Nur 20 % aller Familienunternehmen schaffen es erfolgreich durch die ersten 5 Jahre. Nach den darauffolgenden 5 Jahren bleiben nur noch 4 % übrig. Wer also mit 65 auf ein Unternehmen zurückblicken kann, das sich bereits drei bis vier Jahrzehnte am Markt gehalten, Krisen und Umwälzungen überstanden und dabei sogar Gewinn erwirtschaftet hat, der kann zu Recht stolz sein. Und er lässt all das, was er aufgebaut hat, nicht gerne los. Aus dem Blickwinkel des Finanzdienstleisters mag die Nachfolgeplanung deshalb ein normaler, wenn auch sehr wichtiger Vorgang sein. Doch für Familienunternehmer ist sie der wohl schwerste Schritt der Karriere – oft sogar des ganzen Lebens.
Wenn Unternehmer sich dem „Ende“ stellen müssen
Finanzdienstleister haben es im Themenbereich Nachfolgemanagement meist mit einer von zwei Situationen zu tun: Entweder der Familienunternehmer hat bereits einen Käufer oder Nachfolger an der Hand und braucht das Institut eigentlich nur zur Unterstützung und Abwicklung des Prozesses. Oder das Institut geht proaktiv mit dem Thema auf den Unternehmer zu. Dann wird sich das Institut auf einen langwierigen Prozess einstellen müssen. Denn vom Unternehmer kommt meist nur ein „da bin ich schon dran“, „muss ich mich auch mal wieder drum kümmern“, „derzeit habe ich andere Themen“ oder ein schnelles „ist schon geregelt“. Man erfährt auch auf Nachfrage keine konkreten Informationen zum Stand der Dinge. Dann dauert es meist noch eine gefühlte Ewigkeit, bis tatsächlich konkret etwas unternommen wird.
Die Schwierigkeit liegt hier wieder einmal in den unterschiedlichen Blickwinkeln und Prioritäten von Finanzdienstleistern und Familienunternehmern. Denn Finanzdienstleister sehen sich meist mit kurzfristigen Ertragszielen konfrontiert und möchten Geschäfte am liebsten sofort abschließen. Spricht man jedoch einen 55-jährigen Unternehmer auf seine Nachfolgeregelung an, wird sich dieser die kommenden 10 Jahre damit beschäftigen wollen. Denn er will sein Unternehmen, dem er sein ganzes Leben gewidmet hat, nicht einfach „von heute auf morgen“ an jemand anderen übergeben. Schauen Sie sich nur einmal die beiden Teile (Link Teil 1, Link Teil 2) der Unternehmerbiografie von David Wagner an, die ich Ihnen vor einigen Monaten präsentiert habe: Würden Sie nach alledem eine so wichtige Entscheidung auf die leichte Schulter nehmen?
Als Finanzdienstleister ist es also Ihre Aufgabe, das Thema frühzeitig anzusprechen, über die kommenden Jahre behutsam voranzutreiben und jederzeit dafür bereit zu sein, die konkrete Planung und Ausführung zu übernehmen, sobald sich der Unternehmer bereit fühlt. Sie und Ihr Institut brauchen dazu viel Geduld. Und bedenken Sie: Je länger das Unternehmen besteht, desto schwieriger wird die Suche nach einer Nachfolgeregelung und desto länger wird der Unternehmer benötigen, um sich damit auseinanderzusetzen.
Warum zögern Familienunternehmer die Übergabe hinaus?
Familienunternehmer warten oft nicht bewusst mit der Familiennachfolge. Vielmehr versuchen sie, sich dieser schweren Entscheidung nicht stellen zu müssen, oder sie glauben, sich in ihrem Alter noch nicht darum kümmern zu müssen. Dabei unterschätzen sie die Zeit, die für eine erfolgreiche Etablierung der Nachfolge nötig ist. Meine über 25 Jahre Erfahrung mit dem Generationenmanagement bei Familienunternehmern sowie die interessanten Geschichten, die mir regelmäßig im Zuge meiner Vorträge und Seminare zu diesem Themenkomplex von Finanzdienstleistern in ganz Deutschland zugetragen werden, haben mir schon einiges an Gründen für das Hinauszögern der Nachfolgeregelung gezeigt:
- Misstrauen gegenüber dem Nachfolger
- Zweifel an der Kompetenz des Nachfolgers
- Generelle Angst vor Veränderungen im Unternehmen
- Emotionale Konfrontation mit dem Lebensende
- Angst vor Status- oder Machtverlust
- Angst vor Autoritätsverlust innerhalb der Familie
- Angst vor finanziellen Schwierigkeiten nach dem Ausstieg
Erfahrungsgemäß ist die Angst vor einem Status- oder Machtverlust bei alteingesessenen Familienunternehmern eher weniger stark verbreitet – diese Leute wissen, was sie im Leben erreicht haben. Die Angst vor finanziellen Schwierigkeiten findet sich jedoch relativ häufig unter Unternehmern. Und wenn es ihm bewusst ist, wird er nur sehr selten offen darüber sprechen.
Das hat auch einen guten Grund, denn durch die ständigen Reinvestitionen können sich viele Familienunternehmer in ihrer aktiven Zeit (für Außenstehende oft aus Unkenntnis nicht nachvollziehbar) nur ein überraschend kleines Privatvermögen aufbauen – insbesondere im Verhältnis zum eigenen Lebensstil. Oft erhalten sie neben dem Gehalt noch Einnahmen vor allem durch die Verpachtung von Immobilien an die eigene Firma (Gewinne werden ja reinvestiert – seit Längerem auch auf berechtigtes Drängen der Kreditgeber). Wenn nun ein Nachfolger das Unternehmen übernimmt, bedeutet das für den Ex-Unternehmer, dass er die Kontrolle über die privaten Einnahmen in die Hände dieses Nachfolgers legt. Als Berater spricht man diesen Umstand am besten mit viel Fingerspitzengefühl an und bemüht sich um eine Regelung, die das private finanzielle Risiko des Unternehmers minimiert. Das senkt die Hemmschwelle zur Übergabe der Firma.
Nägel mit Köpfen: der Handlungsrahmen
Ist der Unternehmer schließlich so weit, dass er das Unternehmen aktiv angehen möchte, springen Sie am besten sofort ein. Denn zunächst muss mit dem Familienunternehmer neutral, aber ehrlich besprochen werden, welche Handlungsoptionen er nun hat:
Familienunternehmer unterschätzen hierbei ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten häufig, da sie zugleich überschätzen, wie wichtig das eigene Unternehmen für den Markt als Ganzes ist. In den meisten Fällen reicht es, mit dem Unternehmer höflich, aber konkret darüber zu sprechen, dass sich auf dem Markt wahrscheinlich nichts ändern würde, selbst wenn er das Unternehmen komplett schließen würde. Das mag zunächst geringschätzig klingen, bedeutet aber, dass man als Unternehmer bei der Wahl der Nachfolgeregelung vermutlich nur wenige Optionen besitzt. Bei besonders großen Unternehmen ist ein Management-Buy-in/out meist nicht mehr möglich, weil diese häufig zu teuer sind. Während es bei kleineren und mittleren Unternehmen oft die einzige Möglichkeit ist, wenn kein Familienmitglied zur Nachfolge geeignet ist bzw. möchte oder einfach keine Kinder vorhanden sind.
Sehr spannende Varianten sind auch Family-Buy-out (die Familiennachfolger kaufen die Firma und der Übergeber erhält Geld, das zum Lebensunterhalt benötigt wird), Customer-Buy-out (Kunden der Firma kaufen als Gemeinschaft oder einzeln die Firma, damit die eigene Wertschöpfungskette erhalten bleibt) oder derzeit „im Kommen“: Family-Offices kaufen das Familienunternehmen. Denn diese haben aktuell Anlagebedarf und suchen gute, seriöse und nachhaltige Investmentmöglichkeiten.
Dem Verkauf an Familienmitglieder oder die eigenen Kunden möchte ich in Zukunft einen eigenen Artikel widmen. An dieser Stelle werden wir uns also zunächst nur mit der Option auseinandersetzen, dass ein Nachfolger in der Familie gefunden wird.
Familieninterne Nachfolgeplanung
Soll die Kontrolle über das Unternehmen innerhalb der Familie bleiben, muss dieser Prozess auf drei Ebenen abgewickelt werden:
- Übergabe Unternehmensanteile
- Übergabe Vermögenswerte (inkl. Unternehmensanteile)
- Übergabe operative Geschäftsführung
Auch hier gibt es wieder merkliche Unterschiede zwischen den Gedankengängen des Unternehmers und des Finanzdienstleisters. Denn der Unternehmer konzentriert sich typischerweise darauf, die Übergabe der Geschäftsführung zu organisieren, und geht davon aus, dass die Übertragung der Unternehmensanteile dann nur noch eine Formalie sei. Sie als Finanzdienstleister wissen jedoch genau: Das ist ein rechtlich komplexer Vorgang, in dem Steuerberater, Finanzdienstleister, Estate und Financial Planner sowie freie Berater mitreden müssen. Sie sind es quasi, die den rechtlichen Rahmen schaffen müssen, der den Verkauf des Unternehmens an andere überhaupt ermöglicht.
Das bringt Sie natürlich in die unglückliche Lage, dem Unternehmer irgendwann Dokumente vorlegen zu müssen, die für ihn ein Ende seiner Karriere bedeuten. Sie zeigen ihm schwarz auf weiß, dass er in Zukunft nicht mehr der Chef einer Firma sein wird, der er die besten Jahre seines Lebens gewidmet hat. Viele Unternehmer zögern nach dieser Konfrontation mit den ausgearbeiteten Fakten erst mal alles hinaus. Das ist eine normale emotionale Reaktion, die von Ihnen vor allem Geduld erfordert. Sie sind in diesem Zeitraum nur ein Teil einer weitaus größeren Gruppe von Menschen, die alle Einfluss auf den Unternehmer nehmen. Geben Sie dem Unternehmer die Zeit, mit all diesen Menschen ins Reine zu kommen. Und erwähnen Sie ihm gegenüber gegebenenfalls, dass all diese Menschen hinter ihm stehen:
Der Zeitplan zum Abtritt
Dieses Hinauszögern ist auch der Grund, aus dem ich Ihnen rate, den Unternehmer bereits viele Jahre im Voraus mit der Unternehmensnachfolge zu konfrontieren. Selbstverständlich will nicht jeder Unternehmer mit 65 Jahren schon aufhören – und es gibt keinen Grund, warum dieser Zeitpunkt eingehalten werden müsste. Immerhin sind Unternehmer in diesem Alter meist noch extrem agil.
Als Finanzdienstleister ist es jedoch ratsam, dem Unternehmer klarzumachen, dass das Einführen eines Nachfolgers in die Firma Zeit beansprucht – der Nachfolger kommt in feste Strukturen und muss sich erst mal einarbeiten. Wenn man diesen Prozess nicht rechtzeitig beginnt, verpasst man womöglich den richtigen Zeitpunkt, selbst abzuspringen. Und der Nachfolger hat eventuell selbst nicht mehr viel Zeit, wenn der Unternehmer zu spät sein Unternehmen abgibt. Denn sind beispielsweise die eigenen Kinder als Nachfolge eingeplant, wird es knapp: Bei einem 70- bis 80-jährigen Unternehmer werden die Nachfolger dann selbst bereits in ihren 40ern oder 50ern sein.
Das Anforderungsprofil des Nachfolgers
Unternehmer hoffen in den meisten Fällen, dass ihre Firmen in der Familie bleiben. Gleichzeitig erwarten sie jedoch auch, dass der potenzielle Nachfolger die Kompetenz dazu besitzt, das Unternehmen in ihrem Sinne weiterzuführen. Ein Tipp, den ich unseren IFUF-Kunden dazu gerne gebe, ist, eine Stellenausschreibung für die Position zu entwerfen:
Die potenziellen Nachfolger sollten dann wie normale Bewerber gegen dieses Anforderungsprofil geprüft werden – als wären sie nicht die eigenen Kinder. So können Familienunternehmer sicherstellen, dass sie die Position nicht einfach aus Familienloyalität besetzen. Als Berater legen Sie dem Unternehmer dieses Vorgehen am besten in einem ungezwungenen Gespräch in entspannter Atmosphäre nahe.
Service nach der Übergabe
Viele Finanzdienstleister planen beim Generationenmanagement nicht ein, was nach der erfolgreichen Unternehmensnachfolge mit dem ehemaligen Unternehmer geschieht. Für ihn tritt typischerweise eine „Empty-Desk“-Phase ein. Das bedeutet: Die festen Strukturen, denen man jahrzehntelang gefolgt ist, sind nun aufgebrochen. Es steht keine Arbeit mehr an, doch da man jahrzehntelang alles dem Unternehmen geopfert hat, hat man auch keine wirklichen Hobbys, auf die man sich konzentrieren könnte. Die Kinder und Enkelkinder sind dann meist auch schon erwachsen. Was bleibt, ist ein „Alpha-Rentner“, der sich komplett neu erfinden muss. Und auch als Ehepaar muss man sich gegebenenfalls neu erfinden. Schließlich ist man nach erfolgter Übergabe (oder Verkauf) zukünftig mehrere Tausend Stunden pro Jahr zusammen. Dass kennt das Paar ja meist gar nicht (mehr).
Schlaue Berater sorgen dafür, dass dieser Zeitraum in ungezwungener Atmosphäre bereits während der Vorbereitung der Nachfolgeregelung durchgesprochen wird. Hier lässt sich ein starkes Mensch zu Mensch etablieren: Dem Unternehmer wird klar, dass man sich als Berater nicht nur um die Finanzen der Firma kümmert, sondern auch um den Unternehmer als Menschen. Und vergessen Sie bitte nicht, auch Familienmitglieder zu fragen, wie diese es finden, wenn der „Alte“ anschließend sehr viel freie Zeit hat. Diese Frage ist sehr wichtig, kann aber gerne auch charmant und mit einem Augenzwinkern formuliert werden.
Die Nachfolgeregelung für Finanzdienstleister
Für Sie als Berater gibt es also im Generationenmanagement einiges zu tun und viel zu gewinnen, wenn Sie die Geduld mitbringen. Sprechen Sie Ihren Kunden frühzeitig auf seine Nachfolgeregelung an. Nutzen Sie die Jahre, die er zur Vorbereitung brauchen wird, um sich mit den potenziellen Nachfolgern gut zu stellen. Und vergessen Sie nie, auch den Blickwinkel des Unternehmers einzunehmen. Denn die Nachfolge ist ein in großen Teilen von Emotionen geprägtes Gebiet – zu erkennen, was wirklich in einem Unternehmer vorgeht, der sich bald zur Ruhe setzt, ist der Schlüssel zum Erfolg.
Aber das Beste zum Schluss: Wenn man es richtig angeht, muss man als Finanzdienstleister nicht erst bis zur Übergabe warten, bis man selbst Erträge generiert. Gut durchdachte Konzepte bringen schon während des kompletten Prozesses laufend gute und nachhaltige Erträge. Denn das Generationenmanagement ist in vielen Kundenbeziehungen der Türöffner schlechthin.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de