Das Klischee des Indus­tri­ellen als reuelosem Zerstörer der Umwelt hat längst ausge­dient. Als Gründer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) habe ich bereits in zahllosen Gesprächen mit Famili­en­un­ter­nehmern festge­stellt, dass diese Menschen genau wie jeder andere wissen, dass ESG (Environ­mental, Social and corporate Gover­nance) ein wichtiger Schritt zu einer nachhal­ti­geren und ökolo­gi­scheren Wirtschaft ist. Letzte Woche haben wir uns gemeinsam angesehen, warum Unter­nehmer dennoch nicht aus unüber­legtem Aktio­nismus sofort ihre gesamte Wertschöp­fungs­kette über den Haufen werfen (können) – auch wenn sie natürlich wissen, dass es umwelt­freund­li­chere Alter­na­tiven gibt. Heute möchte ich Ihnen noch einige weitere Aspekte dieses Themen­ge­biets aufzeigen, die Sie im Gespräch mit dem Unter­neh­mer­kunden nutzen können, um den subjek­tiven Wohlfühl­faktor herzustellen.

Druck von allen Seiten

Letzte Woche haben wir uns bereits angesehen, welche finan­zi­ellen Gründe aus dem Blick­winkel des Unter­nehmers dafür sprechen, auf eine durch­dachte Evolution statt auf eine überhastete Revolution zu setzen, beispiels­weise beim Anschaffen neuer, umwelt­freund­li­cherer Maschinen in Produk­ti­ons­un­ter­nehmen. Hier stehen der sofor­tigen Erneuerung des Maschi­nen­parks oft rein finan­zielle Überle­gungen im Weg: „Kann ich die Ausgaben für neue Maschinen vor meiner Bilanz recht­fer­tigen, wenn die alten Maschinen doch noch völlig funkti­ons­tüchtig sind?“

Gerade an diesem Punkt kommen mit Blick auf äußere Umstände noch weitere Überle­gungen auf den Unter­nehmer zu. Zum Beispiel: „Wenn ich Geld in eine umwelt­freund­li­chere Produktion stecke, bekomme ich das hinterher überhaupt wieder raus?“ Denn klima­freund­li­chere Produk­ti­ons­me­thoden sind häufig deutlich aufwen­diger und erzeugen Mehrkosten, die dann ja jemand tragen muss.

Leider sind viele Verbraucher entweder nicht gewillt oder nicht in der Lage, bei einer eventuell nötigen Preis­stei­gerung mitzu­gehen. Das hat man eindrücklich bei den Hamster­käufen zu Beginn der Corona­pan­demie gesehen: Da blieben mancherorts nur noch die hochprei­sigen Bio-Produkte in den Regalen liegen. Das hängt auch damit zusammen, dass gerade die U‑30-Generation eigentlich viel Wert auf klima­scho­nende Produkte legt – gleich­zeitig aber oft finan­ziell noch nicht so gut aufge­stellt ist, um beim Einkaufen immer den eigenen Idealen treu bleiben zu können. Und nicht zuletzt verschlimmern auch die aktuell wieder stark steigenden Verbrau­cher­preise dieses Problem zusätzlich.

Je nach Branche kann es sich der Unter­nehmer eventuell auch gar nicht leisten, die Preise zu erhöhen. Denken Sie an die Zulie­fer­be­triebe der Global Player wie VW oder Apple: Wenn die ihre Preise erhöhen, weil sie jetzt klima­freund­licher produ­zieren, dann sucht sich der Großkonzern ganz einfach eine günstigere Alternative.

Mein Tipp: Eine klima­freund­li­chere Produktion ist in vielen Fällen ein schöner Werbe­slogan, erschwert aber den eigent­lichen Absatz der Produkte und kann die Position des Unter­nehmens auf dem Markt gefährden, wenn andere Firmen mit günsti­geren Produkten an einem vorbei­ziehen. Letztlich gelten bei allem Willen zum Umwelt­schutz sowohl bei Unter­nehmern als auch bei Verbrau­chern die Regeln des Marktes. Fragen Sie Ihren Unter­neh­mer­kunden gerne mal danach, wie er eventuelle Mehrkosten wieder reinholen möchte. Und ob er beispiels­weise über Kunden­be­fra­gungen sicher­ge­stellt hat, dass seine Kundschaft auch bereit ist, ihrer­seits für den Klima­schutz tiefer in die Tasche zu greifen. Eventuell fallen Ihnen bei einem Blick auf die Wertschöp­fungs­kette auch Möglich­keiten ein, die Mehrkosten abzufangen, ohne sie an die Kunden weiter­geben zu müssen – das wäre ein wertvoller Input, sollte aber auf jeden Fall durch­dacht sein. Denn der Unter­nehmer kennt seine Wertschöp­fungs­ketten besser als Sie und wird von offen­sicht­lichen Schnell­schüssen entspre­chend wenig beein­druckt sein.

Nicht dem Hype verfallen

So sinnvoll das Thema Klima­wandel auch ist, müssen wir doch feststellen: Die Art und Weise, wie es aktuell gesell­schaftlich behandelt wird, ist es nicht. Vielmehr gehen wir gerade medial und gesell­schaftlich einen Zyklus durch, der für die wenigsten von uns neu sein wird:

  1. Thema wird (medial) hochge­kocht und zum Hype gemacht. 
  2. Politiker und Wirtschafts­lenker lassen sich dazu drängen, zum Teil völlig unrea­lis­tische Ziele und Absichts­be­kun­dungen abzugeben. 
  3. Dinge werden auf Basis dieser Aussagen in die Wege geleitet und täglich geprüft, doch da die Ziele unrea­lis­tisch sind, wächst der Druck. 
  4. Unter diesem Druck werden undurch­dachte Beschlüsse gefasst, die dann wieder zu Nachläs­sig­keiten in den Aufträgen und sogar Missbrauch führen können. 
  5. Zum Schutz vor Missbrauch wird mehr Bürokratie nötig, was wiederum die Umsetzung der Maßnahmen verzögert. 
  6. Und am Ende will es wieder keiner gewesen sein. 

Mein Tipp: Diese Entwicklung kann sowohl gesamt­ge­sell­schaftlich als auch im Mikro­kosmos eines einzelnen Unter­nehmens statt­finden. Versuchen Sie also, erste Anzeichen dafür im Unter­nehmen Ihres Kunden zu erkennen und ihn gegebe­nen­falls davor zu warnen. Ja, manchem Unter­nehmer ist das Thema Klima­schutz tatsächlich so wichtig, dass es ratsam ist, ihn bei der Umsetzung zu zügeln, um die Firma vor unerkannten Kosten und anderen Problemen zu bewahren. Sorgen Sie dafür, dass sich Ihre Kunden nicht verzetteln und sich darauf fokus­sieren, global zu denken, national zu planen und regional zu handeln. Und wo Sie schon dabei sind: Erläutern Sie Ihrem Unter­neh­mer­kunden, dass Inves­ti­tionen in Öko-Fonds, ‑Aktien und ‑Anleihen nicht sinnvoll sind, da die Gelder nicht wirklich ins Unter­nehmen fließen, sondern nur von einem Investor an den nächsten weiter­ge­geben werden.

Vom Privaten zum Professionellen

Meiner Einschätzung nach gibt es aktuell vier Kernthemen, die gesamt­ge­sell­schaftlich gelöst werden müssen, um uns auf einen guten Weg in Richtung Klima­schutz zu bringen:

  1. Population: Mehr Menschen bedeutet mehr Bedarf, bedeutet mehr Produktion … 
  2. Mobilität: Betrifft sowohl die Frage nach „Automobil oder Bahn?“ als auch die Entscheidung zwischen Diesel, Strom und Wasserstoff. 
  3. Reisen: Wie lassen sich private, aber auch geschäftlich notwendige Reisen klima­freundlich umsetzen? 
  4. Ernährung: Die Massen­tier­haltung verschlingt beispiels­weise Unmengen an Energie und erzeugt klima­schäd­liche Gase und Abfallprodukte. 

All diese Themen lassen sich sowohl auf der Makro-Ebene als auch im Privaten unter­suchen. Und dann sollte man sich den Unter­schied bewusst machen zwischen „sollte man machen“ und „tue ich bereits, auch wenn es Einschrän­kungen für mich bedeutet“. Es sind jetzt von der mittleren Generation (die Jungen sind zu jung und die Alten haben ihren Beitrag schon geleistet) pragma­tische Lösungen gefragt, auch wenn wir die positiven Effekte unserer Handlungen eventuell gar nicht mehr miterleben.

Mein Tipp: Der persön­liche Blick­winkel ist ein guter Weg, um das Thema Nachhal­tigkeit anzuschneiden. Vermeiden Sie dabei aber einen nach „von oben herab“ klingenden Tonfall. Vielleicht beginnen Sie das Gespräch schon mal damit, dem Unter­nehmer nebenbei zu erzählen, an welchen Stellen Sie selbst privat noch nicht nachhaltig genug sind – so stellen Sie schon von Anfang an klar: Keiner von uns beiden ist ohne Optimierungspotenzial.

Die Rolle der Finanz­dienst­leister im Wettlauf zwischen Markt und Klima

Wir merken: Eine Evolution hin zu klima­freund­lichen ESG-Prinzipien ist schon längst im Gange, denn Familien­unternehmer verstehen, wie wichtig das Thema ist. Was sie nun brauchen, sind Finanz­dienst­leister, die ihnen als Berater, Finan­zierer und Entwickler für zukunfts­fähige Ideen beistehen. Alle anderen Spiel­steine sind bereits an Ort und Stelle: Regularien erschweren die Kredit­vergabe, während immer neue ESG-Produkte für Anreize sorgen. Nun liegt es an den Beratern aus dem Firmen­kun­den­banking, Private Banking und Versi­che­rungs­be­reich, die Frage nach ESG, nach Umwelt- und Klima­schutz zu verin­ner­lichen und im Gespräch mit den Kunden als Standard­frage anzubringen.

Und das bringt uns zu einem meiner Lieblings­themen: Geschäfts­mo­delle und Wertschöp­fungs­ketten. Als Berater ist es Ihre Aufgabe, diese bei Ihren Kunden gut genug zu kennen, um gezielt bezüglich der Umsetzung von ESG nachzu­fragen und Vorschläge zu machen. Auch die Markt­folge Aktiv sollte sich da auskennen, um Chancen und Risiken zu erkennen. Und für alle Berater ist generell ein Verständnis der Wertschöp­fungs­ketten und der umzuset­zenden ESG-Maßnahmen zentral, um zu verstehen, wie der Unter­nehmer bei dem Thema tickt. Denn erst, wenn man ihn wirklich versteht, lässt sich auch der subjektive Wohlfühl­faktor aufbauen, der in Zukunft den Ausschlag dazu gibt, bei wem der Unter­neh­mer­kunde kauft.

Vom Kleinen ins Große

Klima­schutz fängt bei jedem Einzelnen an. Warum muss es jedes Jahr ein neues Handy sein? Warum kauft man Produkte, die um den halben Globus geflogen werden – beispiels­weise Himbeeren aus Marokko? Warum akzep­tieren wir, dass 250-g-Grill­steaks für unter 3 Euro zu haben sind – sogar schon mariniert und (in Plastik) verpackt? So kann jeder seinen eigenen Beitrag zum Schutz des Klimas leisten, sobald wir bereit sind, entspre­chende Einschrän­kungen zu akzep­tieren (ein „veral­tetes“ Handy und teureres Grill­fleisch). Solange wir den Gesetzen des Marktes unter­worfen sind, liegt es an Ihnen als Berater, dabei zu unter­stützen, das umzusetzen, was umsetzbar ist – und zwar so, dass es nicht durch überhas­teten Aktio­nismus langfristig Schaden anrichtet. Denn wer sich hier keine Ziele setzt, der wird auch nie einen wirklich positiven Einfluss auf das Klima haben – wer sich wiederum zu große Ziele setzt und diese ständig kontrol­liert, der wird irgendwann auch entnervt aufgeben. Diesen Spagat müssen Unter­nehmer mit Ihrem Rat hinbe­kommen. Klima­schutz­ziele sollten konkret, messbar und täglich in kleinen Mengen umsetzbar sein. So tut man vielleicht jeden Tag nur einen Schritt, aber nach einem Jahr ist man schon 365 Schritte gegangen.

Und letztlich sollten wir uns auch über eines im Klaren sein: Der Klima­wandel lässt sich nicht mehr vollständig aufhalten. Wir können ihn höchstens noch einschränken – auch, da es weltweit viele Nationen und Konzerne gibt, die gar nicht mitmachen werden. Auf jeden Fall können wir aber lernen, mit dem Klima­wandel zu leben. So wie es unsere Vorfahren getan haben, wenn sich das Klima auf natür­lichem Weg geändert hat. Und die haben es ja schließlich auch geschafft, sonst wären wir heute nicht hier.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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