Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich an dieser Stelle die These aufgestellt habe: Unter den aktuellen Bedingungen wird sich 2023 deutlich zeigen, welche Berater wirklich verkaufen und welche Chefs führen können. Und genau diese Tatsache wurde mir kurz darauf von einem Mandanten des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) indirekt bestätigt. Denn ich spreche zwar mit Unternehmern nicht ständig über „die Banken“ – aber in diesem Fall hatte ein Berater bei einem unserer Unternehmer einen so bleibenden Eindruck hinterlassen, dass ich dieses besonders anschauliche Beispiel für meine Thesen aus dem verlinkten Artikel heute mit Ihnen teilen möchte.
Wenn beim Unternehmer das Telefon klingelt
In meinem Gespräch mit dem Unternehmer-Mandanten des IFUF – ein Familienunternehmer aus dem Bereich Oberflächenveredelung – ging es um die unterschiedlichsten Themen. Ein normales Unternehmergespräch, wie wir es beim IFUF mehrmals täglich durchführen. Digitalisierung, Standardisierung, Nachhaltigkeit, Umwelt, Fachkräfte- und Arbeitermangel – eben alle Themen, die bis heute Unternehmer vor echte Herausforderungen stellen und die in Zukunft noch wichtiger werden. Dabei kamen wir auch auf das Thema Wettbewerbsfähigkeit zu sprechen. Und da unser Mandant als Familienunternehmer und ich als Gründer und Geschäftsführer des IFUF beide im unternehmerischen Bereich tätig sind, waren wir uns in einem Punkt schnell einig: dass die Banken aktuell merklich stark und proaktiv mit den Themen ESG und Nachhaltigkeit unterwegs sind. Das konnte ich auch von meinen Coachings und Seminaren her bestätigen.
Wir schmunzelten also zunächst ein bisschen darüber, dass jetzt mit ESG „die neueste Sau durchs Dorf getrieben wird“ und man sich besser darauf einstellt, dass die Berater jetzt öfters wieder anrufen werden. Und da kam der Unternehmer darauf zu sprechen, dass er genau so einen Anruf neulich schon bekommen hatte. Er hatte in den letzten Jahren kaum Anlass für Gespräche mit der Bank und auch von deren Seite aus kam nur wenig. Doch jetzt auf einmal meldete sich der Berater von sich aus.
Im Telefonat sprach der Berater eben auch das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen an. Da dachte sich der Unternehmer natürlich zunächst seinen Teil: „Toll, da gab’s in der Bank bestimmt eine Produktpräsentation oder ein Fachseminar und jetzt müssen die Firmenkundenberater raus und verkaufen.“ Da war er schon ein bisschen genervt, blieb aber ruhig, denn das Thema ist ja nun mal relevant. Und es war schon eine Weile her, dass sich der Unternehmer mit dem Berater unterhalten hatte. Also auch, wenn es der Bank jetzt vermeintlich nur um ihre Zielkarten ging – warum nicht zumindest mal darüber sprechen? Der Unternehmer sagte also einem Meeting zu.
Produktverkauf in die ganzheitliche Beratung integrieren
Schon kurz nach dem Telefonat kam für den Unternehmer jedoch bereits die erste positive Überraschung: Der Firmenkundenberater schickte ihm per Mail eine Einladung – zusammen mit einer detaillierten Agenda für das Treffen. Der Unternehmer war ja davon ausgegangen, dass es dem Berater nur um die Präsentation der Finanzprodukte ging, die auf seinen Zielkarten standen. Doch die Agenda, die er geschickt hatte, hatte einen klaren roten Faden, von den großen Themen („Was passiert in der Welt?“) bis ins Detail („Was bedeutet das konkret für das Unternehmen?“) – der Produktverkauf war also nur ein Teil der Beratung.
Darüber hinaus war alles klar geregelt: Der Berater hatte sogar eine Betriebsbesichtigung zeitlich mit eingeplant und erklärt, dass er seine Kolleginnen aus dem Private Banking per Video-Meeting vorstellen wollte. Besonders lobenswert: Neben jedem Agendapunkt waren ein bis zwei Sätze zur Erläuterung, damit der Unternehmer während des Termins nicht von unvorbereiteten Themen überrascht wird (das mögen Unternehmer nämlich gar nicht). Und zu jedem Agendapunkt waren spezifische Zeiten eingeplant. So wurde dem Unternehmer klar: Es gibt einen Plan und wir hetzen nicht durch einige Punkte und halten uns dann zu lang bei anderen auf. Durch die Zeiteinschätzung wurde auch offensichtlich, dass einige der Punkte während der laufenden Betriebsbesichtigung besprochen werden sollten. Ein ideales Zeitmanagement für den Unternehmer, denn Zeit ist dieser Art Mensch lieb und teuer!
Der Unternehmer war also erst mal baff: Sollte das hier nicht nur ein reines Verkaufsgespräch werden, sondern womöglich eine ganzheitliche Beratung? Klar, als Unternehmer versteht man natürlich, dass Banken auch Wirtschaftsunternehmen sind. Doch eine wirkliche ganzheitliche Beratung – das wäre eine echte Win-win-Situation.
Exkurs: Warum sagen Unternehmer nicht von selbst, dass sie sich eine ganzheitliche Beratung wünschen?
Ich höre immer wieder von Teilnehmern meiner Seminare und Workshops, dass man eine ganzheitliche Beratung anbiete, die aber kaum in Anspruch genommen werde. Denselben Eindruck hatte ich in meinen Anfangszeiten beim IFUF auch – wir boten eine ganzheitliche Beratung für Familienunternehmer und Unternehmerfamilien an, aber die Nachfrage blieb lange Zeit eher bescheiden.
Ich hatte dann bei meinem Hausarzt die entscheidende Eingebung. Der bot damals einen ganzheitlichen „Manager-Check-up“ an. Ich fragte ihn, ob dieser Service denn in Anspruch genommen wird, und er meinte sinngemäß: „Wer geht schon gerne zu einem Check-up? Am Ende stellt sich eh nur raus, dass man wirklich etwas hat, was behandelt werden muss.“ Was für ihn jedoch funktionierte, war, dass er Patienten, die mit einem spezifischen Bedarf kamen, den kompletten Check-up gleich mit anbot.
Diese Weisheit habe ich für mich ins IFUF übernommen und ich empfehle Ihnen, es genauso zu tun: Adressieren Sie den aktuellen Bedarf des Unternehmers (z.B. Nachhaltigkeit) und bauen Sie darauf eine ganzheitliche Beratung auf. So hat der Unternehmer eine Motivation, zu Ihnen zu kommen, und ist dann positiv davon überrascht, dass er gleich noch eine ganzheitliche Beratung mit dazubekommen hat. Denn in der Regel haben Unternehmer im Tagesgeschäft viel zu viel zu tun, um sich auch noch damit zu beschäftigen. Ein konkretes Einzelanliegen ist Ihr Fuß in der Tür, um sich ganzheitlich positionieren zu können.
Weitere Informationen zum Thema ganzheitliche Beratung finden Sie hier:
- Episode 28: Die Top-10-Gründe, warum das Tandem Firmenkunden- und Private-Banking-Beratung nicht funktioniert
- Neulich beim Kunden: Wenn der Firmenkundenberater den Unternehmer im Video-Gespräch begeistert
- Private Banking für Unternehmer ist Luxus und nicht Discounter: Was Handtaschen damit zu tun haben, dass Finanzinstitute ihre Top-Berater verlieren
Zurück zum Gespräch: Die stringente Durchführung
Als der Termin dann schließlich gekommen war, wurde alles genau so durchgeführt, wie es der Unternehmer von der ihm geschickten Agenda erwartet hatte. Das gesamte Gespräch war perfekt durchgeplant und dennoch locker und situativ angepasst. Die Video-Schalte mit den beiden Kolleginnen aus dem Private Banking (eine Expertin für die privaten Finanzen von Unternehmerfamilien und eine Spezialistin für Generationenmanagement) lief ebenfalls perfekt ab. Bei der Vorstellung ging es gar nicht mal um konkrete Themen, sondern nur um einen Überblick darüber, was diese so machen – und wo der Vorteil für den Unternehmer liegen könnte. Und ja, natürlich wollte der Firmenkundenberater auch ein neues Finanzprodukt verkaufen (Finanzierung zum Thema Nachhaltigkeit und Umwelt), aber darum herum wurde ein ganzheitlicher Beratungsansatz gestrickt – mit einem klaren Fahrplan, damit der Unternehmer genau sehen konnte, was wie und wann geplant ist.
Dass es unter anderem um Finanzierungsmöglichkeiten im Bereich der Förderung von Digitalisierung, Transformation und Nachhaltigkeit gehen würde, war deshalb auch keine negative Überraschung für ihn. Das wurde schließlich klar im Vorhinein durch die Agenda kommuniziert. Wie durchdacht das geschehen war, davon konnte ich mich übrigens selbst überzeugen, denn der Unternehmer zeigte mir direkt die Agenda, die er bekommen hatte. Und was soll ich sagen: Die war perfekt – detailliert (aber kein Roman), mit allen wichtigen Informationen und einer klaren Struktur.
Generationenmanagement ist für ihn ebenfalls wichtig, da die Firma schon in dritter Generation in der Hand seiner Familie ist. Und da der Unternehmer im immer enger werdenden Wettbewerb in der Oberflächenveredelungs-Branche mit Verdrängungsgefahr durch Riesen-Player und sinkenden Margen arbeitet, wollte er ohnehin das Thema Unternehmensnachfolge auf die schon in den Startlöchern stehende 4. Generation ansprechen – daher war er dann auch für diesen Agendapunkt empfänglich.
Was konnte der Unternehmer aus dem Gespräch mitnehmen?
Bezeichnend für das gesamte Gespräch mit seinem Firmenkundenberater ist meiner Einschätzung nach etwas, was der Unternehmer zu mir sagte, als wir uns im Unternehmergespräch darüber unterhielten: „Da denkste, der will Produkte verkloppen, und der macht da so ein klasse Erlebnis draus.“
Wir sehen also auch hier: Der Ansporn für den Firmenkundenberater mag durchaus gewesen sein, dass er ein konkretes Produkt verkaufen sollte, vielleicht hatte er auch vor Kurzem ein ESG- und/oder Produkt-Seminar dazu besucht, vielleicht kamen neue Zielkarten für ihn rein. Aber dieser Berater wusste, wie er das anstellt, ohne dass es auf den Unternehmer wie eine Kaffeefahrt wirkt. Dass der Auslöser des Gesprächs wahrscheinlich ein neues Finanzprodukt war, war dem Unternehmer irgendwann völlig egal, denn im Rahmen des Gesprächs erhielt er zusätzlich eine hervorragende ganzheitliche Beratung – und nicht zu vergessen: das Mensch zu Mensch (MzM), das sich in einer Branche mit immer ähnlicher wirkenden Produkten und Preisen wieder einmal als der ausschlaggebende Erfolgsfaktor herausgestellt hatte.
Mit der Erzählung des Unternehmers wurde mir dann auch klar, dass sich der Firmenkundenberater im Vorfeld ganz mit genau den kundenspezifischen Themen auseinandergesetzt hatte, die ich immer gerne als Vorbereitung auf Gespräche erwähne:
- Geschäftsmodell
- Beteiligungsstrukturen
- berufliches Umfeld (z.B. kfm. Leiter, Steuerberater)
- Familienstrukturen
- Typologie aller Beteiligten
- private Vermögensverhältnisse und Einkommen
- Notfall/Nachfolge
- Ziel für das Gespräch
Zusätzlich hatte er noch die tolle Idee, einen wesentlichen Teil des Gesprächs direkt während der Betriebsbesichtigung durchzuführen. So wurde das Treffen als Ganzes weder zu stark zu einer „Im Büro hocken und reden“-Veranstaltung und die Betriebsbesichtigung wurde nicht zu einer einseitigen „Unternehmer erklärt den Betrieb“-Führung. Wie ich das so hörte, hatte ich fast den Eindruck, als hätte ein Regisseur ein Drehbuch mit einem durchdachten Spannungsbogen für dieses Gespräch umgesetzt.
Der Höhepunkt kam entsprechend auch zum Schluss, als Unternehmer und Berater von der abgeschlossenen Betriebsführung ins Büro des Unternehmers zurückgekehrt waren. Dort fand die Vorstellung der beiden bereits erwähnten Private-Banking-Expertinnen statt. Die wussten aufgrund der zeitlich ausgearbeiteten Agenda genau, wann sie mit der „Live-Schalte“ zu rechnen hatten, und waren per Tablet sofort mit dabei. Beide haben sich vorgestellt, ihre jeweiligen Themenbereiche kurz angerissen und waren nach 10 Minuten schon fertig – es ging ja auch nur um die Vorstellung und darum, das Interesse zu wecken. Und nebenbei konnte das Institut durch die technisch hervorragende Durchführung auch gleich beweisen, was man im Bereich Digitalisierung so kann – der Ton war gut, Ausleuchtung durchdacht, die Beraterinnen saßen in getrennten Räumen, um Hall zu vermeiden, etc.
Ein rundum durchdachter Kundentermin mit durchschlagendem Erfolg
Nach dieser Geschichte wunderte es mich nicht, dass mir der Unternehmer noch anvertraute, dass er jetzt alles, was produktspezifisch besprochen wurde, auch nur mit diesem Firmenkundenberater abschließen möchte. Mit anderen Worten: Die ganzheitliche Unternehmerreise konnte nicht nur den Produktverkauf befeuern und Cross-Selling-Potenziale entfalten – man konnte sich auch noch ideal beim Unternehmer positionieren.
Und übrigens: Selbst solch eine umfassende Beratung hat den Firmenkundenberater keine riesigen Mengen an Zeit gekostet. Schließlich kannte er den Kunden schon und konnte so eine clevere Agenda zusammenbauen, an der kein Gramm unnützes Fett mehr war. Auch das war keine Überraschung für mich – all das ist relativ schnell erlernbar und trainierbar, das stelle ich immer wieder in meinen Seminaren und Workshops fest, wenn wir „Türöffner“-Sätze und das dazugehörige Zeitmanagement trainieren. Und der Firmenkundenberater hat diese Techniken offenbar perfekt im Gespräch mit dem Unternehmer umgesetzt.
Ein Beispiel für die erfolgreiche Beratung 2023
Es braucht jedoch ein hohes Maß an Selbstdisziplin, um als Berater auf Basis eines speziellen Anlasses zum Unternehmer zu fahren und dann selbstbewusst nicht einfach den Anlass durchzuarbeiten, sondern sich gleich noch mit einer ganzheitlichen Beratung beim Kunden zu positionieren. Der Firmenkundenberater aus diesem Beispiel hat hier eine ideale Balance aus Produktverkauf und Beratung hinbekommen.
Nutzen Sie also aktuelle Anlässe für einen Anruf, fragen Sie nach einem Termin und bereiten Sie sich professionell vor – vergessen Sie auch bitte nicht die Idee mit der detaillierten, aber auf den Punkt gebrachten Agenda im Vorfeld. Und dann nutzen Sie den Anlass, um gleichzeitig Ihr Produkt zu verkaufen und eine ganzheitliche Beratung anzubringen. Dann noch Cross-Selling-Ansätze mit den Kollegen fest einplanen und schon können Sie sich als ganzheitlicher Finanzcoach beim Unternehmer positionieren. Ziehen Sie gerne Inspiration aus unserem heutigen Beispiel und ergreifen Sie proaktiv die Gelegenheit am Schopfe. Ich wünsche Ihnen schon mal viel Spaß beim Planen und Durchführen.
Kontakt
Dirk Wiebusch
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