Vor wenigen Tagen haben wir uns in Teil 2 der großen KI-Artikel­serie im Versteher-Magazin bereits mit der Frage ausein­an­der­ge­setzt, wie die in Teil 1 beschrie­benen (genera­tiven) künst­lichen Intel­li­genzen bei Ihren Firmen­kunden einge­setzt werden können. Heute schauen wir uns die andere Seite der Medaille an: Wo können Sie und Ihr Institut die neue Techno­logie gewinn­bringend einsetzen? Und was bedeutet das für Ihren Arbeits­platz in der Zukunft? Dazu eines gleich vorweg: Was für uns als „Normalos“ aktuell noch wie ein Game-Changer wirkt, ist in den riesigen inter­na­tio­nalen Investment-Banken schon längst ein fester Teil des Arbeits­alltags. Neu wird also vor allem sein, dass künst­liche Intel­li­genzen bis in den Arbeits­alltag regio­naler Banken, Sparkassen und Volks­banken sowie von freien Beratern, Vermö­gens­ver­wal­tungen und anderen vorstoßen werden. Vom Einzel­kämpfer bis zur Großspar­kasse und Großvolksbank. 

Generative KIs in den regio­nalen Instituten?

Auch wenn die künst­liche Intel­ligenz zurzeit das „neue, spannende Ding“ ist, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass natürlich selbst in kleinen regio­nalen Insti­tuten die Kredit­an­fragen längst nicht mehr „mit dem Bleistift in der Hand“ ausge­füllt werden. Klar, bei den großen inter­na­tio­nalen Häusern ist man da oft schon weiter, egal ob es um KI-Unter­stützung bei Kredit­banken oder vollständig algorith­mus­ge­steu­ertes Trading bei quanti­ta­tiven Hedge­fonds geht. Die dort genutzten Systeme sind vielleicht keine auf LLMs basie­renden Sprach-KIs, aber trotzdem definitiv Systeme, die man als generative künst­liche Intel­li­genzen bezeichnen kann. J.P. Morgan baut zum Beispiel bereits an einer eigenen KI namens IndexGPT, die Inves­ti­ti­ons­vor­schläge geben soll. Und diese Entwicklung wurde sicher nicht nur deshalb angestoßen, weil ChatGPT das Thema in eine breite Öffent­lichkeit gerückt hat. Für die IT-Abtei­lungen dieser globalen Player war ChatGPT nicht gerade die Neu-Erfindung des Feuers.

Was jedoch neu sein wird, ist, dass auch Sie in naher Zukunft mit KI-Tools arbeiten werden, von Sprach­as­sis­tenten über Textge­ne­rie­rungs-Tools bis hin zu Tools, die Kredit­daten automa­ti­siert einpflegen und zum Beispiel Empfeh­lungen zur Kredit­ent­scheidung aussprechen können. Inter­essant ist daher vor allem, sich mal zu überlegen, was sich für Sie als Berater im Alltag ändern wird. Welche Anwendung für KI macht wirklich Sinn? Wie wird man die Auswir­kungen spüren? Wo findet der Einsatz von KIs in der täglichen Beratung statt? Und welche Risiken und Chancen birgt all das?

Hier zur besseren Übersicht noch mal alle Begriff­lich­keiten aus dem Themen­be­reich Digitalisierung/KI kurz definiert:

  • Digita­li­sierung: Die Übertragung von Daten und Prozessen von analogen in digitale Formate. Also zum Beispiel das digitale Abspei­chern von Daten auf Festplatten statt in Akten­schränken oder die Durch­führung von Kunden­kom­mu­ni­kation über digitale Wege statt mit der Briefpost. 
  • Techno­lo­gi­sierung: Die Übertragung von Arbeiten vom Menschen auf Maschinen, von der manuellen Arbeit in die automa­ti­sierte oder zumindest maschinell unter­stützte Arbeit. Zum Beispiel bestimmte Standard-Handgriffe in der Ferti­gungs­halle (Karos­se­rie­bleche zusam­men­fügen etc.).
  • Standar­di­sierung: Die Verein­fa­chung von Verfahren, Prozessen, Struk­turen, Produkten etc. mit dem Ziel höherer Effizienz (gleich­blei­bende Leistung bei gerin­gerem Aufwand). Zum Beispiel die Struk­tu­rierung des Einkaufs­vor­gangs in Online­shops, die mittler­weile praktisch überall identisch ist. 
  • Automa­ti­sierung: Das Umrüsten der Produktion etc. zur Minimierung der durch Menschen durch­zu­füh­renden Arbeits­schritte. Zum Beispiel bei der Fertigung von Autos, für die heute nur noch wenige Mecha­tro­niker, dafür umso mehr automa­ti­sierte Roboter-Arme benötigt werden. 
  • Künst­liche Intel­ligenz: Digitale Prozesse, die selbst­ständig Handlungen ausführen können – aktuell noch unter mensch­licher Maßgabe oder auf Basis von angeeig­neten Erfah­rungs­werten. Zum Beispiel Social-Media-Bots oder auch selbst­fah­rende Autos. 
  • Machine Learning: Der Prozess der Wissens­ver­mittlung an künst­liche Intel­li­genzen. Zum Beispiel das Füttern von Gesichts­er­ken­nungs­software mit Bildern von mensch­lichen Gesichtern, damit sie diese zu unter­scheiden lernt. 
  • Digital Disruption: Verän­de­rungen auf dem Markt, hervor­ge­rufen durch plötzlich erschei­nende neue digitale Techno­logien, die ein Umdenken in den Unter­nehmen erfordern. Also zum Beispiel die stark verän­derte Marketing-Umgebung im Zuge des Aufkommens von Social-Media-Influencern. 

Die aktuelle Popula­rität von KI wird den Arbeits­alltag von Millionen von Menschen nachhaltig verändern. Leider nicht immer zum Positiven: Ich sehe bereits jetzt schon vor meinem inneren Auge die Manager, Effizienz-Fans, Controller und IT-Profis frohlocken, die sich durch künst­liche Intel­li­genzen mehr Digita­li­sierung und eine bessere Kombi­nation aus Standar­di­sierung und Indivi­dua­li­sierung versprechen – und zwar in erster Linie, weil sie jetzt endlich ihre Perso­nal­abbau-Pläne umsetzen können. Dann heißt es wieder: „Assis­tenzen brauchen wir nicht mehr“ – ein Argument, das ich schon vor Jahren im Versteher-Magazin als Trugschluss entlarvt habe. Meine Befürchtung ist, dass durch die KI mehr standar­di­siert und optimiert werden wird, die Prozesse werden verschlankt und das Personal wird abgebaut. Sobald sich dann heraus­stellt, dass die Erwar­tungen an die Leistung von KI doch überzogen waren und man die Reali­täten und Anfor­de­rungen des Marktes (zum Beispiel den Wunsch der Top-Unter­neh­mer­kunden nach mehr Mensch zu Mensch) doch unter­schätzt hat, dann bleiben nur noch wenige Menschen im Institut übrig, die umso mehr Arbeit verrichten.

Auf dem Papier sieht das natürlich ganz anders aus: Bei 1.000 Arbeiten und 20 Mitar­beitern fallen 50 Arbeiten pro Person an. Dann werden durch Standar­di­sierung und Digita­li­sierung 500 Arbeiten von der Maschine übernommen, da kann man dann ja auch 10 Leute wegra­tio­na­li­sieren – oder besser noch 12, denn die, die bleiben, haben dann ja schlankere Prozesse und können mehr Arbeit übernehmen. Also haben wir nun 500 Arbeiten auf 8 Mitar­beiter, das sind schon 62,5 Arbeiten pro Person. In der Bilanz steht dann aber nur: 50 % weniger Prozesse, 60 % weniger Perso­nal­kosten – „Läuft!“. Dabei sieht die Situation im Arbeits­alltag ganz anders aus. Da müssen dann plötzlich die Mitar­beiter mehr Arbeiten durch­führen als bislang, und gleich­zeitig fehlt es den wichtigen Unter­neh­mer­kunden am Mensch zu Mensch, da gefühlt alles nur noch über Chat-Assis­tenten etc. gemacht wird. Dieje­nigen, die in den Insti­tuten am liebsten voll automa­ti­siert und ohne Menschen arbeiten würden, machen hier schnell eine Milch­mäd­chen­rechnung auf, die für den langfris­tigen Erfolg gefährlich werden kann. Zumal betriebs­wirt­schaftlich ja oft trotz Perso­nal­kos­ten­abbau die Kosten für IT (deutlich) steigen, somit auch das nicht immer sauber kalku­liert wird. 

Wie wird die KI die Beratung beeinflussen?

Realis­tisch betrachtet wird die Zukunft der Finanz­be­ratung für (Familien-)Unternehmer in Zukunft stark von KI-Tools beein­flusst werden. Doch sie wird niemals völlig an die KI abgegeben werden. Von heute 10 Beratungs­an­lässen bleiben in Zukunft vielleicht noch 3 bis 5 übrig – diese sind dann aber so komplex, dass die KI damit (allein) nicht zurecht­kommt. Diese Arbeiten können nur spezia­li­sierte, hochpro­fes­sio­nelle Berater (bezie­hungs­weise Berater­teams) durch­führen, da es um das Koordi­nieren der Teams und das Erkennen sowie Analy­sieren komplexer (zum Teil nicht ratio­naler, sondern intui­tiver) Zusam­men­hänge geht. Und um die direkte Inter­aktion mit den Kunden. Denn wie wir schon im zweiten Teil dieser Artikel­serie festge­stellt haben: Auch Unter­nehmer, die selbst schon mit KI experi­men­tieren, wünschen sich weiterhin ein angenehmes Mensch zu Mensch (MzM) von ihren Finanz­dienst­leistern. Laut dem aktuellen EY Global Wealth Research Report 2023 wünschen sich sogar immer noch satte 43 % eine persön­liche Beratung im gleichen Raum. Derweil sind 38 % offen für digitale Video­kon­fe­renzen, erwarten jedoch weiterhin, mit einem echten Menschen zu sprechen. Lediglich (oder doch schon?) 19 % der Befragten sind bereit, vollständig auf eine Beratung von Mensch zu Mensch zu verzichten. Für Sie als Berater bedeutet das:

  • Kunde 1 möchte direkt und persönlich beraten werden – KI-Tools dann eher im Hinter­grund unter­stützend einsetzen und ansonsten verstecken! 
  • Kunde 2 möchte ebenfalls persönlich beraten werden, aber es macht ihm nichts aus, wenn ersichtlich ist, dass mit KI-Tools gearbeitet wird. 
  • Kunde 3 braucht keinen direkten Draht zum Berater (oder weniger häufig) und kann sogar durch das Heraus­stellen der KI-Unter­stützung umworben werden. 

In allen drei Fällen erwarten die Kunden jedoch den Einsatz von digitalen Tools und sogar KI in bestimmten Bereichen. Zum Beispiel zum einfachen Zugang auf verschie­denen Kanälen („Omnich­annel“) und beim KI-unter­stützten Auswerten großer Daten­mengen, wenn dadurch die Perfor­mance des jewei­ligen Finanz­pro­dukts optimiert wird. Oder so ausge­drückt: Mensch­lichkeit ist bei der Beratung noch gefragt, aber die Produkte sollen digital durch­op­ti­miert sein!

Die Finanz­dienst­leis­tungs­branche wird früher oder später auch auf regio­naler Ebene KI-Tools nutzen, so wie den im ersten Teil der Artikel­serie erwähnten MS Copilot, der bald schon die tagtäg­lichen Arbeiten mit Microsoft Office durch KI unter­stützen wird. Einige dieser KIs werden sogar direkt für die Beratung verwendet werden. Aller­dings wird die Einführung in der Finanz­dienst­leis­tungs­branche wahrscheinlich etwas länger dauern. Denn Banken, Steuer­be­rater, Wirtschafts­prüfer etc. haben (zu Recht) extrem hohe Anfor­de­rungen an Sicherheit und Daten­schutz. Gleich­zeitig sollte man nicht glauben, dass KIs aus diesen Gründen gar nicht einge­setzt würden, denn auch iPads wurden ja in den Insti­tuten irgendwann erlaubt und das funktio­niert bis heute sehr gut und kann sogar Mehrwerte bieten. Für den Einsatz von KIs in der Beratung werden jedoch zunächst komplexe Themen wie Server­standorte und die sichere Daten­spei­cherung gelöst werden müssen. Doch dann wird es mit der KI auch in Ihrem Institut vorwärtsgehen.

Von der Ankün­digung zur Umsetzung

Ein Blick auf die Fintechs lohnt sich in diesem Zusam­menhang, denn auch sie wurden zunächst noch belächelt und haben von Anfang an auf modernste Techno­logien gesetzt. Auch, weil es dort kaum Beden­ken­träger gab, die man hätte überzeugen müssen. Das wird bei der Einführung von KI genauso (gewesen) sein. Die „Neuen“ haben es nun mal auch leichter, neue Techno­logien einzu­führen, während die „Etablierten“ noch zögern – schließlich basiert das Selbst­ver­ständnis der „Neuen“ auch darauf, dass sie Dinge neu machen und das „Alte“ ändern möchten. Die Fintechs haben dadurch zunächst einen Vorsprung vor den etablierten Insti­tuten. Da gibt es heute schon Systeme, bei denen die Kunden einfach ihre Daten hochladen, und KIs übernehmen einen Großteil der Verar­beitung und der Analyse. Und sie können dank KI-Chatas­sis­tenten mit Large Language Model die Ergeb­nisse sogar schon verständlich an den Kunden weitergeben.

Aller­dings fehlt den Fintechs aktuell oft noch das ganz große Kapital. Hier haben die Etablierten einen Vorteil durch das eher starre Geschäft mit den Privat­kunden, bei dem sich in den letzten Jahren so gut wie nichts getan hat – inklusive Vorgängen, die oft noch manuell erledigt und ausge­druckt werden. Auch wenn die Prozesse hier noch etwas veraltet sind, verfügen diese Institute doch über erheblich mehr Kapital als die meisten Fintechs.

Den Vorteil der Geschwin­digkeit haben die Fintechs dennoch in der Tasche, denn wie erwähnt, werden dort oft schon heute KIs einge­setzt. Für alle anderen gilt: Je länger es von der Ankün­digung von neuen KI-Tools bis zu deren Umsetzung dauert, desto mehr Menschen verlieren das Interesse, widmen sich anderen Themen und treten ihren Vorteil an dieje­nigen ab, die jetzt dranbleiben. Letztere bauen ihren Vorsprung aus und müssen sich nicht erst neu einar­beiten, wenn dann tatsächlich mal die neue ChatGPT-Version oder der MS Copilot nutzbar ist. Wenn in der aktuellen Situation zum Beispiel der MS Copilot erst im Herbst 2023 voll ausge­rollt werden sollte, dann sind zu diesem Zeitpunkt vielleicht 2 bis 5 von 100 Menschen überhaupt noch am Ball. Die restlichen haben sich bereits vermeintlich dringen­deren Themen gewidmet. Und sie müssen vielleicht zunächst ein Gremium bilden, das entscheidet, ob man die Technik nutzen möchte oder nicht, dann einen Arbeits­kreis, der das Wann, Wie und Was ausar­beitet, dann müssen Entschei­dungen bzgl. der Umsetzung getroffen werden (Program­mierung, Daten­schutz, Sicherheit etc.). Kurz gesagt: Wenn MS Copilot im Herbst 2023 ausge­rollt wird, brauchen dieje­nigen, die bis dahin nicht am Ball geblieben sind, locker bis Mitte 2024 oder noch länger, bis sie die Techno­logie umgesetzt haben. Das haben wir schon oft bei überge­ord­neten Projekten erlebt, wo es von der Idee bis zum Roll-out Jahre gedauert hat und die Umsetzung immer wieder von internen Konflikten zwischen Visio­nären, Pragma­tikern, Pedanten, Korri­gierern und Beden­ken­trägern aufge­halten wurde.

Ich empfehle Ihnen als Führungs­kraft wie auch als einzelner Berater also, sich heute schon damit zu beschäf­tigen – auch wenn das bedeutet, dass man zunächst das kosten­pflichtige ChatGPT Plus nebenher benutzt, auch wenn es noch nicht bequem als MS Copilot direkt in die Office-Anwen­dungen integriert ist. Probieren Sie die Technik gerne jetzt schon aus – mit anony­mi­sierten oder vollständig erfun­denen Daten, versteht sich – und sammeln Sie heute schon hochwertige Erfah­rungen bei der Arbeit mit KIs. Und verfolgen bzw. abonnieren Sie Infor­ma­ti­ons­quellen wie KI-Blogs im Internet, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Schon heute geht technisch sehr viel

Fest steht: Dieje­nigen, die als Erstes kommen und zugleich mit ausrei­chend Kapital ausge­stattet sind, werden in der Banken­branche durch den Einsatz von KI-Techno­logien extrem erfolg­reich sein. Quasi „First Mover = Winner takes it all“ statt „First Mover vs. Winner takes it all“. Denn rein technisch ist schon jetzt vieles umsetzbar, auch wenn es die meisten Institute noch nicht tun (können). Einige Banken entwerfen sogar schon eigene Chatbots zur Beratung der Kunden in Bezug auf ihre Geldanlage. Ironi­scher­weise verbieten diese Banken gleich­zeitig die Nutzung von ChatGPT – sie basteln lieber proprietäre Systeme. Ein entspre­chendes DATEV-Tool zum Analy­sieren der eigenen Finanzen und Portfolios ist meiner Einschätzung nach nur eine Frage der Zeit.

Spannend wird es außerdem dann werden, wenn die erste Bank bzw. Fintech-Bank im Zuge des KI-Hypes mit entspre­chendem Kapital ausge­stattet wird, technisch ein bis zwei große Schritte voraus macht und dann alle anderen abhängt. Denn als regio­nales Institut weiß man: Das Mensch zu Mensch zählt, und das hängt auch an der Regio­na­lität, dem Stand­ort­vorteil (in der bereits erwähnten EY-Umfrage gaben immerhin 43 % der Befragten an, dass sie in einem Raum mit ihren Gesprächs­partnern sitzen wollen). Doch dank Digita­li­sierung kann das Mensch zu Mensch mittler­weile eben auch stand­ort­un­ab­hängig vermittelt werden, zum Beispiel in Video-Calls (38 % in der EY-Umfrage). Vielleicht wird sich da so manches regionale Institut vermeintlich sicher wähnen und dadurch den Anschluss bei letzterer Kunden­schicht verlieren.

So beraten Sie zum Thema KI

Die wichtigste Frage in der aktuellen Entwicklung von KIs für die Finanz­in­dustrie lautet: Welche komplexen Zusam­men­hänge können nicht eigen­ständig von der KI erledigt werden? Oder anders gesagt: Wozu braucht es noch den Berater oder die Führungs­kraft? Denn genau an diesen Stellen werden in Zukunft Ihre Aufgaben liegen.

Bei der Frage der Umsetzung von KI im Unter­nehmen wird es dann zum Beispiel so sein, dass Ihr Kunde sich schon ganz gut auskennt. Dann hat er vielleicht keine tiefge­henden Program­mier­kennt­nisse in Python oder C++. Und vielleicht kennt er auch nicht jeden Kniff bei der Ausge­staltung einer Power­Point-Präsen­tation oder alle Funktionen von Excel. Aber die meisten Ihrer wichtigsten Unter­neh­mer­kunden gehören der Generation zwischen 1960 und 1975 an. Sie beschäf­tigen sich teilweise schon seit Jahrzehnten mit Computern und Digita­li­sierung generell. Und sie haben sich wahrscheinlich schon einen guten Überblick über ChatGPT und Co. verschafft oder können das zumindest selbst tun. Und wie in Teil 2 dieser Artikel­serie beschrieben, erkennen sie durchaus den Nutzen der Techno­logie für ihr Unter­nehmen. Wenn Sie sich also mit dem Unter­nehmer zum Thema KI in der Produktion/Verwaltung unter­halten, dann sollten Sie stets aufmerksam und konzen­triert sein, denn das Gespräch kann tief und heraus­for­dernd werden. In einigen Fällen wird der Unter­nehmer sogar gefühlt (oder tatsächlich) infor­mierter sein als Sie. Denn eventuell nutzt er schon längst KI-Tools, um seine finan­zielle Situation auszu­werten und diese Infor­mation im Gespräch mit Ihnen (oder gegen Sie?) einzu­setzen. Zum Beispiel, wenn ihm die KI sagt, dass der Cashflow seines Immobi­li­en­port­folios noch besser optimiert werden könnte.

Je mehr die Unter­nehmer mit KI arbeiten, desto häufiger werden Sie als Berater Unter­neh­mer­kunden oder ‑zielkunden gegen­über­sitzen, die Sie zur reinen Analyse oder Aufbe­reitung von Daten gar nicht mehr benötigen. Egal, welchen Infor­ma­ti­ons­vor­sprung Sie gegenüber dem Unter­nehmer eventuell zu haben glauben – er wird durch die neuen KI-Tools schmelzen. Und dank Large Language Models und Natural Language Processing können die Tools diese Infor­ma­tionen sogar verständlich kommu­ni­zieren. Und wenn der Unter­nehmer im Chat mit dem Tool sagt: „Beschreibe es mir, als wenn ich keinerlei Vorkennt­nisse dazu habe“, bekommt er es auch genau erklärt. Eventuell erinnern Sie sich in diesem Zusam­menhang an den einen oder anderen Artikel bzw. Podcast, in dem ich darauf hinge­wiesen habe, dass Top-Unter­nehmer keine Bildbe­schreibung brauchen, sondern eine Bildin­ter­pre­tation mit indivi­du­ellen Lösungsvorschlägen. 

Es geht also für Sie als Berater nicht mehr einfach darum, dem Unter­nehmer Wissen zu vermitteln oder ihn „aufzu­schlauen“. Vielmehr wird es in Zukunft immer stärker um zwei Dinge gehen:

  • auf Basis der eigenen Erfahrung, der Kennt­nisse und des Netzwerks Ideen sowie Synergien zu kreieren, zu denen die KI nicht in der Lage ist. 
  • dem Unter­nehmer als Sparrings­partner auf Augenhöhe für Ideen zur Verfügung zu stehen. 

Konkret: Was bedeutet das für Ihre Position als Berater und Marktfolge-Mitarbeiter?

Aus dieser Erkenntnis lassen sich verschiedene Schlüsse ziehen, die Sie unbedingt beachten sollten, um sich so zu positio­nieren, dass Ihre Arbeit in der KI-gestützten Finanz­branche von morgen noch einen Mehrwert für die wichtigen Firmen­kunden bietet.

Markt­folge-Aktiv-Mitar­beiter

Mit der Zeit werden dieje­nigen Aufgaben immer mehr von KI übernommen werden, die zum Großteil aus reiner Daten­ver­ar­beitung bestehen. Also Analysen und Ähnliches. Diese Aufgaben werden von KIs übernommen und automa­ti­siert, wodurch für Sie als Markt­folge-Aktiv-Mitar­beiter noch die Aufgaben übrig bleiben, die noch mensch­liches Denken erfordern, Kreati­vität, jahre­lange Erfahrung und Urteils­ver­mögen. Wie groß dieser Anteil sein wird, hängt vor allem davon ab, wie Ihr Institut aufge­stellt ist, welche Kunden­struktur es hat etc.

Ich gehe jedoch davon aus, dass sich die noch für Menschen übrig bleibende Arbeit in der Markt­folge Aktiv im niedrigen zweistel­ligen Prozent­be­reich einpendeln wird. Daher rate ich allen Mitar­beitern in dieser Abteilung, sich so bald wie möglich mit Themen ausein­an­der­zu­setzen, die speziell für die dann noch übrig bleibenden Arbeiten wichtig werden. Vor allem: Geschäfts­mo­delle, Geschäfts­mo­delle, Geschäfts­mo­delle! Seien Sie in der Lage, diese tiefgehend zu verstehen, ausein­an­der­zu­nehmen und in den Kontext der Finanz­be­ratung zu setzen. So bringen Sie sich noch stärker in die Kunden­ge­spräche ein und leisten trotz KI weiterhin wertvolle Arbeit. Wer sich nur auf Check­listen verlässt, wird es in Zukunft schwer haben – denn dafür werden nur sehr wenige hoch spezia­li­sierte Mitar­beiter übrig bleiben. Schauen Sie dazu gern auch (nochmals) in mein E‑Book zur „Markt­folge Aktiv der Zukunft“.

Für alle Entscheider, die bis hierher gelesen haben: Eine der größten Heraus­for­de­rungen für Sie im Bereich der Risiko­steuerung wird sein, wie Sie als Institut und poten­zi­eller Kredit­geber damit umgehen, dass Ihre Firmen­kunden vermehrt Kredite anfragen zur Finan­zierung von PC, EDV, Software etc. Also kein fixes Sachgut wie Gebäude, Material und Maschinen. Wie also damit umgehen, wenn der Antrag lautet: 2 Mio. Kredit für Neuordnung aller PC, EDV-Prozesse und Software – „blanko“. Und ob dann die Aussage „Herr Wiebusch, wir fühlen uns in Steine wohler“ auf Basis der derzei­tigen und zukünf­tigen Entwicklung in den Immobilien noch Gültigkeit hat, wage ich zu bezweifeln (sehen Sie dazu auch gern das E‑Book „Unter­nehmer und Immobilien“).

Firmen­kun­den­be­rater

Genau wie bei der Markt­folge Aktiv gilt auch für Firmen­kun­den­be­rater: Die reine Aufbe­reitung und Vermittlung von Infor­ma­tionen wird für Sie weiter in den Hinter­grund treten. Darum sollten Sie sich so bald wie möglich mit dem Thema Geschäfts­mo­delle ausein­an­der­setzen. Am besten direkt mit den Kollegen aus der Markt­folge Aktiv, die ja auch bei der Kunden­be­ratung aktiver werden sollen.

Entscheidend für Sie als Firmen­kun­den­be­rater wird dann die Frage sein, wie Sie diese Infor­ma­tionen mit dem Unter­nehmer besprechen. Ob Sie nur auf Zahlen und Fakten hinweisen oder ob Sie gleich eine poten­zielle Lösung vorschlagen können. Die reine Infor­ma­ti­ons­ver­mittlung war nie die wichtigste Arbeit der Firmen­kun­den­be­rater, denn so tief Sie sich auch einar­beiten, der Unter­nehmer kennt seine eigene Firma natürlich deutlich besser. Und das wird in Zukunft noch stärker der Fall sein. Konzen­trieren Sie sich also auf das, wodurch sich gute Firmen­kun­den­be­rater immer schon hervor­getan haben: Impulse geben, Ideen entwi­ckeln, Vernet­zungen und Synergien erzeugen – und nicht zuletzt: Sparrings­partner auf Augenhöhe sein.

Wer nicht in der Finanz­be­ratung arbeitet, macht sich gar keine Vorstellung davon, wie viel Mehrwert es für einen Unter­nehmer ist, einfach mal eine Idee mit einem infor­mierten Gesprächs­partner durch­zu­sprechen. Das kann ganz ungeahnte Effekte haben. Ich habe zum Beispiel mal einen Firmen­kun­den­be­rater erlebt, der im Gespräch mit einem Unter­nehmer dessen Fachkräf­te­mangel gleicher­maßen kreativ wie effektiv gelöst hat. Da es in der Region nur wenig hoch quali­fi­zierte Mitar­beiter gab, wurde kurzerhand ein Shuttle­service aufgebaut, der Fachkräfte von außerhalb abholte und zur Arbeit bzw. wieder nach Hause fuhr. Das mag jetzt ein sehr spezi­fi­sches Beispiel sein, aber genau diese Indivi­dua­lität und Kreati­vität der Lösung ist es doch, die Unter­nehmer in der Beratung Mensch zu Mensch suchen. Das ist es, was Sie als Firmen­kun­den­be­rater, zusammen mit der Markt­folge Aktiv, so wertvoll macht.

Private-Banking-Berater

Auch für Berater im Private-Banking-Segment werden die Geschäfts­mo­delle immer wichtiger werden, da die reine Infor­ma­ti­ons­ver­mittlung von KI übernommen wird. Als Berater sollten Sie sich außerdem stärker damit beschäf­tigen, in welchem Rahmen sich der Kunde bewegt, also zum Beispiel auch, welche Immobilien er besitzt.

Etwas schade wird für Sie als Private-Banking-Berater die Tatsache werden, dass Sie dank verbes­serter Schnitt­stellen immer schneller und umfang­reicher auf die finan­zi­ellen Daten und den finan­zi­ellen Kontext des Unter­nehmers zugreifen können – doch das kann der Unter­nehmer dann im Zweifelsfall auch. Mit anderen Worten: Sie könnten jetzt zwar noch leichter Ihre gewohnte Arbeit machen, aber der Unter­nehmer hat davon keinen Mehrwert mehr. Darum gilt auch für Sie: Positio­nieren Sie sich statt­dessen als Sparrings­partner auf Augenhöhe. Entwi­ckeln Sie Ideen und disku­tieren Sie die Ideen des Unter­nehmers gemeinsam durch. Übrigens: Auch wenn der Unter­nehmer seine Infor­ma­tionen in Zukunft direkt von der KI beziehen wird, kann es Situa­tionen geben, in denen Sie durch eine Einordnung, Verifi­zierung und ggf. Korrektur der von der KI ausge­ge­benen Infor­ma­tionen punkten können. Oder indem Sie die von der KI ausge­spuckten Daten in einen indivi­du­el­leren Kontext bringen, z.B. in den der indivi­du­ellen familiären Situation des Unter­nehmers. Denn emotionale Intel­ligenz ist eine Stärke des Menschen gegenüber der KI.

KI-Tools im Berateralltag

KI ist gekommen, um zu bleiben – das gilt auch für Ihren Arbeits­alltag als Berater. Der Vorteil dabei ist, dass die Einführung der KI-Tools von Ihren hausei­genen IT-Abtei­lungen „wegge­managt“ werden wird. Sie brauchen sich also nicht darum zu kümmern, dass die Tools laufen. Aller­dings werden Sie als Berater auch nicht selbst entscheiden können, wann Sie die neuen genera­tiven KIs nutzen können. Dazu wird es einen internen hierar­chi­schen Plan geben. Und dort wird wahrscheinlich auch festge­halten, dass das Erstellen von Kunden­briefen oder Verkaufs­prä­sen­ta­tionen auch nicht direkt von Ihnen unter Zuhil­fe­nahme einer KI gemacht werden wird – das wird dann vom Vertriebs­ma­nagement und vom Marketing geregelt. Sie werden jedoch irgendwann mit KI-Tools die spezi­fi­schen Inhalte der vom Marketing und vom Vertriebs­ma­nagement erstellten Vorlagen ausfüllen – da geht es dann vor allem darum, innerhalb der Vorlage den Inhalt und den Ton indivi­duell auf Ihren Kunden zuzuschneiden.

Wann bei Ihnen im Institut KIs wirklich einge­setzt werden – und wann Sie als Berater an der Reihe sind –, kann erfah­rungs­gemäß von Institut zu Institut stark variieren. Manche Mitar­beiter tragen heute schon ChatGPT auf ihrem iPad mit sich herum, andere dürfen das Programm ganz offiziell noch nicht nutzen. Sprechen Sie doch mal Ihre IT direkt darauf an, ob Sie diese Tools nutzen dürfen bzw. ab wann geplant ist, dass Sie diese nutzen. Denn wie bereits erwähnt: Sowohl Ihre Unter­neh­mer­kunden als auch die Fintechs sind Ihnen dabei sicher schon einige Schritte voraus.

Meine dringende Empfehlung an Sie ist deshalb: Arbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem Institut daran, so bald wie möglich KI-Tools „hands-on“ nutzen zu können. Natürlich immer mit anony­mi­sierten Daten (!) und unter Beachtung aller Daten­schutz-Richt­linien. Vielleicht lässt sich ja ein Stand-alone-Computer im Haus aufbauen, der über ein Prepaid-Handy mit dem Internet verbunden ist — also vollständig abgeschottet von allen poten­zi­ellen Angriffs­vek­toren. So könnten Sie schon heute Erfahrung für die Arbeit mit diesen Tools sammeln. Sprechen Sie das im Institut durch und experi­men­tieren Sie dann ggf. mit den Tools. Sie werden begeistert sein, wie viele praktische Anwen­dungs­fälle es jetzt schon gibt und wie viel Nutzen Sie jetzt bereits aus den Tools heraus­holen können. Zum Beispiel zum Erstellen von Agendas und Ablauf­plänen oder zur Vorbe­reitung von Betriebs­be­sich­ti­gungen. Die Möglich­keiten sind vielfältig und genau deshalb sollten Sie und Ihr Institut jetzt die Umsetzung nicht zu lange hinaus­zögern, sofern sich Sicher­heits­be­denken durch ein bisschen Kreati­vität aus der Welt räumen lassen.

Ihre Zukunft ist eng verwoben mit der KI

Ich hoffe, dass Sie aus dieser umfang­reichen Artikel­serie zur neuen Techno­logie der (genera­tiven) KIs einige nützliche Infor­ma­tionen zum Verständnis von künst­lichen Intel­li­genzen sowie zur Anwendung der Techno­logie bei Ihnen im Institut sowie beim Unter­neh­mer­kunden ziehen konnten. Denn schon in nicht allzu ferner Zukunft wird die KI einen festen Platz auf allen Seiten der Beziehung Bank–Unternehmerkunde haben. Lernen Sie bereits jetzt, welche Auswir­kungen das auf Ihre Position im Institut und auf Ihre Arbeit haben wird – und nutzen Sie die Chancen, die sich Ihnen bieten, sich gegenüber dem Unter­neh­mer­kunden als Sparrings­partner auf Augenhöhe zu positio­nieren. Denn vergessen Sie nicht: Ein effek­tives Mensch zu Mensch können selbst KIs nicht wegrationalisieren!

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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