Wenn Familien­unternehmen und Finanz­in­stitute auf dem Markt agieren, dann handeln sie dabei gemäß der Theorie der unsicht­baren Hand von Adam Smith. Mit anderen Worten: Jeder versucht, für sich selbst den größten Gewinn heraus­zu­schlagen, und vertraut darauf, dass sich der Markt als Gesamt­kon­strukt zum Allge­meinwohl selbst reguliert. Doch greift dieses Prinzip auch dann, wenn verschiedene Vertriebs­ein­heiten innerhalb desselben Instituts um den gleichen Kunden wetteifern? Die Erfahrung zeigt: insti­tuts­intern bewährt sich eine ganz andere Herangehensweise.

Adam Smith: Die Theorie von der unsicht­baren Hand des Marktes

Der schot­tische Ökonom Adam Smith beschreibt im 18. Jahrhundert ein ökono­mi­sches und gesell­schaft­liches Modell, nach dem (in heutiger Lesart) jeder Akteur auf dem Markt aus Eigennutz handelt. Gemäß Smith hat dies zur Folge, dass sich die Starken durch­setzen, was wiederum der Gesell­schaft als Ganzes nutzt. Eine externe Regulierung des Marktes ist in diesem System nicht notwendig, da die „unsichtbare Hand“ des Marktes denselben automa­tisch im Gleich­ge­wicht hält.

Wenn Sie sich Ihre Unter­neh­mer­kunden anschauen, werden Sie schnell feststellen: Hier wird eindeutig nach Adam Smith gespielt. Jeder Unter­nehmer arbeitet ausschließlich für das eigene Unter­nehmen und sieht jeden Verlust eines anderen Unter­nehmens als poten­zi­ellen eigenen Gewinn an. Konkur­rieren zwei oder mehrere Unter­nehmen in derselben Branche, versuchen sie ganz selbst­ver­ständlich alles, um sich gegen­seitig zu übertrumpfen – von Preis­sen­kungen bis zur Erfor­schung neuer proprie­tärer Techno­logien für die eigenen Produkte. Und genau so verhalten sich Unter­nehmer auch gegenüber Finanz­in­sti­tuten und versuchen, sie gegen­ein­ander auszuspielen.

Adam Smith bei den Finanzdienstleistern

Ihr Institut handelt auf dem Finanz­markt nach genau demselben Muster. Stellen Sie sich beispiels­weise vor, in Ihrem Geschäfts­be­reich benötigen 100 Unter­nehmer jeweils eine neue Maschine. Würden diese nun alle jeweils einen Kredit bei den regio­nalen Finanz­in­sti­tuten anfragen, wären letztere sicher froh, denn dann könnte jedes Institut ein Stück vom Kuchen abbekommen. In der Realität sieht die Sache jedoch anders aus: Von den 100 neuen Maschinen wird ein Großteil direkt bezahlt. Immerhin „schmilzt das Vermögen auf dem Konto dank Verwah­rentgelt nur so dahin“ (aus dem Blick­winkel des Unter­nehmers) – da erscheint es sinnvoller, keinen Kredit aufzu­nehmen, sondern direkt das Firmen­konto zu belasten. Ein weiterer Teil der Maschinen wird wiederum über Herstel­ler­fi­nan­zie­rungen abgezahlt. Und am Ende bleiben von 100 Maschinen nur noch rund 20 übrig, für die tatsächlich Kredite bei Finanz­in­sti­tuten angefragt werden (wohlge­merkt: die Finanz­pro­dukte werden nicht gleich gekauft, nur angefragt).

Das sorgt für eine harte Konkur­renz­si­tuation, bei der sich die einzelnen Institute gegen­seitig über-/unter­bieten müssen, um Erfolg beim Kunden zu haben. Hier kommt also Smiths „unsichtbare Hand“ zum Zug: Man versucht, Kredit­zinsen zu senken oder weniger Sicher­heiten zu fordern, um ein besseres Angebot als die Konkurrenz machen zu können – die geringe Nachfrage sorgt dafür, dass sich das Angebot anpasst. Eine ähnliche Situation haben wir im Private-Banking-Bereich, bei den Versi­che­rungen und bei vielen weiteren Dienst­leis­tungen der Institute. Das ökono­mische System von Adam Smith herrscht also nicht nur bei Famili­en­un­ter­nehmern, sondern auch bei Finanz­in­sti­tuten vor – zumindest extern.

John Nash: Gleich­ge­wicht durch Anpassung der eigenen Handlungen

Ende des 20. Jahrhun­derts definierte der ameri­ka­nische Mathe­ma­tiker John F. Nash Jr. die „regulie­rende Dynamik“, die bald als „Nash-Gleich­ge­wicht“ bekannt wurde und als Teil der Spiel­theorie auch auf die Ökonomie angewendet werden kann. Das zentrale Element dieser Theorie ist, dass es für Akteure auf dem Markt unter bestimmten Umständen sinnvoll sein kann, ihr Handeln unter Berück­sich­tigung des Handelns der anderen Akteure so anzupassen (oder gegebe­nen­falls nicht anzupassen), dass die gesamte Gruppe am Ende besser dasteht, als wenn jeder rein nach Eigennutz handeln würde.

Verfügt Ihr Institut lediglich über einen Firmen­kunden- oder einen Private-Banking-Bereich, dann können Sie getrost bei Adam Smith bleiben, denn Sie inter­agieren nur mit externer Konkurrenz. Bietet Ihr Institut jedoch Dienst­leis­tungen aus beiden Vertriebs­ein­heiten an, dann kann es sein, dass beispiels­weise Private Banking und Firmen­kunden-Banking beide um denselben Kunden buhlen. Würden Sie hier nach Smith handeln, dann würde das Institut nicht nur gegenüber der externen Konkurrenz Eigennutz anstreben, sondern auch jede Vertriebs­einheit intern gegen­ein­ander arbeiten. Und das geht erfah­rungs­gemäß schnell schief.

Ich rate darum Insti­tuten, sich intern an John Nashs „Nash-Gleich­ge­wicht“ zu orien­tieren. Mit anderen Worten: Insti­tuts­intern ist es deutlich sinnvoller, sich genau abzusprechen und einhei­ten­über­greifend zu koope­rieren. Denn der Gewinn des Einzelnen ist der Gewinn des Instituts – egal, welche Vertriebs­einheit ihn erwirt­schaftet. Kommen sich die Vertriebs­ein­heiten jedoch gegen­seitig in die Quere, kann es sein, dass sich am Ende keine von beiden beim Kunden durch­setzen kann – und das ist ein Verlust für das gesamte Institut, so wie es die Filmbio­grafie „A Beautiful Mind“ über Nash ganz anschaulich demonstriert.

Konkurrenz nach außen, Koope­ration intern: Smith und Nash im Finanzinstitut

Adam Smiths Theorie intern im Finanz­in­stitut umzusetzen, würde nur zur Folge haben, dass verschiedene Vertriebs­ein­heiten an den wenigen verfüg­baren Unter­neh­mer­kunden zerren würden. Das sähe dann in etwa so aus:

Man muss kein Physiker sein, um zu erkennen, dass hier viel Kraft verloren geht, da man in unter­schied­liche Richtungen zieht. Das schwächt den Kraft­einsatz des gesamten Teams und lässt es gegenüber Konkur­renten unter­liegen, bei denen jeder in dieselbe Richtung zieht, wie es beispiels­weise nach Nash der Fall wäre. Das sähe dann so aus:

Ich rate Ihnen also, im Institut das Nash-Gleich­ge­wicht umzusetzen oder zumindest mal ergeb­nis­offen zu disku­tieren. Die Umsetzung erfordert typischer­weise eine Umstellung von Struk­turen und Prozesse, da diese häufig noch auf eine Konkur­renz­si­tuation gemäß Smith ausgelegt sind. Erfah­rungs­gemäß gibt es in den meisten Insti­tuten folgendes zu tun:

  • Sauberes Abstimmen der Zielkarten aufein­ander: Das kann insbe­sondere dann als Chance betrachtet werden, wenn gerade die Ziele für das kommende Jahr definiert werden. 
  • Ziele und Priori­täten abgleichen: In vielen Insti­tuten sind die einzelnen Vertriebs­ein­heiten unter­schied­lichen Vorstands­ressort-Seiten zugeordnet. Haben diese unter­schied­liche Ziele und Priori­täten, kann das die Abstimmung der Zielkarten erschweren. 
  • Klar definieren, wem ein Erfolg zugeordnet wird: Wie ich in der Vergan­genheit schon in einem meiner Neulich-beim-Kunden-Artikel verdeut­licht habe, ist es für die Moral des Teams wichtig, dass Erfolge Anerkennung erhalten. Und da die meisten Erfolge von vielen Händen gemacht werden, empfehle ich ein System, in dem auch alle dafür Anerkennung erhalten. 
  • Für Größen­un­ter­schiede im Deckungs­bei­trags­denken sensi­bi­li­sieren: In einem meiner Realfall-Coachings erwähnte mal ein Firmen­kun­den­be­rater, dass er pro Jahr mehrere hundert­tausend Euro Deckungs­beitrag erwirt­schaftet. Und als der Private-Banking-Berater aus demselben Institut seine Zahl nannte, rutschte es dem FKB heraus: „Für so kleine Summen nehme ich dich gar nicht mit“. Sein erster Gedanke war, dass er dafür nicht seinen eigenen Deckungs­beitrag aufs Spiel setzen wollte – was natürlich ungewollt den Kollegen vor den Kopf stieß, wie ich es in meinem Artikel zu Arroganz und Selbst­be­wusstsein von Firmen­kun­den­be­ratern vor Kurzem thema­ti­siert habe. 
  • Definieren, wer die „Büttel­arbeit“ macht: Sich in das Routine-Tages­ge­schäft reinzu­fuchsen, Vor- und Nachbe­rei­tungen zu machen etc. gilt nicht gerade als der glamou­rö­seste Teil der Berater­arbeit, doch er muss gemacht werden. Arbeiten mehrere Berater unter­schied­licher Vertriebs­ein­heiten bei einem Kunden zusammen, sollte darum klarge­stellt werden, wer für diese Arbeiten zuständig ist. Und gegebe­nen­falls kann man diesem Berater dann auch das größere Maß öffent­licher Anerkennung zuteil werden lassen. 
  • Klarstellen, wem der Kunde „gehört“: Finanz­be­rater können manchmal sehr hartnäckig werden, wenn es um „ihre“ Kunden geht. Und dann lassen sie sich auch nicht von Beratern aus anderen Vertriebs­ein­heiten bei „ihrem“ Kunden dazwi­schen­reden. Es ist also klarzu­stellen, dass es sich beim Kunden um den Kunden des Instituts handelt und alle Berater als verlän­gerter Arm des Instituts auftreten. Sich unter­ein­ander um die Zustän­digkeit zu streiten, ist also weder notwendig noch sinnvoll. 

Das Team zählt

Zu guter Letzt möchte ich diesen Punkt noch einmal gesondert hervor­heben: Die Finanz­be­ratung ist seit langem schon keine Ein-Mann-Show mehr, sondern ein Stück, bei dem jeder im Team seine Rolle spielt – und in dieser Rolle maßgeblich zum Erfolg des gesamten Schau­spiels beiträgt. 

Es ist also nicht ratsam, im Institut den Kollegen aus anderen Vertriebs­ein­heiten zu sagen: „Ich mache erstmal mein Geschäft mit dem Kunden und wenn ich damit fertig bin, nehme ich dich vielleicht auch mal mit.“ Wer extern dem Konkur­renz­kampf gegen andere Institute stand­halten muss, der braucht garan­tiert nicht noch einen internen Konkur­renz­kampf gemäß Adam Smith.

Ziehen Sie lieber gemeinsam an einem Strang gemäß Nash: Wenn die Chance da ist, in beiden Einheiten Erfolg mit dem Kunden zu haben, dann sollte man zusam­men­ar­beiten, um für das Institut den größt­mög­lichen Gesamt­erfolg heraus­zu­schlagen. Das gilt für alle Beratungs­si­tua­tionen, vom Tandem bis zur Kunden­kon­ferenz. Ich empfehle also: Weniger „Wenn ich meinen Abschluss habe, dann nehme ich Kollegen mit“ und mehr „Lass uns zusammen zum (Ziel-)Kunden fahren, um gemeinsam das Maximum aus ihm herauszuholen“.

Etablieren Sie Struk­turen für die perfekte Mischung beider Theorien

In einer Welt, in der der Konkur­renz­kampf nicht nur zwischen Ihren Kunden, sondern auch zwischen den Insti­tuten gemäß Adam Smith tobt („Jeder tut im Wettbewerb das, was für ihn das Beste ist“), rate ich den Insti­tuten dringend, intern nach John F. Nash Jr. zu handeln („Jeder tut im Wettbewerb das, was für ihn und für die Gruppe das Beste ist“). Denn eine interne Konkur­renz­si­tuation nach Smith schwächt nur das eigene Institut, während die Zusam­men­arbeit nach Nash den maximalen Erfolg für das Institut herausholt. Und das ist es, was am Ende zählt: Gemeinsam das Beste für alle Vertriebs­ein­heiten und damit für das Institut als Ganzes erreichen. Dies wird letzt­endlich auch dazu führen, dass Sie für sich selbst das Beste erreichen werden.

Wenn es Ihnen gelingt, sich intern (noch mehr) abzustimmen, den (Ziel-)Kunden als Ganzes zu betrachten und profes­sionell in die Gespräche zu gehen, dann bin ich mir zu hundert Prozent sicher: Ihren Unter­nehmern wird es gefallen. Wie schon erwähnt, befinden sich Unter­nehmer eh schon im perma­nenten Wettbe­werbs­stress á la Smith. Da sind Gespräche mit Finanz­be­ratern, die sich profes­sionell abstimmen, ihre Rollen und Bedürf­nisse definieren und im gemein­schaft­lichen Sinne handeln, sehr angenehm und wohltuend. Und das wiederum schafft den subjek­tiven Wohlfühl­faktor, von Mensch zu Mensch trans­por­tiert, der ihn dazu bringen wird, bei Ihnen abzuschließen und nicht bei Ihrer Konkurrenz.

Kontakt

Dirk Wiebusch
info@ifuf.de

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