaktor 7 und hohe Unter­neh­mens­preise – an jeder Stelle schlug man die Hände über dem Kopf zusammen und rief: „Alles viel zu teuer!“ Von vielen Seiten wurde damals argumen­tiert: Wer bei diesen Preisen noch in den Markt inves­tiert, der muss wahnsinnig sein.

Und dennoch ist seither beides noch weiter gestiegen: Der Dax hat über die Jahrzehnte immer höhere Werte erreicht und die Immobi­li­en­preise sind in Deutschland seit 2004 um bis zu 86 % gestiegen. Selbst in sogenannten Schrump­fungs­re­gionen gibt es in diesem Zeitraum einen Preis­an­stieg von 38 % (Quelle: Statista; Statista-Account zum Einsehen erfor­derlich). Und konse­quen­ter­weise sind auch die Mieten nach oben geschnellt. Wenn das also damals schon „alles viel zu teuer“ war, dann muss Inves­tieren im Jahre 2022 ja praktisch unerschwinglich geworden sein, oder?

(DAX Entwicklung, Quelle: boerse.de)

Heute sind die Preise also noch mal um ein Vielfaches höher – und gleich­zeitig ist zu viel Geld im Umlauf und die Niedrig­zins­po­litik der weltweiten Noten­banken seit 2007 hat ihr Übriges dazu getan, wie ich es bereits vor Jahren prognos­ti­ziert und in einer ganzen Reihe von Artikeln immer wieder dargelegt habe, von der Bestands­auf­nahme der Situation damals bis zum Ausblick auf das Heute. Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Ich gehe davon aus, dass sich am Zinsmodell der Noten­banken auch 2022 nichts drama­tisch verändern wird. Eine Erhöhung von 200 bis 300 Basis­punkten ist jeden­falls nicht zu erwarten, da eine solche plötz­liche Anhebung sogar eher negative Auswir­kungen auf die Wirtschaft haben könnte – bspw. Stichwort Unter­neh­mens­kredite. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns mit dem Dauer­zu­stand Niedrigzins abzufinden und uns zu überlegen, wie wir damit umgehen.

Als Unter­nehmer fragt man sich nun: „Wenn so viel Geld im Umlauf ist, wo soll das denn hin, wenn die Zinsen so ungünstig aussehen?“ Da durch die niedrigen Zinsen Anleihen als Inves­ti­ti­ons­option praktisch wegfallen, sind viele Inves­toren auf der Suche nach neuen Anlage­op­tionen. Und da die Regularien und Anfor­de­rungen bei der Kredit­vergabe für Immobilien (Eigenheim, Eigen­tums­woh­nungen, Mehrfa­mi­li­en­häuser) in den letzten 10 Jahren deutlich schärfer geworden sind, ist der Traum vom Eigenheim für NINJAs (No Income, No Job, No Assets) im Jahr 2022 in weite Ferne gerückt. Das hat selbst­ver­ständlich etwas Gutes für die Stabi­lität der Markt­wirt­schaft im Vergleich zur Zeit des großen Immobi­li­en­crashs (Tipp: Schauen Sie gern mal den Film „The Big Short“), doch für Inves­toren ist die Suche nach Käufern umso schwie­riger geworden.

Das leidige Corona-Thema hat zunächst dazu beigetragen, diese Situation noch zu verschärfen: Als die Pandemie im März 2020 in Europa so richtig losging, umklam­merten die Inves­toren zunächst ihr Bargeld oder zogen Inves­ti­tionen zurück, in Erwartung eines weitläu­figen Crashs. Doch schon nach wenigen Wochen lief alles wieder steil nach oben – hat ja auch keinen Zweck, wo soll das Geld sonst hin, wenn die Zinsen im sog. „safe haven“ so niedrig sind und man dann noch Verwah­rentgelt bezahlen soll? Bald schon liefen die Robo-Inves­toren und quanti­tative Hedge­fonds wieder heiß, als die Großin­ves­toren erneut einstiegen. Bei etwa 10 % Rückgang setzten sich die ersten Käufer wieder in Bewegung und verließen sich erneut auf ihre automa­ti­schen Kauforders. Spätestens 2022 stellen wir fest: Das Schreck­ge­spenst des plötz­lichen, unver­meid­lichen Crashs war eben doch nur das – ein (kurzfris­tiges) Gespenst.

Was tun ohne Anleihen?

Viele tradi­tio­nelle Anleger wie Pensi­ons­fonds, Stiftungen oder andere große insti­tu­tio­nelle Inves­toren wie die Harvards dieser Welt haben mittler­weile verstanden, dass Anleihen zinsbe­dingt kaum noch nennens­werten, im Risiko vertret­baren Cashflow generieren. Vielerorts wurden kurzerhand die eigenen Anlage­richt­linien geändert, um auch in andere Anlage­klassen inves­tieren zu können. Da stecken mittler­weile zum Beispiel Fonds ihr Geld in Unter­nehmen und machen damit klassi­schen Private-Equity-Beratern Konkurrenz, während Family Offices in Wohn‑, Logistik- und Pflege­ge­bäude inves­tieren – was wiederum die Preise steigen lässt, denn das Prinzip von Angebot und Nachfrage bleibt bestehen, wie es zum Beispiel ein Artikel im Private-Banking-Magazin veran­schau­licht. Dennoch sind derzeit sehr viele Anlei­he­inves­toren aufgrund von gesetz­lichen Vorschriften weiterhin gezwungen in unren­table Anleihen zu investieren.

Für Unter­nehmen, Fonds etc. bleibt aktuell eigentlich keine andere Möglichkeit, als jederzeit vollin­ves­tiert zu sein. Denn Inves­toren sehen sich mit dem Verwah­rentgelt und niedrigen Zinsen konfron­tiert, wenn sie ihr Geld zu lange liegen lassen. Ein Verwah­rentgelt von 0,5 % p.a. bedeutet bei 100 Mio. Euro Liqui­dität zum Beispiel einen Verlust von 500.000 Euro p.a. – oder 1.369 Euro pro Tag. Fonds sehen sich zusätzlich mit dem Perfor­man­ce­druck der Inves­toren konfron­tiert. So wird dann auf Teufel komm raus inves­tiert, wenn nötig auch nur auf Basis der „Greater Fool Theory“ als Investitionsstrategie.

Die „Greater Fool Theory“ beschreibt die Annahme, dass eine Inves­tition in Anlage­güter sinnvoll ist, sofern man davon ausgehen kann, dass man später einen „noch größeren Trottel“ findet, der einem die Anlage zu einem höheren Preis abkauft. Nach dieser Theorie kann also auch die Inves­tition in objektiv zu hoch bepreiste Güter sinnvoll sein, wenn absehbar ist, dass man später beim Verkauf dennoch einen Gewinn erzielen kann.

Immobilien sind die neuen Anleihen

Gegen­wärtig stehen viele regionale Institute wie Sparkassen und Volks­banken vor der Frage, ob man in Immobilien inves­tieren sollte (sofern man es überhaupt darf), als Ersatz für Anleihen im Depot A. Das würde dazu führen, dass die regio­nalen Immobi­li­en­preise eher steigen als sinken. Dazu kommt, dass regionale Immobi­li­en­märkte von den Volks­wirt­schaften abgekoppelt sind. Ein Beispiel: Wenn die Automo­bil­branche Probleme hat, dann merkt Stuttgart das stärker als wir hier bei uns im schönen, beschau­lichen Sprock­hövel (Nähe Bochum/Wuppertal), doch bei den Immobilien zählt immer die Situation vor Ort – wie viele Menschen suchen eine Wohnung, wie viele sind regional vorhanden etc.?

Im Rahmen eines Gesprächs in einem Regio­nal­in­stitut wurde mir vor Kurzem eine Situation geschildert, die auf viele Institute zutreffen wird: Das Institut hat im Jahr 2022 im Depot A auslau­fende Anleihen in Höhe von 1 Milliarde, bei einem durch­schnitt­lichen nominalen Zinsertrag von 4 Prozent – also pro Jahr Erträge im zweistel­ligen Millio­nen­be­reich. Selbst­ver­ständlich setzt man sich rege mit dem Thema Alter­na­tiv­an­lagen ausein­ander – denn sobald die Anlagen auslaufen, muss (!) man gemäß der bishe­rigen Inves­ti­ti­ons­stra­tegie erneut und zügig inves­tieren. Doch bei „sicheren“ ‑0,5 % p.a. Effek­tivzins und Null-Zins-Kupon würde das Institut direkt Millionen verlieren – und auf 10 Jahre gerechnet sogar mehrere Hundert Millionen weniger Zinsertrag zur Verfügung haben. Gleich­zeitig ist bislang das Inves­ti­tions- und Risiko­ma­nagement im eigenen Institut gar nicht darauf einge­stellt, in Alter­na­tiv­an­lagen wie zum Beispiel Private Equity zu inves­tieren. Es sind also schnellst­möglich Alter­na­tiven zu suchen, um weiter inves­tieren zu können. Für das Institut bleiben letztlich nur zwei mögliche Anlage­klassen übrig: Aktien- und Immobilienmarkt.

Was bedeutet das nun für das Institut? Treue Leserinnen und Leser wissen bereits: Wie oft in meinen Artikeln sollen die nachfol­genden Ansätze keiner wissen­schaft­lichen Überprüfung stand­halten und gelten eher als Impuls und Denkanstoß. Es ist mir natürlich bewusst, dass ein Institut bei den Eigen­an­lagen strengen gesetz­lichen Vorschriften, z. B. in der Eigen­ka­pi­tal­anlage und in der Vorhaltung der Liqui­dität, zu erfüllen hat. Dennoch ein exempla­ri­sches Beispiel: Nehmen wir an, die 1 Milliarde Euro, die vormals in Anleihen angelegt waren, würden nun 50/50 aufge­teilt und 500 Millionen Euro in einen Spezi­al­fonds mit einer sehr hohen Aktien­quote mit Dividen­den­titeln gepackt, um daraus einen Cashflow zu haben und an poten­zi­ellen Kursge­winnen teilzu­haben. Um wiederum einen GESICHERTEN Cashflow zu haben – als Ersatz für die Zinszah­lungen der bishe­rigen Anleihen –, würde die andere Hälfte der 1 Milliarde Euro in Immobilien inves­tiert werden müssen. Wenn wir annehmen, dass eine symbo­lische Wohneinheit 500.000 Euro kostet, könnte man also in 1.000 Wohnein­heiten inves­tieren. Doch der Cashflow wird sofort gebraucht, denn lässt man das Geld liegen, dann wird Verwah­rentgelt bei der EZB fällig. Man kann sich also keine Zeit mit der Inves­tition lassen – neue Baupro­jekte erst langfristig zu planen, ist unren­tabel. Es müssen quasi „von heute auf morgen“ 500 Millionen Euro in bestehende Baupro­jekte inves­tiert werden, die zunächst mal gefunden, analy­siert und geschätzt werden müssen. Viele Regio­nal­in­stitute können, dürfen und wollen nicht in Immobilien inves­tieren, die 700 km oder weiter entfernt liegen.

Selbst wenn sich also regional bestehende Baupro­jekte im Wert von 500 Millionen Euro finden lassen, dann würde das Regio­nal­in­stitut auf einen Schlag zum neuen Großin­vestor auf dem dadurch stark angeheizten regio­nalen Immobi­li­en­markt. Man kann auch davon ausgehen, dass schon bei der Sondierung und den ersten Gesprächen zu diesen Großpro­jekten (es ergäbe ja keinen logis­ti­schen und betriebs­wirt­schaft­lichen Sinn, immer nur 1 oder 2 Wohnein­heiten zu kaufen) sämtliche Inves­toren der Region sofort Wind davon bekommen und somit die Preise sofort stark ansteigen würden. Und im kommenden Jahr wird die Inves­ti­ti­ons­summe tenden­ziell sogar noch größer. Jetzt gehen Sie mal davon aus, dass regional ca. 1.000 Sparkassen und Volks­banken die gleiche Strategie fahren müssten. Das wäre ein jährlicher Anlage­druck von 500 Milli­arden Euro auf dem Aktien- und noch mal so viel auf dem Immobi­li­en­markt (50/50-Quote). Das wäre nach der o.g. Muster­rechnung eine sofortige Nachfrage von 1 Mio. Wohnein­heiten in Deutschland.

Der Aktien­markt wird dadurch sicher stabil gehalten. Gäbe es noch einen rentablen Anlei­he­markt mit vertret­barem Verhältnis Zins zu Risiko, würden 500 Milli­arden gerade einmal eine Staats­an­leihe bedeuten. Es war ja bisher auch kein Problem, die Gelder schnell zu platzieren. Doch bei den Immobilien bedeutet es einen sich aufhei­zenden Markt und jedes Jahr riesige Wieder­an­la­ge­po­ten­ziale. Und dabei reden wir hier ja nur über die regio­nalen Finanz­in­stitute. Dazu kommen noch andere Finanz­dienst­leister, Stiftungen, Versi­che­rungen und viele andere Inves­toren, die aus denselben Gründen von Anleihen auf Aktien und Immobilien umsteigen wollen oder müssen.

Kommt der Immobi­li­en­crash? Wohl eher nicht!

Von vielen Seiten wird deshalb aktuell prophezeit, dass der Inves­ti­ti­ons­druck auf den Immobi­li­en­markt in Kombi­nation mit steigenden Miet- und Kaufpreisen zu einem Immobi­li­en­crash führen könnte. Doch angesichts der großen Summen, die von allen Seiten in den Immobi­li­en­markt gepumpt werden, um die wegfal­lenden Anleihen auszu­gleichen, frage ich mich: Woher soll dieser Crash denn eigentlich kommen?

  • Zugegeben, bei schnell steigenden Zinsen würde alles in sich zusam­men­brechen, da Private Equity, Immobilien, Wertpa­piere und sogar Kunst auf Kredit gekauft wurden. Doch wie wir schon festge­stellt haben, sieht es nicht so aus, als würden die Noten­banken in abseh­barer Zeit die Zinsen schnell und deutlich erhöhen.
  • Die Inflation ist deutlich im Jahr 2022 angekommen, doch auf viele Produkte wird sie nur geringe Auswir­kungen haben: Bei Lebens­mitteln, Kleidung, TV, Kommu­ni­kation und digitalen Geräten haben wir einen erheb­lichen Massen­druck, bei dem Preis­stei­ge­rungen kaum durch­zu­setzen sind. Anders sieht es zwar prinzi­piell in Gebieten wie Automobil, Reisen und Mieten aus. Doch starke Preis­stei­ge­rungen hatten wir in den letzten 50 Jahren immer wieder – und trotzdem leben wir noch heute in Häusern und fahren Autos. 

Dementspre­chend halte ich markt­wirt­schaftlich umfas­sende und nachhaltige Crashes auch 2022 für äußerst unwahr­scheinlich. Situative Rückschläge sind seit jeher gang und gäbe und werden auch in 2022 kommen. Das sind dann wieder gute Einstiegs­mög­lich­keiten. Auch für Ihre Unter­nehmer, die gern auf Schnäppchen aus sind. Teilweise wird wieder schnelles und beherztes Handeln notwendig sein, denn die Robos, Quanti­taves und High-Frequenter powern direkt wieder in den Markt, sobald die Chart­technik es hergibt.

Geld findet 2022 neue Wege – und neue Herausforderungen

Ich gehe davon aus, dass sich die unter­schied­lichen Finanz­dienst­leister, Fonds, Stiftungen etc. bald weitere (vornehmlich regel­mäßig Cashflow generie­rende) Inves­ti­ti­ons­op­tionen schaffen werden. Anleihen fallen als effektive Inves­tition b. a. W. weg und fehlende, zeitgemäße und angepasste Richt­linien im Risiko­ma­nagement sorgen dafür, dass sich aktuell nur noch Aktien und Immobilien als Inves­ti­tionen anbieten – doch das muss nicht so bleiben. Einige Institute planen beispiels­weise schon den Handel mit Krypto­wäh­rungen. So würden einige Sparkassen und Volks­banken, wie neulich zu lesen war, ihren Kunden beispiels­weise bald direkt Bitcoin und Co. als Inves­ti­ti­ons­mo­delle anbieten.

Doch mit den neuen Möglich­keiten 2022 kommen neue Heraus­for­de­rungen, die sich mit den Krypto­wäh­rungen sehr schön darstellen lassen: Natürlich ist das eine spannende, moderne und digitale Anlage­option. Doch Kunden legen im 21. Jahrhundert deutlich mehr Wert auf ökolo­gisch unbedenk­liche Anlagen. Viele Institute gehen diesen „grünen Trend“ mit und positio­nieren sich dementspre­chend. Wer sich aller­dings mit Krypto­wäh­rungen beschäftigt, weiß: Der Strom­ver­brauch der Rechen­zentren, die für diese Währungen notwendig sind, ist enorm. Wie steht also das Regio­nal­in­stitut vor den Kunden da, wenn es sich als „nachhaltig“ positio­niert und zum Beispiel öffent­lich­keits­wirksam Ladesta­tionen für E‑Autos auf dem Mitar­bei­ter­park­platz baut – und zugleich Bitcoins anbietet, deren Strom­ver­brauch insgesamt auf dem Niveau ganzer Nationen liegt?

Markt­wirt­schaft­liche Risiken 2022 – gibt es überhaupt welche?

Alles in allem sehe ich für 2022 mehr Positives als Negatives auf uns zukommen: Meiner Einschätzung nach ist das Risiko für größere Crashs überschaubar. Das soll nicht heißen, dass es nicht zu Insol­venzen und Ähnlichem kommen kann. Aber die globale Markt­wirt­schaft als Ganzes steht heute so stark da wie eh und je. Das merken Sie, wenn Sie sich mal die Bereiche anschauen, in denen einige Kommen­ta­toren Risiken wittern:

  • Nationale Überschuldung – Sind wir doch mal ehrlich: Kein Staat der Welt wird jemals alle seine Schulden begleichen können und vermutlich auch nicht wirklich wollen. Und das wissen auch alle anderen Nationen. Genau genommen dient diese enge finan­zielle Verflechtung sogar eher der Stabi­li­sierung der Märkte.
  • Kriege zwischen den größten Nationen der Welt – Dazu wird es nicht kommen, da Nationen und Staaten­ge­bilde wie die USA, die EU, Russland, China etc. politisch und wirtschaftlich so stark verwoben sind, dass ein Krieg für niemanden einen Gewinn bedeuten würde. In der Serie „Madame Secretary“ gab es da mal eine schöne (funktionale, aber sehr treffende) Szene, in der der Präsident der USA auf einer Veran­staltung neben einem chine­si­schen Diplo­maten sitzt und im Gespräch fragt: „Wollen Sie uns mit Krieg drohen?“ Und der chine­sische Abgesandte antwortet: „Uns gehören so viele Ihrer Staats­schulden – wenn es so weit ist, kommen wir nicht mit Soldaten, sondern mit dem Gerichtsvollzieher.“ 
  • Unter­neh­mens­in­sol­venzen – Hier sehe ich leider insbe­sondere im Mittel­stand noch viele Unter­nehmen, die in naher Zukunft tatsächlich insolvent gehen könnten. Dass diese Insol­venzen in der Corona-Zeit lediglich verschleppt wurden, habe ich bereits des Öfteren erwähnt. Doch für die Wirtschaft als Ganzes kann nur der Zusam­men­bruch eines wirklich system­re­le­vanten Unter­nehmens gefährlich werden, wie seinerzeit die Lehman Brothers. Und dann auch nur, wenn es um branchen­über­grei­fende Unter­nehmen geht. Der aktuelle Rohstoff­mangel und die Probleme bei der Chipher­stellung sind beispiels­weise eher Branchen­themen als ein Risiko für eine globale, nachhaltige Rezession. Nur wenn einer der Big Big Player wie Goldman Sachs oder Amazon wirklich bankrott­gehen würde, hätte dies deutliche Auswir­kungen auf die Weltwirt­schaft. Und diese Unter­nehmen sind locker gleich mehrfach „too big to fail“.
  • Nationen, die bankrott­gehen – Das wird zumindest in den größten und wirtschafts­stärksten Nationen niemals der Fall sein. Wie bereits erwähnt, erwartet niemand, dass diese Staaten ihre Schulden jemals zurück­zahlen werden. Deshalb wurde gerade in der Pandemie Geld geliehen wie nie zuvor – werden die Schulden wirklich irgendwann mal fällig, wird einfach refinan­ziert. Und das Geld wird im eigenen Land wieder inves­tiert. Bei 10 Millionen Euro Kosten pro Autobahn-Kilometer würde man also schon für die Erneuerung von 10.000 km Autobahn locker 100 Milli­arden Euro in die eigene Markt­wirt­schaft pumpen. Inves­ti­ti­ons­bedarf besteht immer und selbst wenn die eine Regierung einen Inves­ti­ti­ons­stopp verhängt, gerät die nächste in Zugzwang, da die Autobahnen für vier Jahre nicht erneuert wurden und es nun nötiger haben als je zuvor. Das erleben die Vielfahrer unter Ihnen täglich.

Die To-dos 2022 für Sie als Finanzdienstleister

Kommen wir von der Makro­öko­nomie zur handfesten Praxis bei den Finanz­dienst­leistern: Was können Sie 2022 beachten, um anhal­tenden Erfolg mit Famili­en­un­ter­neh­mer­kunden zu haben? Die Tatsache, dass es keinen nachhal­tigen Crash geben wird, sollte auch den meisten Famili­en­un­ter­nehmern bewusst sein. Deshalb werden diese weiter inves­tieren, anstatt ihrem Vermögen dank Inflation, Niedrigzins und Verwah­rentgelt beim Schrumpfen zuzuschauen.

Was die Inves­ti­tionen angeht, wird für Sie 2022 wichtig sein, zu verstehen, dass Familien­unternehmer in der Regel strate­gische Lenker sind. Sie denken genera­tio­nen­über­greifend und nicht in Quartalen. Und sie haben einen intrin­si­schen ideolo­gi­schen Antrieb, die Welt mit ihren Produkten zu berei­chern. Keiner von ihnen möchte sich irgendwann zur Ruhe setzen, ohne auf das eigene Lebenswerk stolz sein zu können.

Selbst­ver­ständlich sind sie auch auf Rendite aus, aber die morali­schen Vorstel­lungen sind bei Familien­unternehmen ein nicht zu unter­schät­zender Faktor. Denken Sie nur daran, wie viele insbe­sondere mittel­stän­dische Firmen aktiv daran arbeiten, sich für das Klima einzu­setzen, vom Verzicht auf Papier­aus­drucke bis zur Montage von Solar­an­lagen auf den Dächern der Firmen­ge­bäude. Lassen Sie derartige Aspekte bei der Beratung nicht außer Acht und wundern Sie sich nicht, wenn der eine oder andere Unter­nehmer lieber weiterhin in regionale Immobilien inves­tiert als in Ihr Krypto­wäh­rungs­an­gebot – also aus seiner ethisch-morali­schen Sicht in die Gemein­schaft inves­tiert statt in ökolo­gisch proble­ma­tische, wenn auch mitunter attraktiv erschei­nende Finanzprodukte.

Des Weiteren sorgt das Genera­tio­nen­denken bei Famili­en­un­ter­nehmern dafür, dass das genaue Timing von Inves­ti­tionen kaum relevant ist. Ob der Unter­nehmer diese oder nächste Woche in regionale Immobilien inves­tiert, ist ihm egal, da er ohnehin vorhat, diese Inves­tition langfristig aufrecht­zu­er­halten. Da kann es ihm im Zweifelsfall auch egal sein, ob er mal ein Schnäppchen verpasst hat. Zu guter Letzt ist Liqui­dität für Unter­nehmer wichtig. Denn Liqui­dität bedeutet für sie Unabhän­gigkeit und das Gefühl, auf plötz­liche Entwick­lungen reagieren zu können, ohne dazu gleich einen Kredit aufnehmen zu müssen.

Die ganzheit­liche Beratung steht also auch 2022 wieder an oberster Stelle. Sie ist entscheidend, um Familien­unternehmer sowohl als Firmen­kunden wie auch als Privat­kunden abzuholen. Sie etabliert einen subjek­tiven Wohlfühl­faktor, der dafür sorgt, dass der Unter­nehmer bei Ihnen kauft und nicht bei der Konkurrenz, die sich zumindest bei den Finanz­pro­dukten scheinbar nicht mehr von Ihrem Angebot unter­scheidet. Es kommt nicht darauf an, dem Unter­nehmer perfekt getimte Inves­ti­tionen anzubieten, sondern umfas­sende Ideen und Vermögensstrategien.

In der Beratung der Familien­unternehmen sollte die Diskussion über das Geschäfts­modell den größten Teil des Termins einnehmen. Verstehen Sie wirklich (!) was die Firma so macht? Können Sie als Firmen­kun­den­be­rater auf Top-Niveau die Entwick­lungen der Branche und die daraus resul­tie­renden notwen­digen Handlungen nachvoll­ziehen? Und schaffen Sie es, darauf Ihren eigenen Ertrag zu generieren?

Es kommt mehr denn je darauf an, dass sich der Unter­nehmer in sicherer Hand fühlt und sich dank Ihrer durch­dachten Strategie weiter in Ruhe um die Firma kümmern kann. Denn die ist sein Herzstück und Lebenswerk. Nicht selten steht sie sogar über der Familie.

Um eine derartige Strategie und Idee zu entwi­ckeln, braucht es natürlich Ihre aktive Zuarbeit. Agieren Sie also, statt nur zu reagieren, und gehen Sie konkret auf den Unter­nehmer zu. Auch wenn es keinen aktuellen Bedarf gibt, können Sie ihn mit einigen guten Ideen dazu bewegen, gemeinsam eine umfas­sende Firmen- und Vermö­gens­stra­tegie zu erstellen. Die wird dann eventuell nicht gleich umgesetzt, aber Sie haben beim Unter­nehmer Eindruck gemacht – und sobald er zur Umsetzung bereit ist, wird er an Sie denken.

Anpacken statt zaudern – auf ein produk­tives Jahr 2022

Nachdem wir nun das Jahr 2021 haben Revue passieren lassen und uns einen ersten Überblick über das neue Jahr gemacht haben – das meiner Einschätzung nach weniger riskant sein wird, als manche befürchten –, bleibt mir nur noch, Ihnen ein erfolg- und ertrag­reiches 2022 zu wünschen. Vergessen Sie nicht, dass Sie es als Finanz­be­rater mit einigen der beein­dru­ckendsten Unter­nehmer unseres Landes zu tun haben, und genießen Sie die spannenden Gespräche!

Falls Sie sich für weitere hilfreiche Infor­ma­tionen und Handlungs­emp­feh­lungen für die Heraus­for­de­rungen 2022 inter­es­sieren, lege ich Ihnen die kommende Artikel­serie im Versteher-Magazin nahe, in der ich mich mit der Frage ausein­an­der­setzen werde, wie sich das Inves­ti­ti­ons­ver­halten von Unter­nehmern kurz‑, mittel- und langfristig entwi­ckeln wird und weshalb Immobi­li­en­in­ves­ti­tionen bald ganz neu gedacht werden müssen. Was spannende Chancen für Firmen­kun­den­be­rater und Private Banking Berater gleicher­maßen bringen wird.

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Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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