Im August 2022 bin ich an dieser Stelle zum ersten Mal der Frage nachge­gangen, ob wir in Deutschland – unter dem Eindruck weitrei­chender Heraus­for­de­rungen sowie Krisen von Inflation bis Ukraine-Krieg – kurz vor einem Insolvenz-Tsunami der (Familien)Unternehmen stehen. Im Oktober 2022 gab es dann ein Update zur Situation in Privat­haus­halten und Kommunen sowie auf dem Immobi­li­en­markt, und schließlich handfeste Infor­ma­tionen zur Reaktion der deutschen (Familien)Unternehmer auf diese Entwicklung. Heute, ein knappes Jahr später, möchte ich mit Ihnen den erneuten Rundum­schlag wagen: Was ist seit dem letzten Artikel zu diesem Thema passiert und wie sieht die Situation heute aus? Dazu spreche ich im heutigen Artikel erneut die großen überge­ord­neten Themen an, bevor wir uns in Teil 5 der Serie nächste Woche wieder speziell um das Tages­ge­schäft bei Ihren wichtigsten Kunden kümmern: Den Familien­unternehmen und Unternehmerfamilien.

Denk ich an Deutsch­lands Wirtschaft in der Nacht …

Ob Sie Nachrichten schauen, im Internet surfen oder einfach auf der Straße mit den Menschen sprechen – überall wird die aktuelle Lage in Deutschland mit grauen­haften Schau­er­ge­schichten darge­stellt: Wir haben die Digita­li­sierung verschlafen und verlieren dabei selbst gegenüber kleinen Nationen den Anschluss, wir schaffen die Zuwan­derung nicht, wir rutschen in eine Rezession, die Strom­preise machen den Indus­trie­standort Deutschland unattraktiv, der Immobi­li­en­sektor ist tot und der Überbü­ro­kra­tismus ist sogar noch schlimmer geworden. Und das ist nur eine kleine Auswahl an Themen, über die man sich zurzeit Sorge macht. Da kommt es fast überra­schend, dass die steigenden Heizkosten dieses Jahr (noch) nicht so stark medial disku­tiert werden wie letztes Jahr.

Auch wenn ich der Meinung bin, dass all das in der öffent­lichen Diskussion viel zu hoch gekocht wird, muss man natürlich einsehen, dass in all diesen Bereichen durchaus Verbes­se­rungs­bedarf besteht. Manche Dinge sind einfach unüber­sehbar: Sie haben sicher auch mitbe­kommen, dass der Inter­na­tionale Währungs­fonds (IWF) vor kurzem seine Prognose des Wirtschafts­wachstums in Deutschland für 2023 von ‑0,3 % auf ‑0,5 % korri­giert hat. Für 2024 wird zwar ein Wachstum von +0,9 % vorher­gesagt, was jedoch immer noch weniger Wachstum wäre als noch Anfang 2023 vorhergesagt.

Was das in der Praxis bedeutet, höre ich auch in meiner Eigen­schaft als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) immer wieder. Da wurde mir zum Beispiel von einem Spezial-Logis­tiker erzählt, der im Zeitraum 2022 bis Mitte 2023 insgesamt an ca. 300 Betriebs­stätten-Verla­ge­rungen beteiligt war – und das waren alles Verla­ge­rungen von Deutschland ins Ausland! Selbst­ver­ständlich geht es dabei in erster Linie um die großen globalen Player wie BASF, Bayer oder Siemens. Wie ich bereits in der Vergan­genheit prognos­ti­ziert habe, wird der Mittel­stand nicht einfach so alle Maschinen abbauen und ins Ausland verlegen (können). Doch auch der Mittel­stand spürt diese Entwicklung, denn viele dieser Unter­nehmen sind ihrer­seits Zulie­ferer für die großen global Player und auf Auslands­lie­fe­rungen eventuell noch gar nicht vorbe­reitet. Wenn die Großen ins Ausland gehen, dann spüren das alle, die hierbleiben, bis hin zur Pommesbude vor dem Werksgelände.

Zur Einordnung des Gesamt­aus­maßes: Laut Statis­ti­schem Bundesamt haben allein im Zeitraum von 2018 bis 2020 etwa 1,6 % aller deutschen Unter­nehmen mit 50 oder mehr Beschäf­tigten Teile ihrer wirtschaft­lichen Aktivi­täten ins Ausland verlagert – also zum Beispiel die Produktion, den Kunden­dienst, den Vertrieb etc. Bei 64.000 vom Statis­ti­schen Bundesamt berück­sich­tigten Betrieben sind das 1.024 Betriebe, die zumindest teilweise Betriebs­stätten verlagert haben – vor allem aufgrund von Kosten­vor­teilen im Ausland und Fachkräf­te­mangel in Deutschland. Wenn man sich vor Augen hält, dass diese Zahlen noch vor der Corona-Pandemie und lange vor den steigenden Energie­kosten im Rahmen des Ukrai­ne­kriegs erhoben wurden, möchte man sich gar nicht ausmalen, wie die nächste StBA-Studie rückbli­ckend die Situation 2022 und 2023 beurteilen wird.

Neue Konkurrenz: BRICS plus

Nicht erst seit den Sanktionen gegen Russland im Zuge des Angriffs­kriegs gegen die Ukraine sollte uns auch die neue inter­na­tionale Konkurrenz in Form des Staaten­ver­bunds BRICS – ab 2024 BRICS plus – zu denken geben. Meines Erachtens wird hier in der Öffent­lichkeit immer noch zu wenig über den Tellerrand geschaut, denn immerhin vereinen die BRICS-plus-Staaten etwa 43 % der Weltbe­völ­kerung, 46 % der weltweiten Gas- und Erdöl­vor­kommen sowie 36 % des globalen Brutto­in­lands­pro­dukts. Aktuell vertreten viele der Staaten des neuen Macht­blocks zwar noch völlig gegen­sätz­liche politische Meinungen, aber die Geschichte lehrt uns: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Wenn die BRICS-plus-Staaten in Zukunft enger zusam­men­rücken, bedeutet das für die deutsche Industrie womöglich ganz neue Abhän­gig­keiten. Die Vorstellung, dass dann reihen­weise deutsche Familien­unternehmen wieder von China nach Deutschland zurück­kehren, entpuppt sich wahrscheinlich als ideolo­gisch getriebene Wunsch­vor­stellung. Denn ein Unter­nehmen mit 25 Millionen Euro Jahres­umsatz kann nicht „mal eben so“ die Produktion oder den Einkauf vom Waren von China nach Deutschland verlagern.

Unter der Abkürzung „BRICS“ (für Brasilien, Russland, Indien, China und seit 2010 Südafrika) versteht man die politische Inter­es­sens­ge­mein­schaft der namens­ge­benden Staaten. Seit dem Krieg gegen die Ukraine positio­niert sich diese Verei­nigung zunehmend als neuer Macht­block auf der Weltbühne, ähnlich der Europäi­schen Union oder des Common­wealth of Nations. Ab 2024 stoßen unter dem neuen Namen „BRICS plus“ sechs weitere Staaten hinzu: Ägypten, Äthiopien, Argen­tinien, Iran, Saudi-Arabien und die Verei­nigten Arabi­schen Emirate.

Digita­li­sierung und Brutto­in­lands­produkt – Schlag­worte, aber oft unreflek­tiert verwendet

Neben einem Fokus auf die Rolle der BRICS-plus-Staaten würde ich mir auch wieder mehr wünschen, dass wichtige wirtschaft­liche Faktoren in der Öffent­lichkeit reflek­tierter disku­tiert werden. Wir wissen zum Beispiel schon seit längerem, dass es in Deutschland mit der Digita­li­sierung hakt – die folgende Statistik dürfte da also kaum jemanden überraschen:

Doch was können wir aus einer solchen Erhebung wirklich heraus­lesen, außer einem generellen Unwohlsein in Bezug auf Deutsch­lands Stellung in der EU? Ist das digitale Netz in Deutschland tatsächlich mit dem des deutlich weniger Fläche umfas­senden Dänemark vergleichbar – oder sind das doch nur Äpfel und Birnen? Und warum wird hier nie zwischen der Industrie (weiter diffe­ren­zierbar zwischen globalen Konzernen und mittel­stän­di­schen Familien­unternehmen), der öffent­lichen Verwaltung und Privat­per­sonen diffe­ren­ziert (immerhin gibt es 66 Millionen Smart­phone-Nutzer in Deutschland)?

Ähnliches sehen wir in Statis­tiken zum BIP:

In solchen Statis­tiken werden beispiels­weise regionale Beson­der­heiten kaum beachtet – es ist schon das höchste der Gefühle, wenn ein Vergleich zwischen „neuen“ und „alten“ Bundes­ländern gemacht wird. Neulich habe ich die folgende Statistik gesehen, in der der Anteil der einzelnen Wirtschafts­zweige an der Brutto­wert­schöpfung Deutsch­lands darge­stellt wird:

Nicht nur werden hier enorm viele Wirtschafts­zweige in einen Topf geworfen, es wird auch die Wahrnehmung verzerrt. Denn das Bauge­werbe steht hier zwar mit 5,7 % deutlich auf Rang 3 der Statistik, aber gemessen am gesamten BIP aus der Statistik darüber entspricht das für 2022 immerhin noch ca. 220 Milli­arden Euro. Apropos Bauge­werbe: Für 2023 wird hier ein Rückgang von 7 % prognos­ti­ziert – das entspricht aber gerade mal 15 Milli­arden von 220 Milli­arden Euro. Und das bei einem Rückgang der Bauge­neh­mi­gungen um 27,2 % allein im ersten Halbjahr 2023.

Aber für die öffent­liche Meinung (was auch immer „die“ öffent­liche Meinung ist) ist in erster Linie wichtig, dass man das alles schön in großen Zahlen darstellen kann. Auch wenn dabei die Details verloren gehen. Klar könnte man diese durch weitere Diffe­ren­zierung heraus­ar­beiten, was meiner Meinung nach auch sinnvoller wäre – aber das ist vermutlich aus kommu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gi­schen Gesichts­punkten auf politi­scher Ebene nicht gewollt.

Ein politi­sches Problem

Schon im zweiten Teil dieser Artikel­serie 2022 haben wir uns ausführlich mit der Rolle der Bundes­re­gierung bei dieser Entwicklung ausein­an­der­ge­setzt. Schon damals waren sich die Parteien nicht wohlge­sonnen und mein Fazit fiel dementspre­chend eher negativ aus. Heute gehe ich sogar noch ein Stück weiter. Ich sage: Dieses ganze „Klein-klein“, das wir zurzeit auf der politi­schen Ebene bestaunen dürfen sowie das regel­mäßige Abarbeiten an Nichtig­keiten blockiert jegliche Umsetzung von Gegen­maß­nahmen gegen die wirtschaft­liche Flaute. Selbst wenn es mal nicht um Nichtig­keiten geht, agiert die Politik zurzeit ohne jeglichen Effizi­enz­ge­danken. Erinnern Sie sich noch an die Kinder­grund­si­cherung? Das Thema wurde erst lang und breit (und medien­wirksam) disku­tiert, die Milli­arden verbal hin und her geschoben. Am Ende hatte man sich dann auf knapp 2 Milli­arden Euro für diese Leistung geeinigt – nur um einige Tage später verlaut­baren zu lassen, dass das Projekt eventuell doch 6 Milli­arden und mehr kosten könnte. Das erinnert mich an die Corona-Anfangstage, als zunächst lange disku­tiert wurde, ob man als Verwandter seine Angehö­rigen in Kranken­häusern oder Pflege­heimen besuchen durfte. Für manche war es da leider längst zu spät, als es zur Einigung kam. Man musste auf das Wohlwollen des Personals hoffen, wie ich es aus der Geschichte eines unserer Mandanten des IFUF vor kurzem erfahren habe.

Wie sehr hier auf politi­scher Ebene mit dem Feuer gespielt wird, offenbart ein Blick in den anschaulich aufbe­rei­teten Bundes­haushalt 2023. Hier wird für 2023 mit Gesamt­ein­nahmen (Steuern, Kredite etc.) von 476,29 Mrd. Euro gerechnet, die auch vollständig verplant sind:

  • Soziale Sicherung, Familie, Jugend, Arbeits­markt (z. B. Sozial­ver­si­cherung): 214.18 Mrd. Euro
  • Allge­meine Dienste (unter anderem Bundes­ver­tei­digung, öffent­liche Sicherheit): 108,72 Mrd. Euro 
  • Finanz­wirt­schaft (z. B. Schulden, Sonder­ver­mögen): 55,44 Mrd. Euro 
  • Bildung, Forschung, Kultur (z. B. Schüler­för­derung): 33,48 Mrd. Euro 
  • Verkehrs- und Nachrich­ten­wesen (unter anderem öffent­licher Nahverkehr): 28,01 Mrd. Euro 
  • Energie- und Wasser­wirt­schaft, Gewerbe, Dienst­leis­tungen (z. B. Gewer­be­för­derung): 20,98 Mrd. Euro 
  • Gesundheit, Umwelt, Sport und Erholung (z. B. Natur­schutz­maß­nahmen): 9,44 Mrd. Euro 
  • Wohnungs­wesen, Städtebau, Raumordnung und kommunale Gemein­schafts­dienste (ja, hier ist der Wohnungsbau mit drin): 3,91 Mrd. Euro 
  • Ernährung, Landwirt­schaft und Forsten: 2,13 Mrd. Euro 

Wichtig dabei ist, dass einige dieser Kosten fix sind. Leistungen aus der Sozial­ver­si­cherung können beispiels­weise nicht einfach bei Bedarf nach unten korri­giert werden, ebenso wenig wie die Zinsen für vom Bund aufge­nommene Schulden. Sie können sich also vorstellen, wie im Laufe des Jahrs in den einzelnen Ressorts um die „zur freien Verfügung stehenden“ Milli­arden aus den einzelnen Töpfen gescha­chert wird. Ähnlich wie bei einer Familie mit Netto­ein­kommen von 3.000 Euro und 2.800 Euro Fixkosten (Miete, Versi­che­rungen, Lebens­mittel, Strom, Heizung etc.). Und wenn man im Monat nur 200 Euro zur freien Verfügung hat, dann wird man damit auch keine großen Sprünge machen können. Möchte man zum Beispiel endlich Glasfa­ser­lei­tungen bis in die Wohnung verlegen lassen, dann sollte man bei 200 Euro im Monat frühzeitig mit dem Sparen beginnen.

Ganz nebenbei: Wäre die Bundes­re­publik ein Unter­nehmen, wäre fraglich, ob sie überhaupt die Vorgaben aus dem Kredit­we­sen­gesetz erfüllen würde, um nach den Vorgaben der BaFin (immerhin eine Insti­tution des Bundes) noch einen Kredit zu bekommen. Dafür wären mir dann doch zu viele „Sonder­ver­mögen“ und zu viele noch offene sowie neu aufge­nommen Schulden im Haushalt. Immerhin kostet uns die aktuelle Schul­denlast der Bundes­re­publik fast 40 Milli­arden Euro im Jahr – allein für die Zinsen! Ich hatte schon mal erwähnt, dass mich mal jemand fragte, wer denn all die Schulden der Bundes­re­publik zurück­be­zahlen solle – und dass ich darauf nur antworten konnte: „Keiner, ist auch nicht gewollt.“

Der Bevöl­kerung wird aktuell durch die Regierung permanent „Feenstaub“ in die Augen gestreut und das wird seit der Merkel-Regierung partei­en­über­greifend so fortge­setzt. Dazu gehört auch, dass man öffent­lich­keits­wirksam Dinge zusagt, die dann durch ständiges Feilschen und Setzen von Bedin­gungen bis in alle Ewigkeit verzögert werden – oder bis zur Unkennt­lichkeit abgewandelt.

Ein Großteil dieses Problems ist und war schon immer der überbor­dende Bürokratie-Apparat in unserem Land. Und wenn Sie meinen, dass den vielleicht mal eine Bundes­re­gierung abbauen würde: Nein, wird sie nicht. Denn es liegt nicht im Naturell des Politikers, Lust auf Visionen zu haben oder mit Lösungen und Verän­de­rungen voranzugehen.

Um es deutlich zu sagen: Die Angst des Staates vor Betrug und Klagen ist um ein Vielfaches höher als die Lust auf (pragma­tische) Lösungen und Visionen!

Vielmehr möchte man sich durch Bürokratie davor absichern, persönlich verklagt zu werden, wenn man zum Beispiel vorschnell Gesetze durch den Bundestag bringt, die rechtlich gar nicht auf sicheren Füßen stehen. Michelle Obama mahnte mal in einer Rede an, sich nicht auf dasselbe niedrige Niveau zu begeben wie der politische Gegner: „When they go low, we go high!“ Da man in der deutschen Politik bekanntlich nicht erst seit Günther Oettinger kaum Englisch kann, ist diese Nachricht hierzu­lande offenbar versi­ckert. Man fühlt sich auf dem politi­schen Parkett (und im Bereich der Außen­wirkung) manchmal eher wie in einer Samstag-Abend-Comedy-Show. Kanzler Eddie Low und Vizekanzler Barney Slow sind das einge­spielte Team für alle Fälle: „Low & Slow – was der eine nicht kann, kann der andere erst recht nicht!“

Als Finanz­dienst­leister ist es für Sie wichtig, sich auch mit politi­schen Themen zu befassen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, bedeutet das natürlich nicht, dass Sie Ihrem Unter­neh­mer­kunden (oder gar ‑zielkunden) die persön­liche politische Meinung aufdrängen sollen. Das ist und bleibt tabu! Aber ein gutes Verständnis für die politische Landschaft und deren Auswirkung auf die Wirtschaft sollten Sie schon mitbringen. Ich sehe zum Beispiel, ungeachtet meiner persön­lichen Meinung, eine mögliche Chance, dass sich die nächste Regierung aus CDU, SPD und Grünen bilden könnte – die Reihen­folge ist dabei unerheblich. Sollte das eintreten, gehe ich davon aus, dass sich die aktuellen politi­schen und wirtschaft­lichen Trends auch über die nächste Legis­la­tur­pe­riode fortsetzen werden. Auch weil es dann keine richtige Opposition mehr gäbe, denn FDP und Linke wären dazu einfach zu schwach aufge­stellt. Im schlimmsten Fall könnte dieser Trend sogar die AfD weiter befeuern – die Konse­quenzen können Sie sich selbst ausmalen.

Die Medien steuern nicht mehr dagegen

Spätestens seit den Watergate-Enthül­lungen versteht sich der freie Journa­lismus in der westlichen Welt als eine Art Korrektiv: Es geht darum, Tatsachen aufzu­decken – im Zweifel auch entgegen den politi­schen Macht­habern einer­seits und der uninfor­mierten Masse anderer­seits. Aber mal ehrlich: Spüren Sie davon noch irgend­etwas? Wenn ich so den Fernseher einschalte oder in die Print­medien schaue, dann empfinde ich die „Diskussion“ dort nur noch als pure Qual. Da geht es längst nicht mehr um Fakten und Beweise, sondern nur noch um die Quote. Und die treibt man eben am besten mit Emotio­na­lität in die Höhe – egal ob durch reali­täts­ferne Schre­ckens­sze­narien (erinnern Sie sich noch an die Warnungen vor „möglichen“ Brownouts in der letzten Heizpe­riode?) oder durch gnadenlose, emotional getriebene Hexen­jagden auf promi­nente oder weniger promi­nente Menschen, die sich vermeintlich verwerflich verhalten haben und dafür nun an den sozialen und öffent­lichen Pranger gestellt werden. Alles für die Quote und die Klicks.

Dabei hangelt sich die „profes­sio­nelle“ Medien­land­schaft immer mehr an den im Internet herum­geis­ternden Meinungen entlang, anstatt sich diesen als Korrektiv entge­gen­zu­stellen. Was zur Zeit im Zusam­men­spiel aus Internet und Medien geschieht, hat der Psychologe Peter Kruse (1955–2015) von der Univer­sität Bremen schon 2013 im Rahmen der 4. Sitzung der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesell­schaft“ wunderbar zusam­men­ge­fasst: „Die Systeme haben eine Tendenz zur Selbst­auf­schau­kelung“. 10 Jahre später wissen wir, wie Recht er mit seinen Beobach­tungen hatte. Und spätestens seit der freien Verfüg­barkeit von KI-Systemen, die nicht nur Schreib­stile, sondern auch Stimmen imitieren sowie völlig fiktive aber scheinbar lebens­echte Bilder herstellen können, sollten wir erkannt haben, dass diese „Selbst­auf­schau­kelung“ kaum noch aufzu­halten sein wird. Wenn jeder kaum als solche erkennbare Fälschungen produ­zieren kann, dann ergibt sich dadurch das Risiko von nicht mehr zu kontrol­lie­renden Massen­hys­terien in praktisch allen Bereichen des öffent­lichen Lebens, von gefälschten Nackt­bildern von minder­jäh­rigen Mädchen, die vor kurzem in Spanien einen Aufschrei ausgelöst haben über gefakte antise­mi­tische Fotos, die im Zuge des Hamas-Angriffs auf Israel als Memes in rechten Kreisen die Runde machen, bis hin zu gefälschten oder bewusst falsch zugeord­neten Bildern, die in den aktuellen Konflikten in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv als Desin­for­ma­ti­ons­werkzeug einge­setzt werden.

Bislang sitzen unsere Medien zwar gefälschten Bildern noch nicht mit absoluter Regel­mä­ßigkeit auf, zeigen aber insbe­sondere bei gesell­schaft­lichen Diskus­sionen, dass sie nur zu gerne bereit sind, die Massen­meinung des Internets noch über die heimi­schen Fernseher weiter­zu­ver­breiten. Egal wie emotional und faktenfern sie sein mag. So haben sich die deutschen Medien in der nahen Vergan­genheit nur zu gerne an jedes Aufreger-Thema angehängt. Da wird wahlweise postu­liert „Die Generation Z ist einfach nur zu faul“ oder „Die Boomer-Generation hat den Planeten zerstört“ – oder auf wirtschaft­licher Seite „Das Bürgergeld entzieht den Unter­nehmen Arbeit­nehmer“ versus „Arbeit lohnt sich gar nicht mehr“. Um es an Herrn Professor Kruse angelehnt zu sagen: Wir befinden uns auf einem schlechten Weg, was die gemeinsame „Miteinander“-Kommunikation angeht. Und das aktuelle „Jeder gegen jeden“ führt nicht zu mehr Wachstum, sondern nur zu Still­stand. Permanent Ängste zu schüren und ausschließlich negative Inhalte zu kommu­ni­zieren wird uns auf Dauer nicht weiterhelfen.

Ich hatte zu diesem Thema mal über einen längeren Zeitraum eine spannende Diskussion mit einem Journa­listen. Dessen Meinung war, dass die Medien mit dem Aufkommen des Internets die Kontrolle über sich selbst verloren haben. Und zwar vor allem, weil hochwer­tiger Journa­lismus noch in den 1990ern über Werbung, Stellen­an­zeigen etc. in den Zeitungen gut querfi­nan­ziert werden konnte. Da ging es dann dem Werbe­trei­benden vor allem um die Auflage der Zeitung. Wenn die hoch genug war, wurde da ordentlich Geld reinge­pumpt, das die Redaktion als Budget verwenden konnte. Wirklich detail­liert nachvoll­ziehen ließ es sich nicht, ob die Werbung wirklich einen Effekt auf die Absätze machte. Seit dem Internet hat sich jedoch das Werbe­budget ins Digitale verlagert – und hier lassen sich Klick­raten etc. haargenau nachvoll­ziehen und das Werbe­budget entspre­chend im eher wenig kontrol­lie­renden Print­be­reich drücken und in die trans­pa­renten digitalen Medien verlagern. Für die Redak­tionen wurden die Klick­raten spezi­fi­scher Artikel also der zentrale Profit­t­reiber. Und ab dann gilt mehr denn je: Bad News = more clicks = more money.

Mal nebenbei: Was meinen Sie eigentlich, was eine solche Medien­land­schaft – gepaart mit einem schier ungezü­gelten Internet – wohl mit der Generation macht, die ab 2013 geboren wurde? Die unauf­hör­lichen Panik­bot­schaften auf allen Kanälen, private Hass- und Mobbing­at­tacken, KI-Fakes (sogar von sich selbst) überall, jederzeit, 24/7/365. Wer weiß, wie sich die Weltan­schauung dieser Generation mal von der unseren unter­scheiden wird.

Die Privat­haus­halte

Meine Prognosen zu den Verän­de­rungen in den Privat­haus­halten aus Teil 1, Teil 2 und Teil 3 dieser Artikel­serie sind weitest­gehend einge­troffen, weshalb ich sie hier nicht im Detail nochmal erwähnen möchte – lediglich die damals genannten Zeitpunkte weichen etwas ab. Die Shrink­flation ist bereits im vollen Gange und ein bekannter Nussscho­ko­riegel kostet jetzt 0,49 statt 0,45 Euro – bei 44 statt 50 Gramm. Also eine Gewichts­ver­rin­gerung von ‑12 % und eine Preis­stei­gerung von +8,39 %. Zusammen also etwa 20 bis 21 % „echte“ Preis­stei­gerung. Das sollten Sie immer im Kopf behalten, wenn Sie die aktuell geringer wirkende Inflation von 4,5 % betrachten. Sowie die Tatsache, dass die aktuellen Zahlen natürlich gegenüber dem Vorjah­res­monat gerechnet werden – wenn also damals schon der Preis um 10 % gestiegen ist und jetzt nochmal um 4,5 %, dann ist die Inflation zwar optisch gesunken, aber effektiv sind die Preise weiterhin deutlich mehr als 4,5 % über dem Stand von 2021. Selbst wenn wir nur die Inflation von 2022 auf 2023 betrachten, kommt ja noch der Effekt der Shrink­flation dazu. Wenn in der Packung Aufschnitt 2022 noch 100 Gramm drin waren und jetzt nur noch 5 % weniger, dann ist die tatsäch­liche Inflation auch von 2022 bis 2023 eher 5,8 % als 4,5 %.

Da verwundert es nicht, dass laut Statis­ti­schem Bundesamt die Konsum­aus­gaben der deutschen Haushalte 2022 um 10,7 % gestiegen sind. Denn das hat nichts damit zu tun, dass die Kauflaune besser geworden wäre. Das StBA berichtet gleich­zeitig, dass 7,8 % mehr für Lebens­mittel ausge­geben wurde, während der Konsum (also die Menge) um 4,4 % zurück­ge­gangen ist. Mit anderen Worten: Es wurde weniger gekauft, aber aufgrund der Inflation mehr dafür ausge­geben. Und wenn wir alle mal ehrlich sind, hat sich unser Konsum­ver­halten doch auch stark geändert, oder? Weniger in Restau­rants gehen, weniger reisen, weniger Geld für Kinobe­suche und andere Unter­hal­tungs­aus­gaben. Dafür eben mehr für Miete, Heizung, Strom und andere Grundbedürfnisse.

In direktem Zusam­menhang damit steht das gefühlte Absacken der Lebens­qua­lität. Die Menschen merken eben, dass sie plötzlich deutlich mehr von ihrem Gehalt für grund­le­gende Dinge ausgeben und auf einige liebge­wonnene Dinge verzichten müssen. Dann ist auch die Grund­stimmung noch einmal aufge­heizter als vorher: X (ehem. Twitter) / Facebook / Instagram / TikTok & Co. – dort wundert das niemanden. Aber sogar bei LinkedIn merkt man, wie viele sich plötzlich an diversen Themen den Frust von der Seele schreiben: GenZ vs. Boomer, Gendern, Migration, 4‑Tage-Woche, Klimakleber, Aiwanger, Rammstein, Bürgergeld, „Arbeit lohnt sich nicht mehr“ und so weiter und so fort. Und das manchmal in einem Ton, dass einem Hören und Sehen vergehen. In einigen Fällen sogar trotz Klarnamen hart an der Grenze zum „Hate Speech“. Glauben Sie also nicht, dass Ihre Unter­neh­mer­kunden immun gegen diese Grund­stimmung sind, denn auch sie spüren (privat sowie als Unter­nehmer) das sich verschie­bende Gleich­ge­wicht zwischen den Kosten und dem, was man für sein Geld bekommt.

Der Immobi­li­en­markt

Sie wissen, dass Immobilien eine der wichtigsten Anlagen für Familien­unternehmer sind – neben Steuern sparen und der eigenen Firma eines der drei großen Stecken­pferde aller Unter­nehmer. Die aktuelle Immobi­li­en­krise ist also ein ebenso wichtiges Thema für Sie wie für Ihre Unter­neh­mer­kunden. Nebenbei: Auch hier zeigt die Bundes­re­gierung wieder ein gewisses Defizit im Verständnis. In diesem Beispiel unser Kanzler. Oder ein willent­liches Ignorieren der Fakten.

Wo kommen wir her?

Vor der Finanz­krise 2008 bewegten sich die Leitzinsen der EZB auf einem Niveau zwischen 2 und 5 %. Die Spitzen waren im Oktober 2000 und im Juli 2008 (jeweils über 4 %). Doch mit der Krise senkte die EZB diesen Leitzins drama­tisch ab: Sechs Jahre lang, von März 2016 bis Juli 2022 war Nullzins-Politik angesagt.

Das heizte die Märkte generell und den Bausektor im Spezi­ellen extrem an:

Da Sie sich ja gut mit Unter­neh­mer­ty­po­logien auskennen, wird Sie das kaum verwundern – vielleicht haben Sie es damals sogar schon frühzeitig voraus­ge­sehen. Denn der profes­sio­nelle Bauin­vestor ist typischer­weise der Typ Blau/Rot (Analytiker/Macher) oder Rot/Blau (Macher/Analytiker). Und was mag dieser Unter­neh­mertyp am liebsten? Richtig: Planbarkeit, Routine und Perfektion bei den Abläufen. Für diesen Unter­neh­mertyp waren die Jahre von 2008 (als die EZB den Leitzins bereits von 4 % auf 1 % gesenkt hatte) und insbe­sondere während der Nullzins-Zeit von 2016 bis 2021 ein wahres El Dorado: Es gab „billiges Geld“ für alle Projekte und alles war hervor­ragend planbar. Oft waren die Objekte bereits vor dem Baubeginn verkauft oder konnten zumindest schnell verkauft werden. Ein Projekt jagte das andere, alles nach Plan, alles sicher geplant. Eine risikoarme Gelddruck­ma­schine für das Baugewerbe!

Für Großin­ves­toren gab es in diesem Zeitraum freilich kaum Alter­na­tiven zu Aktien und Immobilien. Denn ein „Safe Haven“ mit hoher Real-Verzinsung war schlicht nicht mehr vorhanden, wie wir es bereits im eBook „Unter­nehmer und Immobilien“ beschrieben haben (wohlge­merkt: das eBook stammt noch aus Zeiten der Negativ­zinsen). Doch mit der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 2022 änderte sich die Gemengelage für einen wesent­lichen Teil der Weltbe­völ­kerung völlig unerwartet: Russland marschierte in die Ukraine ein. Und änderte damit die Rahmen­be­din­gungen für unser Leben im Westen.

Die Zeiten­wende

Seit Menschen­ge­denken gilt: Kapital sucht sich immer seinen Weg zur Rendite – zumindest daran hat sich nichts geändert. In der Niedrigzins- und Nullzins-Zeit wurde dieser Effekt sogar noch befeuert, da der sogenannte „risikolose Zins“ ja nicht mehr existierte. Die Kapital­geber haben in dieser Zeit lediglich andere Wege zur Rendite gesucht und neben dem Aktien­markt vor allem Immobilien als Inves­ti­ti­ons­mög­lichkeit heraus­ge­sucht. Angebot und Nachfrage haben gestimmt, weil eben alle auf der Suche nach Rendite und somit nach planbarem absolutem Cash-Flow waren. Und gewohnt wird bekanntlich immer.

Dann kam jedoch der Krieg, gekoppelt mit akutem Baustoff­mangel. Es gab plötzlich nicht mehr alles nachzu­kaufen, was man für die planmäßige Umsetzung von Baupro­jekten brauchte. Dadurch stieg wiederum die Inflation stark an, was die Zinsen anhob, und in letzter Instanz dafür sorgte, dass sich Immobilien für den Investor einfach nicht mehr lohnten. Denn die Mieten können mietrechtlich nicht entspre­chend beliebig erhöht übergelegt werden und man bleibt im schlimmsten Fall auf seinen Zusatz­kosten sitzen.

Mittler­weile hat sich das Kapital einen neuen Weg zur Rendite gesucht – und das ist jetzt wieder der risikolose Zins. Denn wenn man als Investor ganz ohne Aufwand 2 bis 4 % p.a. Zinsen bekommt, dann überlegt man es sich natürlich doppelt und dreifach, ob man in der aktuell unsicheren wirtschaft­lichen Situation noch in Immobilien inves­tiert. Insbe­sondere mit Blick auf das Gebäu­de­en­er­gie­gesetz (GEG), durch das selbst bei bereits bestehenden Immobi­li­en­in­ves­ti­tionen nicht ganz klar ist, mit welchen Kosten da noch zu rechnen ist. Der aktuelle Rückgang im Bauge­werbe ist aus meiner Sicht also ganz natürlich. Da geht es nicht darum, dass profes­sio­nelle private Inves­toren plötzlich keine Lust mehr auf Immobilien haben. Immobi­li­en­pro­jekte sind einfach schlechter planbar geworden und liefern weniger Rendite – also sucht sich das Kapital neue Wege. Wenn möglich selbst­ver­ständlich zur risiko­losen Rendite – und zwar so, dass sie in einem guten Verhältnis zur Inflation steht. Vielleicht erinnern Sie sich noch an das Dreieck aus Laufzeit, Liqui­dität und Rendite aus der Berufsschule?

Zwischen gestie­genen Baukosten durch Baustoff­mangel und einer starken Inflation, getrieben von noch nie dagewe­senen Zinser­hö­hungen seitens der EZB (in Menge, Höhe und Geschwin­digkeit) ist es kein Wunder, dass die Kosten im Wohnungsbau gerade in die Höhe schnellen und die Aufträge einbrechen. Das Ganze kann sich natürlich noch von selbst erholen. Wenn jedoch gleich­zeitig überge­ordnete Anfor­de­rungen an Neubauten gestellt werden oder energie­tech­nische Umbauten an Altbauten nötig werden (Stichwort GEG), dann verzögert sich das Ganze natürlich. Das können Sie auch im eBook „Unter­nehmer und Immobilien“ nachlesen – selbst­ver­ständlich noch unter dem Eindruck der damals relevanten Themen Verwah­rentgelt und Niedrig­zinsen. Alles andere gilt im selben Umfang weiter.

Immobilien – die aktuelle Lage

Jetzt denken Sie mal kurz an unseren Beispiel-Unter­nehmer aus dem Bauge­werbe von der Typologie Macher/Analytiker zurück. Was macht der jetzt, als jemand der auf Struktur und Planbarkeit bedacht ist, in einer Situation, in der plötzlich oben unten und unten oben ist. Was macht er, wenn sicher geglaubte Käufer plötzlich abspringen und lieber Storno­ge­bühren zahlen, als bei ihrer mittler­weile viel zu teuren Finan­zierung zu bleiben? Was tut er wohl, wenn er keine Baustoffe mehr bekommt, während die Banken weiter Kredit­pro­vi­sionen auf zwar zugesagte aber noch nicht abgerufene Kredit­linien verlangen – und gleich­zeitig dieje­nigen Kredite weiter bedient werden müssen, die bereits ausgelegt sind?

Klar: Er analy­siert zunächst die Lage. Er ist ja nicht umsonst Typ Analy­tiker. Und er kommt zu dem Schluss, dass er die aktuellen Baupro­jekte abfer­tigen muss, aber aufgrund der schlechten Planbarkeit besser keine neuen mehr anfängt. Kurz: Er bedient alles, was er noch bedienen muss, setzt sich aber keinem zusätz­lichen Risiko mehr aus.

Und das führt schnell zu einer gefähr­lichen Spirale, denn wenn niemand mehr nachfragt, baut keiner mehr und weil niemand mehr baut, fragt auch keiner mehr nach. Und so steht die gesamte Branche mit ihren fast 6 % Anteil am BIP der Bundes­re­publik fast komplett still. Würde sich eine Entspannung bei den Baustoffen und den Zinsen abzeichnen, dann wäre diese Situation sicher vorüber­gehend – die Macher/Analytiker unter den Bauun­ter­nehmern machen kurz die Schotten dicht und tauchen dann wieder auf, sobald sich die Situation wieder entspannt hat.

Nur leider betritt nun die deutsche Bundes­re­gierung die Bühne und gibt genau in dieser angespannten Lage bekannt, dass sie das GEG auf jeden Fall umsetzen und sogar noch verschärfen möchte. Das hat die Immobi­li­en­krise vielleicht nicht ausgelöst, aber es war, als würde man Öl ins Feuer gießen. Das unsäg­liche öffentlich geführte politische Ränke­spiel über Monate verun­si­cherte nun auch noch den letzten Bauträger, Investor, Zulie­ferer und Käufer/Verkäufer (private wie auch professionelle).

Bei den nicht abzuse­henden Kosten, die mit dem GEG auf diese Menschen zukommen, will jetzt natürlich niemand mehr das Risiko eingehen, wieder zu bauen. Die Großin­ves­toren halten jetzt erst mal ihr Geld zurück, da zu befürchten ist, dass ihre Bestands­im­mo­bilien in erheb­lichem Maße energe­tisch umgestaltet werden müssen. Und alle anderen freuen sich über die Anlei­he­zinsen – also den „risiko­losen Zins“. Denn während in den letzten Jahren die Objekt­rendite mit „0“ verglichen wurde, wird sie nun mit aktuellen Tagesgeld- oder 12-Monats-Anleihen verglichen. Vermutlich wie früher dann auch wieder mit der Rendite einer 10-Jahres-Bundes­an­leihe. Denken Sie nochmal an das oben genannte Dreieck aus Rendite, Sicherheit und Verfüg­barkeit, und fragen Sie sich dann nochmal, warum gerade jetzt noch irgendwer in Immobilien inves­tieren sollte, wo doch die Alter­na­tiven so viel attrak­tiver sind. Durch die Zinser­hö­hungen würde das im Vergleich zum risiko­losen Zins kaum noch Erträge (Rendite) bringen, hält gleich­zeitig unkal­ku­lierbare Inves­ti­tionen vor (Risiko) und am Ende stellt sich noch die Frage, an wen die Objekte dann überhaupt noch zu verkaufen sind (Verfüg­barkeit).

Ich höre in diesem Zusam­menhang manchmal die Frage, warum denn aktuell auch Angebot und Nachfrage auf dem Immobi­li­en­markt bei bereits gebauten Objekten so flau sind. Meiner Meinung nach ist die Antwort ganz einfach: Wer möchte jetzt schon verkaufen, wenn er Vollver­mietung hat und vermutlich sowieso „buy and hold“ als Invest­ment­stra­tegie fährt? Und wer möchte schon ein Objekt kaufen, wenn er aktuell gar nicht weiß, wie viele „faule Eier“ er sich damit einhandelt – also Objekte, die mögli­cher­weise umfassend energe­tisch umgebaut werden müssen, wofür die Kosten aber nur teilweise an die Mieter weiter­ge­geben werden können?

Lösungs­an­sätze für den Immobilienmarkt?

Wie können wir nun also trotz Baustoff­mangel, steigendem Zins, wachsender Inflation und Unsicherheit durch das GEG für eine Entspannung des Immobi­li­en­markts sorgen? Dazu wurden bereits viele Ansätze diskutiert:

  • Bürokra­tische Anreize bzw. Entlas­tungen – zum Beispiel eine Verein­fa­chung der Bauan­träge – machen meiner Meinung nach „den Kohl nicht fett“, wie man im Ruhrgebiet sagt. Klar, die Unter­nehmer können sich dann ein bisschen was an Perso­nal­kosten sparen, wenn weniger Unter­lagen für einen Antrag herbei­ge­schafft und einge­reicht werden müssen. Aber das ist ja nun wirklich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. 
  • Von anderer Seite hört man, dass der Staat doch einspringen könne: Er baut jetzt mit geballter Kraft einfach selbst und verschleudert die Objekte dann zu Dumping­preisen. Der Versuch wäre sicherlich inter­essant zu beobachten. Vor allem: Wie sollte das ohne quali­fi­zierte Umsetzer gehen, wenn man schon die groß angekün­digten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr nicht geschafft hat, in einem Boom-Markt? Und selbst wenn es ginge: Unzählige Objekte teuer bauen und dann billig verkaufen, ist das noch Subvention oder schon Staatsbetrug? 
  • Bleibt meiner Meinung nach nur noch eine dritte Variante: Der Staat stellt Subven­tionen für Privat­in­ves­toren in Aussicht. Das müssten dann aber schon so hohe Subven­tionen sein, dass sie inklusive der normalen Kalku­la­tionen eine deutliche (!) Überrendite gegenüber dem risiko­losen Zins erwirt­schaften können. Gleich­zeitig müsste man Privat­per­sonen beim Kauf und beim Weiter­ver­mieten von Immobilien unter­stützen. Dann hätte man eine Schwemme an Neubauten, die die Preise sinken lässt. Das müsste aber garan­tiert werden und die Abläufe sollten standar­di­sierbar sein, damit die Macher/­Ana­ly­tiker-Unter­nehmer in der Baubranche wieder zubeißen. 

Mir ist auch klar, dass der dritte Lösungs­vor­schlag in der Praxis natürlich deutlich komplexer sein würde als jetzt hier darge­stellt. Aber nehmen wir doch mal für eine Sekunde an, dass die Regierung diesen Lösungs­vor­schlag umsetzt und dafür 50 Milli­arden Euro veran­schlagt. Das wären ca. 20 % der aktuellen Gesamt­leistung (s. o. BIP-Grafik) und ein echter Schnell­starter für die Baubranche. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Zusätz­liche Steuer­ein­nahmen? Woher, von wem – und welcher Politiker will schon den PR-Schaden ausbaden? Welche Begehr­lich­keiten anderer Branchen würde man damit wecken? Wie würde man damit umgehen? Und, mit Blick auf die Landes­wahl­kämpfe 2024 und die Bundes­tagswahl 2025: Was wem wie versprechen – und kann man das auch nach der Wahl noch halten?

Wir tun jetzt einfach mal so, als wäre das alles zu regeln. Dann bliebe nur noch eine Hürde übrig, aber die hat es in sich: Die Angst der Politiker vor Betrug und Klagen. Den Bedin­gungs­moloch, der dazu ausge­handelt werden müsste, könnte man vom Mond aus sehen.

Schluss mit Träume­reien – was wird wirklich geschehen?

Ich gehe also nicht davon aus, dass von der Bundes­re­gierung an dieser Stelle eine entschlossene und durch­dachte Strategie zur Lösung des Problems zu erwarten ist. Und so wird es kommen, wie es immer kommt: Der Markt wird es regeln! Die ersten größeren Bauträger und Projekt­ent­wickler sind insolvent, einige Großpro­jekte werden zu sehr günstigen Preisen übernommen und die Kalku­lation wird dadurch käufer­freund­licher, was die Nachfrage wieder anziehen lässt. Eine natür­liche Markt­be­rei­nigung setzt gerade ein. Aber das kann noch dauern. Vor Mitte (vermutlich sogar eher Ende) 2024 ist meines Erachtens nicht mit einer Beruhigung der Märkte zu rechnen, sofern nicht noch unbekannte Faktoren hinzu­kommen, die das ganze beschleu­nigen. In den letzten drei Jahren hat man ja gesehen, dass man jederzeit mit Unvor­her­ge­se­henem zu rechnen hat.

Die Baubranche wird 2024 genauso wie heute schon auf eine deutliche Reduzierung der Bürokratie drängen, angefangen mit dem Bauantrag. Doch überlegen wir uns mal: Wenn wir heute sofort die Bürokratie bei der Planung und Umsetzung von Immobi­li­en­pro­jekten auf 50 % reduzieren – also 50 % weniger Nachweise, 50 % weniger Gutachten etc. – dann stehen wir trotzdem vor der Frage: Wo fangen wir dabei an? Was soll reduziert werden, um wie viel und an welcher Stelle? Verzichten wir lieber auf Umwelt­nach­weise oder erleichtern wir die statische Prüfung? Und wer soll all diese Entschei­dungen treffen, wer soll die Durch­führung überwachen? Allein schon für die Überwa­chung der Einhaltung der komplexen Vorschriften aus dem GEG sind zum Beispiel nur die einzelnen Bundes­länder verant­wortlich. Der Staat gibt also die gesetz­liche Richtung vor und die ohnehin total überfor­derten und chronisch unter­fi­nan­zierten Länder sollen dann also darauf achten, wer wann wie und wo die Umbauten umzusetzen hat, diese geneh­migen und anschließend überprüfen?

Und selbst wenn all diese Hürden genommen sind, glauben Sie dann, dass der verbliebene Papierkram leichter zu stemmen sein wird? Dass die benötigten Dokumente weniger Seiten, Sätze, Worte haben werden? Bei der grassie­renden Angst der Politik vor Klagen? Vermutlich würde dann eher die Anzahl der zu erbrin­genden Nachweise verringert, aber die Inhalte der verblei­benden noch komplexer werden. Also weniger Vorschriften, weniger Nachweise, weniger Dokumente zum Einreichen – aber die Gesamt-Wortmenge bleibt gleich oder wird sogar noch mehr. Denn der Staat möchte sich natürlich absichern. Sind keine Umwelt­nach­weise mehr nötig, muss alles andere komplexer gemacht werden, denn sonst kann sich der Bauträger bei einem Umwelt­vorfall einfach rausreden – „wir haben alle gefor­derten Nachweise erbracht“ – und die Kläger wenden sich einfach direkt an den Staat. Welcher Politiker will dieses Risiko schon eingehen?

Na gut, gehen wir mal blauäugig davon aus, dass die Bundes­re­gierung das alles regelt – perfekt, schnell und rechts­sicher. Ist ja klar. Woher sollten dann die ganzen Flächen für die Unmengen an Neubauten kommen? Gut, Sie könnten natürlich in die Höhe bauen: In Sao Paolo steht das größte Mietshaus der Welt, mit 5.000 Wohnungen und 350 m Höhe, auf der Grund­fläche eines Fußball­felds (zum Vergleich: das größte Wohnhaus Bayerns ist 80 Meter hoch und hat 384 Wohnungen – das Gebäude in Sao Paolo ist also ca. 13-mal so groß). Und in der chine­si­schen Millio­nen­me­tropole Hangzhou befindet sich eine ganze Stadt mit Platz bis zu 20.000 Menschen unter einem Dach. Das ist natürlich ein ziemlicher Klotz, aber auch eben sehr effizient. Jetzt stellen Sie sich mal die Bürger­demos vor, die Sie bei einem solchen Bauvor­haben in Deutschland hätten. Dann zieht eventuell noch jemand vor Gericht und das Projekt verzögert sich noch weiter. Und wenn Sie dann mit dem Bau beginnen können, dann dauert das auch noch eine ganze Weile – da kann ich jetzt schon sagen: Das wird nix mehr mit „Frühjahr 2024“!

Und noch einmal zur Erinnerung: Wenn ein solches Bauprojekt keine deutliche Überrendite gegenüber dem risiko­losen Zins gibt, dann setzt das auch kein Bauun­ter­nehmer um, denn die können auch rechnen. Der Staat müsste also wiederum Anreize schaffen… Ein Teufelskreis…

Bleiben Sie am Ball, um zukünftige Entwick­lungen vorherzusehen

Sie sehen: Allein zwischen Teil 3 und Teil 4 dieser Artikel­serie hat sich einiges getan, gefühlt leider praktisch nur zum Schlechten. Wem nach Beginn der Corona-Pandemie noch nicht klar war, dass unvor­her­ge­sehen Ereig­nisse das gesamte Weltwirt­schafts­gefüge durch­ein­an­der­werfen können, der sollte das nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs verstanden haben. Oder spätestens jetzt, wo sich ein neuer Nahost-Konflikt anbahnt. Sie als Berater sollten jederzeit den Finger am Puls der Zeit haben, um aktuelle Heraus­for­de­rungen genauso zu erkennen wie mögliche zukünftige. Konkret bedeutet das für die aktuelle Lage – neben „Augen zu und durch!“ – dass Sie jetzt die Immobi­li­en­port­folios Ihrer Unter­neh­mer­kunden prüfen sollten (ggf. gegen ein überschau­bares Entgelt). Suchen Sie nach Chancen (Umbauten, Finan­zie­rungen, lohnende Käufe/Verkäufe) und Risiken (mit Blick auf Ihr Kredit­enga­gement sowie auf die Immobilien als Sicherheiten).

Ihre Unter­neh­mer­kunden werden Sie heute mehr denn je als Infor­ma­ti­ons­über­mittler, aber vor allem als Sparrings­partner mit einer gehörigen Portion Mensch zu Mensch (MzM) benötigen. Denn natürlich sind die Unter­nehmer in der aktuellen Lage auch etwas unsicher. Stichwort „Insolvenz-Tsunami“: Laut aktuellen Zahlen lag die Zahl der beantragten Regel­in­sol­venzen im September um 19,5 % über dem Wert des Vorjah­res­monats und die Amtsge­richte melden 37,4 % mehr beantragte Unter­neh­mens­in­sol­venzen als ein Jahr zuvor.

Da hat man als Unter­nehmer gerne jemanden, mit dem man über Ideen und Pläne reden kann, sofern dieser sich auch gut genug mit der Materie auskennt. Was das konkret für Ihren Umgang mit den Unter­neh­mer­kunden – sowohl auf Vermögens- (Private Banking) als auch auf Unter­neh­mens­seite (Firmen­kun­den­be­ratung) – bedeutet und welchen Einfluss die aktuellen Entwick­lungen auch in Zukunft auf Ihre Tätigkeit haben werden, das erfahren Sie kommende Woche Dienstag in Teil 5 der großen Artikel­serie. Ich freue mich, Ihnen dann noch mehr zu den Risiken, aber auch zu den tollen Chancen erzählen zu können, die sich Ihnen als Finanz­be­rater aktuell eröffnen. 

Und ich zeige Ihnen, dass wir in Deutschland unfassbar tolle (Familien-)Unternehmer haben, die der Lage nicht nur trotzen, sondern es positiv und zupackend angehen. Seien Sie jetzt schon gespannt, was das alles für Sie als Vorstand, Führungs­kraft, Firmen­kun­den­be­rater, Private Banker und auch als Mitar­beiter der Markt­folge Aktiv an spannenden, inter­es­santen und ertrag­reichen Möglich­keiten bietet.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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