Wenn der Herbst seinen Höhepunkt erreicht, dann ziehen die Vögel für den Winter in den Süden und die Familien­unternehmer beginnen mit der Planung für das kommende Jahr. Das ist ein Natur­gesetz, das Sie wahrscheinlich auch in Ihrem Institut beobachten können – nicht nur, weil die Planung in Ihrem Institut vermutlich ganz ähnlich abläuft, sondern auch weil jetzt mögliche Planungs­ge­spräche mit Ihren Unter­neh­mer­kunden anstehen. Diese geben Ihnen die Chance, mit den Unter­nehmern über kommende Priori­täten sowie die Grund­lagen für die Vertriebs­ziele im nächsten Jahr zu sprechen. Dass nicht jeder Vertriebs­ziele mag, ist mir klar. Ich selbst kennen nur eine Hand voll Vertriebler, von denen ich das behaupten würde. Und doch sind Vertriebs­ziele wichtig für den Erfolg beim Kunden. Lassen Sie mich Ihnen das Thema aus Sicht der Unter­nehmer näher­bringen und Sie werden verstehen, warum das so ist – und wie man Vertriebs­ziele für die effektive Beratung von Mensch zu Mensch (MzM) nutzen kann.

Sprechen Sie mit Unter­neh­mer­kunden direkt über die Zielvorgaben

Ob beim Unter­nehmer oder in Ihrem Finanz­in­stitut, eine Heraus­for­derung stellt sich bei den Zielvor­gaben immer: Diese sind in den aller­meisten Fällen nicht die Ziele der Vertriebler/Berater, sondern die Ziele ihrer Vorge­setzten. Deshalb nenne ich sie auch „Zielvor­gaben“ und nicht „Zielver­ein­ba­rungen“. Dass das einen deutlichen Unter­schied macht, merken Sie, wenn Sie sich folgende Situation vorstellen (Hinweis: bitte als Humor sehen, denn so ist es gemeint!):

Sagen Sie Ihrer Frau mal, sie solle in hohen Schuhen die Straße langlaufen und alle paar hundert Meter einen Batzen Geld an den Straßenrand legen. Oder sagen Sie Ihrem Mann, er solle sich in enge Hosen zwängen und dasselbe tun. Vermutlich wird Ihr Lebens­partner dann schon darüber nachdenken, ob Sie den Verstand verloren haben. Doch wenn sie sich am Samstag­nach­mittag mit Freun­dinnen zum Shoppen verab­redet, oder wenn er am Freitag­abend mit Freunden durch die Kneipen zieht, dann ist die Einstellung plötzlich eine völlig andere. Der Aufwand und der finan­zielle Verlust sind identisch, warum also der Sinnes­wandel? Ganz einfach: das Ziel war diesmal selbst­ge­wählt. Und genau das ist auch der Unter­schied für Mitar­beiter in Unter­nehmen oder Finanz­in­sti­tuten, wenn sie vom Chef Ziele vorge­geben bekommen, die nicht ihrer persön­lichen Zielsetzung entsprechen. Deshalb ist es für Vorstände und Vorge­setzte wichtig, Ziele zumindest mit Augenmaß zu setzen, anspruchsvoll aber realis­tisch erreichbar.

Mir fällt auch immer wieder auf, dass es regel­mäßig Diskus­sionen über die Sinnhaf­tigkeit von Kalku­la­tionen gibt. Das kommt vor allem von den zwei unter­schied­lichen Ansätzen, die das Top-Management (sowohl in Familien­unternehmen als auch in Finanz­in­sti­tuten) und Vertriebler typischer­weise nutzen:

  • Unter­nehmer und Vorstände bevor­zugen den Top-Down-Ansatz, der vorsieht, dass Zielvor­gaben von oben gesteckt werden: Was braucht das Unternehmen/Institut gerade? 
  • Beim Bottom-Up-Ansatz schaut der jeweilige Mitar­beiter in sein eigenes Portfolio und definiert: Welche Poten­ziale sind da, was ist machbar? 

Der Top-Down-Ansatz ist bei Unter­nehmern wie auch Finanz­in­sti­tuten besonders verbreitet, denn es gibt ein ökono­mi­sches Umsatz­mi­nimum, das erreicht werden muss, um laufende Kosten zu decken und Rücklagen zu bilden. Darum können Mitar­beiter manchmal die Vorgaben von oben nicht nachvoll­ziehen: Sie decken sich nicht mit der eigenen Poten­zi­al­ein­schätzung, sind aber nötig, um „den Laden am Laufen zu halten“. Entschei­dende Faktoren bei Ihnen im Institut sind dafür:

  • Depot A 
  • Privat­kunden 
  • Firmen­kunden-Margen 
  • Kosten (aktuell, zukünftig, Aufbau­kosten z.B. für Digitalisierung) 

Ähnliche neural­gische Punkte sind auch für die Zielplanung von Familien­unternehmen wichtig, weshalb es sich anbietet, diese im Zuge der Jahres­ge­spräche auch mal mit dem Unter­nehmer persönlich zu besprechen. Das fördert nicht nur nützliche Infor­ma­tionen über dessen Führungsstil und die kommenden Heraus­for­de­rungen zutage, sondern erlaubt es Ihnen außerdem, sich als guter Gesprächs­partner zu profi­lieren. Insbe­sondere, wenn Sie im Gespräch die Sicht­weise des „Zielgebers“ einnehmen. Sind Sie in der Lage, diesen Blick­winkel nachzu­voll­ziehen, weiß der Unter­nehmer schnell, dass er an Ihnen einen Berater gefunden hat, der wirklich auf seiner Seite steht.

Einige Ansatz­punkte für das Gespräch

Eine typische Situation im Jahres­ge­spräch: Der Unter­nehmer sagt Ihnen, dass er im kommenden Jahr plant, mit seinem Unter­nehmen beispiels­weise mehr Umsatz oder ein größeres Wachstum zu erreichen. Diese Feststellung können Sie als Sprung­brett für weiter­füh­rende Fragen nutzen. Vor allem: „Wie soll dieses Ziel erreicht werden?“ Sprechen Sie dabei auch gerne einige Punkte direkt an, um zu zeigen, dass Sie verstehen, was den Unter­nehmer bewegt:

  • Produkte (neue Produkte, Änderungen am Preis, Reduzierung der Ferti­gungs­kosten etc.) 
  • Märkte (Erschließen neuer Märkte, Ausbau auf bereits bedienten etc.) 
  • Kunden (Erschließen neuer Kunden­gruppen etc.) 
  • Mitar­beiter (Weiter­bildung bestehender Mitar­beiter, zusätz­liche Mitar­beiter etc.) 

Gehen Sie dabei gerne ins Detail. Soll beispiels­weise zusätz­licher Umsatz über den Verkauf größerer Mengen von Produkten erreicht werden, dann stellen sich Fragen wie: „Wie viele Produkte mehr müssen Sie dafür verkaufen?“, „wer verkauft diese Produkte und wer kauft sie?“ sowie „müssen neue Kunden­gruppen erschlossen werden, um die zusätz­lichen Produkte zu verkaufen – und wie kommen Sie an diese neuen Kunden?“. Viele der oben genannten Punkte sind eng mitein­ander verzahnt und als Berater können Sie sich gut profi­lieren, wenn Sie demons­trieren können, dass Sie diese Zusam­men­hänge verstehen.

Auch Fragen zum Timing sind nicht nur berechtigt, sondern zeugen auch davon, dass Sie dem Unter­nehmer folgen können: „Bis wann wollen Sie diese Ziele erreicht haben?“ Das ist insbe­sondere deshalb wichtig, da Unter­nehmer, die Produkte für private Endkunden herstellen, oft zeitlich beschränkte Aktionen und Kampagnen fahren (z.B. die etwas martia­lisch betitelten „Frühjahrs­of­fen­siven“). Bei Unter­nehmen, die vor allem im B2B-Geschäft tätig sind, ist das weniger relevant, da Unter­nehmen nicht zu den „Lustkäufern“ gehören und nicht auf derartige Kampagnen anspringen. Ähnlich wie bei Ihnen im Institut, wo geballte und zeitlich eng begrenzte Kampagnen wahrscheinlich ebenfalls nur im Privat­kun­den­be­reich gefahren werden (sollten).

Jahres­ziele sind immer sinnvoll – auch wenn sie Diskus­si­ons­bedarf erzeugen

In Unter­nehmen wie auch in Ihrem Institut sind kurzfristige „Aktionen“ und „Kampagnen“ also nur abhängig von der Art der Zielkunden prakti­kabel, weshalb auch nur in diesen Bereichen kurzfristige Zielset­zungen Verwendung finden. Doch Jahres­ziele sind immer ökono­misch sinnvoll und praktisch alle Unter­nehmen oder Finanz­in­stitute setzen sich derartige Ziele. Als Gründer und Geschäfts­führer des Instituts Für Unternehmer­Familien (IFUF) durfte ich bereits an vielen Zielbe­spre­chungen in Familien­unternehmen teilnehmen und aus meiner Zeit als Finanz­be­rater weiß ich, dass die Reibungs­punkte bei diesen Bespre­chungen oft mit denen bei der Zielbe­spre­chung in Finanz­in­sti­tuten überein­stimmen. Deshalb habe ich Ihnen hier mal einige Punkte aufge­listet, bei denen es in Unter­nehmen regel­mäßig zu Diskus­sionen kommt:

  • Vertriebs­mit­ar­beiter im Unter­nehmen (wie auch Berater in Insti­tuten) haben oft ein einge­schränktes Spielfeld. Sie sind praktisch immer auf ihre jewei­ligen Kunden­ver­bünde beschränkt. Wird also beispiels­weise die Zielvorgabe gemacht, dass mehr Produkte verkauft werden müssen, stehen sie vor der Frage: Wie sollen wir den bestehenden Kunden noch mehr Produkte verkaufen? Insbe­sondere, wenn es Unter­neh­mer­kunden sind, die sich – wie erwähnt – nicht durch Aktionen und Kampagnen locken lassen. 
  • Manche Unter­nehmer und Vorstände sind sich nicht bewusst – oder nicht mehr bewusst, weil schon lange aus dem mühsamen Klein-Klein-Tages­ge­schäft ´raus – wie viel Arbeit es erfordert, einen Unter­neh­mer­kunden zum Kauf zu bewegen. Selbst wenn man sich schon jahrelang kennt. Insbe­sondere beim Cross-Selling wird davon ausge­gangen, dass das Geschäft schon in trockenen Tüchern ist, wenn der Firmen­kun­den­be­rater zum Beispiel den Private-Banking-Berater zum Kunden mitbringt. Die meisten Unter­nehmer werden den Private-Banking-Berater erst noch kennen­lernen müssen, um ihm vollstes Vertrauen zu schenken. 
  • In einigen Fällen ist für die Vertriebler/Berater unzurei­chend definiert, wie die Führungs­etage den Erfolg des jewei­ligen Mitar­beiters berechnen wird. Geht es darum, möglichst viele Gespräche vorzu­weisen (nach dem Motto „Kontakte schaffen Kontrakte“)? Oder zählen nur Abschlüsse und die erreichte Marge? 
  • Werden sich die Zielvor­gaben im kommenden Jahr danach berechnen, ob die Zielvor­gaben für dieses Jahr erreicht wurden, oder werden sie anhand der tatsächlich erreichten Zahlen berechnet? So mancher Vertriebler oder Berater hat in einem guten Jahr schon 110 % der Zielvor­gaben erreicht, nur um im darauf­fol­genden Jahr eine Zielvorgabe zu erhalten, die diese Übererfüllung schon als neuen Mindestwert definiert. Das erzeugt Frust und ein echtes Hamsterrad-Gefühl beim Berater/Vertriebler. Manche von ihnen werden dann schon im November schauen, ob sie sich Dinge auf das kommende Jahr legen können, um in diesem Jahr möglichst nicht „zu viel Erfolg“ zu haben. 

Familien­unternehmer sind typischer­weise gut darin, Ziele nach Augenmaß zu definieren. Das bedeutet: Sie gehen bei den Zielvor­gaben von „so viel wie möglich ist“ aus. Und wenn die gesteckten Ziele nicht erreicht werden, dann schauen sie: Wurden wirklich alle Möglich­keiten ausge­schöpft? Haben die Mitar­beiter wirklich alles gegeben? Stellt der Unter­nehmer dann fest: Ja, es wurde alles getan, was möglich war – und ja, man hat die Ziele nicht erreicht, war aber immer noch besser als die Konkurrenz oder angesichts der Rahmen­be­din­gungen überra­schend erfolg­reich – dann ist der Unter­nehmer persönlich auch ganz zufrieden mit dem, was konkret erreicht wurde. Wichtig ist ihm auch hier, dass zumindest die ökono­mi­schen Ziele erreicht wurden – also soviel Umsatz gemacht wurde, dass der „Laden am Laufen“ gehalten wird.

Gedacht für die Zukunft

In gewisser Hinsicht ist es schon eine Ironie des Schicksals, wenn ich Ihnen an dieser Stelle rate, sich mit den Unter­neh­mer­kunden über deren Zielvor­gaben und Vorstel­lungen für die Zukunft zu unter­halten. Denn für die Zukunft Ihres Instituts ist es wiederum wichtig, dass Sie genau das mit sich selbst und Ihren Führungs­kräften oder Mitar­beitern auch tun. Familien­unternehmer und Unternehmer­familien sind DIE Zukunfts­felder der Finanz­dienst­leis­tungs­branche, sowohl auf Private-Banking- als auch auf Firmen­kun­den­seite (und natürlich mit den dazuge­hö­rigen Segmenten wie Zahlungs­verkehr, Auslands­ge­schäft, Versi­che­rungen, Genera­tio­nen­ma­nagement und vielen mehr). Der indivi­duelle Beratungs­ansatz wird in Zukunft in erster Linie einer kleinen Gruppe von Top-Kunden vorbe­halten sein, bei denen dieser deutlich komplexer wird, aber gleich­zeitig eine wesentlich größere Marge erzeugt. In Zukunft werden mitunter bis zu 90 % der Gewinne in den unter­schied­lichen Vertriebs­ein­heiten mit Famili­en­un­ter­nehmern und Unternehmer­familien einge­fahren werden (müssen). Die Beratung von Mensch zu Mensch wird daher wichtiger und das Jahres­ge­spräch über die Zukunft des Unter­nehmens ist hier ein guter Weg in Richtung des subjek­tiven Wohlfühlfaktors.

Das gilt insbe­sondere, wenn Sie im Gespräch zeigen, dass Sie die Denkweise des Unter­nehmers, seine Sorgen und Nöte, aber auch die Chancen, die sich ihm bieten, verstehen. Sich dort hinein­zu­denken ist gar nicht so schwierig, denn wie wir bereits gesehen haben, gibt es in Unter­nehmen und Finanz­in­sti­tuten viele sehr ähnliche Punkte zu beachten, wenn es um die Zielvor­gaben geht. Alles, was Sie noch benötigen, ist der Blick­winkel des „Zielgebers“. Denn als Unter­nehmer braucht man wirklich nicht noch jemanden, der von der anderen Seite aus argumen­tiert und erklärt, warum alles, was man sich vorge­nommen hat, doch nicht klappen wird.

Als Berater können Sie sich über diese Entwicklung eigentlich nur freuen, denn Familien­unternehmer und Unternehmer­familien werden in Zukunft dieje­nigen Kunden sein, mit denen Sie am meisten Zeit verbringen – und das ist auch gut so, denn sie sind auch Ihre faszi­nie­rendsten Kunden. Lernen Sie also am besten schon heute, Unter­nehmer (noch besser) zu verstehen, sodass Sie mit einem positiven Mindset an diese Verän­de­rungen heran­gehen können.

Einzig­artig positio­nieren mit dem Blick­winkel des Unternehmers

Unter­nehmer und Finanz­in­stitute funktio­nieren – zumindest was die Zielsetzung angeht – praktisch identisch: Die Ziele werden mit mehr oder weniger Rücksprache von der obersten Stelle vorge­geben. Sprechen Sie also mit Famili­en­un­ter­nehmern über die Ziele des nächsten Jahrs (oder in einem geson­derten Gespräch sogar über die Ziele der kommenden 5 Jahre) und nutzen Sie die Erfahrung, die Sie dazu bereits bei sich im Institut sammeln konnten. Was Sie jetzt noch benötigen, ist der Blick­winkel des Unter­nehmers: Warum gibt er seinen Mitar­beitern die Ziele vor, die er ihnen nun mal gibt (z.B. ökono­mische Zwänge)? Im Gespräch mit dem Unter­nehmer gilt es bei diesem Thema, seinen Blick­winkel einzunehmen.

Glauben Sie mir, Zweifel an den Zielvor­gaben hört der Unter­nehmer von seinen Mitar­beitern schon genug, das braucht er nicht auch noch von seinem Finanz­be­rater. Vielmehr wünscht er sich hier jemanden, der seine Sicht­weise versteht und zusätzlich neue Ideen einbringt oder beispiels­weise auch mal einen Aspekt anspricht, den der Unter­nehmer eventuell noch nicht ausrei­chend überdacht hat („Wenn mehr Produkte verkauft werden sollen, wer soll diese dann kaufen und wie kommt man an diese Leute ran?“).

Ich rate Ihnen an dieser Stelle: Lassen Sie sich ohne Vorbe­halte auf den Blick­winkel des Unter­nehmers ein, denn hier werden in Zukunft ihre inter­es­san­testen Gespräche und Ihre größten Erfolge statt­finden. Lassen Sie die Ideen und Tipps dieses Artikels auf sich wirken und nutzen Sie sie, um für den Unter­nehmer zum perfekten Sparrings­partner zu werden. So können Sie sich bei ihm in eine einzig­artige Vertrau­ens­po­sition manövrieren. Und vielleicht können Sie dadurch bereits direkt das eine oder andere Geschäft für das kommende Jahr einfädeln?

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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