Haben Sie als Finanzdienstleister einen Überblick darüber, wie sich die Umsätze Ihrer Firmenkunden zusammensetzen? In der Regel wahrscheinlich nicht. Denn entweder weiß es der Unternehmer selbst nicht genau oder dem Thema wird kaum Relevanz beigemessen, solange die Umsätze stimmen. Dass beim Umsatz ein Blick hinter die Kulissen jedoch essentiell ist, wurde neulich bei einem Beratungstermin mit einem Familienunternehmer wieder deutlich.
Das Kerngeschäft im Wandel
In meiner Funktion als Geschäftsführer des Instituts Für UnternehmerFamilien (IFUF) saß ich vor Kurzem mit einem Familienunternehmer zusammen, der sehr zufrieden von der Umsatzentwicklung in seinem Unternehmen erzählte. An der einen oder anderen Stelle bestehe zwar Optimierungspotenzial, jedoch laufe es ansonsten sehr gut. Also fragte ich ihn, ob wir noch einmal tiefgreifender über seine Geschäfte und mögliche Stellschrauben sprechen sollten. Er bejahte sofort.
Während er dann von seinem Business berichtete, wurde mir eines deutlich: Eigentlich erzählte er hauptsächlich von Geschäften und Abschlüssen, die kaum etwas mit dem Kerngeschäft und somit dem ursprünglichen Geschäftsmodell zu tun hatten. Meine Frage, wie sich der Umsatz anteilig auf Sondergeschäft und Kerngeschäft verteilt, konnte er leider nicht detailliert beantworten. Also machten wir uns daran, diese Verteilung im Detail zu prüfen.
Die Analyse förderte zutage, dass der Hauptteil des Umsatzes nicht mit dem eigentlichen Kerngeschäft, sondern mit dem Sondergeschäft generiert wurde. Doch was heißt das nun? Bildlich gesprochen stand der Unternehmer nackt in der Brandung, ohne sich dessen bewusst zu sein, und musste hoffen, dass keine Ebbe – der Wegfall der Sondergeschäfte – eintritt. Denn das Wegbrechen dieses Umsatzes könnte er kaum mit seinem Kerngeschäft abfangen.
Mit Umsatzanalysen Sondergeschäfte detektieren
Weshalb ist die genaue Umsatzanalyse nun so wichtig? Stellen Sie sich folgendes vor: Ein Steakhaus generiert den Hauptteil seiner Umsätze nicht über den Verkauf von Steaks, sondern über die Vermarktung von Dönerfleisch. Dabei ist bereits abzusehen, dass das Geschäft mit dem Dönerfleisch risikobehaftet und wenig nachhaltig ist. In einem solchen Fall könnte das Wegfallen des Dönerfleisch-Geschäfts – oder sogar nur eine zeitlich begrenzte Flaute – drastische Auswirkungen auf die Existenz des Steakhauses haben. Doch der Betreiber des Steakhauses hat dieses Risiko nicht gesehen – oder sehen wollen – da er sich von den laufenden Gewinnen hat blenden lassen.
Das Beratungsgespräch mit dem Unternehmer hat mir in Anbetracht dessen in zweierlei Hinsicht zu denken gegeben: Auf der einen Seite frage ich mich im Rahmen meiner Realfallcoachings oft, ob die Finanzdienstleister wissen, wie sich der Umsatz ihrer Unternehmerkunden zusammensetzt. Meistens ist das nicht der Fall, da die Berater diese Informationen gar nicht erst von den Unternehmern erhalten. Oftmals können die Unternehmer selbst nicht genau definieren, aus welchen Quellen sich die Umsatzzahlen speisen (z.B. nach Geschäftsfeldern, Kundensegmenten, Dienstleistungsarten, Produktgruppen). Bei einer Kfz-Werkstatt wäre das die Aufschlüsselung des Umsatzes / Gewinns nach verarbeitetem Material, geleisteten Stunden, verkauften Endprodukten und Ähnlichem. Ziel ist es dann, als aufmerksamer, strategischer Partner aufzutreten und aus eigenem Antrieb zu überprüfen, wie die Kunden aufgestellt sind.
Hierbei kann das Zusammenspiel mit der Marktfolge Aktiv optimiert werden. Damit im Dreiklang zwischen Unternehmer, Firmenkundenberater und Marktfolge Aktiv solche entscheidenden Kennzahlen beim Unternehmer angefragt oder erarbeitet werden und dann an die Kollegen weitergegeben werden können. Wie das im Idealfall in der Zukunft aussehen kann, habe ich bereits in diesem Artikel skizziert.
Bei Ihnen alles gut?
Auf der anderen Seite gilt es, die Finanzdienstleister für ihre eigenen Geschäfte zu sensibilisieren:
- Woher kommen die Gewinne?
- Wie sicher sind die Gewinne?
- Ist das eigene Institut in Schwierigkeiten, falls die entsprechenden Segmente wegfallen?
- Besteht Handlungsbedarf, um genau diesen Fall zu verhindern?
Aktuell sind viele Banken mit dem Organisieren, Strukturieren und Segmentieren von Kundengruppen beschäftigt – und das zu Recht. Denn das Clustern nach Unternehmens‑, Mittelstands‑, und Gewerbekunden ist in jedem Fall sinnvoll. Und die Strategie scheint aufzugehen, denn immer wieder hört man, dass alles hervorragend läuft, manchmal ist sogar von glänzenden Zeiten oder dem besten Ergebnis jemals die Rede. Doch wie sich die Erträge tatsächlich aufteilen und auf welchem unsicheren Boden man sich hier möglicherweise bewegt, ist vielen Finanzdienstleistern nicht bewusst. Um sich dies klar zu machen, reicht ein Blick auf die Aufschlüsselung der Umsätze:
Betrachten Sie die erste gelbe Zeile der Abbildung und stellen Sie sich folgende Frage: Wie gut sind die Erträge wirklich, wenn Sie alle anderen Positionen außer den Posten „Firmenkunden“ ausblenden? Als nächster Schritt wird der „Unternehmerwohnungsbau“ außen vor gelassen. Dieser wird oftmals vom Firmenkundenberater direkt mit beraten oder zumindest – wenn andere ihn beraten – trotzdem von der Firmenkundenabteilung als Kreditbeschluss erfasst. Denn Firma und Unternehmer werden meistens als eine Krediteinheit gesehen. Danach eliminieren wir gedanklich die „Prolongationen“. Diese sind zwar ein reines Firmenkundenthema – jedoch kein Neugeschäft.
Somit betrachten wir lediglich die Erträge entlang der roten Linie innerhalb des gestrichelten Kästchens. Hierbei handelt es sich um das eigentliche Kerngeschäft des Firmenkunden-Bereichs (nämlich Mitarbeiter, Maschinen, Material, Produktions- und Verwaltungsgebäude etc.). Also eigentlich das Geschäft, das aus meiner Sicht das originäre Firmenkundengeschäft bilden sollte. Wie hoch ist nun der Ertrag, wenn nur dieses Kerngeschäft betrachtet wird?
Stellt sich dann beispielsweise heraus, dass das eigene Institut seine Erträge hauptsächlich über das Immobiliengeschäft – und nicht das Kerngeschäft – erwirtschaftet, birgt dies nicht nur ein Risiko. Es sorgt auch dafür, dass sich Firmenkundenberater über kurz oder lang zu Immobilienberatern und Sachbearbeitern entwickeln. Nicht immer ist diese Entwicklung gewollt und steuerbar, denn oftmals sind es die Begleitumstände, die einen Berater in diese Rolle zwingen.
Beispielsweise bezahlen derzeit viele Top-Unternehmer ihre Erweiterungs‑, Erst- und Ersatzfinanzierungen aus dem Cashflow, da sie in den letzten Jahren erfolgreich ihr Eigenkapital gestärkt haben – auch bestärkt durch diverse gesetzliche Regelungen. Führen Sie sich noch einmal das Steakhaus-Beispiel vor Augen: In diesem Fall würde der Kunde nur Dönerfleisch vor Ort genießen und sich das feine Steak zu Hause selbst braten.
Ehrliche Analyse der IST-Situation unumgänglich
Das bedeutet: Viele Banken stehen womöglich selbst nackt in der Brandung und wissen dies aufgrund der nicht vorhandenen detaillierten Aufschlüsselung der Erträge gar nicht. Sie müssen also hoffen, dass das Immobiliengeschäft weder stagniert noch rückläufig ist – die Ebbe also ausbleibt.
Da der gesamte Immobilienmarkt immer wieder Schwankungen unterliegt, könnte dieses Konstrukt wie eine Blase zerplatzen. Und in manchen Regionen würde schon eine Stagnation des Immobilienmarktes zur Ebbe führen.
Schlagartig würde deutlich, dass kaum Erträge aus dem Kerngeschäft erwirtschaftet werden, da sich die Firmenkundenberater in einigen Instituten schon seit Jahren auf Immobiliengeschäfte fokussieren.
Was also tun? Eine ehrliche, reflektierte und detaillierte Analyse der IST-Situation ist unumgänglich, um sinnvolle Maßnahmen abzuleiten und das Kerngeschäft zu stärken. Doch Vorsicht vor Aktionismus – neu ausgerufene Ziele sollten sich immer in einem realistischen Rahmen bewegen.
Ein erster Schritt wäre es, Jahresgespräche, die meist eher aus formellen Gründen stattfinden, wieder mit dem Ziel anzugehen, das oben genannte Kerngeschäft wiederzubeleben. Dazu benötigt es:
- Agieren statt Reagieren
- Gespräche mit dem Unternehmer auf Augenhöhe
- Eine ehrliche Analyse des Geschäftsmodells
- Sensibilität für Geschäftspotenziale & aktuelle Entwicklungen (beispielsweise Digitalisierung)
Aber auch der Mut, beim Unternehmer als strategischer Partner aufzutreten, darf nicht fehlen. Denn sonst avanciert man nach und nach vom strategischen und lösungsorientierten Berater zum inoffiziellen Erfüllungsgehilfen.
Firmenkundenberater: „Unternehmerisch sprechen“ erwünscht
Um diese Strategie rund um das Kerngeschäft zu fahren, benötigt es auf Firmenkundenseite zwei Arten von Beratern. Dabei spreche ich nicht von der antiquierten Einteilung in „Farmer“ und „Hunter“, bei der sich Farmer um Bestandspflege und Sachbearbeitung kümmern und Hunter draußen mit Kundenkontakt und Akquise beschäftigt sind. Diese Strategie entspricht weder den aktuellen Gegebenheiten noch den Bedürfnissen von Familienunternehmen.
Nein, ich spreche vielmehr von diesen beiden Berater-Typen:
- A) Komplex denkender, abschlussorientierter strategischer Berater
- B) Komplex denkender, abschlussorientierter Sachbearbeiter
Jeder sollte sich ehrlich fragen, zu welchem Typ er gehört oder gehören möchte. Ein Blick in das Anforderungsprofil hilft dabei, sich selbst oder seine Mitarbeiter richtig einzuschätzen. Mehr zu Typus A erfahren Sie im Artikel „Der Firmenkundenberater in einer vernetzten Welt“.
Warum ist diese Unterscheidung so wichtig? Betrachtet man die Zielgruppe Familienunternehmer und Unternehmerfamilien, wird man feststellen, dass es Kundentypen gibt, die eher Typus A bevorzugen und Kundentypen, die eher Typus B benötigen. Hat man als Institut beide in den eigenen Reihen, so kann man Unternehmern immer den richtigen Berater zur Verfügung stellen und behält – unabhängig welcher Typus das sein wird – stets seine Abschlussorientiertheit, um Erträge im erwähnten Kerngeschäft zu steigern. Diese passgenaue Konstellation von Kunde und Berater fördert den subjektiven Wohlfühlfaktor auf beiden Seiten, stärkt die eigene Marke und ermöglicht eine ausgezeichnete Beratung von Mensch zu Mensch.
Beherrschen die Berater dann noch die Fähigkeit, „Unternehmerisch zu sprechen“, sind die Voraussetzungen ideal, um mit Familienunternehmern auf Augenhöhe ehrlich über Firmenkundenanliegen zu diskutieren und das Kerngeschäft wieder zu befeuern. Ist sich der Berater bewusst, dass Unternehmer vieles aus dem eigenen Cashflow realisieren und daher in diesem Bereich weniger Geschäfte zu vergeben haben, wird die Kommunikation auf eine zwischenmenschliche, emotionale Schiene gehoben: Mit Hilfe des sogenannten subjektiven Wohlfühlfaktors lässt sich mit Unternehmern über eine Differenzierung sprechen – das macht ein Ergattern dieser Geschäfte realistisch.
Schützen Sie sich vor plötzlicher Ebbe
Mit einer Portion Sensibilität, detaillierten Prozessanalysen und ehrlichem Austausch entwickelt man Routine für die aktuellen Herausforderungen des Kunden-Kerngeschäfts. Nachhaltig wird so verhindert, dass man sich nackt in der Brandung wiederfindet und von der Ebbe überrascht wird. Und dem Unternehmer wird eindrücklich bewusst gemacht, wer immer noch die besten Steaks brät.
Kontakt
Dirk Wiebusch
info@ifuf.de